Karl Ratz

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Karl Ratz
Karl Ratz
Karl Ratz
Geboren: 9. Juli 1897
Gestorben: 30. September 1961

Karl Eduard Heinrich Ratz, * 9. Juli 1897 in Kiel, † 30. September 1961 in Kiel; Schriftsetzer, Verlagsleiter, MdL. Mitglied der SPD seit 1915.

Leben & Beruf

Carl[1] Ratz stammte aus einer sozialdemokratischen Familie. Schon sein Vater und wohl auch sein Großvater, beide mit Namen Carl Ratz, waren aktive Genossen. 1930 wohnte der Pensionär Carl Ratz im Haus der VZ an der Muhliusstraße 41; einer seiner Nachbarn dort war Theodor Werner.[2]

Nach der Volksschule machte Karl Ratz eine Schriftsetzerlehre und arbeitete anschließend als kaufmännischer Angestellter bei seiner Lehrfirma. Er besuchte die Kunst- und Handwerkerschule und bildete sich über Kurse der Volkshochschule und als Gasthörer an der Universität weiter.

1916/17 musste er als Soldat im 1. Weltkrieg kämpfen.

Das Grab von Karl Ratz auf dem Alten Urnenfriedhof in Kiel

1918 konnte er als Kalkulator bei der Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung (VZ) anfangen und arbeitete dort ab 1929 bis zur Beschlagnahme des Betriebes 1933 als Drucksachen-Kalkulator. Zwischen 1933 und 1935 wurde er mehrfach verhaftet, in "Schutzhaft" genommen und saß wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" insgesamt 15 Monate im Gefängnis. Danach schlug er sich als Schrift- und Maschinensetzer, kaufm. Angestellter und Handelsvertreter in Kiel durch, bis er 1939 wieder verhaftet wurde und bis 1941 erneut "Schutzhaft"in den KZ Sachsenhausen und Neuengamme erlitt. Ab 1941 arbeitete er wieder als kaufm. Angestellter. Von Januar bis Mai 1945 versteckte ihn Paul Heinrich in Bordesholm vor der Gestapo.[3]

Bald nach Ende der NS-Herrschaft wurde er im August 1945 Druckereigeschäftsführer, ab April 1946 Lizenzträger und Verlagsleiter der wieder erscheinenden VZ.

Er war verheiratet und hatte mindestens einen Sohn, Erwin Ratz, der später ebenfalls im Kreisverband Kiel kommunalpolitisch aktiv war.

Partei & Politik

1912 schloss sich Karl Ratz der Sozialistischen Arbeiterjugend an, 1915 der SPD. Von 1925 bis zur Auflösung der Partei im Juni 1933 war er Vorsitzender des Distrikts Kiel-Süd der SPD, gleichzeitig Schriftführer im Sozialdemokratischen Verein Groß-Kiel.

Zwischen 1926 und 1928 war er Landesvorsitzender der Arbeiterjugend Schleswig-Holsteins. Hier arbeitete er unter anderen mit Wilhelm Kuklinski und Andreas Gayk zusammen und kannte auch Bruno Diekmann.

Nach dem Ende der NS-Herrschaft vertrat er am 6./7. Oktober 1945 gemeinsam mit Wilhelm Kuklinski und Richard Schenck den Bezirk Schleswig-Holstein auf der Konferenz von Wennigsen, die die Neugründung der SPD auf Reichsebene einleitete.[4] Im selben Jahr übernahm er den Vorsitz des neu gegründeten Kreisverbandes Kiel, den er bis zu seinem Rückzug aus Gesundheitsgründen im Jahr 1958 behielt. Von 1945 bis mindestens 1949 gehörte er auch dem Bezirksvorstand der SPD an. Zunächst war er als Bezirkskassierer vorgesehen, gab dieses Amt aber zur "innoffiziellen" Bezirkskonferenz am 28. Oktober 1945 an Carl Storbeck ab, wohl weil er gleichzeitig mit dem Aufbau des Kieler Kreisvereins beschäftigt war.[5]

Kommunalpolitik

1928 wurde er zum Kieler Stadtverordneten gewählt, verlor das Amt durch die NS-Herrschaft und wurde von den Nazis aufgrund seiner politischen Überzeugungen verfolgt.

In den Wahlperioden 1945 bis 1948 und 1951 bis 1958 war er Ratsmitglied und zeitweise Stadtrat in seiner Heimatstadt.

Landtag

Auf Landesebene gehörte er dem 2. ernannten Landtag (1946-1947) an und wurde in der Landtagswahl 1947 für den Wahlkreis 15 (Kiel I-Förde), in der Landtagswahl 1950 über die Landesliste und in der Landtagswahl 1954 für den Wahlkreis 24 (Kiel-Nord) zum MdL gewählt. Von 1946 bis 1954 amtierte er als Landtagspräsident, anschließend bis 1958 als 1. Landtagsvizepräsident. Zur Landtagswahl 1958 trat er aus Gesundheitsgründen nicht mehr an.

In seiner Zeit als MdL war er Vorsitzender des beratenden Presseausschusses des Landes Schleswig-Holstein und - bis zu dessen Auflösung - Mitglied des Zonenpresserates.

Vom 8. Mai bis 28. September 1951 war Karl Ratz' Amtsführung Gegenstand eines Untersuchungsausschusses, nachdem in den Blättern DIE WELT[6] und DER SPIEGEL[7] sowie in anonymen Schreiben teilweise persönlich beleidigende Vorwürfe erhoben worden waren. Im Abschlussbericht beantragte der Ausschuss, nachdem auf die Vorwürfe im einzelnen eingegangen worden war, folgenden Beschluss:

"Zu den gegen den Landtagspräsidenten Ratz in einem Artikel der Zeitung "DIE WELT" vom 22. Januar 1951 und darauf in 8 anonymen Schreiben erhobenen 8 Vorwürfen wird festgestellt:

Im ganzen:

Landtagspräsident Ratz hat hingesehen auf diese Vorwürfe weder das Ansehen seiner Stellung, noch das des Landtages, noch das der Demokratie beeinträchtigt."[8]

Zu den einzelnen Vorwürfen stellte der Ausschuss fest, der Landtagspräsident habe in einem Fall "unvorsichtig" gehandelt, in zwei weiteren Fällen "Anlass zu Bedenken" gegeben, aber in keinem Fall vorsätzlich gehandelt oder Schäden zum Nachteil des Landes oder des Amtes verursacht. Zu weiteren Vorwürfen ließ sich ermitteln, dass sie nicht wie dargestellt bzw. überhaupt nicht stattgefunden hatten. Abschließend stellte der Ausschuss die Frage, ob der "Untersuchungsauftrag auch auf die Nachforschung nach den Urhebern der Vorwürfe erstreckt werden" solle.[9] Darauf scheint man verzichtet zu haben.

Die vom SPIEGEL ebenfalls berichtete Vorgeschichte läßt die Vermutung zu, dass Karl Ratz durch diese unschöne Intrige den Weg freimachen sollte für einen der neuen bürgerlichen Regierung genehmeren Landtagspräsidenten. Dass seine Amtsführung Anlass zur Kritik bot, darf angenommen werden - aber vermutlich nicht mehr als die anderer in vergleichbaren Ämtern. Das Vorgehen der Gegenseite wird dadurch nicht gerechtfertigt und ja vom Ausschuss, in dem die neuen Regierungsparteien die Mehrheit hatten, nicht unterstützt.

Stimmen

"Herr Ratz (SPD), the Landtag's President, has performed his duty as Chairman of the Assembly conscientiously, efficiently and with scrupulous impartiality. He ensured that all speakers were given a fair hearing and maintained good order at all the Landtag sessions even during periods when the debate became very heated and his own Party was responsible for disturbances and interruptions of the speaker."[10]

("Der Landtagspräsident Herr Ratz (SPD) hat seine Pflichten als Vorsitzender der Versammlung bisher gewissenhaft, effizient und höchst unparteilich erfüllt. Er sorgte dafür, dass alle Redner die Aufmerksamkeit erhielten, die ihnen zustand, und hielt in allen Landtagssitzungen gute Ordnung, selbst zu Zeiten hitziger Debatten und wenn seine eigene Partei für Störungen und Unterbrechungen des Redners verantwortlich war." - Übersetzung Benutzer:Skw)

Literatur & Links

  • Martens, Holger: Die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Schleswig-Holstein 1945 bis 1959 (Malente 1998)
  • Landtagsinformationssystem: Karl Ratz
  • Wikipedia: Karl Ratz

Einzelnachweise

  1. Schreibweise gemäß Stadtarchiv Kiel: Geburtsurkunde Nr. 1736, Standesamt Kiel I, Geburten 1897-1898
  2. Lt. Kieler Adressbuch 1930.
  3. Vgl. Siegfried, Detlef: Zwischen Einheitspartei und Bruderkampf - SPD und KPD in Schleswig-Holstein 1945/46 (Kiel 1992), S. ?
  4. Wikipedia: Wennigser Konferenz, abgerufen 28.8.2023
  5. Martens, Holger: Die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Schleswig-Holstein 1945 - 1959 (Malente 1998), ISBN 3-933862-24-8, S. 61
  6. DIE WELT, 22.1.1951
  7. Paule und Kalli, DER SPIEGEL, 21.3.1951
  8. Landtagsvorlage Nr. 96/4, S. 298
  9. Landtagsvorlage Nr. 96/4, S. 301
  10. CCG monthly reports 1946-1948, Monthly report No. 4 for April 1947, zit. in: Seggern, Jessica von: Alte und neue Demokraten in Schleswig-Holstein: Demokratisierung und Neubildung einer politischen Elite auf Kreis- und Landesebene 1945 bis 1950 (Stuttgart 2005), S. 145