Luise Zietz

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Luise Zietz
Luise Zietz
Luise Zietz
Geboren: 25. März 1865
Gestorben: 27. Januar 1922

Luise Catharina Amalie Zietz, geb. Körner, (* 25. März 1865 in Bargteheide; † 27. Januar 1922 in Berlin) war SPD-Reichstagsabgeordnete in der Weimarar-Republik. Mitglieder der SPD seit 1892 - seit 1917 USPD.

Ausbildung

Luise Körner wurde als erste Tochter eines selbständigen Wollwirkers geboren. Um die bald schon sechsköpfige Familie ernähren zu können musste Luise Körner bereits mit neun Jahren spinnen und Wolle ausliefern. Harte Arbeit und Hunger waren prägende Momente ihrer Kindheit. In ihren Erinnerungen "Aus meinem Leben. Wie wir Kinder beim Brotverdienen helfen mussten" von 1919 schreibt sie:

"Die Wolle musste die Kratzmaschine zweimal passieren. Hunde trieben die Maschine vermittels eines Tretrades an, und wenn uns einer der großen Hunde weggestorben war, mussten wir auch mitunter in das Rad hinein [..]. Sollte die Wolle gewebt werden, musste sie auf Spulen gebracht werden. Das war für uns Kinder eine schreckliche Marter. [..] Der Rücken schmerzte, der rechte Arm, [..] drohte zu erlahmen. Die Finger [..] von den scharf gesponnen Fäden blutig gerissen. [..] Im Schrank war kein Brot, und der Hunger tat so weh."

Nach dem Besuch der Volksschule arbeitete sie als Dienstmädchen und in einer Tabakfabrik. Daran anschließend erhielt sie eine Ausbildung zur Kindergärtnerin in einer Fröbelschule in Hamburg. In ihrer spärlichen Freizeit las sie viel und eignete sich so über die Jahre eine rhetorische und schriftliche Ausdrucksfähigkeit an, die bald von Bedeutung werden sollte.

Der "weibliche Bebel"

Luise Körner zog dann nach Hamburg, wie sie durch die Bekanntschaft ihres späteren Ehemanns dem Hafenarbeiter Carl Christian Zietz in Kontakt mit der Arbeiterbewegung kam. 1885 heiraten sie. Anfang der 1890er Jahre begann Luise Zietz sich aktiv in der Hamburger SPD und im Fabrikarbeiterverband zu engagieren. Sie begann SPD-Versammlungen zu besuchen und griff auch gelegentlich in die Diskussion ein.

Während des Streiks der Hamburger Hafenarbeiter 1896 organisierte sie den Widerstand der Frauen und trat auch als Rednerin öffentlich auf. Man nannte sie daher "weibliche Bebel". Die örtlichen Partei- und Gewerkschaftsorganisationen wurden auf ihr außergewöhnliches rednerisches und organisatorisches Talent aufmerksam.

Ab 1897 trat sie in engen Kontakt zu Clara Zetkin und Ottilie Baader mit denen sie an der sozialdemokratischen Frauenzeitschrift "Die Gleichheit" arbeitete.

Das Vereinsrecht untersagte Frauen die Mitarbeit in politischen Parteien, besonders rigide waren die Vereinsgesetze in Preußen und im Ruhrgebiet, liberale Regelungen galten u.a. in Harnburg. Die SPD versuchte die Vorschriften des Gesetzes nach Kräften zu umgehen. Luise Zietz erklärte 1903: "Wenn mir z.B. in Thüringen das Referieren verboten wird, spricht zunächst ein Genosse zehn Minuten, und ich spreche dann in der Diskussion anderthalb Stunden"

Von 1904 bis 1908 ist Luise Zietz Vorstandmitglied der SPD-Hamburg und machte Hamburg in kurzer Zeit zur Hochburg der Bewegung.

Luise Zietz ist deswegen im Visier der Obrigkeit. Ein Polizeispitzel berichtet 1906:

"Ehefrau Zietz aus Hamburg, ca. 44 Jahre alt, 165 cm groß. Trug das Haar gescheitelt. Bekleidet war sie mit einem kleinen, runden Strohhut, roter Bluse und schwarzem Rock. Hat gelblichen Teint und macht den Eindruck, als gehöre sie dem Arbeiterstande an."

Ihr intensives politisches Engagement belastete ihre Ehe auf Dauer und sie scheiterte.

"Die Frauen und der politische Kampf", 1911

1908, als mit Verabschiedung des Reichsvereinsgesetzes Frauen endlich politischen Organisationen beitreten durften, wurde Luise Zietz - nach dem Verzicht Ottilie Baaders und mit Zustimmung Clara Zetkins - als erstes weibliches Mitglied in den SPD-Parteivorstand gewählt, zuständig für Frauenarbeit. August Bebel ist ihr Förderer. Von 1912 bis zur Gründung der USPD 1916 war Luise Zietz Frauensekretärin beim SPD-Parteivorstand.

Clara Zetkin hatte 1910 auf dem 8. Internationaler Sozialistenkongress gemeinsam mit Luise Zietz den Internationalen Frauentag angeregt. Auf Betreiben aber von Luise Zietz wurde er 1911 auf den 19. März festgelegt und er wurde eine erfolgreiche Veranstaltung. 1912 allerdings war der Internationale Frauentag, trotz eines Appells von Luise Zietz in der "Gleichheit' nicht sehr erfolgreich. Sie setzte sich aber vehement für die Fortsetzung eines solchen Tages im Parteivorstand ein. 1914 nutzte die SPD den Internationalen Frauentag als Auftakt für eine "Rote Woche" - als Werbewoche für die Partei.

1912 nahm Luise Zietz am Internationalen Sozialistenkongress teil - als eine von 18 weiblichen Delegierten. Unter dem Eindruck größer werdender Spannungen in Europa wollten Sozialisten und Sozialdemokraten eine europäische Allianz für den Frieden schmieden.

"Sie alle konnten, wie die Männer auch, nur an Europas Vernunft appellieren. Eine neue Politik erschien unmöglich. Die Idee eines europäischen Zusammenschlusses lag 1912, mitten im Zeitalter des Imperialismus, jenseits des Denkhorizonts der auf Machtpolitik fixierten Regierungen."[1]

1913 brach eine Debatte um einen "Gebärstreik" aus: Proletarierfrauen wollten weniger Kinder bekommen, um ihre Lage zu verbessern. Die Maßnahme war in der Sozialdemokratie umstritten. Die einen sahen weniger Kinder als effektives Mittel gegen Verarmung und als Druckmittel gegen den Kapitalismus. Die anderen befürchteten, dass die Arbeiterbewegung mit der Masse auch ihre Macht verlieren könnte. Für viele Frauen ging es um Selbstbestimmung. Die SPD allerdings startet eine Kampagne gegen Geburtenkontrolle mit der Unterstützung Clara Zetkins, Luise Zietzs und Rosa Luxemburgs.

"Am bedingungslosen Gebärzwang konnte die SPD aber nicht mehr festhalten, Parallelen zwischen dem staatlichen Kurs und der sozialdemokratischen Position wären sonst zu offenbar geworden. Nun versuchte Luise Zietz, den Konflikt zu beizulegen. Sie erklärte die Geburtenkontrolle zu einer rein privaten Entscheidung."[2]

Im Verlag der Buchhandlung Vorwärts, der später im Verlag J.H.W. Dietz Nachf. aufging, publizierte Luise Zietz vor dem Weltkrieg eine Reihe populärer Agitationsschriften ("Gewinnung und Schulung der Frau für die politische Betätigung", "Warum sind wir arm? Eine eindringliche Frage an alle Arbeiterinnen!"). 1915 erschien im Verlag J.H.W. Dietz Nachf. ihre kritische Schrift: "Die sozialdemokratischen Frauen und der Krieg".

USPD

Luise Zietz hatte ein ausgeprägtes Gefühl für Loyalität, das auch noch weit in den Krieg vorhielt, obwohl sie von Beginn des Krieges an mit den Auffassungen des Vorstandes in zunehmendem Maße nicht mehr übereinstimmte - Sie gehörte dem linken Zentrum der Partei. In der Öffentlichkeit vertrat sie aber die Linie des Parteivorstandes, weil sie alles andere als Verstoß gegen die Parteidisziplin angesehen hätte. Ende 1916 wurde sie offiziell in der Funktion der Frauensekretärin durch den Parteivorstand ersetzt.

Luise Zietz gehörte 1917 zu den Gründungsmitgliedern der USPD und war bis zu ihrem Tod Mitglied des Zentralkomitees der USPD.

Im Sommer 1917 wird sie in Folge der Matrosenunruhen verhaftet. Im November 1918 ist sie an Planungen des Vollzugsausschusses aus USPD und revolutionären Obleuten bezüglich des revolutionären Aufstands in Berlin beteiligt.

1919 hält sie die Grabrede für Rosa Luxemburg.[3]

1919/20 vertrat sie die USPD in der Nationalversammlung - als eine von 37 Frauen. Sie war nach Marie Juchacz die zweite Frau, die am 19. Februar 1919 vor der Nationalversammlung das Wort ergriff. Bei der Debatte um die Weimarer Verfassung erhebt sie immer wieder ihre Stimme für die Frauen: Sie fordert erfolgreich das Recht von Beamtinnen, auch nach ihrer Verheiratung weiter berufstätig sein zu dürfen. Vollständig erreicht sie das Ziel nicht. In Artikel 109 der Weimarer Reichsverfassung heißt es: "Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten." Sie fordert das Wort "grundsätzlich" zu streichen, weil es die Rechte der Frau einschränkt, denn "in der praktischen Anwendung würde man dazu kommen, sehr oft die Frau von Betätigungen fernzuhalten". Sie setzt sich nicht durch, aber ihre Prognose stimmt. Ab 1923 müssen Beamtinnen nach der Heirat wieder ihren Beruf aufgeben.

Ab 1920 war sie Abgeordnete im Reichstag. Im Oktober 1920 stimmt Luise Zietz auf USPD-Parteitag in Halle gegen einen Beitritt zur Komintern und damit zur KPD. Sie bleibt geschäftsführende Sekretärin im Zentralkommittee der Rest-USPD.

Luise Zietz hatte immer großen Wert auf die gemeinsame Tradition von SPD und USPD gelegt. Die Wiedervereinigung von SPD und USPD im September 1922 erlebt sie aber nicht mehr. Sie stirbt mit nur 56 Jahren nach einer Reichstagsdebatte an einem Herzinfarkt.

Reichtagspräsident Paul Löbe verkündete zu Beginn der Sitzung am nächsten Tag die traurigen Nachricht mit den Worten:

"Meine Damen und Herren! Auch zu Ihren Ohren ist wohl inzwischen die schmerzliche Kunde gekommen: (Der Reichstag erhebt sich) Frau Abgeordnete Zietz, die gestern an der Stätte ihrer Arbeit in eine schwere Ohnmacht fiel, ist von hier aus auf ihr Totenlager getragen worden. Ein Leben voll rastloser, voll unermüdlicher, voll zermürbender Arbeit ist damit erloschen."[4]

Widmungen

  • 1930 erscheint Luise Zietz in Ernst Tollers Drama "Feuer aus den Kesseln"
  • In Bagteheide gibt es einen Luise-Zietz-Weg.
  • Die Volkshochschule Bagteheide widmete Luise Zietz das Deckblatt ihres Jahresprogramms zur ihrem 150. Geburtstag 2015[5]

Literatur

Quellen

  1. DIE ZEIT Nº 48/2012 Letzter Appell an Europa von Wolfram Wette
  2. taz.de Mit Rosa gegen die Frauenbewegung, Anna Bergmann, 14.7.2013
  3. abendblatt.de Louise Zietz: Weltfrau aus Bargteheide, 12.8.2012
  4. 150 Jahre SPD Der "weibliche Bebel"
  5. shz.de Eine Hommage an Louise Zietz, 12. Januar 2015