Berta Wirthel
Berta Wirthel |
Berta Wirthel (geb. Fischer), * 13. Januar 1900 in Lübeck, † 10. April 1979 in Lübeck; Schneiderin. Mitglied der SPD ab 1925.
Leben & Beruf
Berta Fischers Vater war Maurer; beide Eltern waren politisch aktiv, ungeachtet einer Schar von elf Kindern. Berta Fischer machte eine Lehre als Schneiderin und bildete sich allgemein über die Volkshochschule sowie andere Lehrgänge und Schulungen weiter. Ihren Mann Wilhelm Wirthel lernte sie im Arbeiter-Turn-und-Sportverein kennen. Sie heirateten 1921 und bekamen zwei Kinder, von denen nur eins die Kindheit überlebte.[1]
1925 begann Berta Wirthel bei der AWO zu arbeiten, in der sie auch Mitglied war, ebenso wie im Verband der Öffentlichen Dienste, einem Vorläufer der Gewerkschaft verdi. 1929 zogen ihr Mann und sie ins Lübecker Gewerkschaftshaus; offenbar wurde Wilhelm Wirthel dort als Hausmeister angestellt, denn später heißt es, er habe mit der Wohnung auch seinen Arbeitsplatz verloren.[2]
1929 wurde sie auch als erste Frau in den Vorstand des Lübecker Heiligen-Geist-Hospitals gewählt. Weitere Ehrenämter übernahm sie u.a. in der Erwerbslosen-Jugend-Bewegung.
Im Mai 1933 wurde das Ehepaar Wirthel bei der Besetzung des Gewerkschaftshauses durch die Nazis "zunächst - teilweise unter Gewaltanwendung - festgehalten und schließlich aus dem Haus getrieben"[2]. Was genau ihnen geschah, wie lange es dauerte, wird nicht deutlich. Allerdings musste sich Berta Wirthel - zusammen mit ihrer Freundin und Genossin Emma Nehlsen - noch bis 1935 zweimal täglich auf der Polizeiwache am Burgfeld melden. Es gelang ihr aber, Kontakt zu den jetzt "illegalen" Genossinnen und Genossen zu halten. Sie war wieder als Schneiderin tätig, um die Familie zu ernähren.[2]
Nach Ende der NS-Herrschaft betrieb sie einen Verkaufspavillon auf dem Priwall, der ihr "ihre finanzielle Beweglichkeit" sicherte und in dessen Betrieb die gesamte Familie eingebunden war. In unmittelbarer Nähe gehörte der Familie auch ein "Wochenenddomizil".[3] Wo ihr Ehemann zu dieser Zeit beschäftigt war, ist bisher nicht ermittelt, auch nicht, wann sie den Pavillon aufgaben.
Während ihrer Zugehörigkeit zum Landtag ist dihre Adresse weiterhin mit Dr. Julius-Leber-Straße 48 angegeben.
Partei & Politik
Berta Wirthel trat 1925 in die SPD ein. Wenig später übernahm sie die Leitung des Distrikts Holstentor-Nord und wurde gleichzeitig in den Vorstand der Lübecker Frauengruppe gewählt.[1]
Nach Ende der NS-Herrschaft trat sie im September 1945 erneut in die SPD ein. 1947 und 1948 gehörte sie dem Bezirksvorstand an, spätestens von 1951 bis 1969 dem Kreisvorstand der Lübecker SPD - ob ohne Unterbrechung, ist nicht geklärt.
Kommunalpolitik
1946 wurde sie in die Lübecker Bürgerschaft gewählt, der sie bis 1974 angehörte. Von 1951 bis 1955 war sie ehrenamtliche Senatorin der Hansestadt Lübeck für das Wohnungsamt.
"Zweifellos gestaltet sich gerade in dieser Zeit die Arbeit im Wohnungswesen besonders schwierig, so daß Kritik nicht ausbleibt, der Berta Wirthel mit der ihr eigenen Durchsetzungsfähigkeit und Eigenwilligkeit begegnet. 'Hart, ehrlich und gerecht' schildert sie ein Parteigenosse, der ihren Weg jahrelang begleitete. [...] 'Sie war sich auch nicht zu schade, den Besen selbst in die Hand zu nehmen als Senatorin', berichten andere Zeitzeugen."[2]
Im Landesverband des Deutschen Städtetages übertrug man ihr den Vorsitz der Wohnungsämter der vier kreisfreien Städte. In dieser Funktion hatte sie viele Berührungspunkte mit Ida Hinz, die als ehrenamtliche Dezernentin das Kieler Wohnungsamt leitete. Als Schwerpunkte ihrer politischen Arbeit werden Alters- und Gesundheitsfürsorge sowie Frauenpolitik genannt.[2]
Frauenpolitik
Nach der NS-Herrschaft setzte Berta Wirthel ihr Engagement für Frauenpolitik fort. Sie übernahm gleich 1945 die Leitung der Frauengruppe Lübeck.
Anlässlich einer Bundesfrauenkonferenz in der Berliner Kongresshalle 1958 wurden die Delegierten vom Regierenden Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt, empfangen, den einige der Schleswig-Holsteinerinnen noch aus der gemeinsamen Jugend kannten. Rosa Wallbaum berichtet:
"Berta Wirthel aus Lübeck war dabei [...]. Er sieht sie, sagt 'Berta!', und sie geht hin und sagt: 'Na, mien Jung, wie geiht di dat?' In Platt und so richtig von Mutter zu Sohn [...]."[4]
Landtag
Am 25. Januar 1954 rückte sie über die Landesliste für Reinhold Rehs ins Parlament nach und gehörte noch für etwa ein halbes Jahr dem 2. Landtag an. Dort war sie aktiv im Ausschuss für Heimatvertriebene. Sie scheint in der Landtagswahl 1954 jedoch nicht wieder angetreten zu sein.
Ehrungen
Am 3. Juni 1955 wurde Berta Wirthel mit der Ehrenplakette des Lübecker Senats ausgezeichnet. 1960 wurde ihr für ihre kommunalpolitische Arbeit die Freiherr-vom-Stein-Medaille des Landes Schleswig-Holstein verliehen, am 21. Mai 1971 das Bundesverdienstkreuz am Bande. Seit dem 4. März 1990 heißt eine Straße im Neubaugebiet Roter Löwe Berta-Wirthel-Ring; die Taufe nahm Gisela Böhrk vor, damals Frauenministerin des Landes.[5]
Literatur & Links
- Jebens-Ibs, Sabine / Zachow-Ortmann, Maria: Schleswig-Holsteinische Politikerinnen der Nachkriegszeit. Lebensläufe (Kiel 1994), S. 55-57
- Lipp, Christine: Berta Wirthel – Engagierte Politikerin und Senatorin in Lübeck. In: Frauen in der Lübecker Geschichte (Hg. Frauenbüro der Hansestadt Lübeck, Lübeck 2005), S. 56 f.
- Landtagsinformationssystem: Berta Wirthel
- Wikipedia: Berta Wirthel
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Jebens-Ibs / Zachow-Ortmann: Politikerinnen, S. 55
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 Jebens-Ibs / Zachow-Ortmann: Politikerinnen, S. 56
- ↑ Jebens-Ibs / Zachow-Ortmann: Politikerinnen, S. 56 f.
- ↑ Kalweit, Susanne (Hg.): "Ich hab mich niemals arm gefühlt!", S. 142
- ↑ Jebens-Ibs / Zachow-Ortmann: Politikerinnen, S. 57