Sophie Lützen

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Sophie Lützen
Sophie Lützen
Sophie Lützen
Geboren: 27. November 1885
Gestorben: 4. Juli 1959

Sophie Lützen (geb. Hansen[1]), * 27. November 1885 in Flensburg, † 4. Juli 1959 in Wyk auf Föhr. Verheiratet mit Amandus Lützen, keine Kinder. Wann sie in die SPD eintrat, ist bisher nicht ermittelt.

Leben & Beruf

Sophie Lützen kam als zweites Kind einer Flensburger Kleinbauernfamilie zur Welt. Ihr folgten weitere zehn Geschwister, um die sie sich sehr stark zu kümmern hatte, um ihre Mutter zu entlasten. Wohl aus demselben Grund blieb sie nach Abschluss der Volksschule noch zwei Jahre im Elternhaus, bevor sie - etwa 1900 - "in Stellung" ging, als Hausmädchen und Köchin.

"Und das 'immer für andere da sein in Pflicht und Verantwortung' blieb für mein Leben charakteristisch - Dienst am Menschen in Familie und Öffentlichkeit - das liegt wohl im Menschen drin und bleibt in ihm," wie sie zu Gertrud Völcker sagte.[2]

Wohin sie ging, sagt sie nicht, aber 1908 lebte sie in Kiel und heiratete den Werftarbeiter Amandus Lützen, der bereits Gewerkschaftsmitglied war. Mit ihm zusammen übernahm sie 1913 die Leitung eines Erholungsheims für die Kinder von Angehörigen der Kaiserlichen Werft, das der Frauenverein der Kaiserlichen Marine betrieb. Ob sie schon zu dieser Zeit in die SPD eintrat oder vielleicht erst nach der Revolution, ist nicht ermittelt.

Während dreier Winter des 1. Weltkriegs - jeweils fünf Monate lang - leitete Sophie Lützen zusätzlich die Kinderspeisestellen, die die Stadt für die zahlreichen aufgrund der schlechten Versorgungslage unterernährten Kieler Kinder eingerichtet hatte. 1916/17 übernahm sie darüber hinaus die Leitung der Küche im Stadtteil Gaarden und trug die Verantwortung für eine weitere Küche im Gewerkschaftshaus. So unterstützte sie tatkräftig die Kriegswohlfahrtspflege - sicher nicht aus Bejahung des Krieges heraus, sondern um die in seinem Gefolge für die ärmeren Bevölkerungsschichten entstandene Not zu lindern.

1920 beauftragte die Kieler SPD sie mit der Suche nach ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern für die öffentliche Wohlfahrtspflege. Im selben Jahr - oder Anfang 1921 - übernahm sie den Vorsitz des neu gegründeten Ortsausschusses der Arbeiterwohlfahrt in Kiel von Toni Jensen. Damit nicht genug:

"Nach dem neuen Jugendrecht von 1923 wurde Sophie eine der ersten Jugendschöffen, sie arbeitete auch in verschiedenen städtischen Kommissionen im sozialen Bereich mit, übernahm eine Reihe von Vormundschaften und war in der Pflegekinderbeaufsichtigung tätig."[3]

Aus diesen Aktivitäten, in deren Mittelpunkt im Wesentlichen Kinder standen, lässt sich vielleicht ablesen, was es für Sophie und ihren Mann bedeutete, dass ihre Ehe kinderlos blieb.

Als Amandus Lützen an der 1928 neu eröffneten Arbeitervolkshochschule Harrisleefeld eine neue Stelle erhielt (Hausmeister?), engagierte sich Sophie Lützen für die Gründung einer SPD-Frauengruppe und eines AWO-Ortsausschusses in Harrislee. Dort eröffnete das Ehepaar 1929 auch das Café Waldheim, das sich während der Anfangsjahre der NS-Diktatur zu einem Zentrum des sozialdemokratischen Widerstandes entwickelte.

NS-Diktatur

Sophie und Amandus Lützen mit ihrem Neffen Dieter im März 1945

Das Café Waldheim war ein Ort, an dem Sozialdemokraten noch frei miteinander reden konnten. Allerdings lief es durch den Boykott der Nazis wirtschaftlich nicht mehr gut, so dass die Lützens einen Gemischtwarenladen eröffneten, um sich etwas hinzu zu verdienen.

Das Café mit seiner Lage nahe der dänischen Grenze wurde ein Drehkreuz für Flüchtlinge aus dem Deutschen Reich nach Dänemark. "Über 100 Flüchtlinge sollen sich vom Café Waldheim aus auf den Weg ins skandinavische Exil gemacht haben [...]. Unter den Sozialdemokraten in Norddeutschland war Lützens Adresse bekannt."[4] Diesen Weg wählten etwa Richard und Lisa Hansen; Willy Verdieck wurde auf dem Weg dorthin verhaftet.

1940 wurde das Ehepaar Lützen verhaftet, 1941 wieder freigelassen. 1942 verloren sie die Lizenz für ihre Gaststätte, 1943 mussten sie auch ihren Laden schließen.[5]

Amandus Lützen starb an den Folgen der Haft schon am 20. Oktober 1945. Seine Frau eröffnete den Laden neu[6] und rief 1946 in Flensburg abermals die Arbeiterwohlfahrt und die Frauengruppe der SPD ins Leben, führte auch in Harrisleefeld die Schulkinderspeisung ein und nahm die Ferienbetreuung für Kinder wieder auf. Bis es Alter und Gesundheit nicht mehr zuließen, war sie nach wie vor ehrenamtlich in den entsprechenden Ausschüssen der Gemeinde tätig.[7]

Über Zeit und Ort des Todes von Sophie Lützen gibt es unterschiedliche Informationen. Laut der Flensburger Journalistin Tina Ludwig starb sie am 4. Juli 1959 in Wyk auf Föhr.[8] Nicole Schultheiß gibt 2007 an "1955 in Harrisleefeld".[9] Letzteres mag auf die Information von Inge Klatt zurückgehen, Sophie Lützen habe von 1928 "bis zu ihrem Tod in Harrisleefeld" gelebt (S. 455) und sei in einem Protokoll der AWO vom 21.1.1955 noch erwähnt, bald darauf aber verstorben (S. 457).[10] Es ist anzunehmen, dass die präzisen Angaben der Journalistin auf Recherchen in den Flensburger Personenstandsregistern beruhen. Sophie Lützen wäre demnach 73 Jahre alt geworden. Ob sie in ihren letzten Lebensjahren auf Föhr gelebt hat oder während eines Besuchs dort starb, läßt sich ohne weitere Recherche vor Ort nicht klären.

Ehrungen

Das Sophie-Lützen-Haus in Kiel-Gaarden, Preetzer Str. 52
  • Der Mietertreff der Kieler Immobilienverwaltung KIV in der Preetzer Str. 52 in Kiel-Gaarden erhielt ca. 2010 den Namen "Sophie-Lützen-Haus".
  • Die Kieler Ratsversammlung benannte 2014 den "Sophie-Lützen-Weg" im Neubaugebiet am Steenbeker Weg nach ihr.

Literatur & Links

  • Rolf Fischer, Doris Hansen: EinBlick. Die Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Kiel (Kiel 2005), ISBN 3-88312-409-5
  • Inge Klatt: Lebensläufe: Sophie Lützen (geb. 1885), in: Demokratische Geschichte 3(1988), ISBN 3-89029-913-X, S. 455-457
  • Paul, Gerhard: Widerstand an der Grenze. Das "Café Waldheim" und das Ehepaar Lützen, in: Zwischen Konsens und Kritik. Facetten kulturellen Lebens in Flensburg 1933-1945 (Flensburger Beiträge zur Zeitgeschichte, Bd. 4, Flensburg 1999), S. 331-354.
  • Nicole Schultheiß: Geht nicht gibt's nicht - 24 Portraits herausragender Frauen aus der Kieler Stadtgeschichte (Kiel 2007)
  • Nicole Schultheiß: Sophie Lützen (ergänzte Version)
  • Gertrud Völcker: Frauen als Mitkämpfer für eine bessere Welt (Unveröff. Typoskript, o.O. o.J. [Kiel 1978])

Einzelnachweise

  1. Ludwig, Tina: Im Zentrum des Widerstands, Flensburger Tageblatt, 23.7. 2015
  2. Gertrud Völcker: Frauen als Mitkämpfer für eine bessere Welt, S.
  3. Inge Klatt: Lebensläufe: Sophie Lützen (geb. 1885), in: Demokratische Geschichte 3(1988), S. 456
  4. Ludwig, Tina: Im Zentrum des Widerstands, Flensburger Tageblatt, 23.7.2015
  5. Ludwig, Tina: Im Zentrum des Widerstands, Flensburger Tageblatt, 23.7.2015
  6. Ludwig, Tina: Im Zentrum des Widerstands, Flensburger Tageblatt, 23.7.2015
  7. Nicole Schultheiß: Sophie Lützen (ergänzte Version)
  8. Ludwig, Tina: Im Zentrum des Widerstands, Flensburger Tageblatt, 23.7.2015
  9. Nicole Schultheiß: Sophie Lützen (ergänzte Version)
  10. Inge Klatt: Lebensläufe: Sophie Lützen (geb. 1885), in: Demokratische Geschichte 3(1988), S. 455-457