Arbeitervolkshochschule Harrisleefeld: Unterschied zwischen den Versionen

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Die '''Arbeitervolkshochschule Harrisleefeld''' wurde [[1928]] als Bildungsstätte für Arbeiter und Angestellte mit einem Schulgebäude in der Süderstraße in [[Ortsverein Harrislee|Harrisleefeld]] errichtet.
Die '''Arbeitervolkshochschule Harrisleefeld''' wurde [[1928]] als Bildungsstätte für Arbeiter und Angestellte mit einem neu erbauten Schulgebäude und Internat in der Süderstraße in [[Ortsverein Harrislee|Harrisleefeld]] eingerichtet.


== Vorgeschichte ==
==Vorgeschichte==
Der Erfolg der Weimarer Republik hing nach Ansicht der SPD in Schleswig-Holstein nicht zuletzt davon ab, wie gut es gelänge, die Verwaltung zu demokratisieren. Dazu musste Angehörigen der Arbeiterklasse - anders als im Kaiserreich - der Weg in die Verwaltung offen stehen. Sie mussten aber auch ermutigt werden, in diese bisher als feindlich angesehene Institution einzutreten, in ihr Machtpositionen auf allen Ebenen einzunehmen, und sie mussten mit dem Wissen ausgerüstet werden, das für eine erfolgreiche Arbeit notwendig war. Aufgrund der Geschichte gab es wenig Erfahrung und Vorbilder. Abhilfe sollten unter anderem die Arbeitervolkshochschulen schaffen.<ref>Jacobsen, Jens-Christian: ''[http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_03/Demokratische_Geschichte_Band_03_Essay17.pdf 'Der Stolz der Gesamtpartei?' Die SPD Schleswig-Holstein 1918-1933]'', ''Demokratische Geschichte'' Band 3(1988), S. 226 f.</ref>
Der Erfolg der Weimarer Republik hing nach Ansicht der [[Bezirksverband Schleswig-Holstein|SPD in Schleswig-Holstein]] nicht zuletzt davon ab, wie gut es gelänge, die Verwaltung zu demokratisieren. Dazu musste Angehörigen der Arbeiterklasse - anders als im Kaiserreich - der Weg in die Verwaltung offen stehen. Sie mussten aber auch ermutigt werden, in diese bisher als feindlich angesehene Institution einzutreten, in ihr Machtpositionen auf allen Ebenen einzunehmen, und sie mussten mit dem Wissen ausgerüstet werden, das für eine erfolgreiche Arbeit notwendig war. Aufgrund der Geschichte gab es wenig Erfahrung und Vorbilder. Abhilfe sollten unter anderem die Arbeitervolkshochschulen schaffen.<ref>Jacobsen, Jens-Christian: ''[http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_03/Demokratische_Geschichte_Band_03_Essay17.pdf 'Der Stolz der Gesamtpartei?' Die SPD Schleswig-Holstein 1918-1933]'', ''Demokratische Geschichte'' Band 3(1988), S. 226 f.</ref>


Schon auf den Parteitagen ab [[1924]] war dies von maßgeblichen Funktionären wie [[Wilhelm Brecour]] oder [[Louis Biester]] gefordert worden.<ref>Jacobsen, Jens-Christian: ''[http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_03/Demokratische_Geschichte_Band_03_Essay17.pdf 'Der Stolz der Gesamtpartei?' Die SPD Schleswig-Holstein 1918-1933]'', ''Demokratische Geschichte'' Band 3(1988), S. 228 Anm. 60</ref>
Schon auf den Parteitagen ab [[1924]] war dies von maßgeblichen Funktionären wie [[Wilhelm Brecour]] oder [[Louis Biester]] gefordert worden.<ref>Jacobsen, Jens-Christian: ''[http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_03/Demokratische_Geschichte_Band_03_Essay17.pdf 'Der Stolz der Gesamtpartei?' Die SPD Schleswig-Holstein 1918-1933]'', ''Demokratische Geschichte'' Band 3(1988), S. 228 Anm. 60</ref>


[[1928]] gründete sich eine reichsweite Gesellschaft der Freunde der Arbeitervolkshochschulen unter Vorsitz der Kieler Bildungs- und Kulturpolitikerin [[Toni Jensen]], deren Unterstützung maßgeblich zur Eröffnung von Harrisleefeld beitrug.<ref>Schultheiß, Nicole: ''Geht nicht gibt's nicht. 24 Portraits herausragender Frauen aus der Kieler Stadtgeschichte'' (Kiel 2007), S. 53-56. Online-Version: [https://www.kiel.de/de/kiel_zukunft/stadtgeschichte/frauenportraits/buch16_portrait_jensen.php Toni Jensen]</ref>
[[1928]] gründete sich eine reichsweite "Gesellschaft der Freunde der Arbeitervolkshochschulen" unter Vorsitz der Kieler Bildungs- und Kulturpolitikerin [[Toni Jensen]], deren Unterstützung maßgeblich zur Eröffnung von Harrisleefeld beitrug.<ref>Schultheiß, Nicole: ''Geht nicht gibt's nicht. 24 Portraits herausragender Frauen aus der Kieler Stadtgeschichte'' (Kiel 2007), S. 53-56. Online-Version: [https://www.kiel.de/de/kiel_zukunft/stadtgeschichte/frauenportraits/buch16_portrait_jensen.php Toni Jensen]</ref><ref name=":0">[https://library.fes.de/luebeck/pdf/1928/1928-081.pdf ''Lübecker Volksbote'', 4.4.1928]</ref> [[Harry Henningsen]] zählt das Gebäude zu einer "Reihe von öffentlichen Bauten, die von deutscher Seite als 'Dank für das [[Minderheitenpolitik|Abstimmungsergebnis von 1920]]' gefördert wurden."<ref>Henningsen, Harry: ''Versammlungshaus'', [https://www.spd-harrislee.de/wp-content/uploads/sites/1185/2021/02/Infobrief_2016_2.pdf ''WIR - in Harrislee'', Ausgabe Oktober 2016], </ref> Was letztlich dazu führte, dass die Schule gerade hier, am nördlichsten Punkt des Deutschen Reiches, eingerichtet wurde, ist noch nicht ermittelt.


== Die Schule ==
==Die Schule==
Die ''Gewerkschaftliche Rundschau für die Schweiz'' berichtete [[1928]]:
Die ''Gewerkschaftliche Rundschau für die Schweiz'' berichtete [[1928]]:
<blockquote>"In Harrisleefeld bei Flensburg (Schleswig) ist erst vor einigen Wochen eine weitere Arbeitervolkshochschule eröffnet worden, die mit staatlicher Hilfe gebaut worden ist. Im Verwaltungsrat sitzen Vertreter des [[ADGB|A. D. G. B.]] und der sozialdemokratischen Partei. Es sollen jährlich zweimal je 30 Schüler zu 5 Monatskursen aufgenommen werden. Die Leitung liegt in den Händen von Genossen [[Erwin Marquardt|E. Marquart]]. Die Verpflegungs- und Unterrichtskosten belaufen sich auf 500 Mark für einen Kurs."<ref>Herkner, Heinrich: ''[http://www.e-periodica.ch/cntmng?var=true&pid=grs-001:1928:20::630 Arbeiterschulen in Deutschland]'', ''Gewerkschaftliche Rundschau für die Schweiz: Monatsschrift des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes'', Band 20/1928 Heft 6, S. 203</ref></blockquote>


: "In Harrisleefeld bei Flensburg (Schleswig) ist erst vor einigen Wochen eine weitere Arbeitervolkshochschule eröffnet worden, die mit staatlicher Hilfe gebaut worden ist. Im Verwaltungsrat sitzen Vertreter des [[ADGB|A. D. G. B.]] und der sozialdemokratischen Partei. Es sollen jährlich zweimal je 30 Schüler zu 5 Monatskursen aufgenommen werden. Die Leitung liegt in den Händen von Genossen [[E. Marquart]]. Die Verpflegungs- und Unterrichtskosten belaufen sich auf 500 Mark für einen Kurs."<ref>Herkner, Heinrich: ''[http://www.e-periodica.ch/cntmng?var=true&pid=grs-001:1928:20::630 Arbeiterschulen in Deutschland]'', ''Gewerkschaftliche Rundschau für die Schweiz: Monatsschrift des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes'', Band 20/1928 Heft 6, S. 203</ref>
Hier sollten "fähige Arbeiter und einfache Angestellte mit Studiengängen in Staats- und Rechtswissenschaften, Volkswirtschaftslehre, Finanzwirtschaft und Sozialwissenschaften auf Führungspositionen in staatlichen und kommunalen Verwaltungen" vorbereitet werden.<ref>Vgl. {{Wikipedia|NAME=Erwin Marquardt (Pädagoge)}}, abgerufen 3.4.2020</ref>


Sehr bald muss die Leitung vom Genossen Marquart, über den bisher nichts Weiteres ermittelt werden konnte, auf [[Amandus Lützen]]<ref>Ludwig, Tina: ''[https://www.shz.de/lokales/flensburger-tageblatt/im-zentrum-des-widerstands-id10287641.html Im Zentrum des Widerstands]'', ''Flensburger Tageblatt'', 23.7.2015</ref> übertragen worden sein, der ab [[1928]] zusammen mit seiner Frau [[Sophie Lützen]] zu den prägenden Persönlichkeiten der SPD im Raum Flensburg gehörte.
Zu den Absolventen der Schule gehörten so bekannte schleswig-holsteinische Sozialdemokraten wie [[Otto Engel]], [[Walter Hohnsbehn]], [[Eugen Lechner]], [[Walter Lurgenstein]] - der auch über ihre Geschichte geschrieben hat (vgl. unten) - und [[Hermann Schwieger]]. [[Franz Osterroth]] fasst zusammen:
<blockquote>"In den knapp fünf Jahren des Bestehens der Arbeitervolkshochschule vermittelte sie einer Reihe von führend gewordenen [[Jusos|Jungsozialisten]] und Junggewerkschaftern gediegene Kenntnisse für ihre politische Arbeit."<ref name=":1">Osterroth: ''100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein'', S. 93</ref></blockquote>


Zu den Absolventen der Schule in der kurzen Zeit ihres Bestehens gehörten so bekannte schleswig-holsteinische Sozialdemokraten wie [[Otto Engel]], [[Walter Hohnsbehn]], [[Eugen Lechner]], [[Walter Lurgenstein]], der auch über ihre Geschcihte geschrieben hat (vgl. unten), und [[Hermann Schwieger]].
===Beginn===
Der erste Kurs begann schon vor der offiziellen Eröffnung am [[1. Juni]] [[1928]]. Die Bewerbungen waren an [[Toni Jensen]] gegangen; neben dem Lebenslauf wurde von den Bewerbern ein Aufsatz über ihre bisherigen geistigen Beschäftigungen gefordert.<ref name=":0" />


Über die Eröffnung am [[29. September]] [[1928]] berichtet [[Franz Osterroth]]:
<blockquote>"Der neue Kanzler [d.h. [[Hermann Müller]], Reichskanzler] sprach bei der Einweihung der durch die Initiative der Landtagsabgeordneten [[Toni Jensen]] entstandenen Arbeitervolkshochschule in Harriesleefeld [sic], wo er Schleswig-Holstein als ein besonderes Land der Heimvolkshochschulen rühmte und der neuen Arbeitervolkshochschule die Aufgabe stellte, ihre Teilnehmer für staatliche Betätigung zu bilden."<ref name=":1" /></blockquote>
===Leitung===
Erster Leiter der neuen Bildungsstätte war der "hervorragende sozialdemokratische Pädagoge"<ref name=":0" /> Dr. [[Erwin Marquardt]], der zuvor an Arbeiterschulen in Berlin tätig war.<ref name=":0" /> Auf Grund seiner erfolgreichen Arbeit als Bildungsorganisator erhielt er [[1929]] zwei verlockende Angebote aus Berlin. Der [[ADGB]] bot ihm die Leitung der neuen Gewerkschaftsschule in Bernau an und der Magistrat von Berlin wollte ihn als Direktor der Volkshochschule Groß-Berlin einstellen. Er kehrte daraufhin nach Berlin zurück.
Ihm folgte Dr. [[Alfred Kähler]], "der ehemalige [[Jusos|Jungsozialist]] aus [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Kiel]], [...] der in seiner Person den geistigen Aufstiegswillen der [[SAJ|Arbeiterjugend]] verkörperte." <ref name=":1" />
Welche Stellung [[Amandus Lützen]], der ab [[1928]] zusammen mit seiner Frau [[Sophie Lützen]] zu den prägenden Persönlichkeiten der SPD im Raum Flensburg gehörte, an der Schule hatte, ist noch nicht ermittelt. Dass er "die Leitung übernahm", wie es in einem Erinnerungsartikel heißt<ref>Ludwig, Tina: ''[https://www.shz.de/lokales/flensburger-tageblatt/im-zentrum-des-widerstands-id10287641.html Im Zentrum des Widerstands]'', ''Flensburger Tageblatt'', 23.7.2015</ref>, ist nicht belegt; dazu hätte er wohl auch nicht über die erforderliche Qualifikation verfügt. An einer Stelle wird er als "Hausmeister" bezeichnet - möglicherweise ging es also um die technische Leitung, für die er als erfahrener Handwerker sicherlich qualifiziert war.
==NS-Herrschaft==
[[1933]] wurde die Schule durch die Nationalsozialisten geschlossen, ohne Gegenleistung (soweit bekannt) enteignet und ab [[1936]] als Provinzialfeuerwehrschule genutzt. In ähnlicher Funktion dient das Gebäude noch heute als Landesfeuerwehrschule.
[[1933]] wurde die Schule durch die Nationalsozialisten geschlossen, ohne Gegenleistung (soweit bekannt) enteignet und ab [[1936]] als Provinzialfeuerwehrschule genutzt. In ähnlicher Funktion dient das Gebäude noch heute als Landesfeuerwehrschule.


== Literatur ==
[[Walter Lurgenstein]] wurde am [[24. März]] [[1933]] aufgrund einer Denunziation von den Nazis verhaftet, nicht zuletzt wegen seines Engagements für Harrisleefeld. Er wohnte damals in Husum in der Süderstraße 120; als Beruf ist "Schneider" angegeben. Bei seiner Verhaftung wurde ein umfangreiches Paket von Schriften beschlagnahmt, vieles davon Lehrmaterial der Arbeitervolkshochschule.<ref>Landesarchiv Schleswig-Holstein, Az. 384.1/21</ref>
* Jacobsen, Jens Christian: ''Vom Landarbeiter zum Lokalredakteur. Die Arbeitervolkshochschulen Tinz und Harrisleefeld'', ''Grenzfriedenshefte'' 4/1993, S. 273-287
 
* [[Walter Lurgenstein|Lurgenstein, Walter]]: ''Die ehemalige Arbeitervolkshochschule Harrisleefeld - ein unverdientes Schicksal'', ''Grenzfriedenshefte'' 2/1962, S. 108-115
Nach Kriegsende, im Mai [[1945]], hielten sich Himmler und zahlreiche hohe SS-Offiziere für einige Tage in der nunmehrigen Feuerwehrschule auf. Sie hatten sich
<blockquote>"im Polizeipräsidium Flensburg alle Rangabzeichen von ihren Uniformen entfernt und sich gefälschte Papiere ausstellen lassen. Zur besseren Tarnung rasierte er sich den Bart ab, legte die Brille ab und trug seitdem eine Augenklappe. Himmlers Papiere wiesen ihn als "Heinrich Hitzinger", "Feldwebel der geheimen Feldpolizei" aus.
In dieser Zeit hielt er sich mit seiner Gefolgschaft etwa drei Tage in der Landesfeuerwehrschule bei uns in Harrislee auf.
Jonny D. Matthiesen, der ehemalige Schulleiter der Landesfeuerwehrschule, schreibt in seinem Erinnerungsbericht: '.... auch Himmler kam mit seinem persönlichen Schutz von 40 Mann....... Himmler hielt noch eine Ansprache auf dem Übungsplatz der Feuerwehrschule an das Offizierscorps - er sprach noch von Sieg und Erneuerung des Großdeutschen Reiches'."<ref>Henningsen: ''Naziverbrecher Himmler in Harrislee'', Zitat Matthiesen aus Pantléon: ''Chronik'', S. 416</ref></blockquote>
Wenige Tage später wurde er auf der Flucht nach Süden von einer Militärpatrouille erkannt und stahl sich mit Hilfe von Zyankali aus der Verantwortung für seine Taten.
 
==Literatur==
*[[Harry Henningsen|Henningsen, Harry]]: ''[https://www.spd-harrislee.de/wp-content/uploads/sites/1185/2021/02/Infobrief_2016_1.pdf Naziverbrecher Himmler in Harrislee]'', ''WIR - in Harrislee'', Ausgabe Januar 2016, S. 2
*Jacobsen, Jens Christian: ''Vom Landarbeiter zum Lokalredakteur. Die Arbeitervolkshochschulen Tinz und Harrisleefeld'', ''Grenzfriedenshefte'' 4/1993, S. 273-287
*[[Walter Lurgenstein|Lurgenstein, Walter]]: ''[https://www.dein-ads.de/fileadmin/download/pdf_grenzfriedenshefte/1962/grenzfriedenshefte-2-1962.pdf Die ehemalige Arbeitervolkshochschule Harrisleefeld - ein unverdientes Schicksal]'', ''Grenzfriedenshefte'' 2/1962, S. 108-115
*[[Franz Osterroth|Osterroth, Franz]]: ''100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein'' (Kiel 1963)
*Pantléon, Thomas / Gemeinde Harrislee (Hrsg.): ''Chronik – 650 Jahre Harrislee – 1352–2002'' (Flensburg 2002), ISBN 978-3-932635-27-4


== Links ==
==Links==
* {{Wikipedia|NAME=Landesfeuerwehrschule Schleswig-Holstein}}
*{{Wikipedia|NAME=Landesfeuerwehrschule Schleswig-Holstein}}


== Quellen ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


[[Kategorie:Kreisverband Schleswig-Flensburg]]
[[Kategorie:Kreisverband Schleswig-Flensburg]]
[[Kategorie:Gebäude]]
[[Kategorie:Bildungspolitik]]
[[Kategorie:Arbeiterbildung]]

Aktuelle Version vom 9. September 2023, 11:04 Uhr

Landesfeuerwehrschule
Arbeitervolkshochschule Harrisleefeld
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Süderstraße 46
24955 Harrislee
https://www.lfs-sh.de/

Die Arbeitervolkshochschule Harrisleefeld wurde 1928 als Bildungsstätte für Arbeiter und Angestellte mit einem neu erbauten Schulgebäude und Internat in der Süderstraße in Harrisleefeld eingerichtet.

Vorgeschichte

Der Erfolg der Weimarer Republik hing nach Ansicht der SPD in Schleswig-Holstein nicht zuletzt davon ab, wie gut es gelänge, die Verwaltung zu demokratisieren. Dazu musste Angehörigen der Arbeiterklasse - anders als im Kaiserreich - der Weg in die Verwaltung offen stehen. Sie mussten aber auch ermutigt werden, in diese bisher als feindlich angesehene Institution einzutreten, in ihr Machtpositionen auf allen Ebenen einzunehmen, und sie mussten mit dem Wissen ausgerüstet werden, das für eine erfolgreiche Arbeit notwendig war. Aufgrund der Geschichte gab es wenig Erfahrung und Vorbilder. Abhilfe sollten unter anderem die Arbeitervolkshochschulen schaffen.[1]

Schon auf den Parteitagen ab 1924 war dies von maßgeblichen Funktionären wie Wilhelm Brecour oder Louis Biester gefordert worden.[2]

1928 gründete sich eine reichsweite "Gesellschaft der Freunde der Arbeitervolkshochschulen" unter Vorsitz der Kieler Bildungs- und Kulturpolitikerin Toni Jensen, deren Unterstützung maßgeblich zur Eröffnung von Harrisleefeld beitrug.[3][4] Harry Henningsen zählt das Gebäude zu einer "Reihe von öffentlichen Bauten, die von deutscher Seite als 'Dank für das Abstimmungsergebnis von 1920' gefördert wurden."[5] Was letztlich dazu führte, dass die Schule gerade hier, am nördlichsten Punkt des Deutschen Reiches, eingerichtet wurde, ist noch nicht ermittelt.

Die Schule

Die Gewerkschaftliche Rundschau für die Schweiz berichtete 1928:

"In Harrisleefeld bei Flensburg (Schleswig) ist erst vor einigen Wochen eine weitere Arbeitervolkshochschule eröffnet worden, die mit staatlicher Hilfe gebaut worden ist. Im Verwaltungsrat sitzen Vertreter des A. D. G. B. und der sozialdemokratischen Partei. Es sollen jährlich zweimal je 30 Schüler zu 5 Monatskursen aufgenommen werden. Die Leitung liegt in den Händen von Genossen E. Marquart. Die Verpflegungs- und Unterrichtskosten belaufen sich auf 500 Mark für einen Kurs."[6]

Hier sollten "fähige Arbeiter und einfache Angestellte mit Studiengängen in Staats- und Rechtswissenschaften, Volkswirtschaftslehre, Finanzwirtschaft und Sozialwissenschaften auf Führungspositionen in staatlichen und kommunalen Verwaltungen" vorbereitet werden.[7]

Zu den Absolventen der Schule gehörten so bekannte schleswig-holsteinische Sozialdemokraten wie Otto Engel, Walter Hohnsbehn, Eugen Lechner, Walter Lurgenstein - der auch über ihre Geschichte geschrieben hat (vgl. unten) - und Hermann Schwieger. Franz Osterroth fasst zusammen:

"In den knapp fünf Jahren des Bestehens der Arbeitervolkshochschule vermittelte sie einer Reihe von führend gewordenen Jungsozialisten und Junggewerkschaftern gediegene Kenntnisse für ihre politische Arbeit."[8]

Beginn

Der erste Kurs begann schon vor der offiziellen Eröffnung am 1. Juni 1928. Die Bewerbungen waren an Toni Jensen gegangen; neben dem Lebenslauf wurde von den Bewerbern ein Aufsatz über ihre bisherigen geistigen Beschäftigungen gefordert.[4]

Über die Eröffnung am 29. September 1928 berichtet Franz Osterroth:

"Der neue Kanzler [d.h. Hermann Müller, Reichskanzler] sprach bei der Einweihung der durch die Initiative der Landtagsabgeordneten Toni Jensen entstandenen Arbeitervolkshochschule in Harriesleefeld [sic], wo er Schleswig-Holstein als ein besonderes Land der Heimvolkshochschulen rühmte und der neuen Arbeitervolkshochschule die Aufgabe stellte, ihre Teilnehmer für staatliche Betätigung zu bilden."[8]

Leitung

Erster Leiter der neuen Bildungsstätte war der "hervorragende sozialdemokratische Pädagoge"[4] Dr. Erwin Marquardt, der zuvor an Arbeiterschulen in Berlin tätig war.[4] Auf Grund seiner erfolgreichen Arbeit als Bildungsorganisator erhielt er 1929 zwei verlockende Angebote aus Berlin. Der ADGB bot ihm die Leitung der neuen Gewerkschaftsschule in Bernau an und der Magistrat von Berlin wollte ihn als Direktor der Volkshochschule Groß-Berlin einstellen. Er kehrte daraufhin nach Berlin zurück.

Ihm folgte Dr. Alfred Kähler, "der ehemalige Jungsozialist aus Kiel, [...] der in seiner Person den geistigen Aufstiegswillen der Arbeiterjugend verkörperte." [8]

Welche Stellung Amandus Lützen, der ab 1928 zusammen mit seiner Frau Sophie Lützen zu den prägenden Persönlichkeiten der SPD im Raum Flensburg gehörte, an der Schule hatte, ist noch nicht ermittelt. Dass er "die Leitung übernahm", wie es in einem Erinnerungsartikel heißt[9], ist nicht belegt; dazu hätte er wohl auch nicht über die erforderliche Qualifikation verfügt. An einer Stelle wird er als "Hausmeister" bezeichnet - möglicherweise ging es also um die technische Leitung, für die er als erfahrener Handwerker sicherlich qualifiziert war.

NS-Herrschaft

1933 wurde die Schule durch die Nationalsozialisten geschlossen, ohne Gegenleistung (soweit bekannt) enteignet und ab 1936 als Provinzialfeuerwehrschule genutzt. In ähnlicher Funktion dient das Gebäude noch heute als Landesfeuerwehrschule.

Walter Lurgenstein wurde am 24. März 1933 aufgrund einer Denunziation von den Nazis verhaftet, nicht zuletzt wegen seines Engagements für Harrisleefeld. Er wohnte damals in Husum in der Süderstraße 120; als Beruf ist "Schneider" angegeben. Bei seiner Verhaftung wurde ein umfangreiches Paket von Schriften beschlagnahmt, vieles davon Lehrmaterial der Arbeitervolkshochschule.[10]

Nach Kriegsende, im Mai 1945, hielten sich Himmler und zahlreiche hohe SS-Offiziere für einige Tage in der nunmehrigen Feuerwehrschule auf. Sie hatten sich

"im Polizeipräsidium Flensburg alle Rangabzeichen von ihren Uniformen entfernt und sich gefälschte Papiere ausstellen lassen. Zur besseren Tarnung rasierte er sich den Bart ab, legte die Brille ab und trug seitdem eine Augenklappe. Himmlers Papiere wiesen ihn als "Heinrich Hitzinger", "Feldwebel der geheimen Feldpolizei" aus.

In dieser Zeit hielt er sich mit seiner Gefolgschaft etwa drei Tage in der Landesfeuerwehrschule bei uns in Harrislee auf.

Jonny D. Matthiesen, der ehemalige Schulleiter der Landesfeuerwehrschule, schreibt in seinem Erinnerungsbericht: '.... auch Himmler kam mit seinem persönlichen Schutz von 40 Mann....... Himmler hielt noch eine Ansprache auf dem Übungsplatz der Feuerwehrschule an das Offizierscorps - er sprach noch von Sieg und Erneuerung des Großdeutschen Reiches'."[11]

Wenige Tage später wurde er auf der Flucht nach Süden von einer Militärpatrouille erkannt und stahl sich mit Hilfe von Zyankali aus der Verantwortung für seine Taten.

Literatur

Links

Einzelnachweise

  1. Jacobsen, Jens-Christian: 'Der Stolz der Gesamtpartei?' Die SPD Schleswig-Holstein 1918-1933, Demokratische Geschichte Band 3(1988), S. 226 f.
  2. Jacobsen, Jens-Christian: 'Der Stolz der Gesamtpartei?' Die SPD Schleswig-Holstein 1918-1933, Demokratische Geschichte Band 3(1988), S. 228 Anm. 60
  3. Schultheiß, Nicole: Geht nicht gibt's nicht. 24 Portraits herausragender Frauen aus der Kieler Stadtgeschichte (Kiel 2007), S. 53-56. Online-Version: Toni Jensen
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 Lübecker Volksbote, 4.4.1928
  5. Henningsen, Harry: Versammlungshaus, WIR - in Harrislee, Ausgabe Oktober 2016,
  6. Herkner, Heinrich: Arbeiterschulen in Deutschland, Gewerkschaftliche Rundschau für die Schweiz: Monatsschrift des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, Band 20/1928 Heft 6, S. 203
  7. Vgl. Wikipedia: Erwin Marquardt (Pädagoge), abgerufen 3.4.2020
  8. 8,0 8,1 8,2 Osterroth: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein, S. 93
  9. Ludwig, Tina: Im Zentrum des Widerstands, Flensburger Tageblatt, 23.7.2015
  10. Landesarchiv Schleswig-Holstein, Az. 384.1/21
  11. Henningsen: Naziverbrecher Himmler in Harrislee, Zitat Matthiesen aus Pantléon: Chronik, S. 416