Kreisverband Kiel: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:Postkarte OB-Wahl.png|thumb|right|220px|Norbert Gansel - Postkarte zur OB-Wahl]]
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Version vom 28. Dezember 2020, 17:31 Uhr

Der Kreisverein, später Kreisverband Kiel der SPD wurde am 4. Oktober 1945 gegründet. Er umfasst aktuell 17 Ortsvereine mit ca. 1.600 Mitgliedern.

Vorgeschichte

Hauptartikel: Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel Die Vorgängerorganisation des Kreisverbands Kiel war der Sozialdemokratische Verein Groß-Kiel, der von 1911 bis zur Zerschlagung durch die Nationalsozialisten 1933 bestand. Die Geschichte der organisierten Sozialdemokratie reicht in Kiel jedoch zurück bis 1870 oder 1871, als Stephan Heinzel begann, hier eine Organisation des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) aufzubauen.

Wiederaufbau

Zerstörtes Kiel, 1944
Bereits seit Januar 1945 trafen sich im zerstörten Kiel alte Mitglieder in so genannten "Stubenzirkeln", um die Wiedergründung der Partei vorzubereiten. Mit dabei waren unter anderen Wilhelm Kuklinski, Otto Engel und Albert Witte. Nachdem am 5. Mai britische Truppen die Stadt erreichten und der Krieg für Kiel beendet war, gründeten die Kieler Genossinnen und Genossen wie vielerorts im Land einen Gewerkschaftsausschuss - eine "Antifa" - mit Gewerkschaftern und Kommunisten und besetzten das Gewerkschaftshaus.[1] Zur Antifa gehörten auch die früheren SPD-Funktionäre Bruno Diekmann, Theodor Werner und Karl Ratz - weitere Führungspersonen aus der Zeit vor 1933 standen allerdings noch nicht zur Verfügung. So gab es keine offensichtlichen Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters. Gertrud Völcker schlug den Marinerichter Otto Tschadek vor. Der hatte beim Wiederaufbau der SPD in Kiel mitgewirkt, ging jedoch bald zurück, um in seiner Heimat Wien Politik zu machen. So war er nur für knapp einen Monat eingesetzter Oberbürgermeister von Kiel.

Otto Tschadek gehörte zu den Gegnern einer Einheitspartei aus SPD und Kommunisten, die zu dieser Zeit als Idee kursierte. Er kritisierte vor allem das Demokratieverständnis der Kommunisten: "Die Demokratie ist nicht nur ein taktisches Mittel, um zum Sozialismus zu gelangen, sie ist Teil des Zieles, für das wir kämpfen."[2] Diese Haltung teilte er mit Andreas Gayk und Kurt Schumacher, der von Hannover aus die Führung der Partei in den Westzonen übernahm. Über ihn berichtete Otto Engel, er habe bei einem Besuch bei Karl Ratz in Kiel gesagt: "In den Betrieben kann mit Kommunisten nicht lange gefackelt werden, es muß im rechten Augenblick ein Schraubenschlüssel geflogen kommen."[3]

Führende Kieler Genossen hatten zunächst Möglichkeiten ausgelotet, die als schädlich empfundene Spaltung der Arbeiterbewegung durch Bildung einer Einheitsfront oder sogar - wie in der sowjetischen Zone geplant - durch eine Einheitspartei zu beenden. Sie hatten Gespräche mit kommunistischen Funktionären geführt, einige davon ehemalige Sozialdemokraten, und sogar eine gemeinsame Erklärung mit den Kommunisten veröffentlicht. Diesen Bestrebungen setzte schon im nächsten Monat der Einfluss von Schumacher und Gayk, vielleicht auch das gegenseitige Misstrauen, das aus den Aufzeichnungen über den Verlauf der Gespräche deutlich wird, ein Ende.

Otto Engel
Durch diese Diskussionen verzögerte sich der Wiederaufbau der Partei-Organisation. Später als anderswo begann man in Kiel mit der Wiedergründung der Ortsvereine und des Kreisverbandes.[4] Otto Engel berichtete über die Wiedergründung:
"Am 4. Oktober 1945, also 14 Tage vor der Gründung unserer Partei in Hannover, fand dann im früheren Versammlungslokal des Distrikts West in Stender's Gasthof am Lehmberg die nunmehr endlich durch die Engländer gestattete Gründung der Kieler SPD statt. Dort wurde auch der erste Vorstand gewählt - von der Versammlung aller Stubengruppen der Distrikte, ungefähr 100 Personen. Die Genossen wählten Karl Ratz zum 1. Vorsitzenden, Richard Tiede zum 2. Vorsitzenden, Ernst Prey zum Kassierer, Ludwig Stahl zum Kulturleiter, Hermann Köster zum Jugendleiter, eine Frauenvorsitzende [dies war Gertrud Völcker[5]] und eine Reihe von Beisitzern. Ich wurde von der Gründungsversammlung dann auch zum hauptamtlichen Sekretär gewählt."[6]
Gertrud Völcker
Die britische Militärregierung hatte den Deutschen nach der Kapitulation jegliche politische Betätigung untersagt. Trotzdem trieb der Gewerkschaftsausschuss den Wiederaufbau der Parteistrukturen weiter voran. Erste öffentliche Veranstaltungen fanden rasch statt, so dass sich Ortsvereine und Kreisverband schon vor der offiziellen Zulassung durch die Briten Ende 1945 konstituieren konnten.

Am 6. Dezember 1945 trat auch die erste von den Briten ernannte Ratsversammlung zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Der SPD-Fraktion gehörten u.a. Bruno Diekmann, Andreas Gayk, Toni Jensen und Gertrud Völcker an. Auf der politischen Tagesordnung von Partei und Fraktion standen ganz vorn die Behebung der Wohnungsnot und der wirtschaftliche Wiederaufbau, nicht zuletzt durch die Reaktivierung der Werften.[7]

Die Ära Gayk - Kiel wird aufgeräumt

In den Jahren nach Ende der NS-Diktatur war Andreas Gayk die dominierende Figur der SPD in Kiel und in ganz Schleswig-Holstein: Landesvorsitzender, Vorsitzender der Landtagsfraktion und Kieler Oberbürgermeister in einer Person. Er organisierte den Wiederaufbau der Stadt, die als "Reichskriegshafen" von 90 britischen Luftangriffen großflächig zerstört worden war. Es gab kaum Wohnraum für die in die Stadt zurückdrängenden Evakuierten und die täglich eintreffenden Flüchtlingstransporte. Die Wirtschaft war schon seit der Kaiserzeit hauptsächlich Kriegswirtschaft gewesen, zum großen Teil Schiffbau und Zulieferbetriebe. Was nach dem 2. Weltkrieg an Industrieanlagen noch übrig war, sollte demontiert und nach Großbritannien gebracht werden. Es gab durchaus Pläne, Kiel in ein kleines "Fischerdorf" zurückzuschrumpfen.[8].

Protestkundgebung gegen Demontagen mit Karl Ratz und Andreas Gayk

Andreas Gayk und sein Oberstadtdirektor Walther Lehmkuhl organisierten den parteiübergreifenden Widerstand gegen die Demontage von Industriebetrieben durch die Briten. Gleichzeitig arbeiteten sie daran, zivile Betriebe nach Kiel zu holen, um der städtischen Wirtschaft eine "friedenswirtschaftliche" Grundlage zu geben. Die Universität wurde wieder eröffnet. Unter Andreas Gayk wurde Kiel schneller von Trümmern geräumt als viele andere Städte in Deutschland. Mit Hilfe des Pinneberger Landrats Walter Damm ließ er die Trümmerfelder von Schülerinnen und Schülern mit jungen Bäumen bepflanzen.

Er initiierte eine Städtefreundschaft mit der von deutschen Bomben schwer zerstörten englischen Stadt Coventry und konzipierte die "neue" Kieler Woche als Friedensveranstaltung.

In dieser Zeit war Karl Ratz Kreisvorsitzender und gleichzeitig Lizenzträger der Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung, die ab 1946 wieder erschien.

1954 starb Andreas Gayk, 1958 gab der Kreisvorsitzende Karl Ratz wegen einer schweren Erkrankung sein Amt an einen Weggefährten ab. Im Übergang zum "Wirtschaftswunder" stand die Kieler SPD unter der Leitung von Hans Schröder. Er übergab das Ruder 1963 an einen weiteren aus der Kriegsgeneration, Hermann Köster.

Modernisierung

Anfang der 1960er waren die Trümmer des Krieges weitgehend beseitigt. Die Narben im Stadtbild blieben jedoch, und es fehlten immer noch geschätzte 17.000 Wohnungen.[9] Die Zer­stö­run­gen wur­den von Stadt­pla­nern auch als Chance gese­hen: Viele der geschol­te­nen Miets­ka­ser­nen waren zer­stört; an ihrer Stelle konn­ten nun die Ideen von groß­zü­gi­gen Anla­gen, Straßen und Wohn­häu­sern umgesetzt werden. Ab 1965 baute die stadteigene KWG einen neuen Stadtteil nach diesen Idealen: Mettenhof. Autogerecht sollte er sein, gleichzeitig sollte kein Haus an einer großen Straße liegen, dazwischen viel Grün. Kein pseudo-historischer Prunk mehr, sondern der moderne Chic des Bauhauses samt Vollbad und Zentralheizung - während die Altbauten noch lange mit Klo auf halber Treppe und Kohleöfen leben mussten.[10]

Walter-Damm-Haus, 1965

1964 zog die SPD aus dem Gewerkschaftshaus in ein eigenes Haus um: Am Kleinen Kuhberg 28-30 wurde die neue SPD-Landesgeschäftsstelle samt Kieler Kreisbüro eingeweiht. Im Jahr darauf trat Günther Bantzer sein Amt als Oberbürgermeister an, das er 15 Jahre lang ausfüllen sollte, bis 1980.

Die Ära Bantzer

1968 stellte die Schleswig-Holsteinische Volkszeitung, die zuletzt den Titel VZ - Kieler Morgenzeitung trug, nach mehr als 90 Jahren ihr Erscheinen endgültig ein. Die SPD verlor ihre publizistische Stimme in der Stadt. Jetzt gab es in Kiel nur noch eine im Selbstverständnis überparteiliche, tatsächlich aber bürgerlich-konservative Tageszeitung.

Die Struktur der Kieler SPD hatte mit der Entwicklung der Stadt nicht Schritt gehalten. Im Einzugsbereich des Ortsvereins Kiel-Nord wohnten zum Beispiel 29.000 Menschen, in dem des Ortsvereins Suchsdorf nur 7.000. Deswegen reformierte der Kreisvorstand 1971/72 auf Empfehlung einer "Projektgruppe Organisationsreform" unter der Leitung von Hans Burghard seine Organisation. Die Projektgruppe war der Auffassung:

"Durch die Teilung übergroßer Ortsvereine steigt zwangsläufig die Zahl verantwortlicher und aktiver Funktionäre. Es werden überschaubare Gebietsgrößen geschaffen, die gleichzeitig eine intensive Betreuung der Mitglieder und der Wähler ermöglichen. Ortsvereine mit einer überschaubaren Größe haben einen prozentual besseren Versammlungsbesuch; je kürzer umso besser ist der Weg zum Versammlungslokal."[11]

Innerhalb von eineinhalb Jahren wurde - auch unter Berücksichtigung neu zugeschnittener Kommunalwahlkreise - der größte Teil der Ortsvereine neu festgelegt und als zu groß angesehene geteilt. Danach umfasste der Kreisverband 24 statt 20 Ortsvereine. Es gab auch Widerstände: Die Teilung des Ortsvereins Elmschenhagen scheiterte am Widerstand der Basis. Die nach Fertigstellung des Stadtteils Mettenhof geplante Teilung des Ortsvereins Mettenhof/Hasseldieksdamm wurde bis heute nicht durchgeführt.

1970 erreichte der Generationswechsel den Kreisverband. Der neue Vorsitzende, Karl-Heinz Luckhardt, kann als erster Vertreter der Nachkriegsgeneration in diesem Amt gesehen werden. Er beschrieb die neue Situation:

"Zur Kommunalwahl am 24. März 1970 trat die [Kieler] SPD mit einer Mannschaft an, die weniger altbekannte Persönlichkeiten enthielt als in den Wahlen davor. Parteiintern wurde die Befürchtung geäußert, daß damit das Wahlergebnis von 1966 kaum verbessert werden kann. Ich hatte als neuer Spitzenkandidat nicht denselben Bekanntheitsgrad wie der Genosse Hermann Köster in seiner Rolle als Stadtpräsident.
Was kaum jemand erwartet hatte, trat dann ein: Mit 53,6% der Stimmen und 30 von 49 Sitzen erreichte die SPD in Kiel das beste Kommunalwahlergebnis seit Kriegsende."[12]

Eine der Neulinge war Heide Simonis. Die spätere Ministerpräsidentin trat 1971 mit 28 Jahren ihr erstes öffentliches Amt als Ratsfrau an. Und noch eine Neuerung gab es: Die Kieler Ratsversammlung wählte die Sozialdemokratin Ida Hinz zu bundesweit ersten Stadtpräsidentin.

In der Kommunalwahl 1974 verlor die SPD erheblich und kam auf 43,4%. Die CDU wurde mit 45,7% stärkste Fraktion. Schon 1978 konnte die SPD mit genau 50,0% das Blatt wieder wenden.

"Kommunale Ostpolitik"

Mit seiner Ratsmehrheit leitete der Kreisverband Kiel neben der Bundespartei seine eigene Ostpolitik in die Wege: Im Oktober 1971 fanden in Kiel "Polnische Tage" statt, in denen der Nachbar an der Ostsee Gelegenheit hatte, sich mit Wirtschaft, Industrie, Kultur, Sport und anderem ausgiebig vorzustellen.[13] Im Gegenzug fanden im Oktober 1972 in Gdynia die "Kieler Tage" statt, auf denen sich Kiel präsentieren konnte. Vom deutschen Botschafter wurde dies als "Modellfall für weitere Veranstaltungen gleicher Art in beiden Ländern" gewürdigt.[14]

Auch nach Rostock knüpfte Kiel ab 1973 mit der Beteiligung an der dortigen Ostseewoche Kontakte. Eine Städtepartnerschaft kam zwar nicht zustande. Doch trotz gelegentlicher Irritationen konnte Bürgermeister Achim Barow 1975 feststellen: "Der deutsch-deutsche Dialog klappt auch ohne formelle Partnerschaft."[15]

Kampf um die "Schule für Alle"

Bereits seit 1968 kämpfte die Kieler SPD für eine integrierte Gesamtschule in Mettenhof. Mit ihrer Ratsmehrheit beauftragte sie den Magistrat, bei der CDU-Landesregierung eine entsprechende Genehmigung einzuholen. Der Ortsverein Mettenhof/Hasseldieksdamm lud die Anwohner zu Informationsveranstaltungen ein. Die Landtagsfraktion unterstützte mit einem eigenen Antrag. Trotz einer Zusage des Ministerpräsidenten konnte sich die CDU-Mehrheit im Landtag jedoch nicht zu einer Zustimmung durchringen.

IGS Kiel-Friedrichsort, 1975

Am 27. August 1970 beschloss die Ratsversammlung die Einrichtung einer integrierten Gesamtschule in Friedrichsort. In mühseligen Verhandlungen musste sie der CDU-Landesregierung abgetrotzt werden - landesweit war es erst die zweite Schule dieser Art. Karl Heinz Luckhardt schrieb 1978:

"Nach den Vorstellungen der Kieler Sozialdemokraten ist die "Integrierte Gesamtschule Kiel-Friedrichsort" Modell für die Neugliederung des Schulwesens in der Landeshauptstadt. Wir halten diese Schulform für das System, das Freiheit, Gleichheit und Solidarität - und damit gleiche Lebenschancen - verwirklichen kann. Die ersten sehr guten Erfahrungen haben gezeigt, wie man aus der bildungspolitischen Sackgasse des dreigliedrigen Schulsystems herauskommen kann."[16]

Die IGS Kiel-Friedrichsort wurde 1975 eingeweiht. Der Schulneubau bot 42 Klassen mit 1260 Schülern Platz für innovatives Lernen.

Nach der Landtagswahl 1971 war Kiel mit acht Abgeordneten im Landtag vertreten: Karl Heinz Luckhardt für Kiel-Nord, Alfred Prezewowsky für Kiel-West, Jochen Steffen für Kiel-Ost, Leo Langmann für Kiel-Süd, Rosemarie Fleck für Kiel-Mitte sowie Manfred Hansen, Hans Gerhard Ramler und Hans Schwalbach über die Landesliste.

Die Olympischen Spiele 1972

Olympisches Feuer in Schilksee

Die Ausrichtung der Segelwettbewerbe der Olympischen Spiele 1972 bestätigte nicht nur Kiels internationalen Ruf als führende Segelstadt. Olympia löste auch eine rege Bautätigkeit aus und brachte die Stadtentwicklung und die Anbindung an das überregionale Verkehrsnetz voran. Damals wurden das Olympiazentrum in Schilksee und der ZOB am Hauptbahnhof gebaut, im Kieler Opernhaus die letzten zerstörungsbedingten Einschränkungen beseitigt, die Kiellinie angelegt, der Rathausplatz umgestaltet und die Fußgängerzone Holstenstraße um den Alten Markt an der Nikolaikirche erweitert. Außerdem erhielt Kiel endlich (und in letzter Minute) eine Autobahnanbindung; nach Norden wurde die Prinz-Heinrich-Brücke über den Nord-Ostsee-Kanal durch eine moderne Brücke ergänzt. Die SPD Kiel und ihr Oberbürgermeister Günther Bantzer trieben die Olympia-Bewerbung maßgeblich voran und gestalteten die Modernisierung der Stadt. Der OB hatte keine Zweifel:

"Die ganzen Investitionen mit Hilfen von Bund und Land haben Kiel auf einen Schlag um Jahrzehnte vorangebracht. Aus der Provinzstadt wurde plötzlich so etwas ähnliches wie eine Metropole."[17]
"Die Stadt investierte in Bauten, die mit den sportlichen Spielen verbunden sind, 6,5 Millionen Mark; wenn das Feuer erloschen ist, bleiben Einrichtungen im Gegenwert von rund 90 Millionen Mark - die durch Spenden von allen Seiten zusammengetragen wurden."[18]

Bei der Bundestagswahl 1972 wurde der 29-jährige Norbert Gansel das erste Mal in den Bundestag gewählt und blieb Kiels direkt gewählter Abgeordneter bis 1997. Mit neuen Köpfen kam auch eine neue Politik, inspiriert durch die „68er“-Bewegung und Willy Brandts Regierungserklärung „Wir wollen mehr Demokratie wagen“: Zum Bundestagswahlkampf 1972 entschied die Partei auf Anregung ihres Kandidaten, auf Spenden von Unternehmen und Interessenverbänden zu verzichten, um unabhängig gegenüber übermächtiger Einflussnahme zu sein. Diese Haltung wurde dann zu einem dauerhaften Markenzeichen. Auch eine der Herzensangelegenheiten Luckhardts, die paritätische Mitbestimmung in städtischen Betrieben, wurde durch diesen zeitgeschichtlichen Hintergrund befeuert. Der Generationswechsel war gelungen - auch junge Vorsitzende waren Normalität. Auf Karl Heinz Luckhardt folgte 1975 der zehn Jahre jüngere Claus Möller, auf ihn 1977 Hartmut Lippe, der erste nach dem Ende der NS-Herrschaft geborene Kreisvorsitzende.

1980er Jahre

"Klarer Kurs für Kiel" - Plakat zur Kommunalwahl 1982
Die Kommunalwahl 1982 brachte Kiels SPD den bisherigen Tiefpunkt; mit 41,0% erzielte sie ihr schlechtestes Ergebnis seit dem Neubeginn; die CDU setzte sich mit 43,8% knapp an die Spitze.

Integration wird wieder eine Herausforderung

Die Integration von Randgruppen und Minderheiten war der SPD zu allen Zeiten wichtig. Nach den Kriegsflüchtlingen bekam Kiel seit 1960 eine weitere Gruppe Neubürgerinnen und -bürger, die "Gastarbeiter":

"In Kiel leben über 13.000 Ausländer, davon über 60 Prozent aus der Türkei. Ein großer Teil der Ausländer wird und will auf Dauer oder zumindest langfristig in der Bundesrepublik bleiben," stellte die SPD im Programm zur Kommunalwahl 1982 fest. "Deshalb ist die Eingliederung der Ausländer in unsere Gesellschaft ein wichtiges gesellschaftspolitisches Ziel, dem sich niemand entziehen kann."

Diese Zuwanderer (denn das waren sie, auch wenn sie noch kaum jemand so sehen wollte) sollten an der Gestaltung der Gesellschaft beteiligt werden - vor allem kämpfte Kiel mit der CDU-Landesregierung um Flexibilität im Schulwesen, damit reine "Ausländerklassen" und Ausgrenzung verhindert wurden. Auch für Gaarden wurde deswegen eine Gesamtschule gefordert, außerdem eine ausgeglichenere Verteilung der Familien mit Migrationshintergrund über das gesamte Stadtgebiet:

"Die Konzentration von Ausländern in wenigen Wohngebieten entspricht weder dem Wunsch der deutschen noch der ausländischen Bewohner. Auf die Wohnungsbaugesellschaften muß deswegen eingewirkt werden, daß ausländische Familien entsprechend ihrer besonderen Problemlage bei der Wohnungsvergabe angemessen berücksichtigt werden."[19]

1984 beschloss die Kreispartei ein umfangreiches Konzept zu Perspektiven der Ausländerpolitik in Kiel.[20]

1985 startete ein Solidaritätsprojekt für Nicaragua, bei der die SPD Geld zur Unterstützung für das Lateinamerikanische Land gesammelt hat.

Die Kommunalwahl 1986 brachte der SPD mit 50,6% wiederum die absolute Mehrheit. Vorsitzender war - nach einem kurzen Zwischenspiel von Norbert Gansel - wieder Claus Möller. Bis zum Beginn des neuen Jahrtausends wurde eine Amtszeit von etwa vier Jahren die Norm; Peter Andersen und Rolf Selzer blieben jeweils vier Jahre, Rolf Fischer fünf, Andy Mitterer wieder vier.

1990er Jahre

Auch bei der Kommunalwahl 1990 erzielte die Kreispartei mit 51,3 % die absolute Mehrheit. Zu den zentralen politischen Weichenstellungen dieser Zeit zählte die Nominierung von Otto Kelling auf dem Kreisparteitag vom 4. September 1992 für die Nachfolge von Karl-Heinz Luckhardt als Kieler Oberbürgermeister. Am 1. November 1992 trat er sein Amt an. Schwerpunkte seiner Arbeit waren u.a. die Gründung der Kieler Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft (KIWI) und die Schaffung eines "Stadtkreises Kiel", der aus der Stadt und Umlandgemeinden bestehen sollte. Dies war ein erstes Projekt, mit dem er auf Widerstände stieß.

Schon ab 1993 kam es zu weiteren Spannungen. Aus Magistrat und Stadtverwaltung wurde erhebliche Kritik an seiner Amtsführung laut. Die eigene Ratsfraktion warf ihm Intransparenz und fehlende Kooperationsbereitschaft vor; auch die anderen Fraktionen äußerten Unzufriedenheit. In der Presse tauchten ab Anfang 1994 Spekulationen auf, die Fraktion wolle den Oberbürgermeister "demontieren".[21]

Diese Situation belastete die Kommunalwahl am 20. März 1994 enorm: Mit nur noch 38,9% musste die SPD – vor allem zugunsten der Grünen - zweistellige Verluste einstecken. Es kam zur rot-grünen Koalition. Der Konflikt zwischen OB, Fraktion und Kreispartei dominierte nun die Stadtpolitik. "Es kracht im Gebälk der Kieler Sozialdemokraten", schrieb im Oktober 1994 die Schleswig-Holsteinische Landeszeitung. Trotzdem erreichte Norbert Gansel in der Bundestagswahl 1994 mit 52,7% in der Erststimme und 44,5% in der Zweitstimme im landesweiten Vergleich ein sehr gutes Ergebnis.

Am 4. März 1995 wählte der Kreisparteitag mit 105 von 122 Stimmen Rolf Fischer zum Nachfolger von Rolf Selzer, der nicht wieder angetreten war.[22] Der neue Kreisvorsitzende stellte eine Lösung der OB-Frage in Aussicht und warb für eine "neue Standortbestimmung": Öffnung der Partei, bessere Kontakte zu Wissenschaft, Wirtschaft, zu den Gewerkschaften und zu Vereinen und Verbänden in der Stadt. Zudem sollte die Öffentlichkeitsarbeit reformiert werden. In der Aussprache gab es Kritik, aber auch Warnungen vor einem unsolidarischen Verhalten gegenüber dem OB.[23]

Der neue Kreisvorstand betrieb Krisenmanagement und beschloss ein zeitlich eingegrenztes Verfahren zur Lösung des Konflikts sowie einen Sonderparteitag. Zunächst erläuterten der OB und seine Kritiker auf vier sehr gut besuchten Regionalkonferenzen ihre Positionen; damit hatte die Partei die Chance, sich selbst ein Bild zu machen. Der Sonderparteitag fand am 4. April 1995 statt. Mit 75 Ja-Stimmen bei 43 Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen in geheimer Wahl folgte die Mehrheit dem Leitantrag des Kreisvorstandes, der eine Neuwahl forderte, da das Vertrauensverhältnis zwischen Fraktion/Magistrat und dem OB als zerrüttet eingeschätzt wurde. Ende 1996 machten die anderen Fraktionen und der OB selbst den Weg frei für die Abwahl von Otto Kelling.

Eine Folge von Reformschritten sollte die noch schwierige Lage des Kreisverbandes verbessern. Die Rolle der Ortsvereine und Arbeitskreise wurden gestärkt, erste Ansätze zu einer Modernisierung des Programms diskutiert. Ziel war es, nach der Fixierung auf Personalien als Partei wieder politische Akzente zu setzen. Im Oktober 1995 erinnerte der Kreisverband mit einer Feierstunde an seine Wiedergründung 1945. (Flugblatt Kreisverband). Zur Reform gehörte auch der Ausbau basisdemokratischer Strukturen, den der Kreisvorstand durchsetzte. So konnten erstmals alle Mitglieder eines Landtagswahlkreises ihre Kandidat*innen in einer Urabstimmung wählen. Dabei überraschte der Sieg Jürgen Webers über Gert Börnsen im Wahlkreis Kiel-Mitte im August 1995. Den Landtagswahlkampf führte die Partei sehr intensiv; in Kiel holte sie am 24. März 1996 alle vier Wahlkreise (Kieler Nachrichten, 25.3.1996).

Die internen Reformbestrebungen und die permanenten Wahlkämpfe prägten die Arbeit des Kreisverbandes. In enger Kooperation mit den Ortsvereinen wurde die wichtige Direktwahl des Oberbürgermeisters vorbereitet.[24] Der Kreisvorstand legte Kriterien für die Kandidatur fest und ging auf die Suche. Ein Kriterium war nach den Erfahrungen aus der Vergangenheit die enge Beziehung der kandidierenden Person zu Kiel. Nach einem Gespräch mit Rolf Fischer und dem Fraktionsvorsitzenden Eckehard Raupach erklärte sich Kiels Bundestagsabgeordneter Norbert Gansel zur Kandidatur bereit.

Am 25. Mai 1997 wählten die Kielerinnen und Kieler Norbert Gansel im ersten Wahlgang mit gut 60% der abgegebenen Stimmen zum Oberbürgermeister. In seine Amtszeit fiel unter anderem die Entwicklung der Hörn. Der Teilverkauf der Stadtwerke Kiel und der Verkauf der Kieler Wohnungsbaugesellschaft dienten der (kurzfristigen) Sanierung des städtischen Haushalts. Zudem verbesserte sich durch seine Politik, die von Kreispartei und Ratsfraktion unterstützt wurde, nachhaltig das Verhältnis der Stadt zur Bundeswehr und zur Universität. Mit der - wenn auch erfolglosen - Olympiabewerbung für 2012 polierte er Kiels Image als internationale Segelstadt weiter auf.[25]

Nachfolger im Bundestag wurde Hans-Peter Bartels, der sich - auch dies eine Premiere - auf einer kreisweiten Mitgliederversammlung gegen Birgit Hannemann-Röttgers durchsetzen konnte und ein Jahr später erfolgreich für den Bundestagswahlkreis Kiel kandidierte.

Um auch das politische Profil der Kreispartei zu stärken, hatte Rolf Fischer Anfang 1997 das Papier "Die Vision von der sozialen Stadt"[26] vorgelegt, in dem ein Konzept für eine moderne Stadtpolitik entworfen wurde. Der Vorschlag führte zu einer breiten Diskussion in der Kreispartei und wurde akzeptiert. Im Mittelpunkt der SPD-Kreispolitik standen jetzt die Bereiche Soziales, Wohnen, Sicherheit, Kultur und Ökologie als Beispiele einer am Sozialstaatsgebot orientierten Kommunalpolitik. Der programmatische Begriff von der "sozialen Stadt" prägte die kommenden Aktivitäten. Insbesondere für die Kommunalwahl 1998 sollte er wichtig werden.

Neben den politisch-programmatischen Akzenten verstärkte der Kreisverband die innerparteilichen Aktivitäten. Es gab eine umfassende Satzungsdiskussion, in der die basisdemokratischen Elemente gestärkt wurden; die Kontakte zu den Ortsbeiräten und den Ortsvereinen wurden intensiviert, Mitgliederehrungen durchgeführt, und auch das traditionelle Rotkohlessen in der Die Räucherei mit der Übergabe des "Rotpokohls" an die jeweiligen prominenten Redner*innen wurde wieder aufgenommen. Die politische und organisatorische Zusammenarbeit zwischen Fraktionsvorstand, Kreisvorstand und OB funktionierte sehr gut; alle für die kommunale Ebene relevanten Themen wurden gemeinsam diskutiert. Dies spielte eine Rolle, als z.B. für die neue künstlerische Leitung der Kieler Bühnen ein kooperatives Modell ins Gespräch kam, und insbesondere, als sich Mitte der 1990er Jahre große finanzielle Probleme für die Landeshauptstadt auftaten, die auch zu Schwierigkeiten mit der Landespolitik führten.

Der Reformprozess der Partei umfasste aber nicht nur die Direktwahl der Landtags-und Bundestagskandidat*innen; auch für die Kommunalwahl 1998 legten Kreispartei und Fraktion eine gemeinsame Liste der Kandidaten*innen vor, die auf dem Kreisparteitag in der Gesamtschule Friedrichsort mit großer Mehrheit beschlossen wurde. Das Besondere war, dass mit Cathy Kietzer auf Platz 1 eine Vorentscheidung für die Stadtpräsidentschaft in der Nachfolge von Silke Reyer getroffen wurde. Die Wahlrechtsreform machte es möglich, dass sie als Dänin für die Ratsversammlung kandidieren und sogar zur Stadtpräsidentin gewählt werden konnte. Auf Platz 2 stand Jürgen Fenske, der sich für den Fraktionsvorsitz bewarb. Diese zwei "Neuen" an der Spitze sollten die Erneuerung und den Aufbruch der Kreispartei verdeutlichen. Außerdem wurde ein Wahlprogramm erarbeitet, das dem Profil der "sozialen Stadt" entsprach.

Spendenmarke aus dem Kommunalwahlkampf
Drei Jahre nach den Turbulenzen um den Oberbürgermeister begann sich die Situation zu stabilisieren; die anstehende Kommunalwahl bildete einen politischen Prüfstein.

Und die SPD gewann. 47,8% der Stimmen holte sie mit diesem Konzept; die CDU stagnierte bei gut 30%, die Grünen sanken wieder unter die 10%-Marke. Jürgen Fenske löste Eckehard Raupach im Fraktionsvorsitz ab und Cathy Kietzer übernahm das Amt der Stadtpräsidentin. Spätestens jetzt war die Erneuerung der Partei nach der schweren Niederlage von 1994 und der Abwahl von Otto Kelling gelungen. Die Kieler Bevölkerung akzeptierte die "neue" SPD und gab ihr wieder einen Vertrauensvorschuss. Die Kooperation zwischen den Parteiebenen setzte sich fort.

Zu einem Konflikt kam es, als Norbert Gansel zur Konsolidierung des extrem belasteten Kieler Haushaltes vorschlug, die Ostseehalle, die Kieler Wohnungsbaugesellschaft (KWG) und die Stadtwerke zu verkaufen. Zogen Partei und Fraktion bei den ersten beiden Maßnahmen noch mit, so stieß schon die Prüfung eines Gesamtverkaufes der Stadtwerke auf den Widerstand der Kreispartei. Vielen Mitgliedern und auch dem Kreisvorstand war dies ein Zuviel an Verzicht auf politische Gestaltungskraft und ein Zuviel an Privatisierung. Zudem stand gerade die Sicherung der künftigen Energieversorgung im Zentrum der landesweiten politischen Diskussion. Auf einem Sonderparteitag im "Haus des Sports" im September 1999 stellte sich der Kreisvorstand mit einem Leitantrag, in dem der Gesamtverkauf abgelehnt wurde, gegen die Linie des OB und des Fraktionsvorsitzenden. Rolf Fischer brachte den Antrag mit den Kernsätzen "Prüfung und Verhandlung nicht mit dem Ziel eines vollständigen Verkaufs führen" und "Die Kieler SPD spricht sich gegen den Gesamtverkauf der Stadtwerke aus" ein, dem nach kontroverser Diskussion mit großer Mehrheit zugestimmt wurde. Ein Änderungsantrag des OV Brunswik, der das Wort "derzeit" einfügen wollte, wurde extrem knapp mit 54 zu 53 Stimmen abgelehnt. Damit war die Position der Kreispartei in dieser wichtigen Frage klar. Die Entscheidung wurde von Norbert Gansel und Jürgen Fenske auch akzeptiert.

Das 21. Jahrhundert

Frank-Walter Steinmeier eröffnet mit Rolf Fischer den Kommunalwahlkampf 2008
Das neue Jahrhundert begann unerfreulich für die SPD. Zwar übernahm in der Person von Andy Mitterer eine neue Generation das Ruder (d.h. den Kreisvorsitz), doch reichte dies nicht aus, um den wachsenden Problemen beizukommen. Neben der "Großwetterlage" führten in Kiel Konflikte zwischen Oberbürgermeister, Ratsfraktion und Kreispartei, die auch in die Öffentlichkeit drangen, zum Verlust der Kommunalwahl und der OB-Wahl mit dem Kandidaten Jürgen Fenske; Kiel wurde eine Wahlperiode lang von einer schwarz-grünen Koalition und einer CDU-Oberbürgermeisterin regiert. Durch mehrere verlustreiche Wahlkämpfe war die Partei auch finanziell stark geschwächt. In dieser Situation übernahm Rolf Fischer erneut den Kreisvorsitz und konnte mit einem stabilen Leitungsteam auch die Partei wieder stabilisieren.

In der Opposition schärfte die "Stadt-Partei" ihr Profil, sanierte die Finanzen und konnte durch einen engagierten Wahlkampf nach der Kommunalwahl 2008 zusammen mit den Grünen wieder die Mehrheit bilden.

Am 15. März 2009 gelang dann Torsten Albig mit 52,1% der Stimmen gegen die Amtsinhaberin die Wahl zum Kieler Oberbürgermeister im ersten Wahlgang. Dieses Amt gab er vorzeitig wieder auf, denn 2012 wurde er an der Spitze der "Küstenkoalition" aus SPD, Grünen und SSW zum Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein gewählt.

Zu seiner Nachfolgerin als Oberbürgermeisterin wurde im 2. Wahlgang am 11. November 2012 Susanne Gaschke gewählt. Sie trat bereits am 28. Oktober 2013 von ihrem Amt zurück. Auslöser war eine Eilentscheidung der Oberbürgermeisterin über einen bereits lange andauernden Steuerstreit mit Prof. Uthoff. Die Diskussion über die Entscheidung eskalierte, auch durch das als wenig geschickt wahrgenommene Agieren von Susanne Gaschke, so dass ihr am Ende nur der Rücktritt blieb.

Zwei Oberbürgermeister, die nur kurz im Amt blieben, bildeten keine gute Ausgangslage für die SPD. Doch die eingesetzte Findungskommission präsentierte als Kandidaten Ulf Kämpfer, der Staatssekretär im grünen Umweltministerium und zu dieser Zeit in der Partei eher unbekannt war, sich aber als Glücksgriff erwies. Ihn unterstützten auch Grüne und SSW. Bereits im 1. Wahlgang wurde Ulf Kämpfer am 23. März 2014 mit großer Mehrheit (63,1%) der abgegebenen Stimmen zum neuen Oberbürgermeister gewählt. Bei seiner Wiederwahl am 27. Oktober 2019 konnte er dieses Ergebnis mit 65,8% im 1. Wahlgang sogar noch steigern.

Parteijubiläum

Die Feiern zum 150-jährigen Bestehen der SPD eröffnete Parteivorsitzender Sigmar Gabriel mit einer Rede in Kiel am 7. März 2013. Auch aus dem Kreisverband beteiligten sich Gliederungen und Personen mit eigenen Aktionen, nicht zuletzt zum "Tag der Ortsvereine", aber auch schon mit Blick auf den Kommunalwahlkampf. Viele Aktionen sind dokumentiert unter Kreisverband Kiel - 150 Jahre SPD.

Die "Juso-Generation"

Kreisvorstand 2018
Im Februar 2013 übernahm Jürgen Weber den Kreisvorsitz; er wurde im Juni 2018 von der ersten weiblichen Kreisvorsitzenden abgelöst - Gesine Stück, die einen stark verjüngten Kreisvorstand führt. Getrübt wurde das Ergebnis durch den Verlust des - zusammen mit Christina Schubert - frisch gewählten Stellvertreters Thomas Wehner, der unerwartet starb, ohne sein Amt antreten zu können. Zu seinem Nachfolger wurde im März 2019 Frederik Digulla gewählt, der dieses Amt zum 31. Januar 2020 niederlegte und seither als Pressesprecher der SPD Schleswig-Holstein tätig ist.

Schon in der Kommunalwahl 2018 hatte die Juso-Generation ihren Anspruch auf Mitwirkung nachdrücklich angemeldet und vielfach durch gute Wahlergebnisse durchgesetzt. Einige verloren unglücklich, vor allem an die Grünen, aber die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß auch sie im Laufe der Legislaturperiode die Möglichkeit bekommen, sich zu beweisen.

Wahlprogramme

Kommunalwahlprogramm 1986
Die SPD war und ist eine Programmpartei. Um sich selbst zu vergewissern, für welche Werte und Ziele Sozialdemokraten eintreten, und um den Wählerinnen und Wählern mitzuteilen, was sie von der SPD erwarten können, erarbeitet, diskutiert und beschließt die Partei in Abständen Grundsatzprogramme und vor Wahlen Wahlprogramme für die nächste Wahlperiode. Das hat auch in Kiel Tradition, angefangen von den programmatischen Aussagen für die ersten freien Wahlen für die Stadtvertretung 1946.
Raus aus dem Elend, Programm für die Kommunalwahl am 13.10.1946

Nachstehend - soweit bekannt - die Titel der Kommunalwahlprogramme bis 2013.

  • 2018: Unser Plan für die Mehrheit in Kiel
  • 2013: Gemeinsam.Sozial.Handeln.
  • 2008: Kieler Stärke.
  • 2003: Kiel, Leben und Arbeiten.
  • 1998: Für Kiel, Kommunalwahlprogramm 1998 der SPD Kiel.
  • 1994: Sagen was ist! Kommunalwahlprogramm der Kieler SPD 1994-1998.
  • 1990: Perspektiven für Kiel, das kommunalpolitische Programm der SPD.
  • 1986: Arbeit und Umwelt, ein Aktionsprogramm der Kieler SPD.
  • 1986: Kiel wieder auf Kurs bringen, kommunalplitisches Programm der Kieler Sozialdemokraten.
  • 1982: Perspektiven, kommunalpolitisches Programm der Kieler SPD.
  • 1978: 30 Millionen DM Aktionsprogramm für ARBEIT und SOLIDARITÄT.
  • 1978: Perspektiven, kommunalpolitisches Programm der Kieler SPD.
  • 1974: Kommunalpolitische Perspektiven der Kieler SPD.
  • 1970: Kommunalpolitische Perspektiven der Kieler SPD.
  • 1946: Raus aus dem Elend, Was wird aus Kiel?
Was wird aus Kiel, Programm für die Kommunalwahl am 13.10.1946

Mitgliederentwicklung

Kieler Ortsvereinsgrenzen 2018

Die Kieler SPD war und ist eine Mitgliederpartei. Sie lebt vom Einsatz, den Aktivitäten und der Diskussionsfreude vieler ihrer Mitglieder. Selten nur bildeten sich nach 1945 - durch besondere personelle Konstellationen oder durch Mitgliederverluste - Züge einer Funktionärspartei heraus; sie verschwanden bald wieder.

Der Rückgang der Mitgliederzahlen in den letzten Jahren stellt keine Kieler Besonderheit dar; sie entspricht der Mitgliederentwicklung der etablierten Parteien. Die Nominierung von Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten im Januar 2017 brachte eine kurzfristige Umkehrung. Ende 2017 zählte der Kreisverband 1629 Mitglieder, 80 mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres - ein Zuwachs wie seit den Zeiten von Willy Brandt nicht mehr.[27] Seit 2018 setzt sich der allmähliche Mitgliederschwund aber wieder fort. Eine stabile Größe: Seit langem liegt die Zahl der weiblichen Mitglieder bei etwa einem Drittel.

  • 1954 - 2346 Mitglieder [28]
  • 1958 - über 8000 Mitglieder [29]
  • 1963 - 8092 Mitglieder (2736 w = 33,8%, 5356 m = 66,2%)[30]
  • 1967 - 6216 Mitglieder [1906 w = 30,7%, 4310 m = 69,3%)[31]
  • 1968 - 6038 Mitglieder [32]
  • 1969 - 4550 Mitglieder
  • 1971 - 4801 Mitglieder
  • 1972 - 5400 Mitglieder [33]
  • 1977 - 4055 Mitglieder
  • 1986 - 3647 Mitglieder [34]
  • 1987 - 3671 Mitglieder [35]
  • 1988 - 3816 Mitglieder (1309 w = 34,3%, 2507 m = 65,7%) [36]
  • 1989 - 3803 Mitglieder (1317 w = 34,6%, 2486 m = 65,4%) [37]
  • 1990 - 3692 Mitglieder (1277 w = 34,6%, 2415 m = 65,4%) [38]
  • 1991 - 3537 Mitglieder (1249 w = 35,3%, 2288 m = 64,7%) [39]
  • 1994 - 3072 Mitglieder (1090 w = 35,5%, 1982 m = 64,5%) [40]
  • 1995 - 2831 Mitglieder (1024 w = 36,2%, 1807 m = 63,8%) [41]
  • 1997 - 2571 Mitglieder [42]
  • 1998 - 2562 Mitglieder [43]
  • 2000 - 2362 Mitglieder (852 w = 36,1%, 1510 m = 63,9%) [44]
  • 2015 - 1553 Mitglieder (527 w = 33,9%, 1026 m = 66,1%) [45]
  • 2016 - 1549 Mitglieder (534 w = 34,5%, 1015 m = 65,5%) [46]
  • 2017 - 1629 Mitglieder (550 w = 33,8%, 1079 m = 66,2%) [47]
  • 2018 - 1628 Mitglieder (548 w = 33,7%, 1080 m = 66,3%) [48]
  • 2019 - 1591 Mitglieder (546 w = 34,3%, 1045 m = 65,7%) [49]

Literatur

  • Brecour, Wilhelm: Die Sozialdemokratische Partei in Kiel. Ihre geschichtliche Entwicklung (Kiel o. J. [1932]) (Neudruck in Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung, Kiel 1983)
  • Fischer, Rolf: "Der Bahn, der kühnen, folgen wir ...". Stephan Heinzel und der Aufstieg der Kieler SPD (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie Band I, 1863-1900)(Malente 2010) ISBN 3-933862-42-6
  • Fischer, Rolf: Mit uns die neue Zeit! Kiels Sozialdemokratie im Kaiserreich und in der Revolution (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie Band 2, 1900-1920)(Kiel 2013) ISBN 978-3-86935-196-4
  • Fischer, Rolf: Die dunklen Jahre. Kiels Sozialdemokratie im Nationalsozialismus (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie Band 4, 1930-1945)(Kiel 2017)
  • SPD-Kreisverband Kiel (Hrsg.): 1863-1978. 115 Jahre Sozialdemokratie. Festschrift der Kieler Sozialdemokraten (Kiel 1978)

Links

Kreisverband Kiel
Kreisverband Kiel
Kreisverband Kiel
Gegründet: 1865 als Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel
Wiedergegründet: 1945
Vorsitzende/r: Gesine Stück
Homepage: http://spd-kiel.de
Beschlussdatenbank: http://ki.beschluesse.spd-schleswig-holstein.de/


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Andreas Gayk
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Kieler Landtagskandidaten, 1971
Hartmut Lippe übernimmt 1977 von Claus Möller. Hermann Köster gibt Ratschläge.
Rolf Johanning
Norbert Gansel
Peter Andersen
Rolf Selzer
Otto Kelling
Rolf Fischer
Torsten Albig
Silke Reyer
Norbert Gansel - Postkarte zur OB-Wahl
Hans-Peter Bartels
Cathy Kietzer
Jürgen Weber
Ulf Kämpfer
Gesine Stück
Mathias Stein
Hans-Werner Tovar


Einzelnachweise

  1. Martens, Holger: SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959 (Malente 1998), S. 33
  2. Martens, Holger: SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959 (Malente 1998), S. 37
  3. SPD-Kreisverband Kiel (Hrsg.): Sozialdemokratie, S. 21
  4. Martens, Holger: SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959 (Malente 1998), Bd. 1, S. 56
  5. Gertrud Völcker: Erinnerungen - 50 Jahre Öffentlichkeitsarbeit, Bd. I (Unveröff. Typoskript, Kiel 1974), S. 47
  6. SPD-Kreisverband Kiel (Hrsg.): Sozialdemokratie, S. 21
  7. So Kreisvorsitzender Rolf Fischer 2005 in seiner Rede zur Mitgliederehrung und zur Erinnerung an die Wiedergründung der Partei 1945.
  8. Vgl. Rickers: Erinnerungen, S. 271
  9. Bur­meis­ter, Robert: 25 Jahre Mettenhof (Kiel 1990)
  10. Voß, Steffen: Großwohnsiedlungen und ihre Stigmatisierung (2004), S. ?
  11. SPD-Kreisverband Kiel (Hrsg.): Sozialdemokratie, S. 28 f.
  12. SPD-Kreisverband Kiel (Hrsg.): Sozialdemokratie, S. 28 f.
  13. Zahlreiche Berichte in den KN im Oktober 1971.
  14. Das Tor wurde weit aufgemacht, KN, 10.10.1972
  15. Rainer Burchardt: Ostseewoche in Rostock: Dialog klappt, DIE ZEIT, 18.7.1975
  16. SPD-Kreisverband Kiel (Hrsg.): Sozialdemokratie, S.
  17. Olympischer Schluck aus der Pulle, Kieler Nachrichten, 2.9.2012
  18. „Große Begeisterung ist da nicht da“, DER SPIEGEL, 10.7.1972
  19. SPD Kiel (Hrsg.): Perspektiven: Kommunalpolitisches Programm der Kieler SPD, beschlossen vom Kreisparteitag am 1.11.1981
  20. SPD Kiel (Hrsg.): Kommunalpolitische Perspektiven der Ausländerpolitik in Kiel, beschlossen vom Kreisparteitag am 31.3.1984
  21. Kieler Nachrichten, 11.2.1994
  22. Kieler Nachrichten, 6.3.1995
  23. ?
  24. Die Direktwahl für Bürgermeister*innen und Landrät*innen wurde Mitte des Jahrzehnts von der SPD-Landesregierung eingeführt.
  25. kiel.de Kiel gratuliert: Alt-Oberbürgermeister Norbert Gansel wird 75, 570/3.8.2015/ang
  26. Rotkielchen, Jan/Feb. 1997
  27. Kieler Nachrichten, 21.2.2017, S. 25
  28. Steffen-Gutachten, AdsD/SH-14
  29. Protokoll Ortsverein Suchsdorf vom 3.01.1958
  30. Schleswig-Holsteinische Volkszeitung, 21.1.1963
  31. Kieler Nachrichten, 20.3.1967
  32. Schleswig-Holsteinische Volkszeitung, 5.2.1968
  33. Kieler Nachrichten, 18.11.1972
  34. Jahresbericht SPD-Kreisverband Kiel 1991/1992
  35. Jahresbericht SPD-Kreisverband Kiel 1991/1992
  36. Jahresbericht SPD-Kreisverband Kiel 1991/1992
  37. Jahresbericht SPD-Kreisverband Kiel 1991/1992
  38. Jahresbericht SPD-Kreisverband Kiel 1991/1992
  39. Jahresbericht SPD-Kreisverband Kiel 1991/1992
  40. Jahresbericht zum Kreisparteitag am 4.3.1995
  41. Jahresbericht zum Kreisparteitag am 1.6.1996
  42. Bericht des Schatzmeisters vom 12.9.2000
  43. Bericht des Schatzmeisters vom 12.9.2000
  44. Bericht des Schatzmeisters vom 12.9.2000
  45. SPD-Landesvorstand: Stark im Norden. Bericht zum ordentlichen Landesparteitag am 14. und 15. März 2015 in Neumünster, S. 14
  46. Stand am 31.12.2016, Mavis, Mitgliederverwaltung der SPD
  47. Stand am 31.12.2017, Mavis, Mitgliederverwaltung der SPD
  48. Stand am 31.12.2018, Mavis, Mitgliederverwaltung der SPD
  49. Stand am 31.12.2018, Mavis, Mitgliederverwaltung der SPD