Hermann Thurow-Nievergelt
Hermann Thurow-Nievergelt |
Hermann Joachim Thurow-Nievergelt, * 18. Februar 1867 in Glasshagen (Pommern), † 3. August 1933 in Freidorf bei Basel, Schweiz; Malergeselle, Autor und Bildungspolitiker. Mitglied der SPD.
Leben & Beruf
Hermann Joachim Thurow (das "Nievergelt" ist der Ehename) wurde in einem Dorf in der Nähe von Kiel" an</ref> als zweites Kind der Kätnersleute Friedrich Thurow und Catharine geb. Vollrath geboren. Er wuchs in Rumohr bei Kiel auf. Es lässt sich vermuten, dass die Familie auf der Suche nach besseren Arbeitsmöglichkeiten im Gefolge der Erhebung Kiels zum Marinehafen nach Schleswig-Holstein zog. Der Sohn "mußte schon früh zur Ernährung der Familie mit beitragen"[1] und fand früh den Weg zur Arbeiterbewegung. Er und seine Familie gehörten den Falken an.
Eine Lehre auf den Werften hat er abgebrochen [2], machte dann in Laboe eine Malerlehre.
"Seine Freunde erzählen von ihm, daß er in der Heimat wie ein Wüstenheiliger gelebt habe und mit einem Honorar von 10-20 Mark sich für Wochen finanziert sah."[3]
Im 1918 erschienenen Roman Jochen Bünz erzählt er in Romanform die Geschichte seiner Kindheit und Jugend.[4]
Der Mangel an Jahreszahlen macht es schwer, Hermann Thurows weiterem Leben zu folgen. Seine Wanderjahre als Geselle dürften Ende der 1880er Jahre begonnen haben. Sie führten ihn durch Deutschland, Frankreich und die Schweiz. Wann er an der "Proletarierkrankheit"[5] Schwindsucht erkrankte, ist bisher nicht klar, möglicherweise hat er sich bei seinem Vater angesteckt, der daran verstarb. Der Umstand, dass die Schleswig-Holsteinische Volkszeitung Ende der 1890er Jahre seine ersten Gedichte druckte[6], legt jedoch nahe, dass er zunächst nach Kiel zurückkehrte und sich hier (wieder) in SPD und Arbeiterjugend engagierte.
Linderung für seine Krankheit suchte er zunächst in Davos, dann "in Ägypten, wo er sein Leben als Schreiber am internationalen Gerichtshof in Kairo fristete"[7]. Nach dem insgesamt deutlich romantischer formulierten Lebensabriss von Mühle "schlug er sich dann schlecht und recht als Herbergsvater und Schreiberlein durch"[8]. Berta betrieb dort während des gemeinsamen Aufenthalts eine Gaststätte.
1913 kehrte er nach Europa zurück und wurde vom Verband Schweizerischer Konsumvereine in Basel angestellt; dort war er bis mindestens 1932 tätig.[9] In den Baseler Telefonbüchern ist er von 1915 bis 1917 gelistet als "Thurow-Nievergelt, Herm., Kommis, 77 Gundeldingerstr." Zu dieser Zeit war er also offenbar schon mit seiner ersten Frau Berta Nievergelt verheiratet. Das Ehepaar hatte zwei Kinder, Emilie und Arnold. Wodurch diese Ehe endete, ist bisher nicht ermittelt. Auch wann er seine zweite Ehe einging oder wie der Name seiner zweiten Ehefrau lautete, ist nicht überliefert.
Mittlerweile war vor allem seine Lyrik "in den entlegensten Verlagen erschienen [...] und zum Teil überhaupt nicht mehr zu erhalten [...]"[10]; sie wurde teilweise, mit Prosatexten, 1923 in dem Sammelband Flug in die Welt zusammengeführt. Hans Mühle urteilt über sein Werk:
"Seine Dichtung bleibt nicht im Arbeiterleben hängen, sondern spannt infolge der besonderen Lebensführung des Dichters einen weiteren Bogen. Eine sichere, abgeschliffene Formkraft ist ihm eigen."[11]
Sein Neffe Hermann Thurow sen. war der Sohn seines Bruders Friedrich.
In der Familie heißt es, er sei in die Schweiz zurückgekehrt, um der Verfolgung durch die Nazis zu entgehen, die ihm angedroht hätten, auch seine Schriften zu verbrennen. Wahrscheinlicher erscheint, dass er zwanzig Jahre lang in der Schweiz lebte und auch 1932 nicht die Absicht hatte, nach Deutschland zurückzukehren. Die Drohungen der Nazis wären dafür ein zusätzlicher Grund gewesen.
Partei & Politik
Parteipolitische Funktionen sind für Hermann Thurow bisher nicht ermittelt. Er war als sozialdemokratischer Bildungsagitator für die Arbeiterjugend überregional bekannt und auch als Autor vor allem im Bildungsbereich aktiv, mit dem Schwerpunkt auf der Jugendbildung.
Er verfasste politische Schriften, auch Vorworte für politische Vordenker seiner Zeit, darüber hinaus Lyrik, Romane und - nach den Titeln zu urteilen, weitgehend agitatorische - Theaterstücke. Verlegt wurde er meist vom Vorwärts-Verlag oder vom Arbeiterjugend-Verlag in Berlin sowie von Verlagen des Genossenschaftswesens in der Schweiz.
Veröffentlichungen
- Was haben wir erreicht? Ein Rückblick auf die Bewegung für die Achtstunden-Arbeit (mit Henri Pronier; C. Neweczerzal, Davos 1895)
- Die praktischen Erfolge der Achtstunden-Agitation (Vorwärts, Berlin 1898)
- Ins Sonnenland (Carl Neweczerzal, Davos 1902)
- Kinder-Idyllen (Buchdr. Davos 1907)
- Die Maus im Backtrog oder Gezähmte Mittelstandsretter (Schwank in 3 Bildern, Basel 1907)
- Verse zum Weltkrieg (Basel 1915)
- Jochen Bünz. Ein Jugendroman (Autobiografischer Roman, Olten 1918)
- Der Traum des Webers. Ein Genossenschafts-Bühnenspiel in einem Akt (Basel 1919)
- Butu Simba's Mission in Europa. Eine Negergeschichte (Satirische Groteske, Berlin 1920)
- Im Aufstieg. Stimmen und Gestalten aus der Genossenschaftsbewegung (Basel 1921)
- Der Mensch im Aufbau der genossenschaftlichen Wirtschaft (1923)
- Die Mission der Witwe, oder s'isch derfür und derwider. Ein genossenschaftlicher Schwank in 3 Bildern (Verband schweiz. Konsumvereine, Basel 1924)
- Muse und Arbeiter (Dämon Alkohol) (Theaterstück, Leipzig 1925)
- Der Traum des Webers - Ein Genossenschafts-Bühnenspiel (Basel, V. S. K., 1926)
- La mission de la veuve ou il y a du pour et du contre - Farce coopérative en trois tableaux Traduction libre du suisse allemand par G. Chatenay (Bâle : Imprimerie U. S. G., 1926)
- Flug in die Welt. Gedichte (Sammelband, Ludwigsburg 1923; Berlin 1928)
- Lebensrundfahrt. Aphorismen, Sprüche, Kommentare (Arbon/Schweiz, 1934)
Aufsätze
- Aus den Anfängen der sozialistischen Belletristik. In: Die Neue Zeit 21/2 (1902/03), S. 212–222
- ' (1923)
- zahlreiche weitere Aufsätze
Beiträge zu anderen Büchern
- Abramowski, Eduard: Die sozialen Ideen der Genossenschaftsbewegung (Basel 1924) (Übersetzung revidiert von Hermann Thurow)
- Fourier, Charles: Der sozietäre Reformplan (Leipzig 1925) (Einleitung von Hermann Thurow)
- Gide, Charles: Das genossenschaftliche Programm und die sozialistischen Schulen (Basel 1926) (übersetzt aus dem Französischen von Hermann Thurow)
- Mühle, Hans (Hrsg.): Das proletarische Schicksal. Ein Querschnitt durch die Arbeiterdichtung der Gegenwart (Gotha 1929) (mit zwei Gedichten von Hermann Thurow, Der Fabrikschlot und Frage
- Krille, Otto - Stammler, Wolfgang / Wolff, Goerg (Hrsg.): Stimme des Arbeiters: Aus Biographien und biographischen Romanen deutscher Arbeiter (Hirts Dt. Sammlung, Literarische Abt. Gruppe VIII: Biographisches und Selbstbekenntnisse. [...] Mit den Bildern der Verfasser. Ferd. Hirt, Breslau ca. 1930) (Angabe lt. Suche bei ZVAB)
- Mohrhenn, Alfred (Hrsg.): Stimme des Arbeiters: Aus Biographien und biographischen Romanen deutscher Arbeiter (Breslau 1932) ("Mit den Bildnissen der Verfasser") (Angabe lt. Dt. Nationalbibliothek)[12]
- Kürbisch, Friedrich G. (Hrsg.): Anklage und Botschaft. Die lyrische Aussage der Arbeiter seit 1900 (Dietz Nachf., Hannover 1969)
Literatur & Links
- Hermann Thurow in der Deutschen Nationalbibliothek
- Hermann Thurow in Swissbib
- Goller, Peter: Walter Benjamins Studium der Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung (1933–1940). In: Mitteilungen der Alfred-Klahr-Gesellschaft, S. 15-24, wo auf S. 21, Sp. 3, auf eine Äußerung Walter Benjamins zu Hermann Thurow Bezug genommen wird
Einzelnachweise
- ↑ Mühle, Hans (Hrsg.): Das proletarische Schicksal (Gotha 1929), S. 229 (Anhang)
- ↑ Hirts Deutsche Sammlung, S.
- ↑ Mühle, Hans (Hrsg.): Das proletarische Schicksal (Gotha 1929), S. 229 (Anhang)
- ↑ Hirts Deutsche Sammlung, S. ?
- ↑ Mühle, Hans (Hrsg.): Das proletarische Schicksal (Gotha 1929), S. 229 (Anhang)
- ↑ Mühle, Hans (Hrsg.): Das proletarische Schicksal (Gotha 1929), S. 229 (Anhang)
- ↑ Hirts Deutsche Sammlung, S.?
- ↑ Mühle, Hans (Hrsg.): Das proletarische Schicksal (Gotha 1929), S. 229 (Anhang)
- ↑ Hirts Deutsche Sammlung, S. ?
- ↑ Mühle, Hans (Hrsg.): Das proletarische Schicksal (Gotha 1929), S. 229 (Anhang)
- ↑ Mühle, Hans (Hrsg.): Das proletarische Schicksal (Gotha 1929), S. 229 (Anhang)
- ↑ Möglicherweise handelt es sich bei Krille und Mohrhenn um ein und denselben Titel mit fehlerhafter Autorenangabe an einer Stelle.