Landtagswahl 1983
Die Landtagswahl 1983 fand am 13. März statt. Die SPD legte 2 Prozentpunkte zu, konnte die absolute Mehrheit der CDU aber nicht brechen.
Die FDP fiel auf 2,2% und verfehlte den Einzug in den Landtag. Auch die Grünen scheiterten mit 3,6%. Uwe Barschel wurde wieder zum Ministerpräsidenten gewählt. Der 43-jährige SPD-Spitzenkandidat Björn Engholm gab sein Bundestagsmandat auf und blieb als Oppositionsführer in Schleswig-Holstein. Die ZEIT sagte voraus:
- "Der ehemalige Bundesminister Björn Engholm kann sogar zum neuen Typ eines sozialdemokratischen Politikers aufsteigen, der eines fernen Tages auch höheren Ortes als Herausforderer gerufen wird. Das Zeug dazu hätte er, verschaffte er sich Sachkompetenz nun gleichfalls auf den Gefilden der Landespolitik."[1]
Ausgangslage
Die Landtagswahl 1979 hatte die SPD knapp verloren. 1982 war Ministerpräsident Gerhard Stoltenberg (CDU) in die neue CDU-/FDP-Bundesregierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl eingetreten, nachdem die FDP die Koalition mit der SPD unter Bundeskanzler Helmut Schmidt aufgekündigt hatte. In Schleswig-Holstein war Uwe Barschel (CDU) Ministerpräsident geworden und trat auch als CDU-Spitzenkandidat für die Wahl 1983 an.
Aus Protest gegen den Atomkurs der Bundesregierung von Helmut Schmidt trat Klaus Matthiesen nicht wieder als Spitzenkandidat an. Seither war der Bundesbildungsminister Björn Engholm im Gespräch für diese Position. Kritisch wurde gesehen, dass Björn Engholm als Minister in die Kabinettsdisziplin von Bundeskanzler Helmut Schmidt eingebunden war. Dessen Atomkraft-Politik statt jedoch konträr zur ablehnenden Haltung der SPD in Schleswig-Holstein.[2] Der Landesvorsitzende Günther Jansen wollte eine eigene Spitzenkandidatur 1981 nicht kategorisch ausschließen:
"Ich werde mich in der Politik davor hüten, Kapitel völlig abzuschließen oder 'nie' zu sagen. Dennoch braucht man über meine politische Zukunft nicht zu spekulieren. Ich werde für den Landesvorsitz wieder kandidieren und fühle mich in der Rolle des Landesvorsitzenden sehr wohl. Da es nach meinem Selbstverständnis keine Personalunion von Spitzenkandidatur und Parteiführung geben sollte, beantwortet sich diese Frage von selbst."[2]
Nach dem Bruch der sozial-liberalen Koalition im Bund war Björn Engholm nur noch Bundestagsabgeordneter für Lübeck und in der Opposition. Er bewarb sich als Spitzenkandidat in Schleswig-Holstein. Für sein Schattenkabinett benannte er erstmals ein paritätisch besetztes Team aus vier Männern und vier Frauen[3], unter ihnen
- Sophie Behr - freie Journalistin, tätig für den SPIEGEL, Rundfunksender und feministische Presse, in Schleswig-Holstein aufgewachsen
- Ursula Engelen-Kefer - Arbeitsmarktexpertin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)
- Frank Haenschke - renommierter Chemie-Professor aus Aalen
- Berndt Heydemann - bekannter Zoologie-Professor aus Kiel, der nach der Landtagswahl 1988 tatsächlich Umweltminister wurde
Björn Engholm wollte erstmals ein Umweltministerium einrichten. Der SPIEGEL schrieb: "Mit grünen Themen und grünen Kandidaten will Sozialdemokrat Engholm die Landtagswahl in Kiel gewinnen."[4]
- "'Wir müssen neue Wege finden, die Bürger anzusprechen und unsere Politik bewußt zu machen', weiß auch Björn Engholm, Spitzenkandidat der schleswig-holsteinischen SPD für die Landtagswahlen am 13. März. Wie das geschehen könnte, weiß Engholm allerdings nicht. Nur: 'Werbeagenturen können uns da kaum helfen.' Gelegentlich fordert er Genossen vor Ort auf, sich 'was einfallen zu lassen' - zum Beispiel 'einen Abend für junge Menschen, auf dem gemeinsam alte sozialistische Lieder gesungen werden'. Das ist schließlich auch viel billiger."[5]
Zum ersten Mal sprach die SPD das Wahlvolk auch mit einem plattdeutschen Wahlprogramm an.
- "Björn Engholm, der Mann mit Pfeife, hatte die lange erprobten Flügelkämpfer in der Partei auf Vordermann gebracht. Er war zu den Bürgern auf Tuchfühlung gegangen, hatte auf sie nicht vom hohen Podium aus eingeredet, sondern am Tisch, Stuhl an Stuhl, mit ihnen geredet, hatte ihnen nicht das Blaue vom Himmel versprochen – weder den arbeitslosen Jugendlichen noch den um ihre Zukunft bangenden Werftarbeitern. Ohne Schminke hatte er ihnen bekannt: Er wisse auf schwierige Fragen auch keine leichten Antworten, könne für komplizierte Probleme auch nur komplizierte Lösungen anbieten (bei der Arbeitsplatzbeschaffung, der Auseinandersetzung zwischen Ökologie und Ökonomie, zwischen Naturschützern und Gewerkschaftern)."[6]
Die schleswig-holsteinische FDP folgte nicht dem Kurs ihrer Bundespartei - ihr Vorsitzender Uwe Ronneburger stand auch für eine Koalition mit der SPD weiterhin bereit.[7]
Die Grünen hatten erst kurz vor der Wahl geschafft, die konservativ ausgerichteten Grünen Liste Schleswig-Holstein (GLSH) mit den linken, alternativen Grünen zu einer Partei zu vereinen. Sie ärgerten sich über das Öko-Programm der SPD und vermuteten, dass es die Grünen "klein halten" solle.[8] Dabei stellte dieses Programm auch ein Risiko dar:
- "Jeder Wähler hat nur eine Stimme, mit der er 44 Direktbewerber bestimmt und zugleich über die Verteilung der insgesamt 74 Landtagssitze entscheidet. Nun kann eine Partei mehr Landtagsmandate direkt gewinnen, als ihr nach dem relativen Stimmenanteil landesweit zustehen. Das führt womöglich zu der in Länderparlamenten einmaligen kuriosen Situation, daß eine Partei mit nur 47 Prozent der Stimmen eine absolute Mehrheit erreicht und die anderen im Landtag vertretenen Parteien, die zusammen 53 Prozent der Stimmen haben, in der Opposition verbleiben. Denkbar also, wenn sich SPD und Grüne um die gleichen Wähler streiten, daß die CDU 40 Wahlkreise, teilweise mit hauchdünner Mehrheit, direkt erobert. Statt 36 Mandaten, die 47 Prozent Stimmenanteil entsprechen, bekäme sie 40 Direktmandate und könnte auch ohne Wählermehrheit mit absoluter Mehrheit weiterregieren."[9]
Eine Woche vor der Landtagswahl fand die Bundestagswahl statt. Die SPD fürchtete das Desinteresse der Wählerinnen und Wähler und verteilte deswegen Aufkleber: "Nehmen Sie bitte die Landtagswahl am 13. März nicht weniger ernst als die Bundestagswahl am 6. März"[10] Die CDU erzielte bei der Bundestagswahl unter Helmut Kohl eines ihrer absolut besten Wahlergebnisse. Die SPD verlor fast 5 Prozentpunkte. Die FDP fiel von 10,6% auf 7%. Die Aussichten für die Landes-SPD waren schlecht.
- "'Wer grün wählt, sieht später schwarz', hatte schon 1979 der damalige SPD-Bewerber Klaus Matthiesen gewarnt, umsonst: Knapp 1200 Stimmen hatten ihm damals gefehlt, um Gerhard Stoltenberg auf die Oppositionsbank zu schicken. Vier Jahre später, ohne den FDP-Partner und mit der 'konservativen Grundstimmung' (Engholm), stehen die Sozialdemokraten allein im Regen. Selbst wenn die Liberalen noch einmal gerade über die Hürde setzen könnten, benötigte die SPD mindestens acht Direktwahlkreise, um eine rechnerische Stimmenmehrheit auch in eine Mandatsmehrheit ummünzen zu können – ein schier aussichtsloses Unterfangen. Viele, auch Wahlmatadore und Stammwähler der SPD, sehen schwarz für Kiel, sehen Uwe Barschel weiter in Kiel."[11]
Die SPD wurde im Wahlkampf u.a. durch die Sozialdemokratische Wählerinitiative Schleswig-Holstein durch einen durch ein Flugblatt verbreiteten Wahlaufruf unterstützt. Die Unterzeichner des Wahlaufrufs waren zu einem erheblichen Teil gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer.
Rechenschaftsbericht 1981-1983
- "In Organisatorischer Hinsicht wurde die Landtagswahl durch Bereisungen des Wahlkampfleiters Gerd Walter sowie des Landesgeschäftsführers in allen Kreisverbänden vorbereitet. Insbesondere wurde für das Konzept einer Zeitung am Sonntag geworben, das neu gestaltet werden sollte. Durch die Solidarität der Kreisverbände war es möglich, eine neuartige Zeitung, die großen Anklang fand, im Landtags. und dann auch Bundestagswahlkampf 1983 einzusetzen. Der Wahlkampf von Einsatz der Mittel her auf Sparsamkeit und Beschränkung auf wenige aussagekräftige Materialien ausgerichtet. Die Verhandlungen um ein sogenanntes Fairneß-Abkommen zur Wahlkampfbegrenzung waren an der CDU gescheitert, da diese nicht bereit war, finanzielle Obergrenzen, zum Beispiel für die kommerzielle Plakatierung, für Zeitungsanzeigen oder in bezug auf die Rundfunk- und Fernsehwerbung zu setzen. Der Wahlkampf war auf den Spitzenkandidaten Björn Engholm zugeschnitten und auf der Grundlage unseres im Oktober verabschiedeten Programmes aufgebaut mit dem Bemphen, bürgernah zu sein. Ausdruck dieser Wahlkampfart waren die "Bürgerempfänge", die mit Björn Engholm in allen Landtagswahlkreisen durchgeführt wurden, in denen Abstand genommen wurde von großen Referaten, in denen das direkte Gespräch gesucht wurde.
- Neben Plakaten, auf für Großflächen, Kandidatenbriefen, dem Landtagswahlprogramm in großer Auflage wurde auch noch eine Plattdeutsche Version aufgelegt, die große Zustimmung fand. Nachdem feststand, daß am 6. März eine Bundestagswahl stattfinden sollte, mußten besondere Anstrengungen auf die "letzte Woche" gelegt werden. Hier wurde versucht, mit Großveranstaltungen, mit "Bundes- und Landesprominenz" noch einmal alle Wählerinnen und Wähler für die Stimmabgabe für die SPD am 13. März zu mobilisieren. Um auf das Ergebnis vom 6. März reagieren zu können, wurde noch in der Nach vom Sonntag auf Montag ein neues Plakat gedruckt, das die Botschaft für die letzte Woche enthielt: Bevor alles schwarz wird! Zusätzlich sollten zwei Ausgaben der ZaS in der Woche (ZaS-Extra) für unsere Partei werben. dabei wurde erstmals der Versuch gemacht, regionale Wechselseiten für die Kandidatinnen und Kandidaten anzubieten, so daß wir in der Nacht eine Zeitung in einer Auflage von 600.000 mit 35 verschiedenen "Seite 1" produzieren konnten.
- Die Anzeigenschaltung beschränkte sich aufgrund der engen Finanzspielräume nach dem Motto "Lieber klotzen statt kleckern" auf die letzten drei Tage und versuchten dabei, die entscheidenden "Wahlbotschaften" an den Mann, an die Frau zu bringen. Wir hatten bewußt auf einen Wahlkampfslogan verzichtet und dafür ein "Leitmotiv" gewählt: Stell' Dir vor, es gibt eine Regierung, die hört Dir zu. Diese Aussage kann auch Grundlage unserer Partei- und Parlamentsarbeit bleiben.
- Mit einem Ergebnis von 43,7 Prozent erzielt die SPD am 13. März ihre bestes Ergebnis der Nachkriegsgeschichte. Als Erfolg des politischen Profils der Landespartei muß es dabei auch bewertet werden, daß die Grünen innerhalb einer Woche vom 6. März auf den 13. März 31.000 Stimmen verloren und nicht in den Landtag einzogen. Die Sozialdemokraten konnten die Zahl ihrer Mandate um zwei auf nunmehr 34 erhöhen.
- Bei einer Analyse der Wählerschaft fällt der hohe Zuspruch für die SPD bei den Jungwählern sowie in der Altersgruppe der der (sic) 25- bis 34-jährigen auf, insbesondere den Frauen in diesen Gruppen, wo Werte von über 53 Prozent erreicht wurden."
Nominierung & Regierungsprogramm
Die Diskussion über das Wahlprogramm 1983-1987 und die Aufstellung der Liste fanden auf dem außerordentlichen Landesparteitag im Oktober 1982 statt.
Björn Engholm wurde mit über 96% zum Spitzenkandidaten nominiert. Auf der Landesliste waren unter den ersten sechs Plätzen drei Frauen. Allerdings waren das auch die einzigen drei Frauen auf den ersten 28 Plätzen.
Ergebnis
Prozent | Änderung | Sitze | |
---|---|---|---|
SPD | 43,7 % | +2 | 34 |
CDU | 49,0 % | +0,7 | 39 |
SSW | 1,3 % | -0,1 | 1 |
Sonstige | 6,0 % |
Wahlbeteiligung: 84,8 %
- SSW = Südschleswigscher Wählerverband, der von der 5%-Klausel befreit war.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Dietrich Strothmann: Schleswig-Holstein: Im Kielwasser, DIE ZEIT, 18.3.1983
- ↑ 2,0 2,1 Kleine Schritte und großer Optimismus - Portrait des Landesvorsitzenden Günther Jansen, in: WIR, 4/1981, Seite 6f.
- ↑ Quer zum Kurs, DER SPIEGEL, 7.3.1983
- ↑ Quer zum Kurs, DER SPIEGEL, 7.3.1983
- ↑ Wahl-Werbung: Beängstigend dümmlich, DER SPIEGEL, 7.2.1983
- ↑ Dietrich Strothmann: Wahl in Schleswig-Holstein: In Kiel sehen viele schwarz, DIE ZEIT, 11.3.1983
- ↑ Quer zum Kurs, DER SPIEGEL, 7.3.1983
- ↑ Quer zum Kurs, DER SPIEGEL, 7.3.1983
- ↑ Quer zum Kurs, DER SPIEGEL, 7.3.1983
- ↑ Plakatsammlung des Archivs der Sozialen Demokratie, Signatur 6/PLKA020051
- ↑ Dietrich Strothmann: Wahl in Schleswig-Holstein: In Kiel sehen viele schwarz, DIE ZEIT, 11.3.1983