Ortsverein Quickborn

Aus SPD Geschichtswerkstatt

Der Ortsverein Quickborn ist eine Gliederung des Kreisverbandes Pinneberg. Er wurde 1895 als "Sozialdemokratischer Verein für Quickborn" gegründet.

Geschichte

Soweit man weiß, waren es Zigarrenarbeiter aus einer Barackensiedlung, später "Barackenweg" benannt, und Tischler, die am 24. November 1895 den Ortsverein gründeten.[1] Als Vereinszweck wurde angegeben: "Der Verein beabsichtigt, durch Rede und Schrift möglichst Klarheit über die Grundsätze der socialdemokratischen Partei zu schaffen und zu verbreiten, sowie die Wahl socialdemokratischer Abgeordneter zu verschiedenen gesetzgebenden und verwaltenden Körperschaften zu unterstützen."[2].

"Der neu gegründete Verein findet nicht überall Zustimmung. Für die Mitglieder eine gefährliche Angelegenheit. Sie haben mit Konsequenzen auch für die Familien zu rechnen und mit Arbeitsplatzverlust und gesellschaftlicher Ächtung. Das führt dazu, dass sich die Mitglieder unter diesem Druck nach und nach zurückziehen."[3]

Schon während der Zeit des Sozialistengesetzes hatte es allerdings - aus der Sicht der Obrigkeit besorgniserregende - Vorfälle gegeben:

1886 wurde in Quickborn ein Flugblatt Was hat die ländliche Bevölkerung von der Sozialdemokratie zu erwarten? verteilt. Nach der zur strengen Überwachung nach dem Sozialistengesetz erstellten Liste wurden u.a. der Tischler August Fricke aus Hamburg, der Gerber Friedrich Gottschalck aus Quickborn und der Maurer August Meyer aus Hamburg [als Verfasser? als Verteiler?] genannt.[4]

Im Februar 1887 berichtete der Segeberger Landrat über die Verteilung von Wahlflugblättern für den sozialdemokratischen Kandidaten Hermann Molkenbuhr. In dessen Hamburger Mietwohnung wurden Flugblätter beschlagnahmt, u.a. 300 Stück, die von vier Personen in Quickborn verteilt werden sollten.[5]

1888 fielen Quickborn, Garstedt, Niendorf u.a.m. unter den "Kleinen Belagerungszustand" wegen der Neigung der Bevölkerung zur Sozialdemokratie. Der Landrat wagte nicht, einen Amtsbezirk Garstedt/Hasloh/Winzeldorf zu bilden, weil er sonst automatisch der Garstedter Gemeindevorsteher zum Amtsvorsteher hätte berufen müssen. In Quickborn fand er aber einen "zuverlässigen" Kandidaten vor, so daß sich hier eine kommissarische Besetzung erübrigte.[6]

Am 5. Oktober und am 14. Dezember 1890 fanden in Quickborn sozialdemokratische Versammlungen statt. Bei dieser Gelegenheit gezeigte rote Fahnen wurden "entfernt" (beschlagnahmt) (LAS 309/232.) Über die Verteilung von Flugblättern wurde berichtet: Die Landagitation sei "außerordentlich rührig". Viele ("zahllose") Verteiler kämen aus Hamburg und Altona, "welche mit einer bewunderungswürdigen Aufopferung vom frühesten Morgen bis zum späten Abend von Haus zu Haus thätig waren und selbst während der Nacht Flugblätter unter die Hausthüren steckten".[7]

Auch nach dem Ende des Sozialistengesetzes hörte die Verfolgung nicht auf. Am 14. Februar 1891 fand eine weitere Versammlung statt. Versuche in Garstedt, Hasloh, Schnelsen, Niendorf und Eidelstedt scheiterten am Widerstand der Wirte. (LAS 309/232) Wirte wurden durch den Landrat mit Konzessionsentzug bedroht, wenn sie den Sozialdemokraten ihre Säle gaben. In Quickborn wurde offenbar ein mutiger Wirt gefunden. Schon am nächsten Abend gründete sich ein "Verein zur Bekämpfung der Socialdemokratie". "Dem Vereine traten an dem nämlichen Abend 33 Mitglieder bei".[8]

Am 10. Juli 1903 kam es zur Neugründung eines "Sozialdemokratischen Wahlvereins für Quickborn und Umgegend". Der Vereinszweck war mit dem von 1895 identisch. Der Umfang hatte sich aber auf das Umland ausgeweitet. Der junge Verein entwickelte sich stetig. Die politischen Rahmenbedingungen änderten sich aber nur langsam.

1907 zählte der Ortsverein 18 Mitglieder. Er tagte in der Quickborner "Herberge zur Heimat" an der Kieler Straße. Bei der Reichstagswahl erzielten die Sozialdemokraten nur noch 25,8 %.[9]

1916 wurde die Quickborner SPD durch Wilhelm Kahle (1862-1953), Zigarrenmacher in Altona, neu belebt. Er war seit 1890 mit seiner Frau Auguste SPD-Mitglied und von 1900 bis 1906 Ortsvereinsvorsitzender in Altona. 1916 siedelte die Familie über nach Quickborn. Wilhelm Kahle gab dem Ortsverein neuen Schwung und etablierte die SPD als feste Größe in der Quickborner Gemeindevertretung. Er arbeitete weiter als Zigarrenmacher und betrieb später einen Verkaufspavillion für Tabakwaren. Von 1919 bis 1923 war er Gemeinderatsmitglied und Mitglied im Kreistag, ab 1919 stellv. Amtsvorsteher. (Vgl. Hamburger Echo, 14./15.11.1952). Anläßlich seines 90. Geburtstages 1952 wurde er als ältester Sozialdemokrat Schleswig-Holsteins geehrt.

Von 1918 an war der "Holsteinische Hof" an der Kieler Straße das Parteilokal, in dem Mitgliederversammlungen, Kundgebungen und andere politische Veranstaltungen stattfanden. Noch vor der Machtergreifung wechselte der Wirt allerdings zur NSDAP und verweigerte der SPD am 23. Juli 1932 eine längst angemeldete Veranstaltung mit Willy Verdieck, der über die Bedeutung der kommenden Wahl sprechen sollte. Der SPD blieb nichts übrig, als die Genossen zum Boykott und zum Besuch anderer Lokale aufzufordern, wie das Hamburger Echo am 27. Juli berichtete.[10]

Am 7. April 1925 gründete sich eine Ortgruppe des Reichsbanners gebildet, der gleich nach der Gründung 40 Mitglieder beitraten. Nachdem diese Ortsgruppe anscheinend wieder eingeschlafen war, wurde am 9. Oktober 1932 das Reichsbanner mit einer „Schutzformation“ unter dem Vorsitz des Schiffszimmerers Friedrich Buhr mit anfangs 23 Mitgliedern wiederbelebt.[11]

1924 stellte die SPD vier Mitglieder in der Gemeindevertretung (Wilhelm Kahle, Richard Luther, Paul Dabelstein und Wilhelm Kaller). 1929 waren es noch drei Vertreter (Carl Heyer, Wilhelm Kaller und Paul Dabelstein). 1931 konnte die SPD nur noch zwei Vertreter stellen (Carl Heyer, Walther Kahle, ein Sohn von Wilhelm Kahle). 1933 vertrat Paul Dabelstein die SPD allein gegen die Übermacht der NSDAP. Im selben Jahr erhoben die Nazis gegen ihn den beliebten Vorwurf der "Veruntreuung". Er öffnete den Gashahn, konnte aber gerettet werden.

Das Verhältnis zur KPD wird als "gespannt" beschrieben. 1931 schloss die kommunistische Mehrheit der Volksküchenkommission Wilhelm Kahle, den einzigen Sozialdemokraten dort, aus der Kommission aus, da dieser "die Interessen der Erwerbslosen nicht voll vertrete".[12] Der Quickborner Berichterstatter des Hamburger Echo, Fritz Koch, wurde 1932 aus der SPD ausgeschlossen, weil er zur Wahl Ernst Thälmanns zum Reichspräsidenten aufrief, und trat zur KPD über.[13] Nach der Übernahme der Macht durch die NSDAP 1933 appelierte die KPD noch einmal eindringlich an die SPD appelliert:

„An die Sozialdemokratische Partei Quickborn. An die Kameraden des Reichsbanners und der Eisernen Front! Die Regierung Hitler-Papen-Hugenberg richtet den offenen Faschismus in Deutschland auf. Die gesamte Arbeiterbewegung soll unterdrückt werden, damit der Kapitalismus lebe. Alles steht für das Proletariat auf dem Spiel. Alles können wir in diesen Tagen und Wochen gewinnen, aber auch dieses verlieren. Wir müssen deshalb sofort die Einheitsfront zum gemeinsamen Kampf schließen. Es geht um die Freiheit der Arbeiterklasse, um Lohn und Brot. […] In diesen Stunden der höchsten Gefahr wenden wir uns erneut an Euch in der Sozialdemokratie, in den freien Gewerkschaften organisierten Arbeiter, sofort gemeinsam mit uns den Widerstand gegen den Faschismus aufzunehmen. Lasst uns zusammenkommen zwecks Massenschutz gegen den faschistischen Terror. Wir dürfen keinen Tag, keine Stunde mehr verlieren. Klassengenossen! Kollegen! Schlagt ein in die Hände, die wir Kommunisten euch zum gemeinsamen Kampf reichen. Wir werden in diesem Kampf siegen, wenn wir einig und geschlossen den Kampf führen. Es lebe die revolutionäre Einheitsfront aller Werktätigen!“[11]

Zu diesem Schulterschluss kam es nicht mehr. Die Nazis formierten eine "Hilfspolizei". Am ersten Einsatztag des sogenannten "Haus- und Werkschutzes", in der Nacht vor der Reichstagswahl am 4. März 1933, kam es in Quickborn-Heide zu einer Konfrontation: Gegen 23:30 Uhr trafen Mitglieder des "Haus- und Werkschutzes" auf eine Patrouille des Reichsbanners, bestehend aus Friedrich Buhr, Bruno Ruch und Heinrich Korte. Die SS-Mitglieder und Stahlhelm-Mitglieder von der "Hilfspolizei" forderten unter Androhung von Waffengewalt eine Durchsuchung, bei der eine Armeepistole gefunden wurde. Die Reichsbanner-Mitglieder wurden festgenommen, misshandelt und ins Wachlokal verschleppt, wo man ihnen die Erschießung androhte.

Gegen Mitternacht wurden die Verhafteten der Ortspolizeibehörde übergeben und nach einem Verhör ins Gerichtsgefängnis Altona überführt. Bei weiteren Durchsuchungen wurden zusätzliche Waffen gefunden. Am 9. Juni 1933 verurteilte das Altonaer Schöffengericht die Reichsbanner-Männer wegen Vergehen gegen das Schusswaffengesetz zu Haftstrafen zwischen zwei Wochen und fünf Monaten Gefängnis.

In der Reichstagswahl 1933 erreichte die NSDAP in Quickborn 60,9 %. Bei der Gemeindevertreterwahl eine Woche später erreichte die "Nationale Einheitsliste" in Quickborn 76,1 % der Stimmen. Das waren zehn Prozentpunkte mehr als bei der letzten Wahl, bei der NSDAP und "Bürgerliche Wirtschaftsliste" zusammen angetreten waren. Neben den zehn Vertretern der "Nationalen Einheitsliste" wurden nur noch je ein Vertreter der SPD und der KPD in die kommunale Vertretung gewählt. Allerdings aberkannten die Nazis das Mandat des kommunistischen Abgeordneten.[11]

NS-Diktatur

Nach der Machtübergabe an die Nazis war auch in Quickborn beiden Parteien die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit offenbar klar. Wohl im April 1933 wurden Gespräche geführt; sie scheiterten jedoch an dem Anspruch, die jeweils andere Seite solle sich unterordnen. Die SPD sah nur die Möglichkeit, dass die KPD der "Eisernen Front" beitrat.[14]

Nachkriegszeit

Am 6. August 1948 wurde der Barackenweg auf Antrag eines KPD-Vertreters in Wiesengrund umbenannt.

Am 26. Februar 1952 versuchte der OV-Vorstand, eine Versammlung der rechten "Sozialistischen Reichspartei" (SRP) in Quickborn zu sprengen, was aber nicht gelang. In welchem Lokal dies stattfand, ist nicht ersichtlich.[15]

Vorsitzende

Arbeitergesangverein

Der Quickborner Arbeiter-Gesangverein "Lied hoch" wurde 1919 gegründet. Am 23. Juli 1922 beging er die Weihe seiner Fahne - wie es in einer Zeitungsanzeige stolz hieß, "unter Mitwirkung von 20 Gesangvereinen".[18] Nach dem Umzug durch den Ort, der Fahnenweihe und Gesangsvorträgen gab es abends Festbälle im Parteilokal "Holsteinischer Hof"[19] und im Tanzzelt auf dem Festplatz. Der Festausschuss bat "um Schmückung des Ortes".

Links

Einzelnachweise

  1. Barackenweg nach Walther Kahle: Parteigeschichte der S.P.D. Quickborn (Quickborn 1969), einer Quelle, die allerdings von Stadtarchivar Jürgen Hühnke als "etwas unsicher" eingeschätzt wird.
  2. LAS 309/12538
  3. So Enno Hasbargen auf Spurensuche im Kreis Pinneberg und Umgebung, der dies und auch die folgenden Vorfälle aus der Frühgeschichte der Quickborner SPD nach Recherchen des Stadtarchivars Jürgen Hühnke aufgeschrieben hat. Die Angaben in Klammern (LAS ...) beziehen sich auf die jeweiligen Akten im Landesarchiv Schleswig-Holstein.
  4. LAS 309/226
  5. LAS 309/226
  6. LAS 309/17935
  7. LAS 309/230
  8. LAS 309/232
  9. LAS 309/22537
  10. Holsteinischer Hof – Parteilokal der SPD, abgerufen 15.6.2020
  11. 11,0 11,1 11,2 Penning, Jörg: „Die Ruhe und Sicherheit in Quickborn ist wiederhergestellt“ - Der Tod von Paul Warnecke am 5. März 1933, In: Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte (ISHZ), Heft 55: Winter 2014 (erschienen: Sommer 2015), Seite 27ff.
  12. QHT [Quickborn-Hasloher Tageblatt], 2.12.1931
  13. Vgl. für diesen Absatz den Eintrag zur KPD in der "Spurensuche", Abschnitt "Verhältnis zur SPD" sowie "Kurzbiografien von KPD-Mitgliedern - Friedrich Koch", abgerufen 15.6.2020
  14. Vgl. Eintrag zur KPD in der "Spurensuche", Abschnitt "Die Machtübernahme der Nationalsozialisten", abgerufen 15.6.2020
  15. SRP in Quickborn, abgerufen 15.6.2020
  16. Deutsche Reichspartei in Quickborn, abgerufen 15.6.2020
  17. LASH, Abt. 320.12 Nr. 539. Vgl. auch Eintrag zur KPD in der "Spurensuche", Abschnitt "Kurzbiografien von KPD-Mitgliedern - Wilhelm Burmeister", abgerufen 15.6.2020
  18. Arbeitergesangverein, abgerufen 15.6.2020
  19. Holsteinischer Hof – Parteilokal der SPD, abgerufen 15.6.2020