Wählerinitiative Nord
Anfang 1970 gründete sich die Wählerinitiative Nord ("WIN") zur Landtagswahl 1971. Ihre Absicht war, die SPD "mit kritischer Sympathie, [...] die den Widerspruch nicht ausschließt"[1], im Wahlkampf zu unterstützen. Neben vielen anderen beteiligten sich die Schriftsteller Günter Grass, Siegfried Lenz und Hans Werner Richter, General a. D. Wolf Graf von Baudissin, Helmut Caspar Graf von Moltke, die Maler Harald Duwe und Peter Nagel oder der Journalist Rüdiger Proske an der Initiative. Viele waren nicht einmal Mitglieder, sondern sahen lediglich die Zeit für eine politische Veränderung gekommen.
Günter Grass etwa wurde nach der NS-Zeit durch Kurt Schumacher für die SPD begeistert, trat ihr aber erst 1982 bei.[2] Er begleitete später den Aufstieg von Björn Engholm und die erste SPD-Landesregierung seit 40 Jahren. Allerdings scheute er die Auseinandersetzung nicht, und mit der Zeit trat eine starke Entfremdung ein. Björn Engholm erklärte dies mit dem Rigorismus des Schriftstellers, der in Konflikt mit dem für eine erfolgreiche politische Arbeit erforderlichen Pragmatismus stand. Der Umgang sei jedoch immer "freundlich" gewesen.[3]
Am Sophienblatt in Kiel richtete sich die "WIN" ein Büro ein.[4] Mit Forumsdiskussionen, Wählerabenden, Gesprächen mit Kandidaten, Jungwähler-Parties, Anzeigenaktionen und Telefondiensten wollte man vor allem politisch Unentschiedene ansprechen. Die Zeitungsanzeige links bietet ein gutes Beispiel für die Themen, die aufgegriffen wurden.
Im Rechenschaftsbericht 1973 des Landesverbandes steht:
- "Der Wahlkampf der SPD wurde mit Argumenten geführt. Und er war begleitet von einer Woge der Sympathie aus allen Schichten der Bevölkerung. In diesem Zusammenhang ist an hervorragender Stelle die Hilfe der Wählerinitiative Nord (WIN) zu erwähnen. Hunderte Frauen und Männer ohne parteiliche Bindung haben sich in diesem Wahlkampf für Willy Brandt als Bundeskanzler und für das Wahlkampfprogramm der SPD eingesetzt. Unsere Freunde der Wählerinitiative Nord haben aus der kritischen Distanz heraus Bevölkerungsgruppen politisiert, die von der Partei aus bisher nicht ansprechbar waren. Die Sozialdemokraten Schleswig-Holsteins haben den Freunden der WIN besonders zu danken. Die WIN hat einen beträchtlichen Anteil an dem für Schleswig-Holstein historischen SPD-Ergebnis."[5]
Weitere Fotos
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Peter Nagel und Harald Duwe gestalten am Infostand am Berliner Platz Puppenköpfe
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Infostand am Berliner Platz
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Jochen Steffen, gemalt von Harald Duwe
Literatur
- Günter Grass: Aus dem Tagebuch einer Schnecke (Neuwied/Darmstadt 1972). Hier verarbeitet Grass seine Erfahrungen aus den Wahlkämpfen für Willy Brandt.
- Jörg Magenau: Schmidt - Lenz. Geschichte einer Freundschaft (Hamburg 2014). Das Buch enthält viele Informationen zur WIN aus der Sicht beider Hauptpersonen; Helmut Schmidt schätzte die WIN eher gering ein.
Quellen
- ↑ Kieler Nachrichten, 9.1.1970
- ↑ Ruth Bender: Er war keiner von den Leisen - Nachruf auf Günter Grass, Kieler Nachrichten, 14.4.2015
- ↑ Martin Schulte: Zum Tode von Günter Grass: Björn Engholm lobt eine schwierige Beziehung, shz.de, 13.4.2015
- ↑ H.A.: Weckmittel für Wahlmüde, DIE ZEIT, 15.1.1971
- ↑ Politik und Organisation: Berichte zum Landesparteitag am 24. und 25. Februar 1973 in Eckernförde, Stadthalle, Seite 68f