Wilhelm Schweizer

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Wilhelm Schweizer
Wilhelm Schweizer
Wilhelm Schweizer
Geboren: 27. Juni 1890
Gestorben: 8. Dezember 1958

Wilhelm Schweizer, * 27. Juni 1890 in Harschbach/Kreis Neuwied, † 8. Dezember 1958 in Neuwied. Werftarbeiter, später Polizeikommissar[1]. 1910 Eintritt in die SPD in Kiel. 1917 übertritt zur USPD. Später kehrt er wieder zur SPD zurück.[2]

Leben & Beruf

Wilhelm Schweizer war das vierte Kind von Christian Schweizer und Wilhelmine Philippine Haag. Am 20. Juli 1890 wurde er getauft, am 27. März 1904 konfirmiert. Weiteres ist über seine Kindheit und Jugend nicht bekannt.

Vermutlich durch den Militärdienst in der kaiserlichen Marine gelangte er nach Kiel und arbeitete auf der Germania-Werft als "Werft-Bohrer", so die Berufsangabe in seiner Heiratsurkunde. Am 25. November 1918 heiratete er die am 3. April 1893 in Braunschweig geborene Arbeiterin Lydia Martha Klara Rust. Zwei Kinder verstarben früh.

Die neuen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse ermöglichten Wilhelm Schweizer einen beruflichen Neuanfang und Aufstieg. Seit 1921 war er Leiter der Preisprüfstelle der städtischen Polizeibehörde Kiels. 1925 besuchte er die Höhere Polizei-Offiziersschule in Eiche nahe Potsdam. 1930 erfolgte die Anstellung auf Lebenszeit und die Beförderung zum Kommissar (Hauptmann).[3]

Partei & Politik

Wohl aus Enttäuschung über die Haltung der SPD zur Kriegsführung des Kaiserreichs verliess Wilhelm Schweizer 1917 die SPD. Er zählte zu den Gründungsmitgliedern der USPD in Kiel und beteiligte sich aktiv an der Novemberrevolution 1918. In einer Bekanntmachung des Arbeiter- und Soldatenrates und des Polizeipräsidenten vom 8. November 1918 heißt es." Das königliche Polizeipräsidium hat seinen Dienst unter der Kontrolle der Mitglieder des Arbeiterrates Brodthuhn und Schweizer wieder aufgenommen".[4]

Auf dem Parteitag vom 12.-16. Oktober 1920 in Halle spaltete sich die USPD. Der größere Teil der Mitglieder ging zu den Kommunisten. Auch in Schleswig-Holstein trennten sich die "Neu-Kommunisten" und "Alt-Unabhängige". Wilhelm Schweizer blieb in der Rest-USPD. Zusammen mit Richard Thiede, Gerhart Seger u.a. verhinderte er, das die Zeitung "Die Republik" der USPD von den Neu-Kommunisten Übernommen wurde.

Die Rest-USPD vereinigte sich auf dem Parteitag in Nürnberg am 24. September 1922 mit der SPD. Diesen Schritt vollzog auch Wilhelm Schweizer. Auf dem Bezirksparteitag der schleswig-holsteinischen SPD am 15. Oktober 1922 wurde er in den Bezirksvorstand gewählt.[5]

Er blieb auch in der Kieler SPD und in Kieler Kommunalpolitik aktiv. Von 1927-1932 war Schweizer Vorsitzender des Sozialdemokratischen Vereins Groß-Kiel und Vorsitzender der Ratsfraktion.

Am 12. März 1933 wurde er nach eigenen Angaben von SS-Mitgliedern überfallen, seine Wohnung zertrümmert, er selbst blutig geschlagen und zum Erschießen in sein Amtszimmer ins Kieler Rathaus gebracht. Nur der Einspruch des neuen Polizeipräsidenten Graf zu Rantzau rettete ihm das Leben.[6]

Anneliese Raabke, eine Schwester von Wilhelm Schweizers Frau, erinnert sich an den 12. März 1933 - dem Tag der Kommunalwahl 1933, kurz nach der Übergabe der Macht an die Nazis:

"Wilhelm Spiegel, der Fraktionsvorsitzende der Kieler SPD-Ratsherrenfraktion, war in der Nacht zuvor von den Nazis in seiner Wohnung ermordet worden. Es war Unruhe in der Stadt, und man mußte ja sehen, was die SA machte. Wir haben immer versucht, dies zu beobachten und uns ein Bild zu machen.

Abends im Restaurant des Gewerkschaftshauses waren unser Onkel Wilhelm Schweizer und seine Frau auch dort. Schweizer war als hauptamtlicher Stadtrat für die SPD im Kieler Magistrat; seine Frau und Walters [Raabke] Mutter waren Schwestern. Also, auf einmal gab es Unruhe im Gewerkschaftshaus, und SA kam herein. Plötzlich hieß es, Wilhelm Schweizers Wohnung sei aufgebrochen und verwüstet worden.

Wir also hin; die Wohnung war in der Schillerstraße. Es stimmte. Schweizer ging in die Wohnung hinein, das Telefon war abgeschnitten. Kein Kontakt möglich. Wir sind wieder hinausgegangen, bis zur Synagoge. Die lag neben dem Parksanatorium am Schrevenpark. Dort kamen SA- und SS-Leute und haben uns zusammen getrieben. An diesem Abend sind auch Kalli Ratz und Willi Verdieck [sic!] und mehrere andere im Gewerkschaftshaus zusammen getrieben und im Rathaus eingesperrt worden.

Sieben oder acht Mann sind in der Nacht dann von dort in die, 'Blume', ins Polizeipräsidium in der Gartenstraße/ Ecke Blumenstraße, gebracht worden. Und dort haben Walter, unsere Tante und ich Wilhelm Schweizer besucht. Er hatte dicke blaue Augen, das ganze Gesicht war zerschlagen. Es war schlimm. Einige Tage später kamen allein die Faeschstraße ins Untersuchungsgefängnis. Da gab es noch einige Leute von uns, Genossen, die als Polizisten dort Wache hatten, auch auf der Abteilung, wo die politischen Gefangenen saßen. Und so bin ich auch dort bei Schweizer in der Zelle gewesen. Abends um neun bin ich hingegangen. Ein befreundeter Polizist hatte Wache und ließ mich hinein.

Die Zellen waren in der ersten Etage. Es waren immer vier Mann in einer Zelle. Dann habe ich mich mit Schweizer unterhalten. Ich bin später nicht mehr in der Zelle gewesen. Aber wir haben jeden Tag Kaffee zum Gefängnis gebracht. Den haben wir unten bei den Wachleuten abgegeben, und am nächsten Tag haben wir die leere Thermosflasche wieder mitgenommen. Das ging bis etwa Ende Juni, bis die Gefangenen nach Lichtenburg[7] kamen. 'Schutzhaft' hieß das damals noch."[8]

Wilhelm Schweizer musste für zwei Jahre im Konzentrationslager Lichtenberg bei Torgau bleiben. Nach seiner Entlassung fand er Arbeit bei der Hamburg-Mannheimer Versicherung. Von 1939 - 1941 wurde er erneut festgenommen und im Konzentrationslager Sachensenhausen inhaftiert. Anschließend wieder bis 1944 bei der Mannheimer Versicherung tätig. Im selben Jahr verlor er seine Kieler Wohnung durch einen Bombenangriff.

Wilhelm Schweizer 1953

Im Zusammenhang mit dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 wurde er wieder verhaftet. Ihm gelang die Flucht aus dem Gefangenenwagen und es gelang ihm sich dem erneuten Zugriff durch die Nazis zu entziehen. Er versteckte sich bis zum Kriegsende in der Scheune seines Elternhauses in Harschbach bei seinem Bruder Friedrich, der ihn über Monate versorgte. [9]

Am 18. Mai 1945 wurde er von der amerikanischen Militätverwaltung zum Hauptmann der Schutzpolizei von Neuwied ernannt. Zum Bürgermeister von Neuwied wurde er knapp einen Monat später am 8. Juni 1945 ebenfalls von der amerikanischen Militärverwaltung ernannt. Die Stadtverordnetenversammlung Neuwieds wählte ihn dann am 22. September 1946 zum ehrenamtlichen Bürgermeister. Am 30. Dezember 1948 erfolgte die Ernennung zum hauptamtlichen Bürgermeister. Dieses Amt übte er bis zum Erreichen der Altersgrenze am 1. Juli 1955 aus.

Ehrung

In Neuwied wurde eine Straße nach Wilhelm Schweizer benannt.

Literatur

  • Wilhelm Brecour: Die Sozialdemokratische Partei in Kiel. Ihre geschichtliche Entwicklung (Kiel o. J. [1932]) (Neudruck in Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung, Kiel 1983)

Einzelnachweise

  1. Brecour, Sozialdemokratische Partei, S. I-95
  2. Wolfram Sauerbrei, Wilhelm Schweizer - ein demokratisches Urgestein. Unveröffentlichtes Manuskript
  3. Wolfram Sauerbrei, Wilhelm Schweizer - ein demokratisches Urgestein. Unveröffentlichtes Manuskript
  4. Wolfram Sauerbrei, Wilhelm Schweizer - ein demokratisches Urgestein. Unveröffentlichtes Manuskript
  5. Franz Osterroth, 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein, S. 75
  6. Wolfram Sauerbrei, Wilhelm Schweizer - ein demokratisches Urgestein. Unveröffentlichtes Manuskript
  7. Das Konzentrationslager Lichtenburg – auch Sammellager Lichtenburg – befand sich von Juni 1933 bis Mai 1939 im Schloss Lichtenburg in Prettin/Sachsen.
  8. Schunck, Karl-Werner: Anneliese Raabke und Martin Krebs – Zwei Emigrantenschicksale. Zur sozialdemokratischen Emigration nach Skandinavien, in: Demokratische Geschichte 1(1986), S. 237-290
  9. Wolfram Sauerbrei, Wilhelm Schweizer - ein demokratisches Urgestein. Unveröffentlichtes Manuskript