Daniel Rindfleisch

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Daniel Rindfleisch
Daniel Rindfleisch
Daniel Rindfleisch
Geboren: 19. April 1866
Gestorben: 14. Mai 1918

Daniel Rindfleisch, * 1866 in Ischl/Allgäu (heute Ortsteil von Seeon-Seebruck), 14. Mai 1918 in Ischl/Allgäu; Buchdrucker/Schriftsetzer, Expedient. Mitglied der SPD vermutlich seit etwa 1890.[1]

Leben & Beruf

Von "ehrenfestem Charakter" und "milder Sinnesart" sei er gewesen, so heißt es über Daniel Rindfleisch.[2] Als wandernder Geselle des Schriftsetzer- oder Buchdruckerhandwerks soll er nach Kiel gekommen sein. Vor 1900 muss er seine Frau, die wohl aus Rathjensdorf bei Plön stammte, kennengelernt und geheiratet haben, denn das einzige Kind, die gemeinsame Tochter Mariechen, kam um 1900 zur Welt. Die Familie lebte in der Harmsstraße. Im Nachbarhaus wohnte Edmund Söhnker mit seiner Familie, so dass sich die beiden Männer gut kannten. Mariechen Rindfleisch wurde, wie sie später im Verwandtenkreis erzählte, eine der Spielkameradinnen des jungen Hans Söhnker. Nach der NS-Herrschaft arbeitete sie lange als Buchhändlerin in der "Buchhandlung Gutenberg" im Gewerkschaftshaus an der Legienstraße.[3]

Daniel Rindfleisch und Familie, ca. 1915

Mit wachsendem politischen Engagement wechselte Daniel Rindfleisch als Expedient zur Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung, wo er seine Zeit stärker der Stadtpolitik widmen konnte. Seit Zeiten der Haft aufgrund seines politischen oder gewerkschaftlichen Engagements, so die Familienlegende, litt er an Schwindsucht. In der Bergluft des Allgäus, in seiner Heimat Ischl, hoffte er auf Genesung[4], starb dort jedoch im Mai 1918 mit 51 oder 52 Jahren.

Partei & Politik

Wann Daniel Rindfleisch der SPD beitrat, ließ sich bisher nicht ermitteln. Aber bei Wilhelm Brecour wird er im Januar 1891 zum ersten Mal erwähnt, als Vorsitzender des Kieler Zentralverbands der Buchbinder, einer gewerkschaftlichen Organisation.[5] Er engagierte sich in dem noch jungen Verein offenbar mit Erfolg politisch, denn schon wenige Jahre später nahm er eine zentrale Position in der Kieler SPD ein: Von 1896 bis 1907 oder 1908 führte er den Vorsitz des Sozialdemokratischen Vereins Kiel und Umgegend und entwickelte sich zu einem der führenden Kommunalpolitiker.[6]

Dass Daniel Rindfleisch nicht nur von "milder" Art gewesen sein muss, zeigt ein Vorfall im Jahr 1902: Frauen war die politische Tätigkeit generell verboten; sie durften aber Versammlungen als Zuhörerinnen von einem separaten Raum aus verfolgen. Das hatte sich bei der Kieler Polizei noch nicht herumgesprochen: Bei einer Parteiversammlung in der Gaststätte "Elysium" waren auf einer Tribüne auch Frauen anwesend. Der überwachende Polizist forderte von Daniel Rindfleisch, der als Vorsitzender die Sitzung leitete, die Frauen aus dem Lokal zu weisen. Dieser weigerte sich, die Polizei stürmte den Saal. Die SPD führte Beschwerde über das Vorgehen der Obrigkeit; seitdem konnten die Genossinnen ungestört teilnehmen.[7]

Auch nachdem er den Vorsitz abgegeben hatte - an Edmund Söhnker, seinen politischen Weggefährten aus der Harmsstraße - engagierte sich Daniel Rindfleisch weiterhin im Kreisverein:

"Die Genossen Adler und Rindfleisch wurden als angebliche >Führer< von großen Demonstrationszügen, in denen sie sich tatsächlich nur als Teilnehmer befanden, zu je 150 Mk. Geldstrafe verurteilt".[8]

Das war 1909. Etwa 1912 übernahm er unter dem Vorsitzenden Heinrich Bielenberg den stellvertretenden Vorsitz. Wie bedeutsam er für die Kieler SPD war, mag der Umstand zeigen, dass er im August 1915 auf der Trauerfeier für den bekannten Kommunalpolitiker Ernst Cappel neben Gustav Garbe eine der beiden Trauerreden hielt. Er referierte auch in Stadtteilversammlungen und beteiligte sich an Wahlkämpfen und Veranstaltungen. Im Denken stand er der gemäßigten Sozialdemokratie nah, sprach sich im 1. Weltkrieg für den "Burgfrieden" aus und kritisierte die Spaltung durch die ab 1915/16 entstehende linksradikale Opposition in Kiel. Als sich 1917 die USPD abspaltete, blieb er der SPD (jetzt MSPD) treu.

Kommunalpolitik

Werbung der SPD zur Stadtverordnetenwahl 1907

Seit 1906[9] gehörte Daniel Rindfleisch der Kieler Stadtvertretung an und war damit einer der wenigen Stadtverordneten, die die Kieler Sozialdemokratie stellen konnte. Das preußische Dreiklassenwahlrecht und das in Kiel geltenden "Zensus-Wahlrecht" sicherten den bürgerlichen Parteien immer die Mehrheit im Rathaus. Repräsentativ war diese Zusammensetzung nicht, denn die große Mehrzahl der Kieler Bevölkerung war vom Wahlrecht ausgeschlossen.

Daniel Rindfleisch meldete sich in der Stadtverordnetenversammlung häufig zu Wort. So stritt er im August 1915, zusammen mit Wilhelm Spiegel, gegen die Erhöhung der Milchpreise durch den Magistrat, was die Finanzen der Arbeiterhaushalte zusätzlich belastet hätte.[10] Sein Engagement führte ihn auch zur Übernahme ganz besonderer Ämter, die einen politischen Zeitenwechsel andeuteten.

Traueranzeige der Stadt für Daniel Rindfleisch

Am 7. Januar 1913[11] wurde mit Daniel Rindfleisch erstmals in der Geschichte der Kieler Kommunalpolitik ein Sozialdemokrat stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher. Dies wurde von der SPD als Erfolg gefeiert und machte seine herausgehobene Stellung in ihrem Kreis deutlich. Im Januar 1915 wies der preußische Innenminister die Staatsorgane an, ein "gewisses Entgegenkommen als Anerkennung des Burgfriedens" gegenüber der Sozialdemokratie zu zeigen. Wohl aufgrund dessen wurde 1916 ein erster Sozialdemokrat - wieder Daniel Rindfleisch - in den Kieler Magistrat gewählt; eine Entscheidung, die noch wenige Jahre zuvor unvorstellbar gewesen wäre. Allerdings handelte es sich dabei um ein Ehrenamt, im Gegensatz zu den besoldeten bürgerlichen Stadträten. Gleichzeitig wurden erstmals auch zwei SPD-Stadtverordnete, Eduard Adler und ein Genosse Ribbe, in die Schuldeputation gewählt. Von einer auch nur irgendwie gleichberechtigten Teilhabe der SPD an den kommunalen Aufgaben und Entscheidungen kann deswegen aber noch längst nicht gesprochen werden.[12]

Daniel Rindfleisch füllte sein letztes Amt bis zu seinem Tod im Mai 1918 aus. Die Stadt Kiel bescheinigte in der von Bürgermeister Dr. Gradenwitz und dem stellvertretenden Stadtverordnetenvorsteher Eduard Adler unterzeichneten Traueranzeige ihrem verstorbenen sozialdemokratischen Stadtrat, er habe "mit hingebungsvoller Treue zum Wohle unserer Stadt mitgearbeitet".[13]

Einzelnachweise

  1. Der Text dieses Eintrags stammt im Wesentlichen von Rolf Fischer.
  2. Traueranzeige der Stadt, Kieler Zeitung, 15.5.1918
  3. Familiengeschichtliche Hinweise von Eggert Casper, Kiel; Manuskript Slg. Rolf Fischer
  4. Familiengeschichtliche Hinweise von Eggert Casper, Kiel; Manuskript Slg. Rolf Fischer
  5. Brecour, Wilhelm: Die Sozialdemokratische Partei in Kiel. Ihre geschichtliche Entwicklung (Kiel o. J. [1932]) (Neudruck in Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung, Kiel 1983), S. 59
  6. Fischer, Rolf: "Mit uns die neue Zeit!" Kiels Sozialdemokratie im Kaiserreich und in der Revolution (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie Band 2: 1900-1920)(Kiel 2013) ISBN 978-3-86935-196-4, S. 58
  7. Fischer, Rolf: "Mit uns die neue Zeit!" Kiels Sozialdemokratie im Kaiserreich und in der Revolution (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie Band 2: 1900-1920)(Kiel 2013) ISBN 978-3-86935-196-4, S. 42
  8. Fischer, Rolf: "Mit uns die neue Zeit!" Kiels Sozialdemokratie im Kaiserreich und in der Revolution (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie Band 2: 1900-1920)(Kiel 2013) ISBN 978-3-86935-196-4, S. 58
  9. Traueranzeige der Stadt, Kieler Zeitung, 15.5.1918
  10. Fischer, Rolf: "Mit uns die neue Zeit!" Kiels Sozialdemokratie im Kaiserreich und in der Revolution (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie Band 2: 1900-1920)(Kiel 2013) ISBN 978-3-86935-196-4, S. 123
  11. Traueranzeige der Stadt, Kieler Zeitung, 15.5.1918
  12. Paetau, Rainer: Konfrontation oder Kooperation. Arbeiterbewegung und bürgerliche Gesellschaft im ländlichen Schleswig-Holstein und in der Industriestadt Kiel zwischen 1900 und 1925 (Neumünster 1988), S. 155 f.
  13. Kieler Zeitung, 15.5.1918