Am 30. Januar überträgt Reichspräsident von Hindenburg ohne Beteiligung des Reichstages das Amt des Reichskanzlers an Adolf Hitler, den "Führer" der Nationalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei (NSDAP).
Der Brand des Reichstages am 27. Februar führt zu einer Verhaftungswelle. In der Reichstagswahl vom 5. März bleiben die Nazis mit 43,9% unter der angestrebten absoluten Mehrheit, obwohl viele ihrer politischen Gegner bereits in "Schutzhaft" sitzen und der Einschüchterung durch die SA der Nazis keine Grenze gesetzt ist.
Innerhalb weniger Monate wird mit der Entmachtung des Reichstages, der Regelungen des Regimes wie das "Ermächtigungsgesetz" nur noch scheindemokratisch legitimiert, und mit Hilfe von Notverordnungen das gesamte politische Leben in Deutschland gleichgeschaltet. Die demokratischen Parteien werden am 22. Juni verboten, am 14. Juli tritt das "Gesetz zur Neubildung von Parteien" in Kraft, das eben keine Neubildung von Parteien mehr zulässt.
Auch in Schleswig-Holstein entfernen die Nazis Menschen, die Widerstand leisten, aus dem öffentlichen Leben. Sie verhaften zunächst KPD- und SPD-Leute und bringen sie in die ersten, wild eingerichteten Konzentrationslager. Dort werden sie schwer misshandelt und viele von ihnen ermordet. Wenig später erlassen die Nazis auch die ersten Gesetze zur Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung.
Aufruf zur Solidaritätskundgebung für Julius LeberDer frisch wiedergewählte Amts- und Gemeindevorsteher von Seedorf, Alfred Ahrens, wird von den Nazis des Amtes enthoben und für zehn Tage verhaftet.
Richard Grune zieht nach Berlin, möglicherweise auch deswegen, weil er sich als Homosexueller in der Großstadt sicherer fühlt.
Willy Verdieck entgeht einem ersten Versuch der Nazis, ihn zu verhaften.
19. Februar - Die Lübecker Arbeiterbewegung reagiert auf die Verhaftung von Julius Leber mit ihrer letzten großen offenen Protestaktionen gegen die Nazis. 15.000 Menschen kommen zusammen. Der vorübergehend entlassene Julius Leber nimmt trotz schwerer Verletzung teil; seine Rede hält Fritz Solmitz.
Die Nazis untersagen Fritz Petersen, seine Amtsgeschäfte als neu gewählter Bürgermeister von Elmshorn aufzunehmen.
In Preetz setzen die Nazis die sozialdemokratischen Stadträte Peters, Brodthagen und Trepkau ab - offiziell, weil diese den Dienst verweigern, solange auf dem Rathaus die Hakenkreuzfahne weht.
5. März - In der letzten Reichstagswahl, zu der mehr als eine Partei kandidieren kann, erreicht die SPD immer noch 18,3 %, die KPD 12,3 % und das katholische Zentrum 11,3 %. Die Nazis verfehlen ihr Ziel, eine deutliche absolute Mehrheit zu gewinnen. Gleichzeitig findet die Wahl zum Oldenburgischen Landtag und damit im Landesteil Lübeck statt. Die SPD verliert hier noch zwei Sitze und erreicht 18,17 %.
8. März - Vermutlich an diesem Tag, dem letzten Internationalen Frauentag, der für 12 Jahre in Deutschland begangen wird, hält Helene Grünig mit 62 Jahren ihre letzte öffentliche Rede.
8. März - Hans Prox wird auf dem Marktplatz in Wilster wegen angeblichen Besitzes von Material, das die "Sicherheit des NS-Staates" gefährde, für einige Stunden verhaftet und steht fortan unter Beobachtung.
12. März - In Schewkowitz/Oberschlesien (heute Dziewkowice/Polen) wird Rudolf Johna geboren.
13. März - Die Nazis suchen im Kieler Gewerkschaftshaus nach einer Vervielfältigungsmaschine, mit der Flugblätter zum Mord an Wilhelm Spiegel erstellt worden sind. Am Abend besetzen sie das Haus und zerstören dabei das Portrait, dass Max Liebermann von Carl Legien gemalt hat. Den Nazis fallen die Mitgliederkarteien nicht nur der Gewerkschaften, sondern auch der Kieler SPD in die Hände. Dies hat zahlreiche Verhaftungen zur Folge.
15. März - Der Trauerzug durch Kiel für den ermordeten Wilhelm Spiegel kann als letzte stumme Demonstration der republikanischen Kräfte der Stadt gegen die Nazis gewertet werden. Viele Arbeiter legen demonstrativ ihre Arbeit nieder, die vorsorglich in Alarmbereitschaft gesetzte Polizei greift nicht ein. Otto Eggerstedt hält die Trauerrede.
23. März - Reichstagssitzung in der Krolloper, als Ersatz für das ausgebrannte Reichstagsgebäude: Otto Wels hält die Rede mit dem berühmten Satz "Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht!". Julius Leber ist bereits beim Betreten des Reichstages verhaftet worden. Otto Eggerstedt und andere sind schon auf der Flucht. Die verbliebenen 94 Abgeordneten der SPD stimmen geschlossen gegen das Ermächtigungsgesetz, unter ihnen Gustav Dahrendorf, Carlo Mierendorff, Louise Schroeder, die die Ablehnung vorher öffentlich gefordert hat, Kurt Schumacher und Rudolf Wissell, der kurz darauf ebenfalls verhaftet, aber nach drei Monaten freigelassen wird.
In Eckernförde weigert sich Bürgermeister Richard Vosgerau, die Hakenkreuzfahne auf das Amtsgebäude zu setzen, und wird von der SA in "Schutzhaft" genommen. Man wirft ihm außerdem "Unterschlagung von Gewerkschaftsvermögen" vor. Seinem Einfluss in Eckernförde tut dies keinen Abbruch.
Die SPD Quickborn führt mit der örtlichen KPD Gespräche über eine Zusammenarbeit, die aber zu keinem Erfolg führen.
In Breslau verhaften die Nazis Max Kukielczynski und sperren ihn bis Dezember in den KZ Breslau-Dürrgoy und Esterwegen ein.
In Flensburg verhaften die Nazis Wilhelm Haberlandt wegen Vorbereitung „illegaler Demonstrationen“.
2. April - In der Nacht auf den 3. emigriert Herbert Frahm vor den Nazis nach Dänemark. Der Fischer Paul Stooß bringt ihn mit seinem Kutter von Travemünde aus über die Ostsee nach Rødbyhavn.
11. April - Die drei gewählten SPD-Mitglieder der Stadtvertretung von Husum legen nach offenen Drohungen der NS-Vertreter ihre Mandate nieder.
15. April - In Itzehoe nehmen die Nazis unter anderen die SPD-Stadträte August Diebenkorn und Christian Lohse und den SPD-Ortsvorsitzenden Wilhelm Schubert in "Schutzhaft". Sie treiben zur Demütigung die Verhafteten, vorweg ein Trommler, durch die belebte Innenstadt.
24. April - Ludwig Preller wird als "politisch unzuverlässig" aus dem Staatsdienst entlassen.
Paul Bromme, der sich in Lübeck im Widerstand engagiert hat, flüchtet in die Tschechoslowakei, später nach Schweden.
Minna Fick richtet ein persönliches Gesuch um die Freilassung ihres Ehemannes Karl Fick aus der KZ-Haft an Reichspräsident von Hindenburg, jedoch ohne Erfolg.
Anfang des Monats löst sich die Ortsgruppe Glückstadt des Reichsbanners auf, um einem Verbot durch die Nazis zuvorzukommen. Vier Glückstädter Genossen, deren Namen bisher nicht ermittelt sind, werden in "Schutzhaft" genommen.
1. Mai - Die SPD im Kreis Steinburg und die KPD versuchen durch Anmeldung eines "Morgenspaziergangs" im Itzehoer Umland eine eigene Maifeier zu organisieren; dies wird jedoch verboten, um die zentrale Kundgebung der Nazis nicht zu beeinträchtigen.
2. Mai - Die Nazis besetzen die Gewerkschaftshäuser und beginnen auch in Schleswig-Holstein, das Eigentum und Vermögen der Gewerkschaften zu beschlagnahmen und Mitglieder zu verhaften.
2. Mai - Heinrich Wilckens wird zum ersten Mal von den Nazis verhaftet. Bis zum Ende der NS-Diktatur erleidet er 21 Haussuchungen und vier Verhaftungen.
2. Mai - In ihrer Wohnung im Lübecker Gewerkschaftshaus wird Berta Wirthel mit ihrem Mann, dem Hausmeister, von den Nazis zunächst festgehalten, dann vertrieben. Sie muss sich danach zwei Jahre lang zweimal täglich auf der Polizei melden. Trotzdem kann sie Kontakt zu den Genossen halten.
6. Mai - Bezirkskassierer Paul Andratschke wird verhaftet, nach einem Tag wieder freigelassen, aber noch mehrfach zu Vernehmungen geholt. Er verliert seine Arbeit.
7. Mai - Die SPD Preetz löst sich - wie viele anderen Ortsvereine in diesen Tagen - selbst auf, um Polizeiaktionen zuvorzukommen.
9. Mai - Der Befehl des Geheimen Staatspolizeiamtes der Nazis, die Vermögen von SPD, sozialdemokratischen Zeitungen und dem Reichsbanner zu beschlagnahmen, führt in der Folge auch in Schleswig-Holstein zu zahlreichen Haussuchungen und Verhaftungen. Die SPD Kellinghusen löst sich selbst auf.
9. Mai - In Hamburg verhaften die Nazis Friedel Felst und andere Beschäftigte des Büros der Arbeiterjugend wegen angeblicher Veruntreuung staatlicher Gelder.
12. Mai - Die SPD Schleswig löst sich selbst auf. Die Parteifahne wird mit Akten und Bildern in einem Nebengebäude in der Töpferstraße eingemauert und 12 Jahre später wieder hervorgeholt.
14. Mai - Bis zu diesem Tag sind im Kreis Steinburg 18 Sozialdemokraten von den Nazis in "Schutzhaft" genommen worden.
18. Mai - Eine letzte geheime Versammlung der SPD Neumünster im Lokal "Reichsadler" wird von der Polizei aufgelöst und die Teilnehmer in "Schutzhaft" genommen.
31. Mai - Der Lübecker Volksbote wird mit dem Niederdeutschen Beobachter - dem Kampfblatt der NSDAP Mecklenburg - vereinigt und ist damit gleichgeschaltet.
Marie Schmelzkopf verliert ihre Ämter und wird unter Hinweis auf ihre Tätigkeit als Stadtverordnete von der Gestapo verhaftet, allerdings nach einiger Zeit freigelassen. Ihre Kinder erfahren erst durch intensive Recherchen von ihrem Verbleib.
16. Juni - In Hamburg wird der gesamte Bezirksvorstand einschließlich Karl Meitmann während der Echo-Versammlung verhaftet, der letzten Möglichkeit, die politische Lage zu diskutieren. Obwohl keine strafbaren Handlungen belegbar sind, werden die Verhafteten erst nach Wochen wieder entlassen. Karl Meitmann bleibt fünf Monate in Haft und muss danach Hamburg verlassen.
21. Juni - Im Verlauf der "Köpenicker Blutwoche" wird Johannes Stelling mit anderen in ein SA-Sturmlokal verschleppt und grauenvoll gefoltert. In den Morgenstunden des Folgetages wird er im Amtsgerichtsgefängnis Köpenick endgültig ermordet und sein entstellter Leichnam ins Wasser geworfen. Er ist 56 Jahre alt.
27. Juni - Louis Biester wird aufgrund des "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" endgültig aus dem Schuldienst entlassen und am selben Tag in "Schutzhaft" genommen.
29. Juni - Die "Deutsche Arbeitsfront" schickt der Reichshauptbank und den Provinzialanstalten ein Schreiben mit einer Namensliste, vor allem von SPD-Kassierern, auch aus Schleswig-Holstein. Ziel ist, Konten von Sozialdemokraten zu sperren, die verdächtigt werden, Parteigelder zu "verstecken".
Juli
Wilhelm Schmehl bringt Teile des historisch wertvollen Marx-Engels-Nachlasses aus dem Berliner SPD-Archiv in Fußmärschen durchs Moor nach Dänemark in Sicherheit.
Willy Busch flüchtet vor dem Terror der Nazis gegen ihn in Klausdorf mit seiner Frau nach Dänemark.
14. August - Die Dachorganisation der Konsumvereine, die GEG, wird von den Nazis zwangsweise in den "Reichsbund der deutschen Verbrauchergenossenschaften GmbH (GEG)" überführt. Damit haben die Konsumvereine keine eigenständige Grundlage mehr.
17. August - Alle SPD-Vertreter werden aus der Stadtvertretung von Bredstedt ausgeschlossen.
20. August - Andreas Carlsen wird in Bredstedt von drei SA-Männern beschuldigt, seine Mutter geschlagen zu haben, und von ihnen in denunziatorischer und erniedrigender Weise durch den gesamten Ort geführt.
22. August - Die Nazis entlassen Heinrich de Buhr fristlos als stellvertretenden Leiter des Arbeitsamtes Heide und nehmen ihm jede Existenzgrundlage; sein Haus wird zwangsversteigert.
29. August - Karl Fick wird aus dem provisorischen KZ Eutin freigelassen, verliert jedoch seinen Arbeitsplatz und ist mehrere Jahre arbeitslos.
September
Richard Vosgerau wird aus der "Schutzhaft" entlassen und zieht in der Folgezeit auf den Rat eines Gestapomannes nach Kiel um, wo er eine Versicherungsvertretung übernimmt.
18. September - Der 27-jährige Karl Kaehding wird erhängt in seiner Zelle gefunden, nachdem man ihn am Vortag zum Tode verurteilt hat. Er soll 1932 zusammen mit Hans Fick einen SA-Mann erstochen haben.
19. September - Fritz Solmitz wird nach schweren Misshandlungen durch die SS in seiner Zelle im KZ Fuhlsbüttel erhängt aufgefunden. Er ist 39 Jahre alt. Ob er in den Selbstmord getrieben oder von der SS ermordet wurde, ist ungeklärt.
Karl Meitmann wird aus dem KZ Hamburg-Fuhlsbüttel entlassen mit der Auflage, Hamburg innerhalb von 24 Stunden zu verlassen. Freunde verschaffen ihm eine Arbeit in Frankfurt/Oder.
8. Oktober - Karl Grambow wird in seiner Zelle im Amtsgerichtsgefängnis Schwarzenbek tot aufgefunden. Auch bei ihm ist ungeklärt, ob er in den Selbstmord getrieben oder ermordet wurde.
17. November - Laut Bericht der Nortorfer Illustrierten Woche von diesem Tag vergraben die Nazis den Gedenkstein des Ortes für Friedrich Ebert, um "die letzte Erinnerung an die schmachvollen 14 Jahre" der Weimarer Republik zu beseitigen.
Dezember
Nach seiner Entlassung aus dem KZ Esterwegen ist Max Kukielczynski zunächst arbeitslos.
Hermann Köster wird Berufssoldat in der Reichsmarine (ab 1935 Kriegsmarine).
Paul Lohmann wird auf Grund eines NS-Gesetzes wegen "Vorbereitung zum Hochverrat und Verbrechen gegen das Parteiverbotgesetz" zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt.
Die Nazis entheben Hermann Lüdemann seines Amtes als Oberpräsident von Niederschlesien.
Rudolf Lüdemann wird aus dem öffentlichen Dienst entlassen, in "Schutzhaft" genommen und schwer misshandelt.
Max Schmidt wird bei einer Zusammenkunft mit Parteifreunden in Flensburg von der Gestapo verhaftet. Nach der Freilassung ist er weiterer politischer Verfolgung ausgesetzt und wird arbeitslos.
Dem 78-jährigen Ferdinand Tönnies entziehen die Nazis seinen Lehrauftrag, seinen Beamtenstatus und damit nahezu alle Bezüge; er und seine Frau leben bis zu ihrem Tod verarmt in Kiel.
Bruno Verdieck setzt seine Gewerkschaftsarbeit bis zur Verhaftung im Untergrund fort.
Theodor Werner wird von der Gestapo verhaftet, seine Ersparnisse beschlagnahmt. Nach seiner Freilassung übernimmt er einen Tabakladen im Königsweg 52 in Kiel, der zugleich als unauffällige Anlaufstelle für Genossen dient.
Als einziger Wohlfahrtsverband wird die AWO vom NS-Regime verboten und aufgelöst.
In Husum holen ein Maurer, ein Schlosser, ein Angestellter der Stadtwerke und der Schmied und Eisenbahner Rudolf Schütze eines Tages im Morgengrauen die Nazifahne vom Schornstein der Husumer Möbelfabrik und hissen statt dessen die rote Fahne der Eisernen Front. Die Nazis "korrigieren" dies am nächsten Tag, aber die Männer überleben ihre Aktion.
Friedrich-Ebert-Gedenksteine sind ein bevorzugtes Ziel der Nazis. Der Stein in Eutin wird von ihnen abmontiert und zur Werkstatt eines örtlichen Bildhauers transportiert, wo er unauffindbar verschwindet. In Wedel demolieren SA-Leute den Stein und stehlen die im Sockel eingemauerten Dokumente. Ein Tiefbauunternehmer rettet ihn, indem er ihn vergräbt.