Regierungserklärung 1988

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Version vom 4. Oktober 2020, 21:17 Uhr von Kaffeeringe (Diskussion | Beiträge) (Textersetzung - „==Quellen==“ durch „== Einzelnachweise ==“)

[[Datei:{{#setmainimage:Bundesarchiv B 145 Bild-F080691-0010, Björn Engholm.jpg}}|thumb|left|280px|Björn Engholm, 1989]] Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Was Regierungserklärungen sein können und was nicht, das wissen wir alle. Sie können geschneidert sein wie ein weiter Mantel, der verhüllt, was die Regierenden gern als Herrschaftswissen für sich behalten möchten - gleichsam ein Faltenwurf der Obrigkeit. Wir haben darin auch in diesem Hause Erfahrungen. Sie können geschminkt sein, um den Bürgerinnen und Bürgern des Landes ein angenehmes Bild zu bieten. Sie können - was am schlimmsten ist - Selbstbetrug sein.

In jedem Falle sind Regierungserklärungen dieser Art eine Beleidigung der Wählerinnen und Wähler, und sie sind zugleich eine Torheit der Regierenden, denn auf die Dauer läßt sich der Souverän unseres Landes nicht für dumm verkaufen. Politiker, die das nicht wahrhaben wollen, lernen es eines Tages; sie lernen es spätestens an dem Tag, an dem sie wegen ihrer Unfähigkeit politisch gescheitert sind.

Die neue Landesregierung von Schleswig-Holstein legt Ihnen heute eine Regierungserklärung in Form eines nüchternen Arbeitspapiers vor, das Ziele benennt, die sie sich vorrangig gesetzt hat.

Weitergehende Absichten und Pläne, die wir mit Zähigkeit und Augenmaß verfolgen werden - längerfristig verfolgen werden -, stehen - wie es sich in diesem Lande gehört - unter einem Finanzierungsvorbehalt. Und dieser Vorbehalt muß angesichts der aktuellen finanziellen und wirtschaftlichen Lage in aller Deutlichkeit markiert werden.

Weltweit vollzieht sich seit Ende der siebziger Jahre ein rasanter ökonomischer Strukturwandlungsprozeß. Neue Produktionstechnologien wurden entwickelt, neue Produktionskonzepte sind entstanden. Marktlagen haben sich verschoben, und die verstärkte internationale Konkurrenz führt zu einer Beschleunigung des wirtschaftlichen Konzentrationsprozesses.

Wir befinden uns gegenwärtig inmitten eines Prozesses der Verschiebung ganzer Branchen und Unternehmensstrukturen in Europa und weit darüber hinaus. Dieser Prozeß wird verstärkt werden durch die Liberalisierung im internationalen Handel, und er wird immens beschleunigt werden durch die Schaffung eines europäischen Binnenmarktes ab 1992.

In diesen Monaten und Jahren wird über die ökonomische Zukunft des nächsten Jahrzehnts und des beginnenden Jahrtausends auch für Schleswig-Holstein entschieden.

Unser Land, meine Damen und Herren, ist für diese Herausforderungen in bezug auf das Jahr 2000 nicht ausreichend gerüstet. Andere Bundesländer sind lange dabei, den ökonomischen und gesellschaftlichen Strukturwandel zu gestalten. Bei uns wurde in hohem Maße wirtschafts- und strukturpolitische Abstinenz geübt und durch fleißige PR-Arbeit versucht, den Menschen bittere Wahrheiten vorzuenthalten.

Am Beginn eines politischen Neuanfangs muß deshalb eine schonungslose Bestandsaufnahme stehen. Das Ergebnis dieser Bestandsaufnahme ist alles in allem erschütternd. Es liegt in Schleswig-Holstein kein Konzept vor, wie unser Land angesichts der dargestellten ökonomischen Entwicklung neue Produktionsbereiche und neue Zukunftsmärkte erschließen kann. Es liegt in den beteiligten Ministerien keine Analyse der Produktionspotentiale des Landes und ihrer möglichen Entwicklungsfähigkeit vor. Welche Chancen für ein Land wie Schleswig-Holstein die Entwicklung von Ökotechnologien haben könnte, ist nie ernsthaft untersucht worden.

Welche Möglichkeiten intensivere politische Kontakte zu unseren skandinavischen Nachbarn und zu den Ländern Osteuropas mit sich bringen könnten, ist nicht hinterfragt worden; mögliche Kontakte zu den Ländern des Ostseeraums sind nie systematisch gepflegt worden.

Statt über zukunftsorientierte Qualifikationsprofile nachzudenken und darüber Untersuchungen anzustellen, wurde Bildungspolitik im wesentlichen kleinkariert und mit ideologischen Waffen geführt.

Welche Zukunftsaufgaben den Hochschulen bei der Verbesserung der technologischen Basis unseres Landes, beim Transfer von Wissen aus den Hochschulen in die Betriebe zukommen, wurde nie systematisch analysiert; eine langfristige, den ökonomischen Bedürfnissen angepaßte forschungs- und technologiepolitische Planung existiert in keinem der dafür zuständigen Häuser.

Eine unternehmensbezogene Infrastruktur für Information und Innovationsberatung, insbesondere für die mittelständischen Betriebe und für das Handwerk - geschweige denn für die Arbeitnehmer - besteht allenfalls in Ansätzen. In der Regionalpolitik gibt es weder für die Westküste noch für den Landesteil Schleswig Konzepte, wie die regionale Wirtschaftsstruktur dort verbessert, die Ansiedlungsattraktivität erhöht und Unternehmensgründungen stimuliert werden könnten.

Eine selbstbewußte und aktive politische Vertretung beim Bund hat es ebensowenig gegeben wie eine konsequente Interessenvertretung gegenüber Brüssel; der europäische Industriestandort Schleswig-Holstein ist dort nie zum Tragen gebracht worden.

Die finanzpolitische Bilanz korrespondiert mit der wirtschafts- und strukturpolitischen. Die uns von der Vorgängerregierung hinterlassenen Schulden belaufen sich gegenwärtig fundiert auf 17,1 Milliarden DM. Das ist angesichts der eher schwachen Wirtschaftsdecke des Landes eine ausgemachte Katastrophe.

Diese Katastrophe wird in ihren Auswirkungen erst dann besonders deutlich, wenn man sich vor Augen führt, daß, ohne daß die neue Regierung einen Finger rührt, die fundierten Schulden im Jahre 1990 eine Last von 21 Milliarden DM erreicht haben werden. Dahinter stehen horrende jährliche Neuverschuldungen: 1988 plus 1,2 Milliarden DM, 1989 noch einmal, geplant von der alten Regierung, 1,1 Milliarden DM. Wir wissen angesichts der Entwicklung, daß das eher optimistische Einschätzungen sind. Sie haben uns in die Nähe des § 18 der Landeshaushaltsordnung gebracht: In kurzer Zeit wird die Netto-Kreditaufnahme die Investitionsquote übersteigen.

Sie haben uns damit vor das absolute Aus jeder Bewegungsfreiheit der Politik des Landes Schleswig-Holstein gebracht.

Die Dramatik dieser Entwicklung, meine Damen und Herren, wird besonders deutlich, vergleicht man die Pro-Kopf-Verschuldung der Flächenländer. Hier liegt Schleswig-Holstein bereits im Jahre 1987 um fast 1900 DM Verschuldung je Kopf der Bevölkerung höher als die anderen. Das heißt, im Vergleich zum Durchschnitt der anderen Flächenländer ist Schleswig-Holstein mit fast 5 Milliarden DM höher belastet. Was das für Zins- und Tilgungsraten bedeutet, kann sich jeder Finanzpolitiker ausrechnen.

Die alte Regierung hat mit dieser Verschuldungspolitik einen Treibsatz gelegt, der sich mittelfristig für die wirtschaftliche Zukunft des Landes als ein bösartiger Sprengsatz erweisen kann. Der Haushalt wird gelegentlich, etwa bei Bundestagsdebatten, als das "Hauptbuch der Nation" bezeichnet. Ich sage: Die alte Regierung hat dieses Hauptbuch der Nation allenfalls wie eine Schülerkladde geführt.

Da wurden Grundsätze der Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit als störend zur Seite gewischt. Da wurden Verpflichtungen eingegangen ohne sorgfältige Prüfung der Folgekosten. Da wurde die mittelfristige Finanzplanung des Landes schon bei der Drucklegung zur Makulatur.

Einem Steigerungssoll von 3 % stand 1985 ein Ist von 4,7% und 1987 ein Ist von 5,7% gegenüber. In die neueste Finanzplanung ist kein Geld für Projekte eingestellt - ich bitte, das im Parlament sorgfältig zu registrieren -, für die zum Teil von der alten Regierung weitreichende Verpflichtungen eingegangen worden sind.

Ich nenne Beispiele. Die Nordische Universität, die, wie der Rechnungshof sagt, uns mittelfristig mit mehr als einer viertel Milliarde DM belasten kann, ist in der Planung mittelfristig nicht etatisiert. Die Managementschule, kurz vor der Wahl mit der Mehrheit hier aus dem Boden gestampft, ist nicht etatisiert. Ich nenne des weiteren die Gentechnologie oder Geomar mit dem heutigen Konzept, wo eine Mitfinanzierung institutioneller Art des Bundes, wie die Aktenlage zeigt, ausgeschlossen ist, des weiteren das Oceaneum oder das Personal der Medizinischen Universität Lübeck. Allein dies macht im kommenden Jahr Verpflichtungen in der Größenordnung von 40 Millionen bis 50 Millionen DM aus, ohne daß eine D-Mark in die Planung eingestellt worden ist.

Weitere zwangsläufige Mehrausgaben für die nächsten Jahre sind von der alten Regierung ebenfalls nicht in Rechnung gestellt worden. Notwendige Kapitalerhöhungen bei der Landesbank oder bei HDW, Zuschüsse für die Universitätskliniken, finanzielle Hilfen für die Ausbildungsstätten des Gesundheitswesens, steigende Kosten der Sozialhilfe, Fortsetzung von Hochbaumaßnahmen, neue Stellen, die infolge der Arbeitszeitverkürzung notwendig werden, sind in der mittelfristigen Finanzplanung nicht enthalten.

Sie haben in diesem Sinne eine Haushaltspolitik betrieben, die jeder Beschreibung spottet. Sie haben den Handlungsspielraum dieses Landes finanzpolitisch wie durch eine Garotte eingeschnürt. Das wird uns alle teuer zu stehen kommen.

Es ist für mich absolut unverständlich, wie eine Regierung auf der Basis dieser beschriebenen Finanzpolitik und einer so zustande gekommenen desolaten Finanzsituation einer Steuerreform zustimmen kann, die das Land Schleswig-Holstein allein bis 1992 weiterhin mit einer Milliarde DM Mindereinnahmen belasten wird.

Wenn Sie die Zahlen und Angaben, die ich Ihnen vorher genannt habe, mit dieser weiteren Milliarde DM Ausfall bei den öffentlichen Finanzen korrespondieren lassen, dann wissen Sie, daß die Zustimmung zur Steuerreform ein Akt des finanzpolitischen Selbstmords für das Land Schleswig-Holstein ist.

Angesichts dieser desolaten Finanzsituation wird es extrem schwer werden, eine Finanzkonsolidierung in den nächsten Jahren zu erreichen. Die neue Regierung wird sich von der Einsicht in diese schlimmen finanziellen Beschränkungen nicht lähmen lassen in der Entwicklung von Zukunftsperspektiven, die über diesen zweifelsfrei kargen Tag hinausreichen.

Wir werden im Dialog mit den Menschen unserer Gesellschaft Wege ebnen und Ziele benennen, die nach meinem Verständnis heute die wesentlichen Aufgaben einer demokratischen Regierung sind.

Wir wollen eine Gesellschaft schaffen, in der nicht mehr bewußt benachteiligt wird, ausgegrenzt und gedemütigt, in der Gemeinsinn und Sozialität vor Eigennutz stehen, in der Gerechtigkeit zu üben Alltag von Politik und Verwaltung dieses Landes wird.

Wir wollen Wirtschaft, Technik und Wissenschaft des Landes beflügeln und fördern, damit sie den Menschen und dem Gemeinwohl dienen und nicht Selbstzweck werden.

Wir wollen Natur, Mitwelt und Umwelt schonen, schützen und regenerieren, weil wir ohne sie als Menschen auf Dauer nicht existieren können.

Wir wollen Bildung und Kultur fördern, damit alle Menschen ihre vielfältigen Fähigkeiten in Kopf, Herz und Hand entfalten, um so zur Bestimmung über sich selbst wie zur Mitbestimmung ihres Gemeinwesens zu gelangen.

Wir wollen die Frauen als Mehrheit unserer Gesellschaft aus dem praktischen geschichtlichen Elend der Benachteiligung befreien und sie gleichstellen.

Wir wollen eine politische und geistige Streitkultur schaffen, in der aus Gegnern nicht mehr, wie Sie es getan haben, Feinde gemacht werden, in der vernunftvolle Ideen und Vorschläge auch dann eine Chance haben, wenn sie aus einem anderen als dem jeweils eigenen Lager vorgetragen werden.

Kurzum: Wir wollen mit praktischer Vernunft eine vernunftvolle Praxis gestalten.

Dazu brauchen wir alle Kräfte des Landes Schleswig-Holstein.
Wir brauchen die Risikobereitschaft und den Mut der Unternehmer.
Wir brauchen das Engagement der Gewerkschaften und der Sozialverbände.
Wir brauchen die innovativen Fähigkeiten der Wissenschaft.
Wir brauchen eine im Dienen verläßliche, eine im Funktionieren hoch effiziente Verwaltung.
Und wir brauchen, wie die Erinnerung an das Bischofspapier zeigt, die moralische Kraft der Kirchen.

Die großen Wunder von außen werden selten sein. Die kleinen Wunder aus dem eigenen Land und mit den Menschen dieses Landes zu gestalten, darin liegt die eigentliche Chance des Landes Schleswig-Holstein.

Helfen soll uns dabei eine "Denkfabrik", zu der wir die fähigsten Köpfe aus dem Lande und von außerhalb einladen werden. Meine Damen und Herren, wir wollen die vertrauensvolle Zusammenarbeit der vier norddeutschen Küstenländer forcieren, weil wir nicht länger als die kleinen Bittsteller in Bonn mit den Brosamen der Großen abgespeist werden möchten.

Wir wollen und wir werden gemeinsam im norddeutschen Bereich das Verfassungsrecht auf Gleichbehandlung politisch beim Bund einklagen. Ein daraus erwachsender solidarischer Föderalismus ist allemal nützlicher und verträglicher als die Fraktionierung in arme und reiche Länder in der Bundesrepublik.

Wir verstehen Schleswig-Holstein nicht als ein Randgebiet in Europa. Im Gegenteil: Unsere geopolitische Lage weist uns als ein mögliches Zentrum des Nordens aus. Wir sind eine europäische Region mit besonderen Chancen der Verbindung zu Skandinavien, der DDR und zu den östlichen Anrainern. Deshalb wollen und werden wir Wegbereiter von Vereinbarungen und Verbindungen mit unseren Freunden in Dänemark, in Norwegen, in Schweden und in Finnland sein.

Und die unmittelbare Nachbarschaft zur DDR gibt uns die Chance, direkt und indirekt am Prozeß der Verständigung mitzuwirken. Wir wollen diese Möglichkeiten voll ausschöpfen. Ich erwarte hier auch die Bereitschaft der DDR auf den verschiedensten Gebieten, zu guten Kontakten mit dem Nachbarland Schleswig-Holstein zu kommen. Unsere Bereitschaft zur verstärkten Zusammenarbeit gilt auch für die Volksrepublik Polen, und sie gilt für die sowjetischen Republiken an der Ostsee.

Wir fordern den Bund auf, mit uns zusammen für eine effiziente Einbindung des Landes Schleswig-Holstein in ein europäisches Verkehrsnetz zu sorgen, damit Schleswig-Holstein diese seine mögliche Brückenfunktion optimal erfüllen kann.

Das Mare Balticum, die Ostsee, als Region einer aufblühenden wirtschaftlichen und kulturellen Begegnung - das ist eine unserer großen Visionen. Ich halte sie nicht für irreal. Unser Land Schleswig-Holstein steht als Partner dafür bereit.

Das Zusammenleben von Deutschen und Dänen nördlich und südlich der Grenze ist, im internationalen Maßstab gesehen, zu einem glücklichen Modell gediehen. Beide, die Dänen in Südschleswig wie unsere deutschen Freunde nördlich der Grenze, haben sich um die Verständigung der beiden Völker große Verdienste erworben.

Wir werden - auch finanziell - das Prinzip der Gleichberechtigung und der Gleichbehandlung der beiden Kulturen unterstützen. Zur Pflege der unterschiedlichen Kulturen gehört auch die Bewahrung des Friesischen. Ich erwarte, daß der öffentlich-rechtliche und der private Rundfunk - beide gemeinsam aus guten Konkurrenzgründen - einmal wöchentlich der friesischen Sprache wenigstens einen bescheidenen Platz einräumen.

Ich habe die Absicht, unseren alten Kollegen und Vizepräsidenten a.D. Kurt Hamer zu meinem persönlichen Beauftragten für die Pflege der eben genannten Kontakte zu den Volksgruppen zu benennen.

Meine Damen und Herren, eine Stärkung der Wirtschaftskraft Schleswig-Holsteins ist unverzichtbare Grundbedingung für eine Stärkung auch der gesellschaftlichen Leistungsfähigkeit unseres Landes. Eine Wirtschaftspolitik, die nur für eine Legislaturperiode konzipiert wird, läuft immer Gefahr, auf Krisenmanagement reduziert zu werden. Wir wollen deshalb mit der Wirtschaft zusammen die Grundlagen für einen langfristigen ökonomischen Umstrukturierungsprozeß der Wirtschaft schaffen, der konzeptionell über ein Jahrzehnt hinausreichen soll.

Ziel dieses Prozesses wird es sein, unser Land zu einem attraktiven Wirtschaftsstandort in Europa zu machen, dabei den ökologischen Bedingungen voll Rechnung zu tragen, Arbeit für möglichst alle zu schaffen und das Süd-Nord-Gefälle langfristig abzubauen.

Unsere Wirtschaftspolitik umfaßt dabei vier Handlungsfelder:

Erstens eine reformierte Wirtschaftsförderungspolitik, die das Ziel der längerfristigen Modernisierung der Wirtschaft zur Erschließung neuer Märkte mit qualitativen und quantitativen Beschäftigungszielen verbindet und am vorhandenen Unternehmensbestand und nicht ausgeschöpften Gründungspotential ansetzt;
zweitens direkt wirksame, auf die regionalen Bedingungen abgestimmte arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, insbesondere zur Eingliederung von Arbeitslosen ins Erwerbsleben;
drittens Investitionsmaßnahmen im Bereich des Ressourcensparens und der Umweltsanierung und
viertens alle rechtlich möglichen und - ich füge einschränkend hinzu - alle finanzierbaren Formen der Arbeitsumverteilung.

Wir wollen eine blühende, eine umweltfreundliche Wirtschaft, in der unternehmerische Initiative sich verbindet mit dem Engagement und dem Fleiß der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und wir wollen damit langfristig Wohlstand und Krisensicherheit für unser Land schaffen. In einer konzertierten Aktion beim Ministerpräsidenten werden wir gemeinsam mit Unternehmern und Gewerkschaften Entwicklungsperspektiven dieser Art für unser Land erarbeiten und auch konkrete Schritte zur Verwirklichung dieser Ziele besprechen.

Wir werden dem Landtag, beginnend mit dem Haushalt 1989, ein Programm "Arbeit und Umwelt" vorlegen, in dem die wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Instrumente für eine ökologische Erneuerung unseres Landes beschrieben werden. Im Rahmen dieses Programms werden wir - wie schon aus der Opposition heraus gefordert und angekündigt - neuartige Projekte für jugendliche Arbeitslose und für Langzeitarbeitslose, mit besonderer Berücksichtigung des schweren Loses arbeitsloser Frauen, vorschlagen. Um die Chancen für eine Anschlußbeschäftigung zu erhöhen, werden wir in der konzertierten Aktion von Anfang an beraten, wie Wirtschaft, wie Kammern und wie Verbände eine längerfristige Beschäftigung gemeinsam mit dem Land für Jugendliche sichern können.

Ich werde noch in diesem Jahr Beziehungen zu allen skandinavischen Ländern und zu allen Ländern östlich unserer Grenze aufnehmen. Wir werden Unternehmen ab sofort, wenn sie Interesse haben, in diesen Bereichen tätig zu werden, die Unterstützung des Landes und damit jede gewünschte Hilfestellung geben.

Die tragende Säule unseres Landes ist der Mittelstand. Handwerk, Handel und Industrie, Dienstleistungsgewerbe und viele freie Berufe sollen in zunehmendem Maße Träger des Innovationsprozesses werden. Hier bei ihnen findet sich das Know-how, hier findet sich die notwendige Flexibilität, hier finden sich Erfindergeist und Leistungsbereitschaft, um neue Produkte und Märkte zu erschließen. Wir werden in der Wirtschaftspolitik die Bedürfnisse dieses Bereiches der kleinen und mittleren Unternehmen besonders berücksichtigen.

Dem Fremdenverkehrsgewerbe des Landes wollen wir helfen, sich zu einer dauerhaften Wachstumsbranche zu entwickeln, und wir werden dabei allen Formen eines "sanften Tourismus" den Vorrang geben.

Unser Land braucht eine Verstetigung der öffentlichen Investitionen, besonders im Bereich der Bauwirtschaft. Wir werden den Bund mit Nachdruck auffordern, seiner Verantwortung für die Stadt- und Dorfsanierung, für den Denkmalschutz und für den Wohnungsbau gerecht zu werden. Ein Rückzug des Bundes aus der Städtebauförderung oder ein Ausstieg aus dem § 82 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung würden tödliche Kahlschläge für dieses Land mit sich bringen. Deshalb geht dieser Appell an den Bund.

Ich beabsichtige, zusammen mit Niedersachsen, mit Hamburg und mit Bremen eine verstärkte wirtschaftliche Kooperation zu entwickeln. Hierbei wollen wir auch eine mögliche arbeitsteilige Präsenz dieser Länder an internationalen Wirtschaftsstandorten prüfen.

Im Rahmen des Landeshaushaltes 1989 werden wir trotz der Finanzenge, wie angekündigt, ein Programm für die Westküste und den Landesteil Schleswig auflegen, damit gezielte Hilfe zur Stärkung der Wirtschaftsstruktur in dieser Region endlich möglich wird.

Für unsere auf Dauer notleidende Werftindustrie und die Werftstandorte mahnen wir ein Küstenstrukturprogramm vom Bund an. Da Schiffbaupolitik eine nationale Aufgabe ist und bleibt, muß darin eine Bestandsgarantie für die norddeutsche Werftsubstanz enthalten sein. Die Landesregierung wird ihrerseits ein Konzept zur Weiterentwicklung der Werftstandorte vorlegen, das sehr stark auf Diversifizierung und Erschließung neuer Märkte setzen wird.

Meine Damen und Herren, Schleswig-Holstein braucht notwendig den Anschluß an die technologische Entwicklung anderer Länder. Deshalb fordern wir mehr Hilfen des Bundes zur Verdichtung der Forschungsinfrastruktur in unserem Lande, und wir werben nachdrücklich ab sofort um die Bereitschaft großer Forschungseinrichtungen, bei uns zu investieren.

Wir werden ein Konzept für einen praxisnahen Wissenschafts- und Technologietransfer entwickeln, der den besonderen Bedürfnissen des Mittelstandes gerecht wird. Die Landesregierung setzt sich dafür ein, daß das Mikroelektronikprojekt JESSI nach Schleswig-Holstein kommt. Sie erwartet dabei die Mithilfe aller Bundestagsabgeordneten, die Schleswig-Holstein im Bundestag vertreten.

Meine Damen und Herren, soziale Gerechtigkeit ist ein wesentlicher Pfeiler unserer Demokratie. Nur wo Gerechtigkeit und Menschlichkeit geübt werden, haben die Menschen Vertrauen in Gesellschaft, Politik und Staat. Gerechtigkeit in einer Situation des Überflusses üben, mag leicht sein; wir in Schleswig-Holstein werden gezwungen sein, Gerechtigkeit und Solidarität gerade dort zu üben, wo die Mittel begrenzt sind.

Ich sage noch einmal, daß angesichts steigender Produktivität kein Weg an der Arbeitsumverteilung vorbeiführt. Das gilt auch für den öffentlichen Dienst. Unter den gegebenen finanzpolitischen Bedingungen wird Arbeitszeitverkürzung im öffentlichen Dienst jedoch nur darin zu neuen Arbeitsplätzen führen, wenn es uns gelingt, uns von der Vorstellung einer linearen Tarifpolitik für alle Besoldungsgruppen zu befreien und neue Wege einzuschlagen.

Ich werde mich den Gewerkschaften gegenüber dafür einsetzen, daß in der nächsten Tarifrunde als Ausgleich für Arbeitszeitverkürzungen auf Zuwächse ganz oder teilweise verzichtet werden sollte. Die Landesregierung wird sich dann umgekehrt dazu verpflichten, die dadurch eingesparten Mittel voll in die Schaffung neuer Arbeitsplätze umzusetzen. Dies wäre ein gutes Zeichen einer beiderseitigen Solidarität für die Arbeitslosen unseres Landes.

Eine solidarische Gesellschaft muß zuallererst an Hilfe und Unterstützung jener denken, die sich aus eigener Kraft nicht helfen können. Ich denke hier an die mehr als 120000 Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger im Lande Schleswig-Holstein. Wir werden uns dafür einsetzen, daß dieser Personenkreis künftig durch eine soziale Grundsicherung abgesichert wird. Dies ist langfristig der einzig wirklich tragende Weg, um die Menschen aus ihrer Not zu befreien.

Wir werden vermehrt darauf drängen, daß diesem Personenkreis die Möglichkeiten des zweiten Arbeitsmarktes stärker zur Verfügung stehen als bisher. Das Beispiel Schweden zeigt deutlich, daß Arbeitslosenmittel, die eingesetzt werden, um Arbeit zu schaffen, für die Menschen allemal besser sind, als damit Arbeitslosigkeit auf Dauer zu finanzieren, wie wir es meistens noch tun.

Meine Damen und Herren, die schleswig-holsteinische Landesregierung wird alles unternehmen, um die im Rahmen des Gesundheits-Reformgesetzes der Bundesregierung geplante drastische Selbstbeteiligung der Kranken zu verhindern. Sparen an der Gesundheit ist für uns kein Rezept der Gesundheitspolitik der Zukunft.

Wir müssen und werden die Krankenhausplanung fortschreiben. Dies wird kein leichter Akt sein. Als Orientierungspunkt gilt die ortsnahe, qualifizierte und wirtschaftliche Krankenversorgung. Dazu gehört auch ein Rettungsdienst, der nicht durch private Dumping-Konkurrenz gefährdet werden darf.

Meine Damen und Herren, in wenigen Jahren werden fast 20% der Bevölkerung in Schleswig-Holstein über 60 Jahre alt sein. Alle diese älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger müssen die Chance haben, eine eigenständige Lebenskultur zu entwickeln. Dazu gehört für uns die aktive Einbeziehung der aus dem Berufsleben und den Familienpflichten ausgeschiedenen Menschen in alle gesellschaftlichen Bereiche.

Wir wollen die Lebenserfahrung der Menschen, die selbst nicht mehr aktiv in Beruf oder Familie tätig sind, nutzen. Dazu gehört auch eine Verbindung jüngerer Familien und älterer Menschen in bezug auf Wohnen, auf Kinder- und Sozialbetreuung. Wir planen ein Modellprojekt "Alt und Jung" und wollen damit die Chancen neuer Gemeinsamkeit der Generationen in unserem Lande erproben.

Wir haben großen Respekt vor der ehrenamtlichen und hauptamtlichen Arbeit der Wohlfahrtsverbände, der Kirchen und der Kommunen gerade in diesen Bereichen. Wir wollen mit ihnen zusammen auch bei begrenzten Mitteln eine Planung entwickeln, wie der Ausbau ambulanter Pflegehilfen bei uns im Lande vorangetrieben werden kann.

Wir wollen langfristig eine dezentrale Organisation der psychiatrischen Versorgung. Im Rahmen der Fortschreibung des Psychiatrie-Planes werden wir zunächst in einem Kreis und einer kreisfreien Stadt das Modell regionaler Betreuungskonzepte verwirklichen.

Wir wollen zugleich die Integration von Behinderten und Nichtbehinderten in Kindergärten, Schulen und im Berufsleben, insbesondere im öffentlichen Dienst, fördern und die dafür erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen schaffen.

Vor 13 Jahren hat die Sozialdemokratie dieses Landes den Ausstieg aus der Kernenergie erstmals gefordert. Heute hat sie dafür vom Wähler eine 50prozentige Zustimmung erhalten. Das heißt, erstmals gibt es hier eine Regierung, die ein demokratisches Mandat für den Ausstieg aus der Kernenergie vorweisen kann.

Ich denke, dies verpflichtet die Mehrheit im Parlament ebenso wie die Minderheit, auf dieses Mandat zu achten. Wir werden von dieser Legitimationsbasis ausgehend die Sicherheit der schleswig-holsteinischen Atomkraftwerke, ihre Entsorgung und die rechtliche Zulässigkeit ihres Betriebes überprüfen. Die Gutachten dazu sollen bis zum Jahre 1990 vorliegen. Auf dieser Grundlage wird die Landesregierung entscheiden, welche rechtlich möglichen und politisch gebotenen Maßnahmen zum Ausstieg aus der Atomenergie ergriffen werden.

Es bleibt dabei das Ziel und die Leitlinie der Politik der Landesregierung, diesen Ausstieg bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode erreicht zu haben. Ich fordere die Stromproduzenten und die Stromanbieter ebenso wie die Kommunen des Landes auf, an diesem Prozeß konstruktiv mitzuarbeiten. In einer konsequenten Energieeinsparung, in konsequenter Nutzung des Prinzips der Kraft-Wärme-Koppelung und in konsequenter Ausnutzung der heute schon vorhandenen Möglichkeiten erneuerbarer Energien liegen alle Chancen, diesen Prozeß in der vorgesehenen Zeitspanne zu bewältigen.

Oft genug ist Schleswig-Hoistein in der Vergangenheit Entwicklungen hinterhergelaufen. An diesem Punkt der Erneuerung des Energiesystems in risikoärmerer Form hat Schleswig-Holstein erstmals die Chance, an der Spitze eines technologisch hochmodernen und weltweit beachteten Prozesses zu marschieren. Lassen Sie uns diese Chance nutzen!

Das Beispiel Dänemark, wo kein Atomstrom genutzt wird, aber auch landeseigene kommunale Versorgungsbeispiele wie etwa in Kiel und Flensburg zeigen, welche Möglichkeiten das ganze Land, wenn es dies politisch und unternehmerisch wollte, nutzen könnte.

Wenn wir überdies nach dem Verursacherprinzip, das ja auch von Ihnen akzeptiert wird, die Kosten der Entsorgung und der Endlagerung auf den Kilowattpreis des Atomstroms umlegen würden, würden Sie feststellen müssen, daß die Atomenergie weit teurer ist, als die heutigen Rechnungen es ausweisen.

Die Entsorgung der Atomkraftwerke ist ein ungelöstes Problem. Wir fordern die Bundesregierung mit Nachdruck auf, endlich ein Konzept für eine sichere Entsorgung in der Bundesrepublik Deutschland zu schaffen. Wir sind nicht bereit, die von Mol über Transnuklear im Kernkraftwerk Brunsbüttel falsch deklariert angelieferten Fässer, die auch Plutonium enthalten, bei uns weiter zwischenzulagern. Sie müssen unverzüglich nach Mol zurücktransportiert werden.

Wir werden die Beförderung radioaktiver Stoffe in Schleswig-Holstein auf das sachlich und rechtlich unvermeidbare Maß zurückführen. Auslandstransporte werden, soweit es rechtlich überhaupt möglich ist, unterbunden werden. Absolut nicht verhinderbare Beförderungen werden grundsätzlich von der Straße auf die Schiene zu verlagern sein.

Der größte Reichtum unseres Landes sind seine Natur und seine Umwelt. Sie zu erhalten und wiederherzustellen ist Existenzbedingung und Existenzgrundlage für unser Land und seine Menschen. Wir können in der Zukunft nur noch mit, aber nicht mehr gegen die Natur unsere Politik gestalten.

Ich habe, um diesem Prinzip Nachdruck zu verleihen, einen Minister für Umwelt und Natur ernannt. Seine vorrangige Aufgabe wird es sein, auf die Umweltverträglichkeit sämtlicher politischen Entscheidungen in diesem Lande Einfluß zu nehmen. Er wird neben einer konzertierten Aktion Naturschutz auch eine konzertierte Aktion Ökotechnik und Ökowirtschaft als einen gemeinsamen Ideenaufbruch von Politik, Forschung, Technik und Praxis organisieren, und er wird eine Naturakademie einrichten, in der Fortbildung und Weiterbildung aller haupt- und ehrenamtlich so engagiert tätiger Menschen in unserem Lande stattfinden können.

Meine Damen und Herren, die Abfalldeponie Schönberg bildet nach wie vor ein nicht ausschließbares Risiko für das Grundwasser, das die Hansestadt Lübeck für Trinkwasserzwecke nutzt. Auf der Basis eines von der Freien Universität Berlin vorgelegten Fragenkatalogs wird meine Regierung gemeinsam mit der Hansestadt Lübeck - und nicht gegen die Hansestadt Lübeck! - konkrete praktische Schritte vereinbaren.

Wir werden künftig aus den politisch und rechtlich absolut nicht verhinderbaren Transporten, die von außerhalb kommen, Proben ziehen, um festzustellen, ob dieses Land dadurch Schaden nimmt. Die Verkehre - das will ich mit Deutlichkeit sagen - werden dadurch für die Transporteure nicht erleichtert werden. Selbstverständlich schließt der heutige Erkenntnisstand weiterhin jegliche Genehmigung von Abfalltransporten nach Schönberg durch diese Landesregierung aus.

Ich appelliere an die anderen Bundesländer, ebenfalls die bestehenden Transportgenehmigungen zu widerrufen beziehungsweise sie so schnell wie möglich auslaufen zu lassen.

Wir werden bis zur Mitte der Legislaturperiode ein Abfallwirtschaftskonzept vorlegen, das an den Prinzipien "vermeiden - vermindern - verwerten" orientiert ist. Die Sondermüllentsorgung wird Aufgabe einer zu gründenden Landesgesellschaft werden, die sich mehrheitlich im Besitz der öffentlichen Hand befinden wird.

Über Bundestag und Bundesrat werden wir mit aller politischen Kraft darauf drängen, daß ein Altlastenfonds für die Sanierung der großen noch vor uns liegenden Explosivstoffe in unserem Boden geschaffen wird. Allein die Kräfte des Landes wären hierbei überfordert.

Schwerpunkt unserer Natur- und Umweltpolitik wird die Entwicklung eines umfassenden Regenerationskonzepts für die Natur sein. Durch dauerhafte und selbsttragende Regenerationsprozesse soll wieder ein stabiles Gleichgewicht der Natursysteme herbeigeführt werden.

Wir werden dazu einen Gesamtplan für Natur- und Umweltschutz auf der Basis eines umfassenden Faktoren- und Wirkungskatasters über die Arten und die Ökosysteme und die vom Menschen ausgelösten Schadeinflüsse aufstellen. Größere Flächen als bisher müssen in die Schonung der Natur einbezogen werden. Zur Verbindung von Teilräumen und Biotopen werden wir deshalb ein Biotopverbundkonzept in Gang setzen.

Die Landesregierung hat überdies beschlossen, die Wattflächen vor dem Deich, alle naturgeschützen Forsten und weitere öffentliche Forsten als Naturschutzflächen auszuweisen.

Das Landschaftspflegegesetz wird zu einem neuen Landesnaturschutzgesetz fortentwickelt. Wir wollen in der Zukunft dafür Sorge tragen - auch dann, wenn es unangenehm ist -, daß den Menschen wichtige Daten und Fakten über den Zustand der Natur selbst an die Hand gegeben werden. Es wird deshalb in periodischen Abständen Berichte über den Zustand der Natur Schleswig-Holsteins geben, die zunächst dem Parlament und dann der Öffentlichkeit vorgelegt werden.

Der verbesserte Schutz von Nord- und Ostsee wird einer der ganz großen Schwerpunkte der Umweltpolitik dieser Regierung sein. Das Kabinett hat als Sofortmaßmahme in einer seiner ersten Sitzungen die zügige Einrichtung von Phosphateliminierungsanlagen in den 32 größten Kläranlagen des Landes innerhalb eines Jahres beschlossen. Wir liegen mit diesem Prozeß an der Spitze aller Bundesländer und hoffen, daß sie uns folgen werden.

Wir werden auch noch in diesem Jahr eine Gülleverordnung erlassen. Gülleverordnung und Flächenstillegungen dienen dazu, daß Flächen in einem bestimmten Abstand von Gewässern und anderen nährstoffempfindlichen Biotopen in Zukunft frei von jeder Gülle-Aufbringung bleiben müssen.

Ich habe im Bundesrat in meiner ersten Rede die Bundesregierung aufgefordert, sich nicht zurückzuziehen auf Beschlüsse der Vergangenheit, sondern sich einmal konkret anzugucken, was es bedeutet, wenn eine Robbengeneration bei uns krepiert, und daraus schlußfolgernd ein sofortiges nationales Notprogramm zu machen.

Ich bedauere, daß dies noch nicht wirklich in den Köpfen der Verantwortlichen Platz gegriffen hat. Aber wenn wir bedenken, daß die Denitrifizierung allein in Schleswig-Holstein einen Aufwand von 400 Millionen bis 500 Millionen DM verursachen würde, dann sage ich Herrn Töpfer und Herrn Stoltenberg, hier ist eine der langfristig glänzenden Alternativen zu den Ausgaben der Steuerreform. Dies ist etwas, was uns dient und nutzt.

Wir haben den Tierschutz des Landes aus dem Landwirtschaftsministerium in die Zuständigkeit des Ministers für Natur und Umwelt verlagert. Damit geben wir die für uns so wichtige Verantwortlichkeit und Fürsorgepflicht für alle Tiere in eine Hand. Sie wissen, daß unsere Gesetze Tiere nach wie vor als Sache behandeln. Im Sinne einer Versöhnung von Mensch und Natur treten wir deshalb nachdrücklich für eine Verbesserung des Tierschutzes ein. Die Berufung auch eines unabhängigen Sachverständigen und Beauftragen für diesen Bereich wird uns diesem Ziel näher bringen.

Meine Damen und Herren, die Landwirtschaft ist ein prägender Teil der Geschichte und der Gegenwart unseres Landes. Die Regierung wird allen Landwirten Partner bei der Lösung ihrer Probleme und Anwalt ihrer berechtigten Wünsche in Bonn und in Brüssel sein. Die landwirtschaftlichen Betriebe in Schleswig-Holstein brauchen ein Einkommen, das ihnen mittelfristig die Chance zum wirtschaftlichen Überleben gibt. Es ist deshalb eine durchgreifende Reform der europäischen Agrarmarktordnung überfällig.

Der europäische Agrarmarkt muß im übrigen auch aus ökologischen Gründen reformiert werden. Ich werde noch in diesem Jahr - wie aus der Opposition heraus angekündigt - mit der Landwirtschaft gemeinsam versuchen, eine Linie des Landes Schleswig-Holsteins zu formulieren, die dann konsequent und geschlossen gegenüber dem Bund und gegenüber der Europäischen Gemeinschaft durchgesetzt wird.

Als eine besondere Form der Extensivierung wollen wir ökologisch wirtschaftenden Landwirten eine besondere Förderung geben. Dazu geben wir für einen begrenzten Zeitraum Umstellungshilfen in der Größenordnung der heutigen Extensivierungsförderung.

Wir wollen den Landwirten auch behilflich sein, zusätzliche Einkommensmöglichkeiten zu erschließen, etwa im Fremdenverkehrsbereich oder in der Landschaftspflege. Wir wollen damit langfristig auch Arbeitsplätze für die landwirtschaftlichen Arbeitnehmer sichern helfen.

Wo immer Landwirte Interesse haben, sich der Direktvermarktung oder der Weiterverarbeitung wieder oder verstärkt zuzuwenden, wird diese Landesregierung sie dabei unterstützen und fördern. Dasselbe gilt für die Fischerei an unseren Küsten. Wir wollen helfen, daß die kleinen Betriebe und ihre Arbeitsplätze auf Dauer erhalten bleiben.

Meine Damen und Herren, Investitionen in Bildung und Ausbildung sind unverzichtbare Investitionen in die individuelle und die gesellschaftliche Zukunft. Wir wollen deshalb ein Bildungssystem in Schleswig-Holstein, in dem alle hochwertige Fähigkeiten und Fertigkeiten erwerben, in dem zugleich aber das Lernen auch Freude macht, in dem persönliche Entfaltungsmöglichkeiten geboten werden, in dem auch soziales Verhalten erlernt werden kann. Ein Bildungssystem, das den Neigungen, Fähigkeiten und Bedürfnissen der Kinder und jungen Menschen mehr Raum läßt, ein Bildungssystem, das auch die immer noch vorhandenen geschlechtsspezifischen Rollenmuster aufheben hilft, wird nicht nur freiere und zufriedenere Menschen, es wird auch Menschen hervorbringen, die besser und optimaler in der Lage sind, den Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden.

Wir werden schrittweise an den Hauptschulen des Landes das 10. Schuljahr auf freiwilliger Basis einführen. Wir werden unter Berücksichtigung der Finanzlage des Landes in begrenztem Umfang auch weiterhin Lehrerinnen und Lehrer neu einstellen. Der Unterrichtsausfall, vor allem an den beruflichen Schulen, im Religionsbereich, in den musischen Fächern muß abgebaut werden, und die Zahl der Überstunden muß drastisch reduziert werden.

Meine Damen und Herren, das gegliederte Schulwesen in Schleswig-Holstein bleibt, wie es von uns über Jahre so versprochen worden ist, auch unter der neuen Regierungsägide erhalten. Es wird zugleich für die Belange der Zukunft weiterentwickelt werden. Hauptschule, Realschule und Gymnasium stehen auch künftig allen Schülern und Eltern offen, die diese Schulen schätzen. Das Elternrecht auf freie Schulwahl wird von uns uneingeschränkt, also voll geachtet. Freies Elternrecht heißt jedoch auch: Eltern, die für ihre Kinder eine Gesamtschule vorziehen, müssen im Lande Schleswig-Holstein endlich eine Chance erhalten.

Die Gesamtschule wird nicht von oben verordnet werden. "Gesamtschule" heißt für uns im besten Sinne des Wortes "Schule vor Ort". Und "vor Ort" heißt: Entscheidend ist der Wille der Eltern und die Zustimmung des Schulträgers. Wir werden das Schulgesetz in diesem Sinne ändern. Dazu werden die Schulträger, die Landeselternbeiräte, die kommunalen Spitzenverbände, die Lehrerverbände und die Gewerkschaften selbstverständlich gehört werden. Am Ende dieses Verfahrens wird ein Gesetzentwurf vorgelegt und dem Parlament zugeleitet werden. Sollten bis dahin Anträge von Schulträgern auf Einrichtung einer Gesamtschule kommen, reichen die Möglichkeiten des geltenden Schulgesetzes dafür aus. Der Gesetzentwurf soll auch die Voraussetzungen für eine innere Schulreform schaffen, und zwar zur Erweiterung der pädagogischen Freiräume - Schule soll wieder mehr von Lehrern als von Ministerialbeamten gemacht werden, für eine verbesserte Kooperation von Schülern, Eltern und Lehrern und zur Reform der Lehrpläne nach fortschrittlich-humanistischen Leitbildern. Schulreform wird von dieser Regierung nicht, wie es in der Vergangenheit der Fall war, verordnet oder in kleinen Zirkeln besprochen werden; alle Betroffenen und Beteiligten werden in einem offenen Dialog in diese Schulreform von uns einbezogen werden.

Wir werden bis zur Mitte der Legislaturperiode einen Hochschulentwicklungsplan vorlegen, in dem die künftige Nutzung, die mögliche Erweiterung und die außeruniversitäre Zusammenarbeit der Hochschulen des Landes vorgeschlagen werden. Wir wollen zugleich Modelle der Öffnung der Hochschulen für jene, die besonders hohe Qualifikationen in der beruflichen Bildung, in der Berufspraxis und der Weiterbildung erworben haben, erproben. Eine Öffnung für Bewerberinnen und Bewerber ohne formale Hochschulzugangsberechtigung soll besonders für den Bereich Weiterbildung an den Hochschulen gelten.

Meine Damen und Herren, die Nordische Universität muß, um weiterhin mit einer finanziellen Unterstützung des Landes rechnen zu können, eine mindestens hälftige private Finanzierung garantieren. Ich erwarte, daß hier in absehbarer Zeit von der Wirtschaft des Landes und der Nordischen Universität ein entsprechender Vorschlag der Regierung unterbreitet werden wird.

Bessere Bildung und bessere Qualifizierung dienen Arbeitnehmern und Unternehmern gleichermaßen. Wir werden deshalb dem Landtag den Entwurf eines Bildungsurlaubs- und Qualifikationsgesetzes vorlegen. Darin soll das Recht auf anspruchsvolle Weiterbildung geregelt werden.

Wir haben die Absicht, in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften, den Verbänden und den Kammern ein für unser Land und unsere hiesigen Bedürfnisse maßgeschneidertes Konzept zu entwickeln. Dieses wird gleichzeitig auch ein Angebot an die Wirtschaft des Landes sein, die von sich aus auf ihren Verbandstagen immer besser gebildete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gefordert hat. Diesem Wunsch werden wir mit diesem Gesetzentwurf gerecht werden.

Meine Damen und Herren, die Stärke unserer demokratischen Ordnung besteht nicht in ihrer Staatsmacht, sondern in Engagement und geistiger Kraft der Menschen und in Liberalität und Toleranz der Politik. In diesem Sinne werden wir die kommunale Selbstverwaltung und die Stellung der gewählten kommunalen Vertreterinnen und Vertreter stärken und mehr Beteiligung und Einfluß der Bürgerinnen und Bürger auf kommunale Entscheidungen ermöglichen.

Das Kabinett wird sich ab Herbst dieses Jahres mit den Grundzügen einer entsprechenden Novellierung des kommunalen Verfassungsrechtes beschäftigen. Wir wollen das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Menschen in Schleswig-Holstein stärken und sichern.

Wir werden uns auf der Bundesebene für eine längst überfällige Anpassung des Datenschutzrechts an die Forderungen des Volkszählungsurteils einsetzen. Und wir werden zugleich dem Landtag einen Entwurf zur Änderung des Landesdatenschutzgesetzes vorlegen.

Meine Damen und Herren, die Bestimmungen des Beamtenrechts reichen voll aus, um gegen Beamte vorzugehen, die gegen unsere Verfassung arbeiten. Die Regelanfrage beim Verfassungsschutz ist deshalb überflüssig. Die Landesregierung wird am 12. Juli dieses Jahres die Regelanfrage für Bewerber des öffentlichen Dienstes abschaffen.

Seit vielen Jahren leben in unserem Lande Menschen - und viele von ihnen sind bereits hier geboren -, die von der Mitgestaltung der kommunalen Angelegenheiten ausgeschlossen sind, nur weil sie keinen deutschen Paß besitzen. Wir wollen zusammen mit allen politischen Kräften - und wir werden dazu auch die CDU einladen -, mit den Kirchen, den Gewerkschaften und der Europa-Union die politischen Voraussetzungen für die Akzeptanz eines kommunalen Ausländerwahlrechts schaffen und nach sehr sorgfältiger verfassungsrechtlicher Prüfung dem Landtag den Entwurf eines entsprechenden Gesetzes vorlegen.

Darüber hinaus werden wir prüfen, welche Möglichkeiten die bestehenden Gesetze uns bieten, die unverständliche und extrem begrenzte Freizügigkeit der Asylbewerber zu erhöhen. Und wir werden umgehend den Erlaß zurücknehmen, der die Kreise und die kreisfreien Städte zwingt, Asylbewerber in Sammelunterkünften unterzubringen. Wir werden kein Paradies für Asylbewerber werden. Wir stehen auch nicht offen für die, die in anderen Ländern schlechter behandelt werden. Aber die, die bei uns sind, haben Anspruch darauf, daß wir ihr Anwalt sind, denn dieses sind Menschen, die im Regelfalle größere Not leiden als alle anderen, die hier leben.

Die Reform des kommunalen Finanzausgleichs ist dringend notwendig. Unser Ziel ist es, dabei die Eigenverantwertung der kommunalen Verwaltung zu stärken. Wir werden deshalb dem Landtag einen Gesetzentwurf zuleiten, mit dem das geltende Finanzausgleichsgesetz reformiert werden soll. Dieses Gesetz wird in enger Abstimmung mit den kommunalen Landesverbänden entwickelt werden.

Wir werden das Personalvertretungsgesetz des Landes Schleswig-Holstein, das bundesweit als das schlechteste gilt, grundlegend verändern und dabei den Personalräten mehr Beteiligungsrechte einräumen. Ich habe hierüber in zwei ersten Runden mit den Personalräten aller Behörden ein vorbereitendes Gespräch geführt. Wir sind uns einig, daß wir nach Abschluß der Beratungen werden sagen können: Schleswig-Holstein hat bundesweit das vorzeigbarste und vorbildliche Personalvertretungsrecht.

Die Landesregierung bekennt sich zur Unabhängigkeit der Rechtspflege; sie will diese nachhaltig stärken. Dazu dient in dieser Wahlperiode eine Änderung des Richterwahlgesetzes. Unsere Justiz ist wesentlich auf das Vertrauen des Volkes in ihre Unabhängigkeit angewiesen. Wo es in der jüngsten Zeit Irritationen, etwa mit Blick auf die Staatsanwaltschaft, gegeben hat, werden wir kurzfristig solchen Besorgnissen die Grundlage entziehen.

Auf Jugendliche, die mit dem Strafgesetz in Konflikt geraten sind, soll künftig stärker als bisher erzieherisch eingewirkt werden. Unser Ziel heißt Strafvermeidung durch erzieherische Maßnahmen. Freiheitsstrafe kann dabei nur die ultima ratio sein. Wir werden deshalb gerade in diesem Bereich offenen Formen des Vollzugs den Vorzug geben, und es wird deshalb auch in Schleswig-Holstein keine neue große, geschlossene Jugendvollzugsanstalt geben.

Die Landesregierung wird noch in diesem Jahr einen Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten berufen. Er soll gleichzeitig die Interessen der Behinderten gegenüber der Verwaltung und der Politik wahrnehmen. Er wird unabhängig sein und auf der Seite derer stehen, die in Not um Hilfe nachsuchen.

Wir wollen die Sicherheit der Menschen gegen Gewalt und andere Straftaten verbessern. Der Schwerpunkt zur Durchsetzung unseres Zieles liegt dabei in der Überprüfung der Verbesserung der Ausbildungs-, der Arbeits-, der Aufstiegsbedingungen und der Organisation und der Einsatzkonzepte der Polizei. Wir erhoffen uns durch die Berufung eines Rates für Verbrechensbekämpfung bei diesem Ziel Unterstützung. Wir sagen der Umwelt-, der Wirtschafts- und vor allem der Rauschgiftkriminalität in diesem Lande entschiedenen Kampf an.

Wir werben um die Zustimmung und die Mitarbeit der Jugend unseres Landes. Wir wissen, ein Land, das die Zustimmung der Jugend nicht besitzt, besitzt keine Zukunft. Wir wollen die Jugend des Landes unterstützen, wenn sie darum kämpft, Dinge zu erhalten, die es wert sind, erhalten zu werden und die Bedingungen zu verändern, die ihr die Mitentscheidung über ihr eigenes Leben und ihre Zukunft verbauen.

Für unsere Jugendpolitik heißt das konkret: Kein junger Mensch in Schleswig-Holstein soll ohne eine Ausbildung bleiben. Dies ist in erster Linie eine Aufgabe der Wirtschaft. Wo immer in gemeinschaftlicher Anstrengung dennoch junge Menschen ohne Ausbildung bleiben, wird das Land in betrieblicher, außer- oder überbetrieblicher Form dafür Sorge tragen, daß diese jungen Menschen eine Berufsqualifizierung erhalten. Wir werden einer größeren Zahl von Jugendlichen, die nach der Ausbildung keine Arbeit finden, auch mit Hilfe der Arbeitsverwaltung die Möglichkeit sinnvoller Beschäftigung in Beschäftigungsprojekten eröffnen. In Verbindung von Arbeit und Lernen soll in Projekten des Umweltschutzes, der Abfallwirtschaft, des Energiebereiches die Vermittlungschance auf dem ersten Arbeitsmarkt verbessert werden. Für die Jugendstiftung des Landes Schleswig-Holstein wird es Zuschüsse meiner Landesregierung nicht mehr geben. Wir prüfen gegenwärtig die rechtlichen Möglichkeiten für die Auflösung dieser Stiftung. Wir planen zugleich die Absicherung der Jugendförderung durch Gesetz und durch einen förmlichen Landesjugendplan, um den Gestaltungsspielraum der Träger der freien Jugendarbeit endlich wiederherzustellen und zu erhalten.

Sport ist heute - wir haben das vor etwa Jahresfrist auf einem Kongreß zum Ausdruck gebracht - die größte soziale Bewegung in unserer Gesellschaft. Diese Sportbewegung hat sich um aktive Freizeitgestaltung ebenso beispielhaft verdient gemacht wie um die Förderung der Volksgesundheit. Meine Regierung wird keinen Versuch unternehmen, sich den Sport zu politischen Zwecken einzuvernehmen; sie wird ihm jedoch immer als Partner zur Verfügung stehen. Die Landesregierung wird Mittel für den Sportstättenbau, auch für den behinderten- und seniorengerechten Umbau zur Verfügung stellen.

Die Gleichstellung der Frauen ist kein politisches Entgegenkommen der Politik an die Frauen, sondern eine historisch überfällige Selbstverständlichkeit. Mit der Ernennung einer Frauenministerin setzen wir ein bundesweites Signal. Politik zur Gleichstellung von Männern und Frauen ist für diese Regierung politisches Grundprinzip. Wir werden Initiativen für mehr Chancengleichheit der Frauen in der schulischen Bildung, beim Zugang zur betrieblichen Ausbildung, bei Hochschulstudiengängen und bei der Berufsperspektive entwickeln. Der öffentliche Dienst muß bei der Aufhebung von Benachteiligungen Vorbild sein. Wir werden deshalb Frauenförderpläne vorlegen, um das starke Übergewicht der Männer respektive die starke Benachteiligung der Frauen insbesondere in den gehobenen Einkommens- und Führungspositionen abzubauen.

Wir werden ein Gleichstellungsgesetz auf den Weg bringen, das gleiche Chancen für Frauen bei Ausbildung, bei Einstellung und Beförderung im öffentlichen Bereich garantiert und vor allem auch frauenbenachteiligende Vorschriften, die es heute noch gibt, beseitigt. Wir werden Unternehmen und Betriebsräten bei der Erstellung von Gleichstellungsplänen behilflich sein, damit Frauen Qualifikations-, Aufstiegs- und Wiedereintrittsmöglichkeiten in den Beruf haben, die ihnen heute immer noch weitgehend verschlossen sind. In jährlichen Gleichstellungskonferenzen werden wir mit den Tarifvertragsparteien, mit dem Handwerk, der Industrie, den Handelskammern und den Verbänden Maßnahmen entwickeln, mit denen die Frauenarbeitslosigkeit abgebaut und den Frauen breitere und chancenreichere Berufspaletten erschlossen werden.

Frauen, die im ländlichen Bereich leben und arbeiten, haben im allgemeinen eine hohe Arbeitsbelastung und sehr häufig ungeregelte Arbeits- und Urlaubszeiten und wenig Chancen, bei Arbeitslosigkeit in einen anderen Erwerbsberuf zu wechseln. Wir werden und wollen uns gemeinsam mit Kammern, Verbänden, Gewerkschaften und Frauenverbänden vor allem um die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Frauen im ländlichen Bereich kümmern.

Wir werden die besondere Notlage von Frauen und Mädchen, die männlicher Gewalt ausgesetzt sind - dies ist in unserer Gesellschaft eine unglaublich hohe Zahl -, aufarbeiten und gemeinsam mit den Betroffenen, mit der Polizei, der Justiz und den Kommunen Hilfen entwickeln. Ein erster Schritt dazu wird eine Anhebung der Förderung der Frauenhäuser auf 500 000 DM sein.

Wir werden alle rechtlichen und politischen Möglichkeiten ausschöpfen, das sogenannte Beratungsgesetz zum $ 218 im Bundestag und im Bundesrat zu verhindern.

Im Bundesrat werden wir darauf drängen, daß die gemeinsame Initiative des Landes Schleswig-Holstein, Vergewaltigung in der Ehe zu einem Straftatbestand zu machen, verwirklicht wird.

Die kommunalen Gleichstellungsstellen leiten [sic!] eine nicht mehr wegzudenkende Arbeit in den Städten und in den Kreisen. Es gibt, wenn man sich die politische Landkarte Schleswig-Holsteins anguckt, davon jedoch immer noch zu wenig. Wir wollen die Voraussetzungen schaffen, daß in den Kommunen mehr kommunale Frauenbüros eingerichtet werden können.

Meine Damen und Herren, das kulturelle Erbe erhalten, es pflegen, zugänglich machen, neue ästhetische Ausdrucksformen anregen und fördern, das ist der vielleicht schönste und sinnlichste Auftrag, den Politik haben kann. Wir wollen dabei nicht trennen in sogenannte höhere oder niedere Kultur, nicht in „U” und „E” oder wie immer es heißen mag.

Alles, was qualitätvoll ist, alles, was die Phantasie beflügelt, und alles, was die Identität der Menschen stärkt, ist uns kulturpolitisch in Schleswig-Holstein willkommen: vom Brauchtum, auch dem ostdeutschen Kulturgut, über die Architektur, jedwede Art der Lesekultur, über die Musik, von Bildern und Plastiken zur Geschichte und zur Philosophie. In diesem Sinne werden wir eine breite und lebendige Vielfalt kultureller Aktivitäten in der Region fördern und stärken und nicht nur anläßlich von Feierstunden und Gedächtnistagen. Kultur soll Bestandteil und Gegenstand des Alltags der Menschen werden und sein.

Wir suchen dabei die Mithilfe der Künstlerinnen und Künstler im Lande. Wir suchen auch die Zusammenarbeit mit privaten Initiativen und Galerien, und wir wünschen uns auf diesem Felde sehr viele Mäzene und Förderer als Mitstreiter. Wir haben immer wieder gesagt, daß wir Kultur für alle wollen. Dies bedeutet nicht einen Verzicht auf kulturelle Qualität; es meint vielmehr, alles, was qualitätvoll ist, allen Menschen zugänglich zu machen, insbesondere jenen, die den Zugang dazu bisher nicht gefunden haben; für alle auch deshalb, weil alle Menschen in unserer Gesellschaft zunehmend unter der Verdrängung der Sinnlichkeit leiden. Die Medien selber tragen wenig zur Sinnlichkeit bei. Auch die Arbeitswelt ist nicht immer an sinnlicher Erfahrung reich. Wo Sinnlichkeit verschwindet, hört Phantasie auf zu existieren. Eine Gesellschaft ohne Phantasie aber verkümmert. Deshalb wollen wir Kultur für alle, weil sie für alle lebensnotwendig ist.

Wir werden natürlich weiterhin versuchen, die Großen aller Kunstsparten nach Schleswig-Holstein zu holen. Wir werden Bewährtes fördern. Niemand soll Angst haben, daß nun die Revolution in der Kultur stattfindet. Aber wir werden verstärkt das Unbekannte, das Ungewohnte und das Herausfordernde fördern, weil sich eine neue Sinnlichkeit nur durch neues Sehen oder neues Hören entwickeln kann. Deswegen werden wir Altgewohntes mit Neuem verbinden und damit eine breite Kulturpalette schaffen, die auch jungen Künstlerinnen und Künstlern eine Chance gibt, sich in unserem Lande bewährend wiederzufinden.

Ich möchte die jahrhundertealten und verstärkt fortwirkenden Beziehungen Schleswig-Holsteins zu seinen Partnern im Norden und im Osten auch auf kulturellem Gebiete fördern und vertiefen. Ich möchte damit einen seit längerem in Skandinavien aufgegriffenen Gedanken, den der „Ars Baltica” als einer Biennale der Gegenwartskunst in den Hauptstädten rund um die Ostsee aufgreifen.

Wir begrüßen das Schleswig-Holstein Musik Festival als eine attraktive Bereicherung unserer Landeskultur. Wir haben die Absicht, es zu einer Dauereinrichtung unseres Landes zu festigen. Das Festival wird um so erfolgreicher sein, je weiter es seine Pforten neuen Hörern und Hörerinnen öffnet, je stärker es die reiche Musikszene des eigenen Landes mit einbezieht und je mehr es auch zeitgenössischen Kompositionen Zugang gewährt.

Wer sich das Programm dieses Jahres ansieht - das sage ich an die Kritiker außerhalb des Landtages -, der wird feststellen, daß wir auf diesen drei genannten Gebieten erfreuliche und große Schritte nach vorn gemacht haben. Wir werden die Kulturstiftung des Landes Schleswig-Holstein erhalten, sie aber so umstrukturieren, daß ihre Tätigkeit für Parlament und Öffentlichkeit durchschaubar wird.

Mittelfristig möchten wir aus dem Fachbereich Gestaltung der Fachhochschule Kiel eine Akademie machen. Wobei ich in Parenthese anmerke: Über das, was heute Akademie sein kann, muß - auch nach den Erfahrungen vieler Akademien in der Bundesrepublik - sorgfältig diskutiert werden. Wir werden kurzfristig die räumliche Enge in der Fachhochschule für Gestaltung durch entsprechende Anmietungen beseitigen.

Die Gemäldegalerie und Graphische Sammlung der Kunsthalle zu Kiel der Universität ist ein führendes Museum, das führende Museum des Landes Schleswig-Holstein. Ich halte es für nötig, daß diese Kunsthalle mittelfristig räumlich erweitert wird. Ich hoffe hier jedoch auf eine starke private Initiative, die sich noch weiter entwickeln könnte als die Bürgeraktion, die schon einmal den Grundstein für die letzte Erweiterung gelegt hat.

Die Chancen weiterer Projekte, etwa die Chance eines grundsätzlich zu begrüßenden Industriemuseums in Kiel, eines A-Orchesters, des Jugend- und Kindertheaters oder einer eigenständigen Filmförderung des Landes, stehen unter einem starken Finanzierungsvorbehalt. Wir werden jeweils das Parlament an einzelnen Punkten bitten, zu entscheiden, ob die Finanzen ausreichen, das eine oder das andere Projekt noch finanzieren zu können.

Die Medienlandschaft in Schleswig-Halstein hat sich in den letzten Jahren dramatisch verändert. Der Konzentrationsprozeß bei den Printmedien ist in bedenklicher Weise vorangeschritten. Er greift jetzt, wie wir wissen, auch auf den Privatfunk über. Die Landesregierung beobachtet diese Entwicklung mit großer Sorge. Sie wird alles tun - vor allem auch auf der Bundesebene -, um eine weitere Monopolisierung der Information im gesamten Medienbereich zu verhindern.

Wir werden, wie wir es angekündigt haben, nachhaltig dafür eintreten, daß die Bestands- und Entwicklungsgarantie des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks gesichert wird und gesichert bleibt. Wir werden zur Mitte der Legislaturperiode unsere Überlegungen zur Neuordnung des Landesrundfunkrechtes vorlegen.

Meine Damen und Herren, wir wissen nicht, was uns in den kommenden Jahren zusätzlich an Lasten oder Mühen aufgebürdet werden wird. Wir wissen nur, daß in dieser Legislaturperiode eine drastische Erhöhung der Verbrauchsteuern und der Sozialabgaben ins Haus steht. Welche Auswirkungen dies, ohne andere Folgen zu berücksichtigen, auf die Konjunktur und damit auf die Steuereinnahmen des Landes haben wird, läßt sich heute quantitativ nicht abschätzen.

Wir wissen, daß jede Schwankung des Dollar-Kurses, auf die wir keinen Einfluß haben, immense Auswirkungen auf die exportorientierte Industrie des Landes haben wird. Wir wissen, daß uns ein Anstieg der Zinsen unermeßliche neue Lasten aufbürden könnte, wenn wir bedenken, daß eine Steigerung der Zinsen von je 0,1 % jährlich drei Millionen DM netto Mehrausgaben für das Land bedeutet. Wir wissen nicht, welche Umweltkatastrophen uns noch ins Haus stehen. Wir wollen hoffen, daß keine kommen. Aber wir können nicht abschätzen, mit welchen Folgen, auch finanziellen Folgen, das Land dadurch belastet werden könnte.

Solche Vorbehalte und Risiken zu benennen, gehört zur Redlichkeit. Sie sollen uns jedoch nicht davon abhalten, unsere Arbeit mit Zuversicht zu beginnen;

mit Zuversicht deshalb, weil wir spüren, daß die Menschen in unserem Lande bereit sind, mitzuhelfen, die großen Zukunftsaufgaben zu lösen;
mit Zuversicht, weil wir wissen, daß unser Land reich ist an seiner Natur, reich an Ideen, Initiativen und Idealismus;
mit Zuversicht, weil wir eine leistungsfähige und innovationsbereite Wirtschaft, insbesondere hier auch im Mittelstand, besitzen, mit der zusammen wir den notwendigen Umstrukturierungsprozeß unserer Wirtschaft gestalten wollen;
mit Zuversicht, weil Gewerkschaften und große Verbände von Gemeinsinn und Verantwortungsbewußtsein getragen werden;
mit Zuversicht, weil ich glaube, daß Schleswig-Holstein die Chance hat, ein Zentrum der nordeuropäischen Region zu werden.

Dies macht uns bei der vor uns liegenden Arbeit Mut, ohne daß wir übermütig werden. Wir sind uns sehr wohl bewußt, auch nach den Erfahrungen der Vergangenheit, daß das Land Schleswig-Holstein seinen Menschen, aber nicht einer Regierung oder einer Partei gehört. Wir werden deshalb weder in Selbstgefälligkeit noch in Arroganz verfallen; wir werden uns nicht in unseren Dienstzimmern oder Autos verschanzen. Wir werden uns stets bewußt sein, daß wir in der Tradition derer stehen, die vor uns für die gleichen Ziele gearbeitet haben.

Ich erinnere an die Arbeiter und Matrosen, deren Aufstand vor siebzig Jahren in Kiel das Ende des Ersten Weltkrieges und den Beginn der ersten deutschen demokratischen Republik eingeleitet hat.

Ich erinnere an Persönlichkeiten wie Legien, wie Leber, Lüdemann, Diekmann, Käber, Gayk und Passarge, Steffen und Matthiesen.

Hermann Lüdemann schloß seine Regierungserklärung am 8. Mai 1947 mit den Worten:

"Das Ziel unserer Arbeit ist ein wahrhaftig demokratisches Deutschland, das bis zum letzten Bürger in seinem Denken und Handeln durch den Geist der Friedfertigkeit, der Toleranz und freien Menschlichkeit sich leiten läßt."

Auf diesem Fundament und in diesem Geist wollten [sic!] wir mit den Menschen für unser Land arbeiten.

Einzelnachweise