Wilhelm Poller: Unterschied zwischen den Versionen
Skw (Diskussion | Beiträge) Keine Bearbeitungszusammenfassung Markierung: 2017-Quelltext-Bearbeitung |
|||
Zeile 4: | Zeile 4: | ||
|Titel = | |Titel = | ||
|geboren = 18600606 | |geboren = 18600606 | ||
|Geburtsort = Kleinschirna | |Geburtsort = Kleinschirna | ||
|gestorben = 19350315 | |gestorben = 19350315 | ||
|Sterbeort = Mühlheim/Main | |Sterbeort = Mühlheim/Main | ||
Zeile 28: | Zeile 28: | ||
|Homepage = | |Homepage = | ||
}} | }} | ||
'''Julius Wilhelm Poller''', *[[6. Juni]] [[1860]] in Kleinschirna/Sachsen, †[[15. März]] [[1935]] in Mühlheim/Main; Metallformer, Polizeipräsident von Kiel. Mitglied der SPD. | '''Julius Wilhelm Poller''', * [[6. Juni]] [[1860]] in Kleinschirna/Sachsen, † [[15. März]] [[1935]] in Mühlheim/Main; Metallformer, Polizeipräsident von Kiel. Mitglied der SPD. | ||
==Leben & Beruf== | ==Leben & Beruf== | ||
Wilhelm Poller | Wilhelm Poller wurde [[1860]] als erster Sohn des Metallformers Karl Heinrich Poller und dessen Frau Ida Friederike Poller (geborene Epperlein) in der sächsischen Gemeinde Kleinschirma geboren. Er wuchs mit drei Schwestern und einem Bruder auf. | ||
Ostern [[1874]] begann Wilhelm Poller mit 14 Jahren eine Lehre als Metallformer in dem Betrieb, in dem sein Vater als Meister arbeitete. Nach der Lehre | Ostern [[1874]] begann Wilhelm Poller mit 14 Jahren eine Lehre als Metallformer in dem Betrieb, in dem sein Vater als Meister arbeitete. Nach der Lehre leistete er seinen Militärdienst in Altenburg ab. Dann kehrte er zu seinem Ausbildungsbetrieb Balduin Bechstein in Altenburg zurück. [[1881]] starb seine Mutter mit nur 40 Jahren. [[1882]] ging Wilhelm Poller auf Wanderschaft - wie es damals für Gesellen üblich war. Acht Jahre war er auf der "Walz". Am Ende der Reise machte er sich auf nach Kiel. Er traf dort [[1890]] ein - dem Jahr, in dem das [[Sozialistengesetz]] auslief. Er wohnte im [https://kiel-wiki.de/Papenkamp Papenkamp 21] in einem typischen Arbeiterviertel und arbeitete in seinem Beruf als Former in verschiedenen Betrieben. | ||
Der Historiker [[Rolf Fischer]] vermutet, dass er sich schnell einen Namen | Der Historiker [[Rolf Fischer]] vermutet, dass er sich schnell einen Namen machte. [[1891]] bereits soll er Vorsitzender des Unterstützungsvereins der Former geworden sein.<ref name=":0">[[Rolf Fischer|Fischer, Rolf]]: ''Der Kieler Polizeipräsident Wilhelm Poller - eine biografische Skizze.'' In: ''Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte'', Band 90, Heft 3, Seite 128ff (2021)</ref> | ||
Am [[19. Mai]] [[1891]] | Am [[19. Mai]] [[1891]] heiratete Wilhelm Poller [[Marie Poller|"Marie" Clara Maria Martha Köhler]] (* [[26. Mai]] [[1867]] in Dresden, † [[3. März]] [[1905]] in Kiel), die er schon in Dresden kennengelernt haben könnte.<ref name=":0" /> Sie bekamen vier Kinder: Maria, Oskar, Walter und Karl, der allerdings nur ein Jahr alt wurde. Sie wohnten in dieser Zeit in der [https://kiel-wiki.de/Wei%C3%9Fenburgstra%C3%9Fe Weißenburgstraße 15]. Dort befindet sich heute ein "Rewe"-Markt. | ||
Wegen seiner politischen Aktivitäten | Wegen seiner politischen Aktivitäten kündigte ihm sein Arbeitgeber [[1894]]. Ohne Einkommen litt die junge Familie Not. Sozialdemokraten halfen ihm aus und er wurde Redakteur bei der ''[[Schleswig-Holsteinische Volkszeitung|Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung]]'' (VZ). Von [[1907]] bis [[1919]] war er [[Parteisekretär]] der [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Kieler SPD]]. | ||
[[1905]] | [[1905]] starb [[Marie Poller]] mit nur 37 Jahren. Auch sie war eine wichtige Sozialdemokratin in Kiel. | ||
Nach dem Ende seiner dienstlichen und politischen Karriere [[1924]] lebte Wilhelm Poller im [https://kiel-wiki.de/Kronshagener_Weg Kronshagener Weg 1b]. Er schrieb Artikel, Gedichte und ein Theaterstück. Er reiste durch Europa. | Nach dem Ende seiner dienstlichen und politischen Karriere [[1924]] lebte Wilhelm Poller im [https://kiel-wiki.de/Kronshagener_Weg Kronshagener Weg 1b]. Er schrieb Artikel, Gedichte und ein Theaterstück. Er reiste durch Europa. | ||
Als die Nazis [[1933]] die Macht an sich | Als die Nazis [[1933]] die Macht an sich rissen, wurde die Lage auch für den bekannten Sozialdemokraten Wilhelm Poller bedrohlich. Durch das NS-"Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" verlor er seine Pension. Etwa [[1934]] zog er nach Mühlheim/Main zu seinem Sohn Oskar Poller und starb dort bereits am [[15. März]] [[1935]] mit 74 Jahren. Bestattet wurde er allerdings in Kiel. | ||
==Partei & Politik== | ==Partei & Politik== | ||
Mit dem Ende des [[Sozialistengesetz|Sozialistengesetzes]] und seiner Ankunft in Kiel | Mit dem Ende des [[Sozialistengesetz|Sozialistengesetzes]] und seiner Ankunft in Kiel begann auch die politische Aktivität von Wilhelm Poller. Er machte sich dort einen Namen, was ihm auch seine Stelle bei der [[VZ]] verschaffte. [[1894]] nahm er als Delegierter am SPD-Parteitag in Frankfurt/Main teil. | ||
Wegen "Majestätsbeleidigung" | Wegen "Majestätsbeleidigung" steckte ihn das Kaiserreich [[1896]] für neun Monate ins Zuchthaus in Glückstadt. | ||
[[1900]] | [[1900]] wurde er [[Vertrauensperson|Vertrauensmann]] für den 7. Wahlkreis Kiel-Neumünster und engagierte sich intensiv in der Parteiarbeit. Er organisierte Wahlkämpfe, verfasste Broschüren und politische Berichte und organisierte Redner. Zusammen mit dem Kieler Reichstagsabgeordneten [[Carl Legien]] gehörte Wilhelm Poller zu den Reformern in der SPD, die den Alltag für die Menschen der Arbeiterklasse Schritt für Schritt verbessern wollten - am Fernziel der sozialistischen Gesellschaft aber weiterhin festhielten. | ||
[[1902]] | [[1902]] reiste Wilhelm Poller als Delegierter zum SPD-Parteitag nach München, wo er erstmals im Protokoll mit einem Redebeitrag auftauchte. | ||
=== Parteisekretär === | === Parteisekretär === | ||
[[1905]] | [[1905]] reorganisierte sich der [[Landesverband]]. Die alte, lose Struktur stammte noch aus Zeit vor dem [[Sozialistengesetz]] und entsprach nicht mehr den Anforderungen an eine Partei mit wesentlich mehr Mitglieder. Es entstand der bekannte [[Organisationsaufbau der SPD]] von [[Ortsverein]] über den [[Kreisverband]] zum [[Bezirk]]. Der [[Sozialdemokratische Zentralverein]] bestand nun aus den Ortsvereinen [[Kreisverband Kiel|Kiel]], [[Kreisverband Neumünster|Neumünster]], [[Ortsverein Hassee|Hassee-Winterbek]], [[Ortsverein Neumühlen-Dietrichsdorf|Dietrichsdorf]], [[Ortsverein Rendsburg|Rendsburg]], [[Ortsverein Preetz|Preetz]], [[Ortsverein Nortorf|Nortorf]], [[Ortsverein Hohenwestedt|Hohenwestedt]] und [[Ortsverein Heikendorf|Heikendorf]].<ref name=":0" /> Als Parteisekretär kümmerte sich Wilhelm Poller um die Organisation; ab [[1907]] hatte er sein Büro im neu eröffneten [[Gewerkschaftshaus Kiel|Gewerkschaftshaus]]. | ||
[[1907]] | [[1907]] kandidierte Wilhelm Poller erstmals zu einer [[Kommunalwahl 1907|Kommunalwahl]] - allerdings erfolglos. In der [[Kommunalwahl 1909]] gelang es ihm, über den Wahlbezirk im "[[Ortsverein Gaarden|Roten Gaarden]]" in die Stadtverordnetenversammlung einzuziehen. Die Kieler SPD hatte hier offenbar ihren besten Mann aufgestellt. Die bürgerliche Seite reagierte immer wieder mit Eingriffen ins Wahlrecht, das die Arbeiterschaft - die Wähler der SPD - benachteiligte. Die Kieler SPD schloss sich daraufhin mit den Ortsvereinen [[Ortsverein Gaarden|Gaarden]], [[Ortsverein Hassee|Hassee-Winterbek]] und [[Ortsverein Ellerbek|Ellerbek]]-[[Ortsverein Wellingdorf|Wellingdorf]] zum [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Sozialdemokratischen Verein Groß-Kiel]] mit 9000 Mitgliedern zusammen. Wilhelm Poller blieb [[Parteisekretär]]. | ||
In der [[Kommunalwahl 1915]] gewann | In der [[Kommunalwahl 1915]] gewann er den Bezirk III (Süd) und blieb Ratsherr. Während des 1. Weltkriegs setzte er sich für die Einheit der SPD ein. Auch in Kiel spaltete sich die [[USPD]] ab, bekam aber - abgesehen von einigen Ortsvereinen - keinen großen Zulauf. Wilhelm Poller blieb der Linie der [[MSPD]] treu, auch auf den Parteitagen. Doch als sich die Lage im Reich und in Kiel immer mehr verschlechterte, wurde auch die SPD immer kritischer. Bei den Demonstrationen und Streiks Anfang [[1918]] ahnte Wilhelm Poller das Ende offenbar schon voraus: | ||
"Wenn aber derartige Warnung […] bei den herrschenden Klassen absolut nichts fruchten sollten, nun, so trifft nicht die Arbeiterklasse die Schuld, wenn die Dinge schließlich einen verhängnisvollen Lauf nahmen."<ref>Zitiert nach: [[Rolf Fischer|Fischer, Rolf]]: ''Der Kieler Polizeipräsident Wilhelm Poller - eine biografische Skizze.'' In: ''Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte'', Band 90, Heft 3, Seite 128ff (2021)</ref> | |||
=== Novemberrevolution === | === Novemberrevolution === | ||
[[Datei:Wilhelm Poller Ausweis 1919.jpg|alternativtext=Gastausweis für die Nationalversammlung|mini|Gastausweis für die Nationalversammlung]] | [[Datei:Wilhelm Poller Ausweis 1919.jpg|alternativtext=Gastausweis für die Nationalversammlung|mini|Gastausweis für die Nationalversammlung]] | ||
Am [[30. Oktober]] [[1918]] | Am [[30. Oktober]] [[1918]] wurde Wilhelm Poller als Nachfolger des verstorbenen [[Daniel Rindfleisch]] zum ehrenamtlichen Magistratsmitglied gewählt und saß damit als Stadtrat und Parteisekretär während der [[Kieler Arbeiter- und Matrosenaufstand|Novemberrevolution]] mitten drin. Er führte wichtige Verhandlungen mit dem Gouverneur von Kiel und war dabei, als der Oberpräsident praktisch abgesetzt wurde. Er reiste im Land umher uns setzte Beschlüsse der provisorischen Landesregierung um. | ||
Wilhelm Poller setzte sich in der Folge für Demokratie und Republik ein und wetterte gegen die Spartakisten, die [[USPD]] und die [[KPD]], die ein Rätesystem nach russischem Vorbild wollten. Als Gast nahm er an einigen Sitzungen der Nationalversammlung teil. | Wilhelm Poller setzte sich in der Folge für Demokratie und Republik ein und wetterte gegen die Spartakisten, die [[USPD]] und die [[KPD]], die ein Rätesystem nach russischem Vorbild wollten. Als Gast "im Dienste der Reichsregierung" nahm er an einigen Sitzungen der Nationalversammlung teil. | ||
=== Polizeipräsident in Kiel === | === Polizeipräsident in Kiel === | ||
Am [[15. April]] [[1919]] | Am [[15. April]] [[1919]] ernannte der preußische Innenminister [[Wolfgang Heine]] Wilhelm Poller zum kommissarischen Kieler Polizeipräsidenten. Am [[15. Juli]] löste er dann endgültig den konservativ-nationalen Heinrich von Schröter ab. Republik und Stadt standen von links und rechts unter Druck. Immer wieder kam es zu gewalttätigen Aufständen. Das Militär, mit dem Kiel voll war, verhielt sich oft illoyal gegenüber der demokratischen Regierung. Während des Kapp-Lüttwitz-Putschs im März 1920 wurde Wilhelm Poller vom obersten militärischen Befehlshaber in Kiel, Konteradmiral Magnus von Levetzow, abgesetzt und unter Arrest gestellt, allerdings aus gesundheitlichen Gründen zu Hause. So konnte er telefonisch weiter agieren. | ||
Als der Putsch nach wenigen Tagen | Als der Putsch nach wenigen Tagen zusammenbrach, kam er am [[17. März]] wieder frei. In den Kieler Straßen tobten Gefechte zwischen Freikorps und Kieler Arbeitern und Soldaten. Allein 53 Zivilisten starben an diesem Tag in Kiel. | ||
[[1924]] | [[1924]] schied Wilhelm Poller mit fast 65 Jahren aus dem Dienst aus und beendete auch seine politische Karriere. | ||
==Literatur== | ==Literatur== | ||
Zeile 80: | Zeile 81: | ||
==Links== | ==Links== | ||
*{{Wikipedia}} | *{{Wikipedia}} | ||
==Einzelnachweise== | ==Einzelnachweise== | ||
<references /> | <references /> | ||
[[Kategorie:JournalistIn]] | [[Kategorie:JournalistIn]] | ||
[[Kategorie:ParteisekretärIn]] | [[Kategorie:ParteisekretärIn]] | ||
[[Kategorie:Kreisverband Kiel | [[Kategorie:Kreisverband Kiel]] |
Version vom 18. Dezember 2021, 05:36 Uhr
Wilhelm Poller |
Julius Wilhelm Poller, * 6. Juni 1860 in Kleinschirna/Sachsen, † 15. März 1935 in Mühlheim/Main; Metallformer, Polizeipräsident von Kiel. Mitglied der SPD.
Leben & Beruf
Wilhelm Poller wurde 1860 als erster Sohn des Metallformers Karl Heinrich Poller und dessen Frau Ida Friederike Poller (geborene Epperlein) in der sächsischen Gemeinde Kleinschirma geboren. Er wuchs mit drei Schwestern und einem Bruder auf.
Ostern 1874 begann Wilhelm Poller mit 14 Jahren eine Lehre als Metallformer in dem Betrieb, in dem sein Vater als Meister arbeitete. Nach der Lehre leistete er seinen Militärdienst in Altenburg ab. Dann kehrte er zu seinem Ausbildungsbetrieb Balduin Bechstein in Altenburg zurück. 1881 starb seine Mutter mit nur 40 Jahren. 1882 ging Wilhelm Poller auf Wanderschaft - wie es damals für Gesellen üblich war. Acht Jahre war er auf der "Walz". Am Ende der Reise machte er sich auf nach Kiel. Er traf dort 1890 ein - dem Jahr, in dem das Sozialistengesetz auslief. Er wohnte im Papenkamp 21 in einem typischen Arbeiterviertel und arbeitete in seinem Beruf als Former in verschiedenen Betrieben.
Der Historiker Rolf Fischer vermutet, dass er sich schnell einen Namen machte. 1891 bereits soll er Vorsitzender des Unterstützungsvereins der Former geworden sein.[1]
Am 19. Mai 1891 heiratete Wilhelm Poller "Marie" Clara Maria Martha Köhler (* 26. Mai 1867 in Dresden, † 3. März 1905 in Kiel), die er schon in Dresden kennengelernt haben könnte.[1] Sie bekamen vier Kinder: Maria, Oskar, Walter und Karl, der allerdings nur ein Jahr alt wurde. Sie wohnten in dieser Zeit in der Weißenburgstraße 15. Dort befindet sich heute ein "Rewe"-Markt.
Wegen seiner politischen Aktivitäten kündigte ihm sein Arbeitgeber 1894. Ohne Einkommen litt die junge Familie Not. Sozialdemokraten halfen ihm aus und er wurde Redakteur bei der Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung (VZ). Von 1907 bis 1919 war er Parteisekretär der Kieler SPD.
1905 starb Marie Poller mit nur 37 Jahren. Auch sie war eine wichtige Sozialdemokratin in Kiel.
Nach dem Ende seiner dienstlichen und politischen Karriere 1924 lebte Wilhelm Poller im Kronshagener Weg 1b. Er schrieb Artikel, Gedichte und ein Theaterstück. Er reiste durch Europa.
Als die Nazis 1933 die Macht an sich rissen, wurde die Lage auch für den bekannten Sozialdemokraten Wilhelm Poller bedrohlich. Durch das NS-"Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" verlor er seine Pension. Etwa 1934 zog er nach Mühlheim/Main zu seinem Sohn Oskar Poller und starb dort bereits am 15. März 1935 mit 74 Jahren. Bestattet wurde er allerdings in Kiel.
Partei & Politik
Mit dem Ende des Sozialistengesetzes und seiner Ankunft in Kiel begann auch die politische Aktivität von Wilhelm Poller. Er machte sich dort einen Namen, was ihm auch seine Stelle bei der VZ verschaffte. 1894 nahm er als Delegierter am SPD-Parteitag in Frankfurt/Main teil.
Wegen "Majestätsbeleidigung" steckte ihn das Kaiserreich 1896 für neun Monate ins Zuchthaus in Glückstadt.
1900 wurde er Vertrauensmann für den 7. Wahlkreis Kiel-Neumünster und engagierte sich intensiv in der Parteiarbeit. Er organisierte Wahlkämpfe, verfasste Broschüren und politische Berichte und organisierte Redner. Zusammen mit dem Kieler Reichstagsabgeordneten Carl Legien gehörte Wilhelm Poller zu den Reformern in der SPD, die den Alltag für die Menschen der Arbeiterklasse Schritt für Schritt verbessern wollten - am Fernziel der sozialistischen Gesellschaft aber weiterhin festhielten.
1902 reiste Wilhelm Poller als Delegierter zum SPD-Parteitag nach München, wo er erstmals im Protokoll mit einem Redebeitrag auftauchte.
Parteisekretär
1905 reorganisierte sich der Landesverband. Die alte, lose Struktur stammte noch aus Zeit vor dem Sozialistengesetz und entsprach nicht mehr den Anforderungen an eine Partei mit wesentlich mehr Mitglieder. Es entstand der bekannte Organisationsaufbau der SPD von Ortsverein über den Kreisverband zum Bezirk. Der Sozialdemokratische Zentralverein bestand nun aus den Ortsvereinen Kiel, Neumünster, Hassee-Winterbek, Dietrichsdorf, Rendsburg, Preetz, Nortorf, Hohenwestedt und Heikendorf.[1] Als Parteisekretär kümmerte sich Wilhelm Poller um die Organisation; ab 1907 hatte er sein Büro im neu eröffneten Gewerkschaftshaus.
1907 kandidierte Wilhelm Poller erstmals zu einer Kommunalwahl - allerdings erfolglos. In der Kommunalwahl 1909 gelang es ihm, über den Wahlbezirk im "Roten Gaarden" in die Stadtverordnetenversammlung einzuziehen. Die Kieler SPD hatte hier offenbar ihren besten Mann aufgestellt. Die bürgerliche Seite reagierte immer wieder mit Eingriffen ins Wahlrecht, das die Arbeiterschaft - die Wähler der SPD - benachteiligte. Die Kieler SPD schloss sich daraufhin mit den Ortsvereinen Gaarden, Hassee-Winterbek und Ellerbek-Wellingdorf zum Sozialdemokratischen Verein Groß-Kiel mit 9000 Mitgliedern zusammen. Wilhelm Poller blieb Parteisekretär.
In der Kommunalwahl 1915 gewann er den Bezirk III (Süd) und blieb Ratsherr. Während des 1. Weltkriegs setzte er sich für die Einheit der SPD ein. Auch in Kiel spaltete sich die USPD ab, bekam aber - abgesehen von einigen Ortsvereinen - keinen großen Zulauf. Wilhelm Poller blieb der Linie der MSPD treu, auch auf den Parteitagen. Doch als sich die Lage im Reich und in Kiel immer mehr verschlechterte, wurde auch die SPD immer kritischer. Bei den Demonstrationen und Streiks Anfang 1918 ahnte Wilhelm Poller das Ende offenbar schon voraus: "Wenn aber derartige Warnung […] bei den herrschenden Klassen absolut nichts fruchten sollten, nun, so trifft nicht die Arbeiterklasse die Schuld, wenn die Dinge schließlich einen verhängnisvollen Lauf nahmen."[2]
Novemberrevolution
Am 30. Oktober 1918 wurde Wilhelm Poller als Nachfolger des verstorbenen Daniel Rindfleisch zum ehrenamtlichen Magistratsmitglied gewählt und saß damit als Stadtrat und Parteisekretär während der Novemberrevolution mitten drin. Er führte wichtige Verhandlungen mit dem Gouverneur von Kiel und war dabei, als der Oberpräsident praktisch abgesetzt wurde. Er reiste im Land umher uns setzte Beschlüsse der provisorischen Landesregierung um.
Wilhelm Poller setzte sich in der Folge für Demokratie und Republik ein und wetterte gegen die Spartakisten, die USPD und die KPD, die ein Rätesystem nach russischem Vorbild wollten. Als Gast "im Dienste der Reichsregierung" nahm er an einigen Sitzungen der Nationalversammlung teil.
Polizeipräsident in Kiel
Am 15. April 1919 ernannte der preußische Innenminister Wolfgang Heine Wilhelm Poller zum kommissarischen Kieler Polizeipräsidenten. Am 15. Juli löste er dann endgültig den konservativ-nationalen Heinrich von Schröter ab. Republik und Stadt standen von links und rechts unter Druck. Immer wieder kam es zu gewalttätigen Aufständen. Das Militär, mit dem Kiel voll war, verhielt sich oft illoyal gegenüber der demokratischen Regierung. Während des Kapp-Lüttwitz-Putschs im März 1920 wurde Wilhelm Poller vom obersten militärischen Befehlshaber in Kiel, Konteradmiral Magnus von Levetzow, abgesetzt und unter Arrest gestellt, allerdings aus gesundheitlichen Gründen zu Hause. So konnte er telefonisch weiter agieren.
Als der Putsch nach wenigen Tagen zusammenbrach, kam er am 17. März wieder frei. In den Kieler Straßen tobten Gefechte zwischen Freikorps und Kieler Arbeitern und Soldaten. Allein 53 Zivilisten starben an diesem Tag in Kiel.
1924 schied Wilhelm Poller mit fast 65 Jahren aus dem Dienst aus und beendete auch seine politische Karriere.
Literatur
Fischer, Rolf: Der Kieler Polizeipräsident Wilhelm Poller - eine biografische Skizze In: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 90, Heft 3, Seite 128ff (2021)
Links
- Wikipedia: Wilhelm Poller
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Fischer, Rolf: Der Kieler Polizeipräsident Wilhelm Poller - eine biografische Skizze. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 90, Heft 3, Seite 128ff (2021)
- ↑ Zitiert nach: Fischer, Rolf: Der Kieler Polizeipräsident Wilhelm Poller - eine biografische Skizze. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 90, Heft 3, Seite 128ff (2021)