Provinziallandtagswahlen 1919-1933
Die Provinziallandtagswahlen in Schleswig-Holstein fanden in der Weimarer Republik viermal zwischen 1919 und 1933 statt. Der Provinziallandtag Schleswig-Holsteins, zuständig für regionale Selbstverwaltungsaufgaben wie Infrastruktur und Sozialwesen, entwickelte sich in dieser Zeit von einem monarchisch geprägten Gremium zu einer demokratisch gewählten Vertretung. Für den Landtag des Freistaats Preußen insgesamt fanden Landtagswahlen statt.
Hintergrund und Funktion
Nach der preußischen Annexion Schleswig-Holsteins 1867 übernahm der Provinziallandtag Verwaltungsaufgaben. Seine Zusammensetzung und Aufgaben blieben jedoch bis 1919 undemokratisch. Erst nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Strukturen an die demokratische Ordnung der Weimarer Republik angepasst: Ab 1919 wählte die Bevölkerung Abgeordnete in den Provinziallandtag. Diese Wahlen erfolgten geheim und gleichberechtigt für alle Bürger ab 20 Jahren.
Der Provinziallandtag tagte üblicherweise zweimal jährlich und bestand aus bis zu 61 Mitgliedern. Neben lokalen Verwaltungsaufgaben wie dem Bauwesen und Sozialfürsorge übernahm der Landtag die Wahl der Vertreter im preußischen Staatsrat und Reichsrat, was ihm eine gewisse legislative Bedeutung auf nationaler Ebene verlieh.
Wahlergebnisse und politische Entwicklung
1919 hatten noch die Kreistage und Stadtverordnetenversammlungen die Abgeordneten in Verhältniswahlen bestimmt. Bspw. wählte der Kreistag Pinneberg: Martin Weiß (Elmshorn), Hugo Scheibel (Garstedt), Ernst Fliegner (Pinneberg).[1] Lauenburg wählte auch bei den weiteren Wahlen indirekt.[2]
Die Wahlen zum Provinziallandtag zeigten bis 1933 eine starke Dominanz bürgerlich-konservativer Parteien, während SPD und KPD als linke Kräfte nur eine Minderheit bildeten. Die bürgerlichen Parteien traten oft in Listenbündnissen auf, die die Mehrheit der Sitze sicherten.
"Bei den vier Wahlen zum Provinziallandtag bemühten sich die größeren bürgerlichen Parteien Einheitslisten zu bilden. Dazu kamen noch die SPD und KPD, später auch die NSDAP sowie diverse kleinere Listen aus den Kreisen. In der Regel bestimmte eine bürgerlich-konservative Mehrheit die Geschicke des Provinzialverbandes."[3]
Provinziallandtagswahl 1921
Die Wahl fand am 21. Februar 1921 statt. Die Liste "Wiederaufbau", eine bürgerliche Sammelliste, errang die Mehrheit. Die SPD wurde zweitstärkste Kraft und kam auf 22 Sitze.
Partei | Prozent | Sitze |
---|---|---|
Wiederaufbau (WA) | 46,0 % | 26 |
SPD | 37,8 % | 21 + 1 (Lauenburg) |
Selbstverwaltung (SV) | 6,1 % | 3 |
KPD | 5,3 % | 3 |
USPD | 3,3 % | 2 |
DDP | 1 (Lauenburg) | |
Zentrumspartei | 0,8 % | 1 |
DNVP | 1 (Lauenburg) |
SPD-Abgeordnete
In dieser Liste sind mehr als die 22 Abgeordneten. Es ist noch nicht ganz klar, wer da für wen nachgerückt ist.
- Hermann Adam
- Louis Biester
- Paul Brando
- Max Brauer
- Johannes Bruhns, Wandsbek
- Julius Evers, Oldenburg
- Wilhelm Haberlandt, Flensburg
- Heinrich Hansen, Kiel
- Heinrich Jacobs, Kiel/Rendsburg
- Johann Jacobsen, Itzehoe
- Karl Jürs, Neumünster
- Georg Kirchner, Altona
- Wilhelm Lassen, Stormarn
- Gustav Niendorf
- Kurt Pallavicini
- Hermann Peters
- Johann Scheel, Segeberg
- Hugo Scheibel, Garstedt
- Wilhelm Sievert, Altona
- Wilhelm Spiegel
- August Staller
- Carl Stoll, Lauenburg
- Willy Verdieck
- Richard Vosgerau
- Max Witthöft, Rendsburg
- Arthur Zabel
Provinziallandtagswahl 1925
Die Wahl fand am 29. November 1925 statt. Erneut siegte die bürgerliche "Wiederaufbau"-Liste, jedoch wurde die DDP ab diesem Jahr als separate Liste geführt. Die SPD wurde wieder zweitstärkste Kraft und kam auf 20 Sitze.
Partei | Prozent der gültigen Stimmen | Sitze |
---|---|---|
Wiederaufbau (WA) | 31,8 % | 18 |
SPD | 32,7 % | 19 + 1 (Lauenburg) |
Landwirtschaft (LW) | 12,7 | 7 |
KPD | 7,3 % | 5 |
DDP | 5,5 % | 4 |
DNVP | 2 (Lauenburg) | |
Wirtschaftspartei (WP) | 2,6 % | 2 |
Handwerk,
Handel und Gewerbe (HHG) |
1,4 % | 1 |
Einigkeit (E) | 1,6 % | 1 |
Eigenheim (EH) | 1,2 % | 1 |
SPD-Abgeordnete
In dieser Liste sind mehr als die 20 Abgeordneten. Es ist noch nicht ganz klar, wer da für wen nachgerückt ist.
- Hermann Adam
- Max Brauer
- Richard Hansen
- Heinrich Hansen, Kiel
- Wilhelm Haberlandt, Flensburg
- Heinrich Jacobs, Kiel/Rendsburg
- Karl Jürs, Neumünster
- Wilhelm Lassen, Stormarn
- Walther Lamp'l
- Gustav Niendorf
- Kurt Pallavicini
- Hermann Peters
- Martin Sarnau, Lokstedt (nachgerückt 1926)
- Hugo Scheibel, Garstedt
- Wilhelm Schubert, Kreis Steinburg
- Wilhelm Sievert, Altona
- Wilhelm Spiegel
- August Staller († 1926)
- Anna Stoffers, Bad Oldesloe (nachgerückt für August Staller)
- Willy Verdieck
- Richard Vosgerau
- Alma Wartenberg (1925-1927)
- Erich Wentker, Wandsbek
- Max Witthöft, Rendsburg
- Arthur Zabel
- Hugo Otto Zimmer, Lauenburg
Provinziallandtagswahl 1929
Die Wahl fand am 17. November 1929 statt. Mit dem Aufstieg der NSDAP, die insbesondere in Dithmarschen stark abschnitt, änderte sich die politische Atmosphäre im Provinziallandtag. Die NSDAP trat aggressiv auf, um das parlamentarische System zu delegitimieren. Die SPD wurde zstärkste Kraft und kam auf 21 Sitze.
"Bis 1929 herrschte ein den Konsens suchender Stil im Miteinander der Abgeordneten vor. Der Umgangston änderte sich, als die NSDAP begann regional Wahlen zu gewinnen. In Norder- und Süderdithmarschen wurden die Nationalsozialisten 1929 stärkste Partei und entsandten sieben Abgeordnete nach Kiel. Deren anti-parlamentarische Haltung veränderte die Atmosphäre. Dazu kamen permanente antisozialdemokratischen Angriffe der KPD auf den ihr verhassten Oberpräsidenten (Heinrich Kürbis, SPD). Angriffe auf die jeweiligen Gegner und Reden, die sich mit der allgemeinen Politik auseinandersetzten bestimmten nun die meisten Sitzungen. An konstruktiver Sacharbeit war den Nationalsozialisten nicht gelegen. Der Provinziallandtag diente ihnen lediglich als Bühne für ihre Angriffe auf das ihnen verhasste demokratische 'System'."[3]
Partei | Prozent der gültigen Stimmen | Sitze |
---|---|---|
SPD | 33,3 % | 20 + 1 (Lauenburg) |
Heimat und Wirtschaft (HuW) | 25,3 % | 16 + 1 (Lauenburg) |
NSDAP | 10,3 % | 7 |
KPD | 7,3 % | 5 |
Selbstverwaltung (SV) | 6,1 % | 3 |
Wirtschaftspartei (WP) | 5,3 % | 4 |
DDP | 3,7 % | 3 |
Volkswohl (VW) | 3,5 % | 3 |
DNVP | 1 (Lauenburg) | |
USPD | 0,5 % | 0 |
Zentrum | 1,0 % | 0 |
SPD-Abgeordnete
In dieser Liste sind mehr als die 21 Abgeordneten. Es ist noch nicht ganz klar, wer da für wen nachgerückt ist.
- Hermann Adam
- Max Brauer
- Richard Hansen
- Gustav Delle
- Friedrich Hansen, Kiel und später Itzehoe
- Wilhelm Haberlandt, Flensburg
- Magda von Hollen, Altona
- Hans Hoffmann
- Heinrich Jacobs, Kiel/Rendsburg
- Johann Jacobsen, Itzehoe
- Karl Jürs, Neumünster
- Wilhelm Lassen, Stormarn
- Walther Lamp'l
- Gustav Niendorf
- Hermann Peters
- Wilhelm Schubert, Kreis Steinburg
- Wilhelm Schweizer
- Willy Verdieck
- Richard Vosgerau
- Martin Sarnau, Lokstedt
- Wilhelm Sievert, Altona
- Max Witthöft, Rendsburg
- Arthur Zabel
- Hugo Otto Zimmer, Lauenburg
Provinziallandtagswahl 1933
Die Wahl fand am 12. März 1933 statt. Die letzte freie Wahl fand unter starkem Druck der Nationalsozialisten statt. Arbeiterparteien wie SPD und KPD waren faktisch in ihrer Wahlwerbung eingeschränkt. Die NSDAP erzielte die absolute Mehrheit und nutzte ihre Machtposition, um den Landtag unter ihre Kontrolle zu bringen. Die SPD wurde trotzdem zweitstärkste Kraft - kam aber nur noch auf 15 Sitze.
Partei | Prozent der gültigen Stimmen | Sitze |
---|---|---|
NSDAP | 54,9 % | 32 + 2 (Lauenburg) |
SPD | 22,4 % | 14 + 1 (Lauenburg) |
DNVP | 11,7 % | 7 |
KPD | 7,8 % | 5 |
SPD-Abgeordnete
- Paul Brando
- Max Brauer
- Richard Hansen
- Magda von Hollen, Altona
- Hans Hoffmann
- Heinrich Jacobs, Kiel/Rendsburg
- Karl Jürs, Neumünster
- Wilhelm Lassen, Stormarn
- Walther Lamp'l
- Karl Langebeck
- Gustav Niendorf
- Wilhelm Schubert, Kreis Steinburg
- Wilhelm Schweizer
- Johannes Richter
- Martin Sarnau, Lokstedt
Das Ende des Provinziallandtags
Mit der Machtübergabe an die Nationalsozialisten verlor der Provinziallandtag seine Autonomie. Am 1. Januar 1934 wurde der Provinziallandtag offiziell aufgelöst, und seine verbleibenden Aufgaben wurden vom nationalsozialistischen Oberpräsidenten Hinrich Lohse übernommen.
Literatur
- Omland, Frank: „Wie wähle ich?“- Die Provinziallandtagswahlen in Schleswig-Holstein 1921-1933. In: Kraack, Detlev / Lorenzen-Schmidt, Klaus-Joachim (Hrsg.): Brückenschläge aus der Vergangenheit, Festschrift für Peter Wulf zu seinem 70. Geburtstag. In: Studien zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Schleswig-Holsteins (SWSG) Bd. 44 (Neumünster 2008), S. 265-294
- Omland, Frank: Der Provinziallandtag in Schleswig-Holstein 1919-1934 - Entstehung, Aufgaben, Funktion. Sonderveröffentlichung des Arbeitskreises zur Erforschung der Geschichte des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein (AKENS) e.V., (2010)
- Lorenzen-Schmidt, Klaus-Joachim/Pelc, Ortwin (Hrsg.): Das Neue Schleswig-Holstein-Lexikon (Neumünster 2006);
- Grunwald, Klaus Dieter: Die Provinzialverwaltung und ihre Organe in der preußischen Provinz Schleswig-Holstein 1867 bis 1945. Ein Überblick über die provinzielle Selbstverwaltung in Schleswig-Holstein (Kiel 1971)
- Jürgensen, Kurt: Die Gleichschaltung der Provinzialverwaltung. Ein Beitrag zur Durchsetzung der nationalsozialistischen Herrschaft in Schleswig-Holstein (1932-1934). In: Hoffmann, Erich / Wulf, Peter (Hrsg.): „Wir bauen das Reich“. Aufstieg und erste Herrschaftsjahre des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein (Neumünster 1983)
Links
- Wikipedia: Provinz Schleswig-Holstein
- Omland, Frank: Provinziallandtag Schleswig-Holstein
Einzelnachweise
- ↑ Hamburgischer Correspondet, 13.9.1919
- ↑ Hamburger Echo 16.3.1921
- ↑ 3,0 3,1 Omland, Frank: Provinziallandtag Schleswig-Holstein, abgerufen 4.8.2020
- ↑ 4,0 4,1 4,2 4,3 Omland, Frank: Der Provinziallandtag in Schleswig-Holstein 1919-1934 - Entstehung, Aufgaben, Funktion. Sonderveröffentlichung des Arbeitskreises zur Erforschung der Geschichte des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein (AKENS) e.V., (2010)