Landtagswahl 1950

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Alle gegen die SPD: Plakat des "Deutschen Wahlblocks"

Die Landtagswahl 1950 fand am 9. Juli 1950 statt. Sie endete mit einer schweren Niederlage der SPD mit einem Minus von 16,3 %-Punkten. Die SPD blieb zwar mit 27,5 % die stärkste Kraft im Landtag, konnte aber keine Koalition bilden.

Ministerpräsident wurde nach einigem Hin und Her Walter Bartram (CDU) in einer Koalition aus Gesamtdeutschem Block - CDU, FDP und Deutsche Partei (DP) - und dem Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE). Für die SPD begann eine Zeit in der Opposition, die 38 Jahre dauern sollte. Die neue Landtagsmehrheit beendete die Bodenreform und kehrte zur vierjährigen Grundschule zurück.

Die SPD hatte ein umfangreiches Wahlprogramm, das Schleswig-Holsteinische Manifest, vorgelegt, das aber von den Wahlberechtigten nicht honoriert wurde.

Wahlrechtsänderung

Fünf Monate vor der Wahl wurde das Wahlrecht geändert. Das alte Wahlrecht war stärker am Mehrheitswahlrecht nach britischem Vorbild orientiert gewesen. Davon hatte die SPD bei der Landtagswahl 1947 profitiert. Bei der Kommunalwahl 1948 und der Bundestagswahl 1949 allerdings hatte es der CDU Vorteile gebracht. Deswegen wurden jetzt die Elemente des Verhältniswahlrechts gestärkt, was aber auch zu einer Abschwächung dieses Effekts für die SPD führte.

Auch um die Zuschnitte der Wahlkreise gab es Ärger. In seinen Berichten an die britische Militärregierung schreibt Kreis-Resident-Officer in Norderdithmarschen, Sir Ronald Sinclair:

"Die Wahlbezirke 10 bis 13, aus denen Dithmarschen besteht, teilen Norderdithmarschen in drei Teile: Nr. 10 besteht aus Eiderstedt und einem großen Teil der Norderdithmarscher Marsch. Nr. 11 umfaßt das Gebiet um Heide, den Nordosten des Kreises und einen großen Teil von Schleswig. Wahlkreis Nr. 12 besteht aus Meldorf mit den Gebieten um Wrohm und Büsum. Wer auch immer der erfolgreiche Kandidat in den Gebieten 10 bis 12 sein wird, repräsentiert unmöglich das Wahlvolk in genau diesen Gebieten. So werden jetzt die Kandidaten als Vertreter einer politischen Partei gewählt und nicht als Repräsentanten ihrer Region im Landtag. Alle Vertreter der Öffentlichkeit sind fassungslos. Wer auch immer für diese Regelung verantwortlich war, wollte bezüglich einer SPD-Mehrheit sichergehen. Aber ich glaube, daß durch Öffentlichkeit und Presse ein einziger Aufschrei gehen wird, was der SPD sehr zum Nachteil gereichen wird. Ich höre, daß alle Parteien hier in der Region unzufrieden sind."[1]

Außerdem wurde die Dauer der Wahlperiode durch die Landessatzung von drei auf vier Jahre verlängert.

'Möwenhaus'-Affäre

Als weiterer Faktor wurde die Affäre um das "Möwenhaus" gesehen - dabei handelte es sich um ein schlichtes Gästehaus der Landesregierung, dass in der Öffentlichkeit als verschwenderischer Luxus dargestellt wurde. Die Affäre wirkte sich bereits negativ auf das Ergebnis der Bundestagswahl 1949 aus und führte zur Ablösung von Hermann Lüdemann durch Bruno Diekmann. Der SPIEGEL zitierte die Schleswig-Holsteinische Volkszeitung:

"Am Morgen nach der Wahl gab Lüdemanns Regierungsorgan die SPD-Wahlniederlage offen zu. Mit Hieb auf die Wähler: 'Man schämt sich beinahe, zu denken, daß in einer Wahl, die um das Schicksal Deutschlands ging, eine Angelegenheit, wie das Möwenhaus eine derartige Rolle spielen konnte. Nur muß eine Regierung, die sich in einer so schwierigen Lage befindet, Ungeschicklichkeiten besonders eifrig und sorgfältig vermeiden.'"[2]

Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss konnte jedoch ein Fehlverhalten des Ministerpräsidenten weder in finanzieller Hinsicht noch in der Beauftragung eines - entsprechend qualifizierten - Familienmitgliedes erkennen.

Hauptangreifer der aus der Wahlblock aus CDU, FDP, Deutscher Partei (DP) und der Flüchtlingspartei, dem Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE).

Ergebnis

Die 27,5 % der SPD waren bis 2016, als die SPD in Berlin 21,9 % erzielte, das schlechteste Ergebnis, das einer Partei bei einer überregionalen Wahl in der Geschichte der BRD ausreichte, um stärkste Kraft zu werden. Die meisten Stimmen dürften an den GB/BHE verloren gegangen sein.

Prozent Änderung Sitze
SPD 27,5 % -16,3 19
CDU 19,8 % -14,3 16
FDP 7,1 % +2,1 8
DP 9,6 % +9,6 7
SSW 5,5 % +5,5 4
GB/BHE 23,4 % +23,4 15
Sonstige 7,3

Wahlbeteiligung: 78,2 %

  • SSW = Südschleswigscher Wählerverband
  • DP = Deutsche Partei
  • GB/BHE = Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten

Die Schleswig-Holsteinische Volkszeitung erklärte den Wahlausgang damit, dass der "Bankrott der Bundesrepublik in der Flüchtlingsfrage auf der sozialdemokratischen Bewegung und Regierung von Schleswig- Holstein gelastet habe. Auch ihnen ist es nicht gelungen, die Heimatvertriebenen davon zu überzeugen, daß ihre Sache am besten in den Händen der Sozialdemokratie ruht. Die Sozialdemokratie konnte die Heimatvertriebenen vorläufig nicht in ihrer eigenen sozialen Bewegung mitreißen. Es war zu wenig, was, auf sich selbst gestellt, die Regierung von Schleswig-Holstein tun konnte, um das Dasein der Flüchtlinge von Grund auf zu ändern. Jede Regierung in der Bundesrepublik ist zu einem großen Teil nur die Vollstreckerin der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Bundesrepublik. Eben weil die Bundesrepublik es der sozialdemokratischen Regierung von Schleswig-Holstein nicht ermöglichte, das letzte für die Flüchtlinge zu tun, haben die Flüchtlinge nicht auf die sozialdemokratische Parole gehört. In Wahrheit ist der Aufruhr der Flüchtlinge in Schleswig-Holstein - eine Revolte gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung."[3]

Der Bezirksvorstand der SPD erklärte nach der Wahl: "Der ruhende Pol in der Erscheinung Flucht bleibt die Sozialdemokratie. Die Sozialdemokratie hat in Schleswig-Holstein drei Jahre lang unter den ungünstigsten Voraussetzungen regiert. Die Sozialdemokratie ist trotz des Prestigeverlustes, der damit verbunden sein mußte, die ‚stärkste Partei in Schleswig-Holstein geblieben. Die Zeche des 9. Juli hat der Wahlblock bezahlen müssen. Der Stamm der Sozialdemokraten ist kernfest und gesund […] Die Sozialdemokratie hat sich das Vertrauen großer Wählerschichten erhalten. Gestützt auf dieses Vertrauen wird sie den Kampf gegen die drei großen Landplagen in Schleswig-Holstein, gegen Flüchtlingsnot, Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot wieder aufnehmen, Gestützt auf dieses Vertrauen wird sie der Politik in Schleswig-Holstein ihren Stempel aufdrücken. Ob in der Regierung oder in der Opposition, das ist eine untergeordnete Frage."[3]

Trotz der schweren Niederlage trat der bisherige SPD-Ministerpräsident Bruno Diekmann nicht zurück. Da die Amtszeit des Ministerpräsidenten in Schleswig-Holstein bis 1990 zeitlich nicht beschränkt war, konnte der Ministerpräsident nur mit einem konstruktiven Misstrauensvotum gegen seinen Willen aus dem Amt entfernt werden. Über die dafür notwendige absolute Mehrheit verfügten CDU, FDP und DP aber nicht. So scheiterte in der konstituierenden Sitzung des neuen Landtags am 7. August der Versuch, Paul Pagel (CDU) zum Ministerpräsidenten zu wählen. Der BHE lehnte Paul Pagel ab, war aber zu einer Koalition mit dem Deutschen Wahlblock unter Führung eines anderen Ministerpräsidenten bereit. CDU, FDP, DP und BHE einigten sich auf Walter Bartram (CDU), der am 5. September 1950 durch ein zweites konstruktives Misstrauensvotum mit 44 gegen 19 Stimmen bei 4 Enthaltungen des SSW zum Ministerpräsidenten gewählt wurde.

Die neue Regierung stoppte die Bodenreform und machte die Schulreformen rückgängig: Die Sechsjährige Grundschule wurde wieder abgeschafft, das Schulgeld wieder eingeführt und die Lehrmittelfreiheit auf Bedürftige begrenzt. (Später hat sie das Schulgeld doch wieder abgeschafft). Außerdem entließ die Regierung einige Landesbeamte mit SPD-Parteibuch.[4]

Einzelergebnisse

Paul Preuß, Reinhold Rehs, Hans Stade und Heinrich Wilckens wurden neu in den Landtag gewählt.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. zitiert nach: Rehn, Marie-Elisabeth "Enclosed please find monthly report..." : Die Lageberichte Sir Ronald Sinclairs aus Heide von 1948 bis 1951, Teil 3 Dithmarschen 1991, 2, S. 46
  2. Möwenhaus-Wellen - Über den Wellen Ohrenschall, DER SPIEGEL, 18.8.1949
  3. 3,0 3,1 zitiert nach: Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 135
  4. Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 136