Helene Grünig
Helene Grünig |
Helene Grünig (geb. Piefke), * 10. Januar 1871 in Neusalz/Schlesien (heute Nowa Sól/Polen), † 13. Mai 1965 in Hamburg. Mitglied der SPD mindestens seit 1890.
Werdegang
Der Vater von Helene Piefke war Oderschiffer. Helene hatte eine glückliche Kindheit. Der Vater ermöglichte seinen Kindern den Besuch der Bürgerschule, bis er durch ein Unglück seinen Schleppkahn verlor. Nach acht Jahren Schule arbeitete Helene zunächst als Dienstmädchen bei einer jüdischen Familie. Sie wohnte bei ihrer älteren Schwester, die Schneiderin war. Helene Piefke musste täglich arbeiten, nur alle zwei Wochen hatte sie einen halben Tag frei.
1890 heiratete sie den 12 Jahre älteren Rudolf Grünig. Das Ehepaar zog auf der Suche nach besseren Arbeits- und Lebensbedingungen in den 1890er Jahren nach Kiel. Zwischen 1892 und 1906 wurden ihnen vier Söhne und zwei Töchter geboren. 1918 starb der älteste Sohn im Krieg an einer Infektion. 1944 starb Rudolf Grünig 85-jährig, ein Jahr später ein zweiter Sohn. 1954 zog Helene Grünig zu ihrer jüngsten Tochter nach Hamburg, wo sie 1965 im Alter von 94 Jahren verstarb. Eine ihrer Enkelinnen war Marta Sakmirda.
Parteiarbeit vor 1908
Helene Grünig gehörte der SPD bereits in der Illegalität vor 1890 an. Als am 10. Januar 1890 die Sozialistengesetze aufgehoben wurden, beleuchtete sie ihre Fenster und stellte Bilder von Marx und Engels hinein.
Sie nahm - obwohl Frauen sich noch bis 1908 nicht politisch betätigen durften - an SPD-Treffen im damals noch nicht nach Kiel eingemeindeten Gaarden teil, wo ihr Mann um 1907 Vorsitzender des Sozialdemokratischen Vereins war. 1905 wurde sie zur ersten Vertrauensperson der Gaardener Frauenversammlung gewählt und berief alle vier bis sechs Wochen eine öffentliche Versammlung ein. Diese Versammlungen mussten drei Tage vorher bei der Polizei angemeldet werden; ihr Ablauf wurde durch Beamte überwacht. Als Vertrauensfrau hielt sie den Kontakt zur SPD und nahm an reichsweiten Treffen der Vertrauensfrauen in Berlin teil.
Eine herausragende Veranstaltung ist belegt für 1905 in der Gaststätte Concordia in der Lübecker Chaussee. Luise Zietz, Vertrauensfrau aus Hamburg und eine der führenden Sozialdemokratinnen, warb in einem Vortrag für Clara Zetkins Zeitschrift Die Gleichheit. 180 Frauen sollen daraufhin die Zeitschrift abonniert und sich als Verkäuferinnen zur Verfügung gestellt haben.
Eine andere bedeutende Frau der Arbeiterbewegung, damals noch Sozialdemokratin, konnte Helene Grünig etwas später begrüßen. Die von ihr sehr geschätzte Rosa Luxemburg referierte im Wahlkampf zur Reichstagswahl 1907 am 18. Januar 1907 auf einer Versammlung in Gaardener "Kaisersaal". Über diese Versammlung berichtete die VZ am nächsten Tag ausführlich. Die Frauen mussten noch im "Segment" sitzen und zuhören. Sie durften sich nicht an der Diskussion beteiligen.
Recht auf politische Betätigung für Frauen
Helene Grünig engagierte sich in dem 1893 gegründeten Kieler Bildungsverein für Frauen und Mädchen. Er war nicht identisch mit dem Kieler Frauen-Bildungsverein, einem "mildtätigen" Verein der bürgerlichen Frauenbewegung. "Die bürgerlichen Frauen hatten schon ihren Verein."[1] Nachdem Wilhelmine Kähler einen Vortrag zum Thema Rechtlosigkeit der Frau und ihre unwürdige Behandlung von Seiten des Staates gehalten hatte, trat Helene dem proletarischen Verein bei und wurde Kassenrevisorin. Offiziell wurde sie am 1. Oktober 1908, als das Verbot der politischen Betätigung für Frauen fiel, Mitglied im Ortsverein Kiel des Sozialdemokratischen Zentralvereins für den 7. Schleswig-Holsteinischen Reichstagswahlkreis (ab 1911 der Sozialdemokratische Verein Groß-Kiel). Wie berichtet wird, traten insgesamt etwa 300 Frauen aus Gaarden an diesem Tag in die SPD ein.
Internationaler Sozialistinnen-Kongress Kopenhagen
Helene Grünig soll Teilnehmerin des 2. Internationalen Frauenkongresses der Sozialistinnen in Kopenhagen gewesen sein.[2] Dann hätte sie am 27. August 1910 mit über Clara Zetkins Antrag abgestimmt, künftig jedes Jahr einen Sozialistischen Frauentag zu feiern, um auf die Benachteiligung von Frauen in Politik, Arbeitswelt und Bildung aufmerksam zu machen. Ziel war die soziale und politische Gleichstellung der Frauen mit den Männern. Der Internationale Frauentag wird bis heute in vielen Ländern der Erde begangen, seit 1922 immer am 8. März. Helene Grünig hätte durch die Teilnahme an diesem historischen Ereignis in ihrem lokalen Umfeld eine herausragende Stellung erworben. Ihre Urenkelin widersprach allerdings 2018 - Helene Grünig sei nicht in Kopenhagen gewesen. Auch in den Erinnerungen von Helene Grünig erwähnt diese zwar den internationalen Frauenkongress, nicht jedoch eine eigene Teilnahme.
Im Nachgang zum Kongress in Kopenhagen wurden Helene Grünig sowie zwei weitere Frauen aus Gaarden Referentinnen bei den Frauentagskongressen, die parallel zum Internationalen Frauentag stattfanden.
Über die politische Betätigung Helene Grünigs nach dem 1. Weltkrieg gibt es keine gesicherten Informationen.
1933 hielt sie mit 62 Jahren ihre letzte öffentliche Rede als Frauentagsreferentin.[3]
Literatur & Links
- Fischer, Rolf: Mit uns die neue Zeit! Kiels Sozialdemokratie im Kaiserreich und in der Revolution (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie Band 2, 1900-1920)(Kiel 2013) ISBN 978-3-86935-196-4
- Schultheiß, Nicole: Geht nicht gibt's nicht - 24 Portraits herausragender Frauen aus der Kieler Stadtgeschichte (Kiel 2007), S. 74-76
- Schultheiß, Nicole: Helene Grünig (ergänzte Version)
- Völcker, Gertrud: Erinnerungen von Helene Grünig (aufgezeichnet 1.6.1950, unveröffentlicht)
- Völcker, Gertrud: Frauen als Mitkämpfer für eine bessere Welt (Unveröffentlicht, Stadtarchiv Kiel o. J)
Einzelnachweise
- ↑ Vgl. Erinnerungen von Helene Grünig, S. 2
- ↑ So bei Nicole Schultheiß: Geht nicht gibt's nicht - 24 Portraits herausragender Frauen aus der Kieler Stadtgeschichte (Kiel 2007), S. 76
- ↑ Notizen von Eva Börnig, Urenkelin von Helene Grünig, für den Stadtteilspaziergang des Umweltbildungsvereins "geo step by step": Erinnerung an die Anfänge der proletarischen Frauenbewegung