Legalisierung von Cannabis: Unterschied zwischen den Versionen
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== Links == | ==Links== | ||
* [https://www.recht.bund.de/bgbl/1/2024/109/VO.html?nn=55638 Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz — CanG)] | *[https://www.recht.bund.de/bgbl/1/2024/109/VO.html?nn=55638 Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz — CanG)] | ||
==Einzelnachweise== | ==Einzelnachweise== |
Aktuelle Version vom 26. November 2024, 08:21 Uhr
Die Legalisierung von Cannabis für den Eigengebrauch und die Entkriminalisierung von Konsumierenden findet in der SPD Schleswig-Holstein viel Unterstützung. Einen ersten Vorstoß gab es schon in den 1990er Jahren.
1992
Die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ) diskutierte in einer Veranstaltung über Wege zu einer neuen Drogenpolitik.[1]
1993
Der Ordentliche Landesparteitag in Eckernförde beschloss Neue Wege in der Drogenpolitik: 'Hilfe statt Strafe. Im Antrag wurde gefordert:
"Die Abhängigen müssen entkriminalisiert werden. Niemand darf wegen Drogeneinnahme verfolgt und bestraft werden. Bis zur Streichung von Haschisch und Marihuana aus den Anlagen des BtMG ist ähnlich der Praxis in den Niederlanden auf jegliche Strafverfolgung von Rauschgiftsüchtigen zu verzichten. Die Cannabisprodukte sind aus der in Anlage I zum Betäubungsmittelgesetz enthaltenen Liste der Betäubungsmittel zu streichen."
Justizminister Klaus Klingner wies im Mai 1993 die Staatsanwaltschaften in Schleswig-Holstein an, von Verfolgung abzusehen, wenn Konsumenten im Besitz geringer Mengen von Drogen seien. Als "geringe Menge" galten ab jetzt 30 Gramm für Cannabis, fünf Gramm für Kokain und Amphetamine und ein Gramm bei Heroin. Er sagte: "Wir wollen die Dealer verfolgen, nicht die Konsumenten."[2]
1994
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschied am 9. März 1994, dass der Besitz von geringen Mengen Haschisch nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden müsse.[3]
Der Außerordentliche Landesparteitag in Eckernförde fasste einen Beschluss zur Entkriminalisierung von Drogenbenutzern und Ausweitung von Substitution, in dem es hieß:
"Wir werden das Strafrecht bei Drogenkonsum und -besitz zum Eigenverbrauch zurücknehmen und damit zur Entkriminalisierung von Suchtkranken beitragen. Wir wollen die Freigabe von Cannabis und Cannabisprodukten nach den Regeln des Jugendschutzes."
Gleichzeitig wollten CDU/CSU in der Bundesregierung die Regeln wieder verschärfen. Justizminister Klaus Klingner war empört: "Wir sind schlagartig zum kalten Drogenkrieg zurückgekehrt."[4]
1995
Im November berichtete der SPIEGEL:
"Deutschlands Apotheker wehren sich gegen Pläne der Gesundheitsminister der Länder, nach denen sie künftig Haschisch an Kunden über 16 Jahre verkaufen dürfen. Am Freitag vergangener Woche beschlossen die Minister, Cannabis-Produkte in einem fünfjährigen Modellversuch über Apotheken rezeptfrei zu vertreiben. Ziel sei es, so die schleswig-holsteinische Gesundheitsministerin Heide Moser (SPD), 'den Haschisch-Markt strikt vom Markt für harte Drogen wie Heroin und Kokain zu trennen'."[5]
1996
Heide Moser bemühte sich, den Modellversuch zum legalen Vertrieb in Apotheken zu starten[6], mit dem sie die Konferenz der deutschen GesundheitsministerInnen im Vorjahr beauftragt hatte.[7] Der Modellversuch war auf fünf Jahre geplant und sollte wissenschaftlich begleitet werden.[8] Zuständig sein sollte Prof. Dr. Peter Raschke von der Universität Hamburg, Fachbereich Philosophie und Sozialwissenschaften, der bereits im Vorfeld ein Gutachten erstellt und laut Rhein-Zeitung Vorschläge für den Modellversuch erarbeitet hatte.
"In dem Gutachten wird eine Dauer des Versuches von fünf Jahren vorgeschlagen. Maximal fünf Gramm Haschisch oder Marihuana sollten abgegeben werden, jede Verpackungseinheit enthält 0,5 Gramm. Der Kaufpreis sollte über dem Schwarzmarktpreis liegen, damit sich der Weiterverkauf nicht lohne. Als Altersgrenze wird in dem Gutachten 16 Jahre vorgeschlagen, weil dies das typische Einstiegsalter sei."[9]
1997
Auch 1997 war der Modellversuch noch nicht begonnen. Bundesgesundheitsminister Seehofer (CSU) lehnte ihn ab.[10]
"Seehofer kündigte an, er werde alles daransetzen, um den Modellversuch zu verhindern. Die Drogenpolitik der schleswig-holsteinischen Gesundheitsministerin Heide Moser (SPD) hält der Bundesgesundheitsminister für falsch. Er glaube nicht, daß durch die kontrollierte Abgabe von Haschisch die Beschaffungskriminalität eingedämmt werden könne. Der Suchtkontrollrat der Vereinten Nationen unterstützt Seehofers Kritik und forderte die Bundesregierung auf, sich gegen den geplanten Cannabis-Verkauf in Schleswig-Holstein einzusetzen"[11]
1999
Mittlerweile hatte die Bundesregierung gewechselt; Bundeskanzler Gerhard Schröder führte eine rot/grüne Regierung. Gesundheitsministerin war die Grüne Andrea Fischer. Der Ordentliche Landesparteitag in Reinbek beschloss ein Modellprojekt zur Veräußerung von Cannabis und Cannabisharz. Die Kernforderungen waren:
"Die Landesregierung wird aufgefordert, das wissenschaftliche Modellprojekt zur Veräußerung von Cannabis (Marihuana) und Cannabisharz (Haschisch) erneut beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zu beantragen.
Im Vorfeld sind intensive Gespräche mit den Apothekerverbänden zu führen, um einen reibungslosen Ablauf des Versuches zu gewährleisten.
Grundsätzlich sind auch alternative Ausgabemodalitäten zu prüfen."
2005
Der Koalitionsvertrag mit der CDU 2005 enthielt eine expliziten Abkehr von den bisherigen Legalisierungsbestrebungen:
"Wir werden Cannabis wieder verstärkt in den Fokus unserer Präventionsbemühungen rücken, da sich besorgniserregende Verläufe gerade bei Dauerkonsumenten mehren. Dabei streben wir einen umfangreichen und aufeinander abgestimmten Maßnahmemix zu Tabak-, Alkohol- und Cannabisprävention an. Wir werden eine öffentliche Risikodebatte zu Cannabis führen, die nicht auf eine Legalisierung abzielt."
2012
Erst für den Vertrag der Küstenkoalition 2012 beschloss die Landes-SPD wieder Progressiveres im Umgang mit der weichen Droge Cannabis:
"Wir werden eine bundeseinheitliche Regelung im Umgang mit Drogenkonsumenten anstreben, die diese vor der Kriminalisierung schützt. Bis eine bundesweite Regelung gefunden ist, werden wir die „geringen Mengen“ zum Eigenverbrauch weicher Drogen im Sinne des § 31a BtMG in Schleswig-Holstein überprüfen, anheben und uns dabei an einer fortschrittlichen Drogenpolitik orientieren, um den Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit zu geben, flexibel auf den Einzelfall zu reagieren."
2015
Die Ziele dieser Vorstöße waren bis 2015 noch nicht erreicht. Immerhin einigte sich die Große Koalition darauf, zumindest den Anbau und Handel mit Cannabis zur Schmerztherapie von staatlicher Seite zu regeln und Patientinnen und Patienten über eine "Cannabisagentur" den Zugang zu erleichtern.[12]
2018
Das FDP-geführte Sozialministerium nahm einen erneuten Anlauf für einen Modellversuch zur Cannabis-Legalisierung.[13]
2019
In der Landtagsdebatte über den erneuten Anlauf zu einem Modellversuch in Schleswig-Holstein sprach sich die SPD für diesen Versuch aus:
Im Juli erklärte Sozialminister Heiner Garg (FDP) das Projekt für gescheitert.[14]
Der Landesparteirat beschloss im September, die SPD-Abgeordneten sollten sich dafür einsetzen, dass zumindest der private Konsum von Cannabis in Schleswig-Holstein legal werde.[15] Dieser Beschluss fällt damit hinter das zurück, was die SPD Schleswig-Holstein seit den 1990ern zu erreichen versuchte.
2020
Ein erneuter Beschluss des Landesparteirats sollte den Beschluss von 2019 konkretisieren und die Forderung nach der Legalisierung von Cannabis ins Programm für die Bundestagswahl 2021 bringen. Der Beschluss sah nicht mehr nur die Entkriminalisierung der Konsumierenden vor, sondern auch den legalen Verkauf an Volljährige in lizenzierten Geschäften.
2021
Die Legalisierung von Cannabis schafft es in den Koalitionsvertrag einer Bundesregierung! SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP beschließen:
"[…] Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein. Dadurch wird die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet. Das Gesetz evaluieren wir nach vier Jahren auf gesellschaftliche Auswirkungen. Modelle zum Drugchecking und Maßnahmen der Schadensminderung ermöglichen und bauen wir aus. […]"[16]
2023
Das Bundeskabinett beschloss am 16. August 2023 einen Entwurf für ein Cannabisgesetz. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sagte dazu:
"Das Cannabisgesetz markiert einen Wendepunkt einer leider gescheiterten Cannabisdrogenpolitik. Ziel ist, den Schwarzmarkt und die Drogenkriminalität zurückzudrängen, das Dealen mit gestreckten oder toxischen Substanzen einzudämmen und die Konsumentenzahlen zu drücken. Für Jugendliche bleibt der Konsum verboten, für junge Erwachsene soll er nur bedingt möglich sein. Diese Einschränkung ist notwendig, denn Cannabis schadet besonders dem noch wachsenden Gehirn. Um zu verhindern, dass Heranwachsende trotzdem konsumieren, starten wir bereits jetzt eine Aufklärungskampagne. Niemand darf das Gesetz missverstehen. Cannabiskonsum wird legalisiert. Gefährlich bleibt er trotzdem."[17]
Der Entwurf ging dann ins parlamentarische Verfahren.
2024
Am 23. Februar 2024 beschloss der Bundestag das Cannabisgesetz. Nach Andeutungen von CDU und CSU, das Gesetz im Bundesrat zu stoppen, stimmte der Bundesrat doch am 22. März 2024 zu. Das Gesetz konnte am 1. April 2024 in Kraft treten.
Dabei handelte es sich nicht um die komplette Legalisierung, die einige erhofft und andere befürchtet haben:
"Mit dem Cannabisgesetz wird der private Eigenanbau von bis zu drei Cannabis-Pflanzen zum Eigenkonsum sowie der gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Eigenanbau zum Eigenkonsum in Anbauvereinigungen bzw. Genossenschaften für Erwachsene zum 1. April 2024 erlaubt. Gleichzeitig werden mit dem Gesetz der Gesundheitsschutz, der Schutz von Kindern und Jugendlichen sowie die Prävention und Aufklärung gestärkt. Der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis im öffentlichen Raum bleibt straffrei. Gleichzeitig gilt für Cannabis als auch Anbauvereinigungen ein allgemeines Werbe- und Sponsoringverbot."[18]
Links
Einzelnachweise
- ↑ Gesetzesantrag der Freien und Hansestadt Hamburg im Bundesrat, Drucksache dort 296/92, "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes" - Wolfgang Kubicki, Plenarprotokoll des schleswig-holsteinischen Landtags (13. Wahlperiode) - 7. Sitzung, Mittwoch, 9. September 1992, Seite 433
- ↑ Drogen: Ja oder Nein?, taz, 20.5.1994, Seite 2
- ↑ Wikipedia, abgerufen 18.10.2013
- ↑ Zurück zum Krieg, DER SPIEGEL, 21/1994, Seite 33
- ↑ Verkäufer gesucht, DER SPIEGEL, 27.11.1995
- ↑ Legalize it - Die staatlich verordnete Dröhnung, SPIEGEL TV, 17.11.1996
- ↑ Schleswig-Holstein will Haschisch-Versuch, Rhein-Zeitung, 13.11.1996
- ↑ Gescannte Version des Antrags des Vereins für Drogenpolitik e.V.
- ↑ Sturm der Entrüstung wegen Haschverkauf in der Apotheke: "Bekifftes Land"?, Rhein-Zeitung, 12.11.1996
- ↑ Eine Schnapsidee, DER SPIEGEL, 25.11.1996
- ↑ Seehofer kritisiert Modellversuch zur Abgabe von Haschisch, Deutsches Ärzteblatt, 28.3.1997
- ↑ Regierung regelt Handel mit Cannabis, Kieler Nachrichten, 2.11.2015
- ↑ Landesregierung prüft Cannabis-Freigabe, Kieler Nachrichten, 6.2.2018
- ↑ SPD, Grüne und FDP bedauern Hasch-Stopp, Kieler Nachrichten, 29.7.2019
- ↑ Cannabis (2019)
- ↑ Mehr Fortschritt wagen - Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Koalitionsvertrag 2021-2025 zwischen SPD, Bündnis 90/DieGrünen und FDP, 24.11.2021
- ↑ Bundeskabinett beschließt Cannabisgesetz, Bundesgesundheitsministerium, 16.8.2023
- ↑ Cannabis-Gesetz und Krankenhaustransparenz-Gesetz passieren Bundesrat, Bundesministerium für Gesundheit, 22. März 2024