Der gläserne Abgeordnete: Unterschied zwischen den Versionen

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Der Begriff '''"Der gläserne Abgeordnete"''' bezeichnet Abgeordnete, die ihre Nebeneinkünfte und Vermögensverhältnisse offenlegen.
Der Begriff '''"Der gläserne Abgeordnete"''' bezeichnet Abgeordnete, die ihre Nebeneinkünfte und Vermögensverhältnisse offenlegen.


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* [https://mathias-stein.de/person/transparenter-abgeordneter/ Mathias Stein]
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==Quellen==
== Einzelnachweise ==
<references />
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Aktuelle Version vom 29. Juli 2023, 21:44 Uhr

Norbert Gansel, 1972
Norbert Gansel, 1972

Der Begriff "Der gläserne Abgeordnete" bezeichnet Abgeordnete, die ihre Nebeneinkünfte und Vermögensverhältnisse offenlegen.

Der Begriff wurde für Norbert Gansel geprägt, der 1972 als frisch gebackener SPD-Bundestagsabgeordneter begann, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu veröffentlichen.

"Einmal jährlich schaltete Gansel eine halbseitige Anzeige in der lokalen Zeitung und listete Einnahmen, Ausgaben und den Steuerbescheid auf. Selbst die Finanzierung seines Hauses wie sämtliche Kontostände legte Gansel offen. Später legte er all diese Auskünfte dem Parteitag der Kieler SPD vor und verschickte sie auf Wunsch."[1]

Am 5. November 1975 entschied das Bundesverfassungsgericht in seinem "Diäten-Urteil" zur Verfassungsmäßigkeit der Entschädigungsregelung für Abgeordnete unter Leitsatz 5:

"GG Art 48 Abs 3 in Verbindung mit GG Art 38 Abs 1 verlangt gesetzliche Vorkehrungen dagegen, daß Abgeordnete Bezüge aus einem Angestelltenverhältnis, aus einem sog Beratervertrag oder ähnlichem, ohne die danach geschuldeten Dienste zu leisten, nur deshalb erhalten, weil von ihnen im Hinblick auf ihr Mandat erwartet wird, sie würden im Parlament die Interessen des zahlenden Arbeitgebers, Unternehmers oder der zahlenden Großorganisation vertreten und nach Möglichkeit durchzusetzen versuchen. Einkünfte dieser Art sind mit dem unabhängigen Status der Abgeordneten und ihrem Anspruch auf gleichmäßige finanzielle Ausstattung in ihrem Mandat unvereinbar."[2]

Der Landesparteitag 1977 in Tönning forderte, festzulegen, dass die Offenlegung aller Einkünfte für die Mandatsträger des Europäischen Parlaments, des Bundestages und der Landtage verpflichtend sein müsse.[3] Nach der "Flick-Affäre" wurde diese Forderung 1984 noch einmal erneuert.[4]

Als 1995 das Abgeordnetengesetz geändert werden sollte, stellten 150 Abgeordnete unter Federführung von Norbert Gansel und Peter Conradi einen Antrag, in das Gesetz eine Offenlegungspflicht zu schreiben.[5]

Offenlegung in Stufen

Die Rot-Grüne-Koalition beschließt im Bundestag am 14. Juni 2005 das Gesetz zur Offenlegung von Nebeneinkünften von Abgeordneten.[6] Seither erfolgt die Veröffentlichung der Nebeneinkünfte in drei Stufen:

  1. Stufe Eins: regelmäßige monatliche Einkünfte von 1000 bis 3500 Euro
  2. Stufe Zwei: 3500-7000 Euro
  3. Stufe Drei: mehr als 7000 Euro

Das Gesetz konnte dann bis 2007 nicht in Kraft treten, weil Abgeordnete gegen die Neuregelung geklagt hatten. "Die Kläger argumentierten, dass die Transparenzregel mit dem Schutz des freien Mandats und den Grundrechten auf informationelle Selbstbestimmung nicht vereinbar seien und einen unzulässigen Eingriff in die Berufsfreiheit der Abgeordneten darstellen. Demnach ist der Abgeordnete nicht an Weisungen gebunden und nur seinem eigenen Gewissen unterworfen."[7] Dann entschied das Bundesverfassungsgericht, die Klage abzuweisen. Das Gesetz trat in Kraft.

Neuer Anlauf: "Offenlegung nach Euro und Cent"

Während der Schwarz-Gelben-Koalition 2009-2013 unternimmt die SPD einen neuen Anlauf, die Nebeneinkünfte der Abgeordneten verpflichtend offenzulegen. Peer Steinbrück, Kanzlerkandidat der SPD, hatte vorgeschlagen, die Transparenzregeln des Deutschen Bundestages so zu verschärfen, dass alle Abgeordneten auf Euro und Cent angeben müssen, von wem und wofür sie in welcher Höhe für eine Nebentätigkeit bezahlt worden sind. 2012 erklärt der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Thomas Oppermann:

"Zu den wenigen frustrierenden Erfahrungen als Parlamentarier gehört für mich die Mitarbeit in der Rechtstellungskommission. Seit zwei Jahren wird dort das Thema Nebeneinkünfte diskutiert und von der schwarz-gelben Koalition immer wieder verschoben und verdrängt."[8]

Da die CDU nicht an dieser Art der Transparenz interessiert ist, gibt es seither keine weitere Entwicklung in diesem Bereich. Die SPD setzt sich weiterhin für die vollkommene Offenlegung ein. Eine ganze Reihe SPD-Abgeordneter weisen auf ihren Webseiten ihre Einkünfte und Ausgaben aus, auch wenn die allermeisten gar keine oder kaum Nebeneinkünfte haben. Aus Schleswig-Holstein veröffentlichen alle Abgeordneten ihre kompletten Einkünfte:

Einzelnachweise

  1. Daniel Friedrich Sturm: Deutschlands gläsernste Abgeordnete, Die Welt, 7.7.2007
  2. Bundesverfassungsgericht BVerfGE 40, 296, abgerufen 16.3.2019
  3. Beschlussdatenbank: Offenlegungspflicht (1977)
  4. Beschlussdatenbank: S12: Parteispenden (1984)
  5. Bundestag: Drucksache 13/2343
  6. Pronold, Florian: Bundestag beschließt Gesetz zur Offenlegung von Nebeneinkünften von Abgeordneten, 14. 06.2005
  7. bpb.de: Verfassungsgericht: Mehr Transparenz bei Nebentätigkeiten, 5.7.2007
  8. spdfraktion.de: Oppermann: "Wir wollen den transparenten Abgeordneten", 18.10.2012