Wara Wende

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Wara Wende
Wara Wende
Wara Wende
Geboren: 19. November 1957

Prof. Dr. Waltraud 'Wara' Wende, * 19. November 1957 in Birkelbach (NRW); Germanistin, Kultur- und Medienwissenschaftlerin, Präsidentin der Universität Flensburg und ehemalige Landesministerin. Nicht Mitglied der SPD.

Werdegang

Nach dem Abitur 1977 studierte Wara Wende an der Universität Siegen Germanistik, Geschichte, Literaturwissenschaft, Pädagogik und Soziologie. Sie legte 1984 das 1. Staatsexamen ab und wurde 1989 mit einer Arbeit über Schriftsteller-Reden zwischen 1945 und 1949 promoviert. Bis 1994 redigierte sie die interdisziplinäre Zeitschrift Diagonal der Universität Siegen, wurde später Mitherausgeberin. 1995 erschien ihre Habilitationsschrift über Goethe-Parodien.

Nach Lehrtätigkeiten an den Universitäten Siegen, Witten-Herdecke und Kassel wurde sie 2000 auf den Lehrstuhl für deutschsprachige Literatur, Kultur und Medien an der Reichsuniversität Groningen (NL) berufen. 2010 wählte die Universität Flensburg sie zu ihrer Präsidentin.

Von 2008 bis 2012 war sie Mitglied des Aufsichtsrates der Verbraucherorganisation "foodwatch", von 2008 bis 2010 Mitglied des Netzwerkes 'Spielformen der Angst' der Dt. Forschungs-Gemeinschaft (DFG). Weiter gehört oder gehörte sie seit 2006 der Jury des niederrheinischen Kabarettpreises "Das schwarze Schaf" (Duisburg) an, seit 2009 dem Kuratorium der VolkswagenStiftung (Hannover), seit 2010 dem Lenkungsausschuss der Deutsch-Niederländischen Konferenz (Den Haag und Berlin) und seit 2011 der Jury des "Kulturpreises Deutsche Sprache" (Kassel).

Seit ihrem Rücktritt als Landesministerin 2014 lebt Wara Wende "als Pensionärin ohne finanzielle Sorgen in Berlin und würde doch gerne wieder als Professorin arbeiten".[1]

Landesregierung

Vom 12. Juni 2012 bis 12. September 2014 gehörte Wara Wende als von der SPD benannte Ministerin für Bildung und Wissenschaft dem Kabinett von Ministerpräsident Torsten Albig an.

Bildungspolitik im Dialog

Als neue Bildungsministerin begann Wara Wende 2012 einen umfangreichen Bildungsdialog mit Eltern, SchülerInnen und Lehrenden, darüber, wie Schule in Zukunft grundsätzlich funktionieren müsse. Als Ergebnis dieses Dialogs vereinheitlichte die Küstenkoalition die Regelungen wieder. Es gibt in Schleswig-Holstein nur noch zwei Schultypen: Gemeinschaftsschulen und Gymnasien. An den Gymnasien wird das Abitur nach 12 Jahren erreicht, an den Gemeinschaftsschulen nach 13 Jahren. Gleichzeitig sollte die universitäre Lehrerausbildung vereinheitlicht und praxisnäher gestaltet werden. Seit Beginn des Schuljahres 2014/15 ist für die Grundschulen das Notensystem abgeschafft; es sind Berichtszeugnisse vorgeschrieben, sofern nicht die Schulkonferenz anders entscheidet. Schulübergangsempfehlungen wurden grundlegend umgestaltet, ein Elterngespräch dazu verpflichtend.

Den persönlichen Schwerpunkt ihrer Amtszeit legte Wara Wende im schulpolitischen Bereich auf die Inklusion[2].

Im Hochschulbereich lagen ihre Schwerpunkte auf der finanziellen Stärkung der Hochschulen sowie auf der Reform der universitären Lehrerausbildung. In die bis dahin weitgehend bei der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel angesiedelten Lehramtsstudiengänge wurde die Universität Flensburg einbezogen. Zudem plante die Ministerin ein Promotionsrecht für Fachhochschulen und sorgte dafür, dass die dringend erforderliche Sanierung des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) auf den Weg kam; auf Grund der Haushaltslage des Landes wurde hier die Privatwirtschaft einbezogen, über sogenannte "öffentlich-private Partnerschaften" (ÖPP).

Kritik

Nahezu alle diese Projekte wurden von heftiger Kritik betroffener Gruppen und Institutionen sowie der Oppositionsparteien begleitet.[3][4][5][6] Die Kritik wandte sich ins Persönliche, als bekannt wurde, dass Frau Wende sich von der Universität Flensburg ein Rückkehrrecht hatte zusichern lassen, dessen Rechtmäßigkeit nicht gesichert war.[7] Sie verzichtete schließlich darauf, konnte jedoch staatsanwaltliche Ermittlungen wegen des Verdachts der Bestechung nicht verhindern.[8]

Rücktritt

Am 15. September 2014 gab die Landesregierung bekannt, dass die Ministerin am 12. September ihren sofortigen Rücktritt erklärt habe. In der schriftlichen Rücktrittserklärung an den Ministerpräsidenten erklärte Wara Wende, die gegen sie laufende staatsanwaltschaftliche Ermittlung "belastet mich und mein Umfeld doch in einem Maße, das ich so nicht erwartet habe. In Anbetracht meiner Verantwortung für die mir übertragenen Aufgaben, für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die Regierung und die Bürgerinnen und Bürger des Landes Schleswig-Holstein reiche ich hiermit meinen sofortigen Rücktritt ein."[9]

Diejenigen, die ihre Reformen als fortschrittlich begrüßten und unterstützten, bedauerten diese Entwicklung.[10]

Am 16. September wurde die Hamburgerin Britta Ernst zur Ministerin für Schule und Berufsbildung ernannt.[11] Der Wissenschaftsbereich unter Staatssekretär Rolf Fischer wurde ins Sozialministerium, künftig Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung, umgegliedert, da sonst die neue Ministerin eine Kontrollfunktion gegenüber dem Leiter des UKSH gehabt hätte, der ihr Schwager ist.

Einstellung der Ermittlungen

Im Oktober 2016 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Wara Wende ein - die Vorwürfe böten "keine für eine Anklageerhebung erforderliche überwiegende Verurteilungswahrscheinlichkeit", teilte sie in schwerfälligem Juristendeutsch mit.[12] Einfacher gesagt: Man hatte nichts gefunden, was eine Anklage gerechtfertigt hätte. Auf die Frage nach einer möglichen Rückkehr in die Politik sagte sie:

"Ich würde drüber nachdenken, weil ich gestalte gerne. [...] Und ich habe wahnsinnig gerne mit den Mitarbeitern im Ministerium zusammengearbeitet."[13]

Am 21. August 2017 wurde gemeldet, dass das Kieler Amtsgericht in einer Gerichtsverhandlung entschieden habe, der Ex-Ministerin Wende stehe eine Entschädigung für die von der Staatsanwaltschaft veranlassten Durchsuchungen und Sicherstellungen zu.[14]

Resultate ihrer Politik

DER SPIEGEL kommentierte im Sommer 2017 die Resultate der Politik von Wara Wende und ihrer Nachfolgerin Britta Ernst in einem Artikel über die Schulpolitik in Baden-Württemberg wie folgt:

"Inzwischen reisen Delegationen von Kultuspolitikern aus dem einst stolzen Baden-Württemberg nach Hamburg oder Schleswig-Holstein, um sich anzusehen, was die Aufsteiger in den Bildungsrankings richtig gemacht haben. [...] Bei der jüngsten Landtagswahl in Schleswig-Holstein konnte die CDU bei vielen Wählern mit ihrem Vorschlag punkten, wieder G 9 in allen Gymnasien einzuführen. Abgewählt wurde damit eine Regierung, die das Land im Norden innerhalb ziemlich kurzer Zeit aus der Abstiegszone auf die oberen Ränge geführt hatte." [15]

Im Herbst desselben Jahres erhielten die Grundschulkinder Schleswig-Holsteins beim alle fünf Jahre stattfindenden Ländervergleich nicht nur "gute Noten", sondern hatten sich im Bereich der Lesefähigkeit sogar klar verbessert. Henning Baethge kommentierte:

"Vielmehr ist das [gute] Abschneiden der Grundschüler das Ergebnis der Bildungspolitik des vergangenen Jahrzehnts. Und da hatte außer in drei schwarz-gelben Regierungsjahren stets die SPD oder die ihr einst nahe stehende parteilose Waltraud Wende das Schulressort inne." [16]

Die von Wara Wende eingeführte – und von der Opposition massiv in Frage gestellte – "Notenfreie Grundschule" hat – auch das zeigt der Ländervergleich – keinen Negativ-Einfluß auf die Leistungsbereitschaft der Grundschüler. Sie ermöglicht aber einen angstfreien Schulbesuch.

Literatur

Quellen

  1. Johannes Kulms: Ex-Hochschulministerin Wende rechnet ab, Deutschlandfunk, 21.10.2016
  2. Valentin: Vorreiterland?, PressIdent, 10.5.2013
  3. Thomas Vitzthum: Promotionsrecht: Universitäten gegen Aufwertung von Fachhochschulen, DIE WELT, 20.11.2013
  4. Ulrich Exner: Im Norden ist der Hochschul-Krieg ausgebrochen, DIE WELT, 9.4.2014
  5. Dennis Wegner: Kieler Studierende gegen Wendes Bildungsreformen, Kieler Nachrichten College-Blog, 15.4.2014
  6. Friedrich Prey: Austauschbar. Kommentar - Ministerin Wara Wende, Junge Philologen Schleswig-Holstein, 2.6.2014
  7. Ulrich Exner: Zoff in Kiel: "Wara, was wir hier erleben, ist unerträglich", DIE WELT, 14.5.2014
  8. Armin Himmelrath: Schleswig-Holstein: Hausdurchsuchung bei Bildungsministerin, DER SPIEGEL, 25.8.2014
  9. Patrick Tiede/Ulf B. Christen: Bildungsministerin Wende tritt zurück, Kieler Nachrichten, 16.9.2014
  10. GEW Schleswig-Holstein: Waltraud "Wara" Wende stand für fortschrittliche Bildungspolitik, BildungsKlick, 24.9.2014
  11. Britta Ernst soll Bildungsministerin werden, NDR.de, abgerufen 16.9.2014
  12. Presseinformation der Staatsanwaltschaft, zit. in Johannes Kulms: Ex-Hochschulministerin Wende rechnet ab, Deutschlandfunk, 21.10.2016
  13. Johannes Kulms: Ex-Hochschulministerin Wende rechnet ab, Deutschlandfunk, 21.10.2016
  14. Kieler Nachrichten, 21.8.2017, und andere Presseorgane
  15. Jan Friedmann: Stunde der Pragmatiker. Die Politik entdeckt, was Schulen wirklich besser machen können. Aber interessiert das auch die Wähler?, DER SPIEGEL, 1.7.2017
  16. Henning Baethge: Gute Noten für Schüler in SH: Ein Grund zur Freude shz.de, 14.10.2017.