1947
Die Lage in Europa ist zunehmend überschattet vom Kalten Krieg, der Spaltung in einen östlichen Machtblock, an dessen Spitze die Sowjetunion steht, und einen westlichen, der sich auf die USA hin orientiert. Für die Deutschen, deren Lebensraum im Wesentlichen zwischen diesen beiden Blöcken geteilt ist, wird dies besonders spürbar.
Am 1. Januar tritt der wirtschaftliche Zusammenschluss der britischen und amerikanischen Zone zur Bizone in Kraft; Franzosen wie Russen haben eine Beteiligung abgelehnt. Am 25. Juni wird der erste - mit von den Landtagen der Bizone gewählten Mitgliedern besetzte - Wirtschaftsrat für die Bizone geschaffen. Seine Aufgabe, die katastrophale Versorgungssituation in Deutschland zu verbessern, kann er jedoch angesichts der bestehenden strukturellen Probleme nicht lösen.
Per Verordnung vom 1. Oktober überträgt die britische Militärregierung die Verantwortung für die Entnazifizierung den ihrer Verwaltung unterstehenden deutschen Ländern.
Januar
- Wilhelm Teegen löst Otto Siege im Vorsitz des OV Ahrensburg ab.
- 1. Januar - Erich Eltermann tritt der SPD bei.
- 2. Januar - Ute Flashar wird in Heide geboren.
- 15. Januar - Der wiedergegründete OV Bredstedt erhält von der britischen Militärregierung seine Zulassung.
- 25. Januar - Der im Vorjahr wiedergegründete OV Holtenau hat 180 Mitglieder, davon 30 weibliche.
Februar
- Albert Schulz wird in Rostock von der sowjetischen Geheimpolizei NKWD verhaftet und zu 10 Jahren Arbeitslager verurteilt.
- 2. Februar - Der Kreisverein Kiel hält seinen ordentlichen Kreisparteitag in der Gaststätte "Tannenberg" in Projensdorf ab. Als Gast spricht der stellvertretende Parteivorsitzende Erich Ollenhauer. Der Kreisvorstand mit dem Kreisvorsitzenden Karl Ratz wird wiedergewählt.
- 20. Februar - Doris Oeding wird in Magdeburg geboren.
März
- 2. März - Wolfgang Wodarg kommt in Itzehoe zur Welt.
- 8. März - Außerordentlicher Bezirksparteitag in Kiel; Aufstellung der Kandidatinnen und Kandidaten zur Landtagswahl 1947. Gastredner ist der Berliner Stadtrat Ernst Reuter.
- 9. März - Herbert Hoffmann wird geboren.
- 19. März - Ulrike Gebhardt kommt in Förste bei Osterode/Harz zur Welt.
- 20. März - Olaf Busack wird in Meldorf geboren.
April
- Der Sozialistische Deutsche Studentenbund erhält von der Militärregierung als erste politische Studentengruppe an der Universität Kiel eine Zulassung.
- 2. April - In Kiel wird auf Initiative von Andreas Gayk die Gesellschaft der Freunde Coventrys gegründet.
- 8. April - In der Melsdorfer Bahnhofswirtschaft gründet sich unter Leitung von Heinrich Grönwoldt der OV Melsdorf.
- 11. April - Der OV Bünningstedt gründet sich.
- 18. April - Jochen Roggenbock kommt in Itzehoe zur Welt.
- 20. April - Landtagswahl 1947 - die erste freie Landtagswahl nach der NS-Diktatur. Die SPD ist mit 43,8% und 43 Landtagssitzen weitaus stärkste Fraktion.
- 24. April - Der Kieler Konsum eröffnet seine erste neue Verteilungsstelle in der Katharinenstraße 13 in Ellerbek.
Mai
- 1. Mai - Die Kieler Gewerkschaften übernehmen das Gewerkschaftshaus wieder, nachdem die britische Militärregierung es geräumt hat. Sie haben es von der Stadt Kiel für fast eine halbe Million Reichsmark zurückgekauft.
- 8. Mai - Eröffnungssitzung des ersten Landtags. Hermann Lüdemann wird Ministerpräsident. In seiner Antrittsrede sagt er: "Das Ziel unserer Arbeit ist ein wahrhaft demokratisches Deutschland, das bis zum letzten Bürger in seinem Denken und Handeln durch den Geist der Friedfertigkeit, der Toleranz und freien Menschlichkeit sich leiten läßt."
- 24. Mai - Helmut Ulbrand wird in Brake/Unterweser geboren.
- 27. Mai - Anna Andratschke stellt einen Antrag auf Wiedergutmachung wegen der politischen Verfolgung ihres 1939 verstorbenen Ehemannes Paul Andratschke. Ihr wird eine auf sechs Monate befristete Ernährungsbeihilfe bewilligt.
- 28. Mai - Gustav Ehlers stirbt mit 74 Jahren in Lübeck.
Juni
- Heinrich Christian Lienau kommt in den Kreisvorstand Flensburg der kürzlich gegründeten Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), die die Interessen ihrer Mitglieder gegenüber dem Flensburger Sonderhilfsausschuss vertritt.
- Erich Wendicke wird als Nachfolger von Carl Bung zum Vorsitzenden des Kreisvereins Herzogtum Lauenburg gewählt.
- Im Mittelpunkt einer Kreisfrauenkonferenz der ASF des Kreisvereins Stormarn steht ein Referat der Hamburger Jugendsenatorin Paula Karpinski über "Jugendprobleme unserer Zeit".
- Charlotte Harnack tritt in die SPD ein.
- 3. Juni - 'Willimann' Meitmann stirbt mit 34 Jahren in Neustadt/Holstein.
- 7./8. Juni - Ordentlicher Bezirksparteitag in Bad Segeberg; Heinrich Fischer löst Wilhelm Kuklinski als Vorsitzender ab.
- 20. Juni - Erwin Wichelmann kommt in Hohenfelde zur Welt.
- 25. Juni - Ingrid Trennert wird in Lundshof/Schwansen geboren.
- 25. Juni - In Frankfurt wird der erste Wirtschaftsrat der Bizone eingerichtet. Die Mitglieder für Schleswig-Holstein sind Otto Voss (Kiel) und Robert Wohlers (Meldorf).
- 29. Juni - Johannes Feddersen stirbt mit 72 Jahren in Bredstedt.
- 24. Juni - Der Kieler Konsum eröffnet seine zweite neue Verteilungsstelle in der Lutherstraße Ecke Lüdemannstraße am Südfriedhof, später das Lokal "Zauberlehrling".
- 29. Juni-2. Juli - SPD Parteitag in Nürnberg. Andreas Gayk wird wieder in den Parteivorstand gewählt, Walter Damm wieder in die Kontrollkommission. Carl Storbeck wird als Geschäftsführer der "Konzentration GmbH" vorgestellt; er ist deswegen aus dem Bezirksvorstand ausgeschieden. Thematisch beschäftigt sich der Parteitag mit der zukünftigen Verfasstheit Deutschlands: "Die SPD bekennt sich zur politischen und staatsrechtlichen Einheit Deutschlands. Die Deutsche Republik wird ein Bundesstaat sein müssen, in dem sowohl die Einheitlichkeit der Regierungsgewalt als auch die Eigenständigkeit der Länder im Sinne einer gesunden Dezentralisation gewährleistet sein müsse. […] Die Verfassung dürfe keine Bestimmung über ein Notstandsrecht erhalten, die dem Parlament gestatte, sich der politischen Verantwortung zu entziehen. Ein Staatsgerichtshof, der ausschließlich für Verfassungsstreitigkeiten und Ministeranklagen zuständig sei, soll errichtet werden. Die unveränderlichen Ideen der Menschenwürde, der Freiheit und Gerechtigkeit, der Achtung vor der religiösen und der politischen Überzeugung des anderen, aber auch die Verpflichtung des einzelnen gegenüber der in einem Staat zusammengefaßten Lebensgemeinschaften müssen ein wesentlicher Bestandteil des staatlichen Lebens und der Verfassung sein. Der Krieg dürfe kein Mittel der Politik sein. Er sei daher in der Verfassung zu ächten."[1] Der Bezirksverband Schleswig-Holstein stellt einen Antrag zum modifizierten Mehrheits[wahl]recht, den Andreas Gayk einbringt.[2] Karl Albrecht und Anni Krahnstöver sind weitere schleswig-holsteinische Delegierte. Auch der fast achtzigjährige Rudolf Wissell nimmt teil und wird vor seiner Rede zur Sozialpolitik "mit Beifall besonders warm begrüsst".
Juli
- Wilhelm Teegen gibt den Vorsitz des OV Ahrensburg nach sechs Monaten an den Genossen Hartung ab.
- An der Falkenrepublik an der Hohwachter Bucht nehmen 2000 Falken teil.
- 2. Juli - Hans-Ulrich Wottge wird geboren.
- 6. Juli - Uschi Schuckenböhmer kommt in Tönning zur Welt.
- 22. Juli - Heinz Salomon wird in das Zentralkomitee der befreiten Juden in der britischen Zone gewählt.
- 25. Juli - Wolfgang Fuß kommt in Hilden/NRW zur Welt.
- 31. Juli - Der ehemalige Wohnort von Johannes Stelling, die Dahlwitzer Straße in Berlin-Köpenick, erhält den Namen Stellingdamm.
August
- Heinrich Christian Lienau fordert beim Sonderhilfsausschuss Flensburg eine Überprüfung aller bisherigen Anerkennungen von Verfolgten des Naziregimes, weil nach seiner Auffassung viele zu Unrecht erfolgt seien, und verlässt die VVN.
- Greta Burmester tritt während ihrer Ausbildung in Kiel in die SPD ein.
- 5. August - Joachim Köhler wird in Rheine geboren.
- 19. August - Dieter Heß kommt in Bad Oldesloe zur Welt.
- 26. August - Joachim von der Lieth stirbt mit 43 Jahren, verm. in Marienwohlde b. Mölln.
September
- Oberbürgermeister Andreas Gayk lässt erstmals nach dem Krieg wieder eine Kieler Woche als Friedensfest organisieren. Er sagte in diesem Rahmen: "Wer heute noch in Deutschland Friedensbetriebe wie die HOLMAG demontiert, der demontiert in Wahrheit die deutsche Demokratie. Ich bin vorbehaltslos für eine loyale Zusammenarbeit mit allen Instanzen der Militärregierung […] Wenn aber gegen die Lebensinteressen des deutschen Volkes verstoßen wird, da hat jeder Volksgenosse seine Mitwirkung zu versagen auf die Gefahr hin, daß er dafür zur Rechenschaft gezogen wird."[3]
- 1. September - Kurt Pohle gibt den Vorsitz des OV Schönberg an Heinrich Rehse ab, da er Schönberg verlässt.
- 1. September - Uwe Harder tritt in die SPD ein.
- 9. September - Richard Hansen kehrt aus dem Exil nach Kiel zurück.
- 9. September - Heinz Volkmann, später Bürgermeister von Groß Vollstedt, kommt zur Welt.
- 14. September - Der OV Travemünde richtet im Stadttheater eine Gedenkfeier für die Opfer des Faschismus aus und legt Kränze auf den Gräbern von als Juden ermordeten Travemündern nieder.
- 15.-20. September - Auf Initiative von Andreas Gayk findet die Kulturwoche "Septemberwoche - Kiel im Aufbau" statt.
- 20. September - Anemone Helbig wird geboren.
Oktober
- 1. Oktober - Marta Sakmirda wird Mitarbeiterin in der Landesgeschäftsstelle.
- 1. Oktober - Mit einer Verordnung delegiert die britische Militärregierung die Verantwortung für die Entnazifizierung in Schleswig-Holstein an den Landtag.
November
- Rudolf Katz erhält die deutsche Staatsbürgerschaft zurück.
- 1. November - Helmut Mikelskis kommt in Bad Hersfeld zur Welt.
- 6. November - Wilhelm Käber wird als Nachfolger von Ministerpräsident Hermann Lüdemann zum Landesinnenminister berufen, Walter Damm zum Minister für Umsiedlung und Aufbau.
- 8. November - Theodor Werner wird Parlamentarischer Vertreter des Landesministers für Arbeit, Wirtschaft und Verkehr im Landtag.
- 9. November - Uli Paproth kommt in Hannoversch Münden zur Welt.
- 9. November - Nachwahlen für den Landtag.
- 9. November - Der OV Holm gründet sich.
- 20. November - Rolf Schroedter kommt in Kiel zur Welt.
- 24. November - Karl Müller rückt für den verstorbenen Joachim von der Lieth in den Landtag nach.
- 29. November - Willi Steinhörster wird als Nachfolger von Wilhelm Käber einstimmig zum ehrenamtlichen Landrat des Kreises Steinburg gewählt.
Dezember
- 1. Dezember - Rudolf Katz wird zum Landesjustizminister berufen.
- 5. Dezember - Erich Ollenhauer, stellvertretender SPD-Vorsitzender, spricht im Kieler Gewerkschaftshaus.
- 14. Dezember - In Wedel wird der von den Nazis demolierte, dann versteckte und mittlerweile restaurierte Gedenkstein für Friedrich Ebert auf dem Rathausplatz wieder aufgestellt.
- 17. Dezember - Die Kieler Ratsversammlung benennt die Ritter-v.-Epp-Straße in Kiel-Dietrichsdorf in Verdieckstraße um, einen Abschnitt des Forstweges in Wilhelm-Spiegel-Weg. Die Fährstraße erhält den Namen Legienstraße zurück.
- 23. Dezember - Otto Gerlach kehrt aus der Gefangenschaft nach Kiel zurück.
Nicht datiert
- Alfred Ahrens wird zum hauptamtlichen Gemeindedirektor (später Bürgermeister) von Bosau gewählt.
- Friedrich Beermann und Jürgen Frenzel treten der SPD bei.
- Siegfried Berger übernimmt die Leitung einer - in den Augen der sowjetischen Militärregierung illegalen - sozialdemokratischen Gruppe in Radeberg (Sachsen).
- Hans Ekstrand übernimmt den Vorsitz des Kreisvereins Stormarn von Max Sommerfeld.
- Richard Grune veröffentlicht eine Mappe mit zehn Zeichnungen aus der KZ-Erfahrung, die Passion des XX. Jahrhunderts, die aber kaum Interesse findet.
- Friedrich 'Fiete' Hinz wird erster hauptamtlicher Geschäftsführer der als parteinaher Verein wiedergegründeten Arbeiterwohlfahrt in Kiel.
- Ida Hinz wird mit 40 weiteren Frauen aus den westlichen Besatzungszonen von einer dänischen Frauenorganisation zu völkerverbindenden Gesprächen eingeladen. Sie nutzt diese, um für Hilfsmaßnahmen für notleidende Kieler Kinder zu werben.
- Reinhard Hofer löst Willi Kohnert im Vorsitz des OV Neumühlen-Dietrichsdorf ab.
- Toni Jensen wird hauptamtliche Schul- und Kulturdezernentin in Kiel.
- Susanne Materleitner tritt als Feuilletonredakteurin in die Redaktion der VZ ein.
- Karl 'Jack' Meitmann und Louise Schroeder werden in den Parteivorstand gewählt.
- Otto Müller übernimmt den Vorsitz des OV Itzehoe und wird Ratsherr und stellvertretender Bürgervorsteher der Stadt.
- Rolf Rabusch schließt sich auf den Rat von Hermann Köster den Falken an.
- Ludwig Rönnfeldt übernimmt den Vorsitz des OV Holtsee.
- Louise Schroeder amtiert bis 1948 als Regierende Bürgermeisterin von Berlin.
- Die SPD hat in Schleswig-Holstein mehr als 90.000 Mitglieder.
- Durch die Kontrollratsdirektive Nr. 53 führen die Alliierten in den deutschen Ländern die achtjährige Einheitsschule ein. Die Direktive wird nicht umgesetzt.
- Die Freie Turnerschaft Eiche von 1901 wird wiedergegründet.
- Der OV Lindau gründet sich, vermutlich auch der OV Bredenbek, der bis dahin zum OV Schacht-Audorf gehörte.
- Der OV Bosau wird gegründet oder neu gegründet; über einen OV vor der NS-Herrschaft ist bisher nichts ermittelt, aber eine Traditionsfahne der USPD von 1919 hat überlebt.
- Der OV Einfeld wird von Christian Balzersen und anderen im Einfelder Bahnhof gegründet.
- In Nortorf wird nach einem Aufruf von Bürgermeister Wilhelm Techam der von den Nazis vergrabene Gedenkstein für Friedrich Ebert wieder ausgegraben und neben der alten Sporthalle der Freien Turnerschaft Nortorf in der Bargstedter Str. 29 aufgestellt.
Einzelnachweise
- ↑ Osterroth, Franz / Schuster, Dieter: Chronik der deutschen Sozialdemokratie. Band 1: Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1975. Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001
- ↑ Sozialistische Mitteilungen der London-Vertretung der SPD, No. 101/102, Juli-August 1947, S. 14
- ↑ zitiert nach: Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 130