Bezirksverband Schleswig-Holstein

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Schleswig-Holstein als Teil von Preußen

Der Bezirksverband Schleswig-Holstein war die Vorgängerorganisation des Landesverbandes. Er umfasste bis zum Verbot der SPD durch die Nazis 1933 das Gebiet des Landesverbandes ohne die Freie und Hansestadt Lübeck aber mit den Städten Altona und Wandsbek im Randgebiet von Hamburg sowie dem Gebiet, das nach der Volksabstimmung von 1920 dauerhaft dänisch wurde. Auch das Fürstentum Lübeck zählte dazu, obwohl der Landesteil verwaltungsmäßig nicht zur preußischen Provinz Schleswig-Holstein, sondern zum Großherzogtum Oldenburg gehörte.

Nach der Neugründung 1945 trug der Verband - jetzt in den heutigen Grenzen Schleswig-Holsteins - zunächst weiter die Bezeichnung "Bezirksverband".

Kaiserreich

Bereits nach der gescheiterten Märzrevolution 1848/1849 begannen Handwerker und Arbeiter sich zu organisieren. Stephan Born gründete die Allgemeine Deutsche Arbeiterverbrüderung. Allerdings hatte die Industrialisierung Deutschland noch nicht wirklich erreicht; es gab noch keine größere Arbeiterschaft.

Vorgeschichte

Die Sozialdemokratie breitete sich mit der wachsenden Arbeiterbewegung langsam aus und kam von Hamburg nach Schleswig-Holstein. In Hamburg hatten Arbeiter bereits 1862 ein Arbeiterkommitee gegründet. Der Hamburger Parteiorganisator Theodor Yorck und der Redakteur des Nord-Stern, Karl von Bruhn, waren zum Beispiel die führenden Köpfe der Agitation im Kreis Pinneberg.[1]

Theodor Yorck

"Am Gründungskongreß des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) am 23.5. 1863, dem Ausgangspunkt der organisierten Sozialdemokratie in Deutschland, nahmen drei Delegierte aus Hamburg teil. Die Hamburger Gemeinde des ADAV brachte lassalleanische Ideen nach Schleswig-Holstein. Bis 1905 stellten Hamburg und Schleswig-Holstein einen gemeinsamen Agitationsbezirk der Sozialdemokratie dar [...]".[2]

"Zur Ungunst dieser politischen Umstände während des Vordringen der lassalleanischen Bewegung von Hamburg nach Schleswig-Holstein kamen wirtschaftliche Verhältnisse, die keine großen Werbeerfolge versprachen. Das vorwiegend konservativ gesonnene Agrarland, in dem der Adel noch eine führende Rolle innehatte, war kein idealer Entwicklungsboden für eine moderne sozialistische Bewegung. Es fehlte an einer lebhaft voranschreitenden Industrialisierung. Von der knapp einen Million Einwohner lebten noch 70 % au dem Lande. Das Land besaß weder industriell verwertbare Rohstoffe noch lag es verkehrsmäßig günstig. Kiel, das um diese Zeit 18000 Einwohner besaß, hatte die einzige Schiffswerft der Provinz, in der es mehr als 200 Beschäftige gab. Neumünster, das - mit 7000 Einwohnern - eine gute Verkehrslage hatte, konnte eine alte Tuchindustire aus 82 kleinen Fabriken und Manufakturen und einigen Maschinenbau aufweisen. In Rendsburg war die 'Karlshütte', in Krusau eine Kupfermühle, in Flensburg und Hadersleben gab es Eisengießereien. Altona, mit 30000 Einwohner, die größte Stadt der Provinz, lag im Schatten des Hamburger Wirtschaftsausfstieges. Einige industrielle Ansätze waren in Ottensen und Wandsbek und Elmshorn vorhanden."[3]

In der Broschüre zum Reichsparteitag 1927 in Kiel schrieb der Bezirksvorsitzende Willy Verdieck, dass bereits in den 1860er Jahren in vielen Orten der Provinz Ableger des ADAV gegründet worden seien. Er zählte Altona, Wandsbek, Krempe, Itzehoe, Pinneberg, Kiel, Elmshorn, Neumünster, Flensburg, Eutin, Rendsburg, Plön und Glückstadt auf. In einer Auflistung der ADAV-Ortsvereine mit mehr als 100 Mitgliedern von 1869 finden sich Neumünster (280 Mitglieder), Altona (164 Mitglieder), Wandsbek (137 Mitglieder) und Kiel (111 Mitglieder).[4] Auch die Anhänger der "Eisenacher" Wurzel der SPD, der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP), gründeten einige Vereine - allerdings deutlich weniger.

"Mit der Vereinigung beider Richtungen im Jahre 1875 stieg die Schlagkraft der Organisation. Auf dem Sozialistenkongreß zu Gotha im Jahre 1876 wurden 37 Wahlkreise für offizielle Reichstagswahlkreise erklärt. Darunter befanden sich fünf in Schleswig-Holstein, und zwar: 1. Itzehoe-Meldorf, 2. Glückstadt-Elmshorn, 3. Kiel-Neumünster, 4. Altona-Wandsbek, 5. Plön-Segeberg. Schon im Jahre 1874 konnten die Lassalleaner die Wahlkreise Altona-Wandsbek und Plön-Segeberg erobern. Bei der Reichstagswahl im Jahre 1877 zeigte sich der Aufschwung der Partei durch erhöhte Abgabe von sozialistischen Stimmen."[5]

Am 24. Juni 1877 wurde in Neumünster auf einer Parteikonferenz die Gründung einer Parteizeitung für die Provinz beschlossen. Diese, die Schleswig-Holsteinische Volks-Zeitung, hatte ein Jahr später rund 8000 Abonnenten. Mit dem Inkrafttreten des Sozialistengesetzes musste die Zeitung ihr Erscheinen einstellen.

Sozialistengesetz

Hauptartikel: Sozialistengesetz

Hausdurchsuchung im Rahmen des Sozialistengesetzes, um 1879

War die Arbeit der Sozialisten vorher schon durch Bürgertum und Obrigkeit nicht besonders gern gesehen, wurde sie zwischen 1878 und 1890 komplett verboten. Das Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie störte die mühsam aufgebaute Parteiorganisation, zerstörte sie jedoch nicht. In der Illegalität wurde sie durch Vertrauensmänner aufrecht erhalten. Sozialdemokraten wurden verhaftet und zu Gefängnisstrafen verurteilt oder zur Emigration gezwungen.

Selbst diese Unterdrückung konnte nichts ändern an der Attraktivität der Idee der Sozialdemokratie.

"Maßnahmen gegen die Bewegung spornten unsere Genossen in einzelnen Orten zur größten Kraftentfaltung an. Altona, Neumünster und Kiel standen im Mittelpunkt der Abwehrbewegung. Als das Ausnahmegesetz 1890 fiel, da stand auch in Schleswig-Holstein die Bewegung stärker wie je zuvor da."[6]

Am 26. Mai 1888 trat eine neue Kreisordnung für die Provinz Schleswig-Holstein in Kraft, durch die sich Kreis-, Amts- und Gemeindegrenzen veränderten.[7] Dies hatte auch Auswirkungen für die im Untergrund arbeitende Parteiorganisation.

Auf dem Parteitag in Halle vom 12.-18. Oktober 1890 gab die SAP sich ein neues Organisationsstatut, und sie nahm ihren endgültigen Namen an: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD).

Wilhelminismus

Luise Zietz

Aber auch danach behinderten staatliche Organe die Arbeit von Sozialdemokratie oder Gewerkschaften weiterhin nach Kräften und schikanierten ihre Anhänger. Die rechtliche Ausgrenzung wurde aufgehoben, die gesellschaftliche Ausgrenzung blieb noch lange Zeit bestehen - mit nachhaltigen Auswirkungen auf das Verhältnis der Betroffenen zum Staat. In dieser Zeit bildete sich die sozialdemokratische Arbeiterkultur: Sozialdemokratische Zeitungen wurden gegründet, weil die Sichtweise der Arbeiter in der bürgerlichen Presse nicht vorkam. In bürgerlichen Vereinen waren Arbeiter als Mitglieder nicht gern gesehen; deshalb gründeten sie eigene Arbeitersportvereine, Arbeiterkultureinrichtungen wie die Freie Volksbühne Kiel oder den Kieler Chor-Verein. Eine der beeindruckendsten Schöpfungen der Arbeiterkultur waren die Konsumvereine.

Frauen durften sich bis 1908 überhaupt nicht organisieren. Einige mutige Schleswig-Holsteinerinnen wurden trotzdem politisch aktiv - Luise Zietz war eine der ersten weiblichen Agitatorinnen und gehörte ab 1908 als erste Frau dem Parteivorstand an.

Das "Verbindungsverbot" untersagte noch bis 1899 die Gründung überregionaler politischer Zusammenschlüsse. Deswegen gab es bis 1891 keine landesweite Parteiorganisation. Die SPD setzte auf eine Doppelstrategie: Auf lokaler Ebene waren politische Vereine erlaubt, deshalb gründeten sich nach 1890 vermehrt Ortsvereine. Überregional sicherten Abgeordnete und Vertrauenspersonen den Zusammenhalt der Partei.[8] Ein Provinzial-Parteitag wählte 1891 eine dreiköpfige Agitationskommission (die schon vorher im Geheimen bestanden hatte) mit Heinrich Lienau als 1. Vorsitzenden - die erste landesweite sozialdemokratische Organisation in Schleswig-Holstein. Mehr war bis zur Aufhebung des Verbindungsverbots nicht möglich.

Gründung der Bezirksorganisation

Bereits 1904 begann Eduard Adler aus Kiel die Diskussion über die Reorganisation des bisherigen "Agitationsbezirks". 1905 verabschiedete der Parteitag in Jena ein Organisationsstatut, das weitestgehend den Vorschlägen von Eduard Adler entsprach:

Die Grundlage der Organisation war nun der Verein des Wahlkreises. Für den Fall, dass der Wahlkreis sich über mehrere Orte erstreckte, konnten Ortsvereine gebildet werden. Diese "Sozialdemokratischen Vereine" schlossen sich zu Bezirksverbänden und Landesorganisationen zusammen, deren selbstständige Führung der Geschäfte allerdings nicht in Widerspruch zum Statut der Gesamtpartei stehen durfte. Mindestens 20 % ihrer Einnahmen waren an die Parteileitung abzuführen. Kein Wahlkreis durfte durch mehr als drei Delegierte auf dem reichsweiten Parteitag vertreten werden. Diese Struktur setzte Schleswig-Holstein zügig um, wie auf dem Provinzialparteitag 1905 berichtet wurde. Der gemeinsame Agitationsbezirk mit Hamburg wurde jedoch beibehalten.

Die Hamburger waren skeptisch, was diese Reorganisation anging; die Stadt mit ihren besonderen Landes- und Kommunalgesetzen passe nicht in das Organisationsgebilde der Provinz. Nach längeren Diskussionen beschlossen sie daher 1905 in einer Urabstimmung mit 1610 gegen 640 Stimmen, aus der Provinzorganisation auszutreten.[9]

Teil der Reorganisation scheint auch die Einführung von Unterbezirken gewesen zu sein - ab wann, ist bisher nicht ermittelt.

1906 übernahm Friedrich Bartels den Vorsitz des Agitationsbezirks Schleswig-Holstein.[10] Er wurde als Parteisekretär besoldet und war eine Art früher Landesgeschäftsführer. Ab 1912/13 nannte sich die Agitationskommission Bezirksvorstand. Am 1. November 1913 wurde Heinrich Kürbis zum Bezirksvorsitzenden gewählt und angestellt.[11]

Der Erste Weltkrieg

Die Zeit des Wilhelminismus war gesellschaftlich auch durch die Rüstungs- und Flottenpolitik von Kaiser Wilhelm II. geprägt. Die Sozialdemokratie setzte sich dagegen für eine Friedenspolitik ein.[12] In den Tagen nach der Mobilmachung zum Ersten Weltkrieg 1914 berief die SPD Schleswig-Holstein einen Bezirksparteitag ein. Die Entschließungen des Tages zeigten den Weitblick der Delegierten:

"Die Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein hat gemeinsam mit der deutschen Gesamtpartei und den anderen Parteien in Europa ihr Bestes getan, um den drohenden Weltkrieg zu verhindern und eine friedliche politische Entwicklung der Völker zu Wohlfahrt und Freiheit zu sichern. Wir stellen fest, daß unsere Partei keine Schuld an dem Verderben trifft, das da über die Welt ziehen will; die Verhältnisse dieser kapitalistischen Zeit und deren Konsequenzen waren stärker als die Arbeit unserer Millionen und der Friedenswille mancher Regierenden."[13]

Doch als zwei Tage später die Reichstagsfraktion den von der Regierung beantragten Kriegskrediten zustimmte, stand der Bezirk zunächst an ihrer Seite. Erst nach und nach brach hier, wie überall im Reich, der im Gegenzug vereinbarte "Burgfrieden" (der von den Herrschenden nie eingehalten worden war). Ab 1916 wuchs die innerparteiliche Kritik. Im März 1917 kam es dann zur Abspaltung der Unabhängigen SPD (USPD). Ihre Hochburgen in Schleswig-Holstein wurden Kiel, Bordesholm, Altona, Flensburg, Schleswig und Eckernförde.[14]

Arbeiter- und Matrosenaufstand

Hauptartikel: Kieler Arbeiter- und Matrosenaufstand Mit der Verschlechterung der Versorgungslage und dem immer sinnloser werdenden Sterben an der Front wuchs der Widerstand in der Bevölkerung. Ab Januar 1918 kam es vermehrt zu Streiks, im November 1918 dann zum Kieler Arbeiter- und Matrosenaufstand. Mit Unterstützung von Gewerkschaften, SPD und USPD breitete er sich binnen Tagen über das Reich aus, wurde zur Novemberrevolution, die dem Kaiserreich ein Ende setzte.

Weimarer Republik

III. Sekretärs-Kurs in Probstzella/Thür., möglicherweise mit Willy Verdieck (4. rechts von der Frau Mitte vorn) und Karl Meitmann (links vorn auf der 1. Treppenstufe, mit Fliege)

Im November 1918 wurde Heinrich Kürbis Beigeordneter beim Oberpräsidenten und im März 1919 selbst Oberpräsident. Daher übernahm am 29. Januar 1919 Carl F. Alps aus Itzehoe provisorisch den Bezirksvorsitz. Im Juli 1919 wurde dann Rudolf Hackelberg zum Bezirkssekretär gewählt. Er muss spätestens 1920/21 die Geschäfte an Willy Verdieck übergeben haben, der vom Bezirksparteitag 1921 in seinem Amt bestätigt wurde.[15] Er füllte das Amt bis zum erneuten Verbot der Partei 1933 aus. Allerdings stellte der Bezirksverband 1926 'Jack' Meitmann als hauptamtlichen Parteisekretär ein.[16]

"Die schleswig-holsteinische SPD zeichnete sich [während der Weimarer Republik] nicht nur durch vergleichsweise gute Wahlergebnisse aus, sondern auch durch eine hohe personelle Kontinuität [...] der Bezirksorganisationsspitze."[17]

Reichspräsident Friedrich Ebert sagte in einer Ansprache vor Sozialdemokraten am 4. September 1922 in Kiel:

"Es war nicht nur meine Auffassung, sondern auch die der gesamten Parteileitung, insbesondere unserer Alten, Bebel, Singer, daß die Parteibewegung in Schleswig-Holstein eine der besten deutschen Bezirke ist, nicht nur ihrem Umfang und ihrer straffen, in sich gefestigten Organisation nach, sondern auch nach der ganzen geistigen Einstellung der Parteibewegung in Schleswig-Holstein. Es ist hier theoretisch und praktisch immer eine sehr intensive Schulung der Parteigenossen erfolgt und damit sehr früh den staatspolitischen Notwendigkeiten bei der hiesigen Parteigenossenschaft der Weg bereitet worden ... So war es möglich, daß in all den Stürmen ... die Parteiorganisation immer in sich geschlossen und gefestigt blieb und daß sie eine Reihe von Leuten hervorgebracht hat, die auch unseren Pflichten und Aufgaben im staatlichen Leben gerecht zu werden verstanden."[18]

Der Erfolg der Weimarer Republik hing nach Meinung der SPD auch davon ab, wie gut es gelänge, die Verwaltung zu demokratisieren. Da Sozialdemokraten der Weg in die Verwaltung bislang auf vielfache Art schwer gemacht worden war, gab es wenig Erfahrung und Vorbilder. Abhilfe sollte in Schleswig-Holstein unter anderem die Arbeitervolkshochschule schaffen[19], die aber erst 1928 eröffnet werden konnte und im Februar 1933 von den Nazis geschlossen wurde.

Die Reste der seit 1920 zerfallenden USPD kehrten auf dem Parteitag von 1922 bis auf einige wenige Köpfe in die SPD zurück. Der größere Teil hatte sich schon 1920 der mittlerweile gegründete KPD angeschlossen.

Da vermutlich das Gewerkschaftshaus für die wachsende Organisation nicht mehr genügend Raum bot, musste der Bezirksverband ausweichen. Karl Rickers, damals in der Sozialistischen Arbeiterjugend, erinnert sich an Besuche bei seinem Jugendsekretär:

"[Wilhelm Kuklinskis] Büro lag in der Flämischen Straße in der Kieler Altstadt, als eines der etwa fünf oder sechs Büroräume des SPD-Bezirks; der Ortsverein Kiel der SPD residierte hingegen im angestammten Gewerkschaftshaus. Der Bezirksverband aber hatte Räume in einem der alten, dunklen Häuser aus der Barock- oder Nachbarockzeit gemietet, die es damals noch gab. Es ging durch ein altes Treppenhaus in engem Viereck nach oben. Wir wußten, daß hier alle Parteisekretäre ihre Büros hatten, z.B. Theodor Werner, der die Gemeindepolitik und gleichzeitig die Parteikasse betreute - vielleicht auch war letzteres in den Händen von Andratzke (sic!).[20]

Fahne des Reichsbanners Kiel-Hassee

Als Reaktion auf die zahlreichen politischen Morde, Putsch- und Aufstandsversuche in den Anfangsjahren der Weimarer Republik wurde 1924 das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold gegründet. Überall formierten sich Ortsgruppen, vorwiegend aus Sozialdemokraten, die auch notfalls mit Gegenwehr gegen ihre gewaltbereiten Feinde die Demokratie schützen wollten.

Vom 31. Mai bis 5. Juni 1931 fand in Leipzig der Parteitag statt. Für Schleswig-Holstein nahmen als Delegierte teil Karl Andritzke, Louis Biester, August Blume, Friedrich Böttcher, Karl Bugdahn, Paul Dölz, Emma Drewanz, Friedrich Hansen, Richard Hansen, Heinrich Hauschildt, Toni Jensen, Walter Lamp'l, Karl Langebeck, Max Schmidt, Wilhelm Schweizer, Willy Verdieck und Grete Wöhrmann.[21] Niemand ahnte, dass dies der letzte reichsweite Parteitag war; der nächste sollte die Reichskonferenz von Wennigsen am 5./6. Oktober 1945 im drastisch verkleinerten und faktisch schon geteilten Deutschland sein.

Gegen Ende der Weimarer Republik kam es immer häufiger zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit den Nazis, aber auch mit Kommunisten. Es gab Tote. So wurden 1932 in Harrislee der Sozialdemokrat Julius Zehr von einem SA-Mann erschossen, in Eckernförde die Landarbeiter Hinrich Junge und Johann Buhs bei einem Überfall auf das Gewerkschaftshaus ermordet. In Lübeck geriet Julius Leber im Februar 1933 in eine Auseinandersetzung, in der in Notwehr einer seiner Begleiter einen SA-Mann erstach. In den braunen Hochburgen wie Eutin und Kaltenkirchen litten die Genossen unter Dauerterror. Sie waren in einen Abwehrkampf verwickelt, sahen die Erfolge der Nazis, deren Vorgehen und ahnten, was sie erwartete, wenn die Nazis an die Macht kommen sollten.

Nationalsozialismus

Hauptartikel: Widerstand in der NS-Zeit

Stolperstein für Wilhelm Spiegel, eins der ersten sozialdemokratischen Opfer der Nazis in Kiel

Am 22. Juni 1933 wurde die SPD von den Nationalsozialisten verboten. Vielerorts wurden Parteifahnen und Unterlagen vergraben oder - wie beim Ortsverein Schleswig - eingemauert, damit man sie später wieder hervorholen und dort weitermachen konnte, wo die Arbeit unterbrochen worden war.

Eine Reihe von Mitgliedern aus Schleswig-Holstein floh ins Ausland - am bekanntesten dürfte Willy Brandt (damals schon zur SAP gewechselt) sein, weitere waren Lisa und Richard Hansen, Franz Osterroth, Willy Busch und Hans E. Hansen. Andere, wie Frieda und Andreas Gayk oder Anne und Niels Brodersen, zogen nach Berlin, um in der Anonymität der Großstadt unterzutauchen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten Widerstand zu leisten. Auch in der Provinz organisierten Sozialdemokraten in dieser Zeit Widerstand, ebenso wie Kommunisten und viele Konservative und religiöse Menschen. Die schleswig-holsteinischen Genossen hielten engen Kontakt zu den nach Skandinavien Emigrierten.

Viele wurden von den Nazis umgebracht. Zahlreiche bekannte Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wurden nach dem missglückten Attentat auf Adolf Hitler 1944 im Rahmen der "Aktion Gewitter" verhaftet und in Konzentrationslager gesteckt. Das berühmteste Beispiel eines schleswig-holsteinischen Sozialdemokraten im Widerstand ist wohl der Wahl-Lübecker Julius Leber. Bei seiner Aburteilung vor dem Volksgerichtshofs sagte er:

"Für eine so gute und gerechte Sache ist der Einsatz des eigenen Lebens der angemessene Preis. Wir haben getan, was in unserer Macht stand."

Andere blieben und versuchten, unter der Gewaltherrschaft zu überleben. Wer zum Kriegsdienst eingezogen wurde und ihn überlebte, kam danach oft in Gefangenschaft. Erst nach ihrer Freilassung konnten etwa Walter Damm oder Hans Schröder die SPD in Schleswig-Holstein wieder mit aufbauen.

Literatur

Hauptartikel: Literatur zur Geschichte der Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein Nur wenig Literatur beschäftigt sich mit der Geschichte des Landesverbands insgesamt:

Links

Einzelnachweise

  1. SPD-Ortsverein Elmshorn: 100 Jahre SPD-Ortsverein Elmshorn (Elmshorn 1963)
  2. Danker, Uwe: Die Geburt der Doppelstrategie in der "Roten Hochburg" - Arbeiterbewegung in Schleswig-Holstein 1863-1918, in: Demokratische Geschichte 3(1988), S. 31
  3. Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 6f
  4. Social-Demokrat - Tagesausgabe, 6.10.1869
  5. Die Partei in Schleswig-Holstein, in: Sozialdemokratischer Parteitag Kiel 1927 (Nachdruck Kiel o.O.u.J.)
  6. Die Partei in Schleswig-Holstein, in: Sozialdemokratischer Parteitag Kiel 1927 (Nachdruck Kiel o.O.u.J.)
  7. Kreisordnung für die Provinz Schleswig-Holstein vom 26. Mai 1888
  8. Martens, Holger: Die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Schleswig-Holstein 1945 - 1959 (Malente 1998), ISBN 3-933862-24-8, S. 24
  9. Vorwärts Nummer 290, Jahrgang 22, 12.12.1905
  10. Martens, Holger: Die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Schleswig-Holstein 1945 - 1959 (Malente 1998), ISBN 3-933862-24-8, S. 24
  11. Paetau, Rainer: Konfrontation oder Kooperation. Arbeiterbewegung und bürgerliche Gesellschaft im ländlichen Schleswig-Holstein und in der Industriestadt Kiel zwischen 1900 und 1925 (Neumünster 1988), S. 508
  12. Brecour, Wilhelm: Die Sozialdemokratische Partei in Kiel. Ihre geschichtliche Entwicklung (Kiel o. J. [1932]) (Neudruck in Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung, Kiel 1983), Seite I-71
  13. Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), S. 54
  14. Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), S. 56
  15. Jacobsen, Jens-Christian; 'Der Stolz der Gesamtpartei?' Die SPD Schleswig-Holstein 1918-1933. In: Demokratische Geschichte 3(1988), Seite 211
  16. HM [Holger Martens]: Karl Meitmann in der Datenbank AvS
  17. Martens, Holger: Die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Schleswig-Holstein 1945 - 1959 (Malente 1998), ISBN 3-933862-24-8, S. 25
  18. Zitiert nach: Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), S. 3
  19. Jacobsen, Jens-Christian (1988) 'Der Stolz der Gesamtpartei?' Die SPD Schleswig-Holstein 1918-1933. In: Demokratische Geschichte 3(1988), S. 211
  20. Rickers, Karl: Erlebte Weimarer Republik. Erinnerungen eines Kielers aus den Jahren zwischen 1918 und 1933. In: Paetau, Rainer / Rüdel, Holger (Hrsg.): Arbeiter und Arbeiterbewegung in Schleswig-Holstein im 19. und 20. Jahrhundert (Neumünster 1987) ISBN 3-529-02913-0, S. 351
  21. Martens, Holger: Die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Schleswig-Holstein 1945 - 1959 (Malente 1998), ISBN 3-933862-24-8, S. 239
  22. Schreiben 395/2016 des Leitenden Archivdirektors Prof. Dr. Dr. Rainer Hering an den SPD-Landesverband, Ralf Stegner, vom 10.2.2016