Ortsverein Altenholz/Klausdorf

Aus SPD Geschichtswerkstatt

Der Ortsverein Altenholz/Klausdorf ist eine Gliederung im Kreisverband Rendsburg-Eckernförde. Er wurde 1928 gegründet.

Geschichte

Die Geschichte der Sozialdemokratie in Klausdorf reicht wesentlich weiter zurück als das Gründungsjahr. Der historische Abriss beginnt jedoch mit der Gründung des Ortsvereins.[1]

Gründung

Am 29. Oktober 1928 gründete der Klausdorfer Bürgervorsteher Willy Busch mit 17 Mitstreitern den Ortsverein Klausdorf. Von wo die Initiative dazu ausging - von den Ortsansässigen, die bisher die politische Macht recht gut ohne Ortsverein gesichert hatten, weil Willy Busch sich mit den bürgerlich-konservativen Bauern ohne offizielle Parteizugehörigkeit vielleicht besser verständigen konnte, oder vom Bezirksverband, der in der schwierigen politischen Situation am Ende der Weimarer Republik Interesse an einem hohen Organisationsgrad haben musste - lässt sich nicht mehr zuverlässig klären. Für Letzteres spricht, was der zuständige Parteisekretär Richard Hansen im Oktober an den "werten Genossen Busch" schrieb:

"Ich habe Ihnen mitgeteilt, dass wir am Montag, den 22. d. Monats dort in Klausdorf eine Versammlung einberufen wollten, in der die Gründung eines Ortsvereins vorgenommen werden soll. Leider hatte ich vergessen, dass ich an diesem Tage mit den Genossen Deutsch-Wien eine Versammlung in Schwartau wahrnehmen muss.
Wir müssen daher die Versammlung in Klausdorf verlegen auf Montag, den 29. ds. Mts. und bitte ich um Mitteilung, ob dieselbe an diesem Tage in Ihrer Wohnung stattfinden kann.
Mit Parteigruss Richard Hansen"

Die Gründung muss jedenfalls ausreichend vorgeklärt gewesen sein. Die Voraussetzungen für die politische Arbeit hatten sich in den 18 Monaten davor grundlegend verändert. Zum einen verstärkte die SPD seit dem Reichsparteitag von 1927, der in Kiel stattfand, ihre Bemühungen um die Landarbeiter, nicht zuletzt durch einen umfassenden agrarpolitischen Antrag, der von Fritz Baade eingebracht wurde und in dem es hieß:

"Die Sozialdemokratie tritt mit gleicher Entschiedenheit für die Land- und Forstarbeiter ein, wie sie seit Jahrzehnten für die Verbesserung der Lage der Industriearbeiter kämpft."

Zum anderen war durch ein Gesetz vom 27. Dezember 1927 endlich eine alte Forderung der SPD umgesetzt worden, die Aufhebung der Gutsbezirke.[2] Rolf Fischer erläutert den Hintergrund der Gründung:

"Die Bezirke Knoop, Projensdorf, Kaltenhof und Stift wurden der Gemeinde Klausdorf zugeschlagen, damit verdoppelte sich auf einen Schlag die Einwohnerzahl auf etwa 800 Menschen. Dank der vorher bestehenden Regelung war die Stellung des Gutsherrn in seinem Gutsbezirk unvergleichlich stark. Dort gab es keine parlamentarische Selbstverwaltung, kein Mitspracherecht einer gewählten Gemeindevertretung. Hier kamen allein dem Gutsbesitzer die Rechte und Pflichten zu, die sonst eine Landgemeinde in öffentlich-rechtlicher Beziehung zu erfüllen hatte. Das war auf Dauer in einer Republik anachronistisch. [...]
Ein Jahr später, im Oktober 1928, bildete sich also auf der Basis eines einstimmigen Beschlusses in der Gemeindeversammlung die neue Gemeinde Klausdorf, etliche sozialdemokratisch orientierte Bürgerinnen und Bürger kamen dazu und es wurde deutlich, dass es professioneller Strukturen bedurfte, um sich durchzusetzen. Zudem standen wichtige Wahlen an und es gab einen weiteren 'internen' Grund: Die politische Stimmung in Klausdorf begann sich etwa ab 1928 langsam, aber stetig zu radikalisieren!"

Als Gründungsmitglieder sind aufgeführt Karl Baasch, der Dreher Hans Bauer, der Arbeiter Heinrich Freese, die Landarbeiter Hanns Krabbenhöft, Willi Meyer und Karl Mißfeldt, der Forstarbeiter Paul Rausch, der Dachdecker Karl Röpstorf, der Landarbeiter Ernst Stoll und der Maler Willy Busch, der zum Gründungsvorsitzenden gewählt wurde.

Die Eingemeindungsfrage

Ein großer Konflikt innerhalb der Gemeindevertretung war zur Zeit der Gründung bereits entschieden. Im Zuge der Aufhebung der Gutsbezirke hatte die Stadt Kiel angefragt, ob man eine Eingemeindung nach Kiel in Betracht ziehen würde.

"Die bürgerliche Mehrheit nahm die Anfrage der Stadt Kiel zur Eingemeindung zum Anlass, eine heftige Schmutzkampagne gegen den Bürgervorsteher zu fahren, der sich aus ökonomischen, finanz- und steuerpolitischen Gründen diesen Schritt vorstellen konnte. Zudem hatte er etwa Mitte des Jahres die wahlberechtigten Klausdorfer gefragt, ein Bürgerentscheid also, und die Antwort war eindeutig: Die übergroße Mehrheit sprach sich für Verhandlungen mit Kiel aus. Auf dieses Bürgervotum konnte sich Busch dann berufen.
Den konservativen Gemeinderäten aber war dies egal; in Kooperation mit dem deutsch-nationalen und späteren NSDAP-Mitglied Landrat Dr. Alnor wurde gegen die Aufnahme von Verhandlungen gestimmt. Die Schleswig-Holsteinische Volkszeitung brachte die Situation in einem Artikel vom August auf den Punkt:
"Der Gemeindevorsteher will, der Landrat will nicht. - Die Bevölkerung will auch, aber die Gemeindevertretung nicht."
In einer Gemeindesitzung im September - unter dem letzten Tagesordnungspunkt "Verschiedenes" - wurden Busch in diesem Zusammenhang grundlos nicht nur Hetzreden und mangelndes Ehrgefühl, sondern auch eigene Bereicherung und Falschaussagen vorgeworfen; in einem mit fünf gegen zwei Stimmen gefassten Beschluss sprach ihm schließlich die bürgerliche Mehrheit das Misstrauen aus. Sein Amt behielt er aber."

Weitere Entwicklung

Der neue Ortsverein hatte schnell großen Zuspruch. Schon im November traten 17 weitere Mitglieder bei. Was fehlte, war ein Vereinslokal.

"Um eine Vorstellung zu bekommen, unter welchen Bedingungen der Ortsverein in diesen ersten Monaten tagte, sei die Volkszeitung zitiert:
'Die SPD-Genossen halten ihre Versammlungen in einer verlassenen Malerwerkstätte ab. Gerümpel aus früheren Zeiten steht noch in der Ecke. Verstaubte Schablonen hängen an den Wänden. Auf Klötzen ruhende Bretter ersetzen die Stühle.'
Hier handelte es sich natürlich um die ehemalige Werkstatt von Willy Busch in der Klausdorferstraße. Der demokratischen Debattenlust tat dies offenbar keinen Abbruch! Noch einmal die Volkszeitung zu den offenbar sehr leidenschaftlichen Treffen:
'Ein junges Mädchen sagte witzig: 'Das ist der Reichstag in Klausdorf!' Das stimmt! Hier wird beraten und geredet, damit der Kampfeswille nicht erlahmt.'"

Ein Arbeitergesangverein bildete sich, die Klausdorfer nahmen an Festveranstaltungen benachbarter Gliederungen teil, etwa zum Verfassungstag. Paul Rausch vertrat den Ortsverein als Delegierter auf dem Bezirksparteitag, Genossin Rausch, wohl seine Ehefrau, als Vertreterin auf der Kieler Frauenkonferenz. Mitgliederversammlungen fanden immer am letzten Sonnabend des Monats statt.

Im Januar 1929 gestaltete der Lehrer Hermann Hamann aus Holtenau die Mitgliederversammlung. Er wurde gern gesehener Gastredner und referierte in den nächsten zwei Jahren noch mehrmals zu Bildungsthemen. Richard Hansen sprach häufiger, auch Wilhelm Schweizer oder der bekannte Gewerkschafter Fritz Böttcher.

Mitte des Jahres zählt der Ortsverein bereits etwa 60 Mitglieder.

Mit den Konservativen im Ort gab es weiterhin Konflikte. Die Landvolkbewegung, eine Wegbereiterin der Nazis, rief zum "Steuerboykott" auf und fand damit bei den Bauern - die unter der Wirtschaftskrise von 1929 litten - Gehör. Dann kam der "Flaggenstreit": Sollte bei offiziellen Anlässen die offizielle Flagge der Republik - Schwarz-Rot-Gold - gezeigt werden, oder ging auch die kaiserliche Reichskriegsflagge - Schwarz-Weiß-Rot? Keine Frage, würden wir meinen, aber dies waren andere Zeiten. Die "Roten" hielten natürlich an der offiziellen Flagge fest, worauf die bürgerlich-nationale Mehrheit des öfteren mit Boykott der Gemeindevertretung reagierte und so Anträge und Abstimmungen unmöglich machte.

Der 1. Jahrestag der Gründung wurde mit einem Fest gefeiert. Die Stimmung mit Blick auf die im November 1929 anstehenden Provinzial-, Kreis- und Kommunalwahlen war gut. Der Ortsverein hatte seine Kandidaten aufgestellt, verteilte Flugblätter mit spezifischen Klausdorfer Themen und bot - ganz modern - einen Fahrdienst an.

Alle drei Wahlen wurden mit großer Mehrheit gewonnen. Das beste Ergebnis brachte die Gemeindewahl: 251 für die SPD, 141 für die Konservativen - ca. 62% der Stimmen. Die Gemeindevertretung setzte sich jetzt aus 6 Sozialdemokraten und nur noch 3 "Bürgerlichen" zusammen.

NS-Diktatur

Willy Busch und seine Frau während der Emigration in Kopenhagen

Im Juli 1932 überfielen mehrere hundert SA-Leute das Haus von Willy Busch in der Klausdorferstraße und weitere Arbeiterhäuser; es gab viele Verletzte. Diese Terroraktion noch vor der "Machtergreifung" ist gut belegt und in die Geschichte Klausdorfs eingegangen.

Der letzte Satz des Berichts über die wohl letzte Sitzung des Ortsvereins Ende Januar 1933 lautete:

"Mit dem Bewußtsein, unseren kleinen Posten in der großen sozialdemokratischen Bewegung gut gehalten zu haben, treten wir ein in die Kämpfe des Jahres 1933!"

Im Juni 1933, nur gut viereinhalb Jahre nach seiner Gründung, wurde der Ortsverein wie die gesamte SPD verboten. Im Juli 1933 floh Willy Busch - wie zwei Monate vorher Richard Hansen - nach Kopenhagen, um seiner Verhaftung zu entgehen. Er wurde 1937/38 ausgebürgert.

Nachruf des OV auf Willy Busch

Das vielleicht Bitterste sollte noch kommen: Ab 1937 spionierte ein Gestapo-Spitzel mit Decknamen "Johannsen" Richard Hansen und die Flüchtlinge in Kopenhagen aus; bei ihm handelte es sich wohl um den Holtenauer Lehrer Hermann Hamann, der sich auf die Seite der Nazis geschlagen hatte.

Willy Busch blieb nach Ende der NS-Diktatur in Dänemark.[3] Mit seiner Frau lebte er in Harreskow, wo er 1949 starb. Erst nach seinem Tod kehrte seine Frau wieder nach Deutschland zurück.

Gegenwart

Uwe Johanning begrüßt zur Jubiläumsfeier am 1. Dezember 2018

Zum 60. Jahrestag gab der Ortsverein eine Chronologie heraus, die uns bisher nicht vorliegt.

Den 90. Jahrestag der Gründung beging der Ortsverein mit einer Veranstaltung am 1. Dezember 2018, auf der Rolf Johanning aus den achtersinnigen Geschichten von Kuddl Schnööf las und Rolf Fischer in seinem Vortrag "Es geht vorwärts!" - Anmerkungen zur Gründung des SPD-Ortsvereins Altenholz/Klausdorf vor 90 Jahren eine Einordnung der frühen Geschichte des Ortsvereins und vor allem der Rolle von Willy Busch darin unternahm. Gerd Sell sorgte für den musikalischen Rahmen.

Vorsitz

Kommunalpolitik

Bürgermeister:

  • Carlo Ehrich - Er wurde am 6. November 2016 als Einzelbewerber, unterstützt von SPD, Grünen und Wählergemeinschaft, mit 61,2% wiedergewählt. Die Wahlbeteiligung lag bei 50,9 %.[5]

Bürgervorsteher:

Fraktionsvorsitz:

Literatur & Links

  • Homepage: SPD Altenholz
  • Rolf Fischer: "Es geht vorwärts!" - Anmerkungen zur Gründung des SPD-Ortsvereins Altenholz/Klausdorf vor 90 Jahren (Vortrag, gehalten am 1.12.2018 in Altenholz, unveröffentlicht)

Einzelnachweise

  1. Er beruht im Wesentlichen auf den Recherchen von Rolf Fischer. Alle Zitate stammen, so weit nicht anders angegeben, aus dem Manuskript seines Vortrags (vgl. Literatur & Links).
  2. Franz Osterroth: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein (Kiel o.J. [1963]), S. 94
  3. Vgl. Martens, Holger: Die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Schleswig-Holstein 1945 - 1959 (2 Bde., Malente 1998) ISBN 3-933862-24-8, S. 252
  4. Kieler Nachrichten, 7.12.2016
  5. Kerstin v. Schmidt-Phiseldeck: Am Ende ein deutlicher Erfolg, Kieler Nachrichten, 7.11.2016