Alma Wartenberg

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Alma Wartenberg
Alma Wartenberg
Alma Wartenberg
Geboren: 22. Dezember 1871
Gestorben: 25. Dezember 1928

Wilhelmine Catharina Alma Wartenberg (geb. Stähr), * 22. Dezember 1871 in Ottensen (Holstein); † 25. Dezember 1928 in Altona (Holstein). Dienstmädchen, Hausfrau, einzige Frau im schleswig-holsteinischen Provinziallandtag. Mitglied der SPD spätestens seit 1902, Politikerin und Frauenrechtlerin.

Werdegang

Alma Stähr wuchs als eins von zwölf Kindern eines Zigarrenmachers in "Mottenburg" auf, dem ärmeren Teil von Ottensen, das damals noch eine holsteinische Stadt war; erst 1889 wurde es nach Altona eingemeindet. Die Familie war fest im sozialdemokratischen Arbeitermilieu verankert; schon ihre Mutter Maria betätigte sich unter dem Sozialistengesetz in Frauenbildungsorganisationen, die politische Aktivitäten verschleiern sollten.[1] Um die Eltern zu entlasten, begann Alma Stähr so früh wie möglich als Dienstmädchen zu arbeiten; eine Berufsausbildung lag nicht im Bereich der finanziellen Möglichkeiten.

Später heiratete sie den Schlosser Ferdinand Wartenberg, mit dem sie vier Kinder hatte.

Politische Arbeit

Zunächst in ihrem Wahlkreis Ottensen/Pinneberg arbeitete Alma Wartenberg daran, die Arbeiterfrauen, denen per Reichsgesetz die Mitgliedschaft in politischen Organisationen noch verboten war, zum Engagement für die Partei zu motivieren. So baute sie an führender Stelle die proletarische Frauenbewegung auf. Die Frauenarbeit war in der Parteistruktur verankert, lief aber relativ selbstständig. Von 1902 bis 1906 wählten die Arbeiterinnen Alma Wartenberg auf ihren Frauenversammlungen jedes Jahr wieder zur Vertrauensfrau.

Sie nahm regelmäßig als Delegierte an den Frauenkonferenzen und Parteitagen teil.

Bald dehnte sie ihre Arbeit - gegen gesellschaftlichen Widerstand, auch von seiten vieler männlicher Parteigenossen – auf die ganze Provinz Schleswig-Holstein aus, bereiste als Agitatorin alle Wahlkreise, vor allem Frauenversammlungen, und erweiterte so das Netz weiblicher Vertrauenspersonen. Eine Biografin bescheinigt ihr, sie sei "ausgestattet [gewesen] mit einer gehörigen Portion Eigensinn und einem starken Willen, die Interessen der Frauen nicht denen der Partei unterzuordnen"[2].

1905 gehörte sie zu den Initiatorinnen des Protests gegen ein skandalöses Urteil des Altonaer Schwurgerichts: Vier junge Männer der besseren Gesellschaft wurden der Vergewaltigung eines Dienstmädchens überführt, aber freigesprochen. Die Arbeiterfrauen protestierten gemeinsam mit dem radikalen Flügel der bürgerlichen Frauenbewegung gegen dieses Urteil und gegen die weit verbreitete sexuelle Gewalt, der Frauen ausgesetzt waren. Diese Zusammenarbeit mit dem Klassenfeind lief der offiziellen Parteilinie und der Haltung der proletarischen Frauenbewegung insgesamt zuwider. Deswegen wurde Alma Wartenberg 1906 trotz Unterstützung durch ihre örtlichen Genossinnen von der Parteiführung als Vertrauensperson abgesetzt; ein Parteiausschlussverfahren musste allerdings eingestellt werden.

Sexuelle Aufklärung und "Gebärstreik"

Von nun an widmete Alma Wartenberg ihre politische Arbeit den Themen Mutterschutz, Geburtenkontrolle und sexuelle Aufklärung der in großer Armut lebenden Arbeiterfrauen, die oft durch zu viele Geburten, Fehlgeburten und als letztes Mittel auch Abtreibungen gesundheitlich gefährdet waren. Dabei nutzte sie die Kenntnisse, die sie sich als Dienstmädchen in einer Arztfamilie beim Aushelfen in der Sprechstunde angeeignet hatte.[3] Sie hielt in der ganzen Region Lichtbildervorträge zu diesen Themen, die oft von Hunderten von Zuhörerinnen besucht wurden. Anschließend verkaufte sie öffentlich Verhütungsmittel, obwohl dies strafbar war. Damit brachte sie die Justiz, die Ärzteschaft und die Kirchen gegen sich auf. Mehrfach wurde sie wegen "Vergehens gegen das sittliche Empfinden" mit Gefängnisstrafen bedroht.[4] Sie vertrat jedoch den Standpunkt, dass allein die Frau das Recht habe, über ihren Körper und die Zahl ihrer Geburten zu bestimmen:

"Wenn der Staat auch noch so viel Gesetze gegen den Rückgang der Geburten schaffe, so müsse die Frau doch Herrin über ihren eigenen Körper bleiben. Das Recht, sich gegen Geburten zu schützen, stehe ihr selbst gegen den Willen ihres Ehemannes zu!" Die Partei distanzierte sich von ihr; wegen eines Vortrags zu Verhütungsmethoden wurde sie 1913 nach Paragraf 184 Strafgesetzbuch zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt. Hatte sich dieser Paragraf zunächst gegen Pornografie und Prostitution gerichtet, wurde er bald auf den Handel mit und das Anpreisen von Verhütungsmitteln angewandt.[5]

Deshalb unterstützte Alma Wartenberg in der heftigen Debatte um einen "Gebärstreik" als politisches Kampfmittel die Arbeiterfrauen, bei denen diese Idee auf starke Zustimmung traf. Die Parteiführung einschließlich Clara Zetkin lehnte den Gebärstreik ab, aus Gründen, die nichts mit der Gesundheit oder sozialen Lage der betroffenen Frauen zu tun hatten.[6] Luise Zietz unterstützte den Grundgedanken des Streiks und baute darauf die Forderung nach weitreichenden sozialen Reformen auf.[7]

Während des Ersten Weltkrieges engagierte sich Alma Wartenberg in der Kriegsfürsorge. Die Entbehrungen der Kriegsjahre und der Tod ihres ältesten Sohnes an der Front schwächten ihre Gesundheit. Trotzdem ließ sie sich 1919 in der neuen Republik, die den Frauen endlich das aktive und passive Wahlrecht brachte, in das Altonaer Stadtverordnetenkollegium wählen und gehörte auch ab 1925 als einzige Frau dem schleswig-holsteinischen Provinziallandtag an.

1927 legte sie nach einem Schlaganfall alle Ämter nieder und starb Weihnachten 1928 mit nur 57 Jahren.

Ehrungen

Straßenschild für den Alma-Wartenberg-Platz
Alma-Wartenberg-Platz, Hamburg-Ottensen

Auf Initiative der Frauengeschichtsgruppe im Stadtteilarchiv Ottensen ist seit dem 8. März 1997 in Hamburg-Ottensen ein Platz nach Alma Wartenberg benannt.[8]

Literatur

  • Rita Bake: Wer steckt dahinter? Nach Frauen benannte Straßen, Plätze und Brücken in Hamburg (Hamburg 2005, 4. Aufl.), S. 20 f.
  • Inge Döll-Krämer: Alma Wartenberg – sozialdemokratische "Vertrauensperson" in Ottensen. In: Aufgeweckt. Frauenalltag in vier Jahrhunderten. Ein Lesebuch (Hamburg 1988), S. 182–194
  • Heike Haarhoff: Späte Straßen-(Um)Taufe. Der neue Alma-Wartenberg-Platz wird heute gefeiert. taz, 8.3.1997
  • Robert Jütte: Lust ohne Last. Geschichte der Empfängnisverhütung (München 2003), S. 257
  • Gisela Notz (Hrsg.): Kalender 2005. Wegbereiterinnen III (Bonn 2004), Kalenderblatt für Oktober
  • Wer war eigentlich ...? Alma Wartenberg (1871–1928). In: ottenser – das unabhängige Stadtteilmagazin, Nr. 1 (Mai/Juni 2006), S. 13
  • Bodo Schümann: Wartenberg, Wilhelmine Catharina Alma. In: Franklin Kopitzsch, Dirk Brietzke: Hamburgische Biografie (Göttingen 2012), ISBN 978-3-8353-1025-4, S. 359-361

Links

Einzelnachweise

  1. Biografie vom Alma Wartenberg 1871-1928, abgerufen 16.3.2016
  2. Biografie vom Alma Wartenberg 1871-1928, abgerufen 16.3.2016
  3. Biografie vom Alma Wartenberg 1871-1928, abgerufen 16.3.2016
  4. Biografie vom Alma Wartenberg 1871-1928, abgerufen 16.3.2016
  5. Anna Bergmann: Gebärstreikdebatte 1913. Mit Rosa gegen die Frauenbewegung, die tageszeitung, 14.7.2013
  6. Wikipedia: Gebärstreik, abgerufen 16.3.2016
  7. Gegen den staatlichen Gebärzwang, Volkswacht für Schlesien, Posen und die Nachbargebiete. Organ für die werktätige Bevölkerung, 5.3.1914, S. 3
  8. ottensener - das unabhängige stadtteilmagazin, Nr. 1, Mai/Juni 2006, S. 13