Ortsverein Gaarden

Aus SPD Geschichtswerkstatt

Der Ortsverein Gaarden ist eine Gliederung des Kreisverbandes Kiel. Er entstand Ende der 1980er Jahre aus dem Zusammenschluss der Ortsvereine Gaarden-Süd und Gaarden-Ost. Seine Geschichte reicht allerdings bis ins 19. Jahrhundert zurück, als Gaarden noch ein Dorf (eigentlich sogar zwei Dörfer) vor den Toren Kiels war.

Sozialdemokratischer Verein Gaarden

In Gaarden gab es schon 1874 eine sozialdemokratische Bewegung. Es wurde angekündigt, "dass von jetzt an jeden Sonnabend, Abends 8 Uhr, […] Parteiversammlung stattfindet".[1] Die Sektion des ADAV könnte in diesem Jahr schon 45 Mitglieder gehabt haben.[2] Möglicherweise wurde der Verein auch schon im Juni des Jahres wieder geschlossen, wie es in vielen preußischen Städten geschah.[3]

Die im Mai 1875 erfolgte Fusion des ADAV mit der SDAP erforderte auch vor Ort organisatorische Veränderungen. Es wird berichtet, dass sich, in Reaktion auf die "am 10. Januar an der Wahlurne erlittene Scharte", am 29. August im Ort ein Arbeiter-Wahlverein gebildet habe.[4] Zuvor wurde wohl lediglich das Vertrauensleuteprinzip angewendet.

Im Juli 1875 wurden wohl für Kiel und Gaarden die Genossen Chr. Stark, H. Ramm und F. Muß zu "Agenten des Vorstands" der SDAP ernannt.[5]

Auch in der Zeit der Illegalität engagierten sich Gaardener für die sozialdemokratische Sache. So ist beispielsweise belegt, dass in den Monaten März bis Mai 1888 aus Gaarden 113,86 Reichsmark an den "Hasenclever-Fonds" bei der Reichstagsfraktion gezahlt wurden.[6] Bereits fünf Jahre zuvor, zur Nachwahl für den Reichstag von 1883, verteilte der bei der Polizei als Sozialdemokrat bekannte Tischler Paasch[7] Flugblätter.[8]

Seit wann genau sich der nach dem Ende des Sozialistengesetzes wiedergegründete Verein "sozialdemokratisch" nannte, ist bisher nicht ermittelt. Bekannt ist, dass er sich bald nach der Kieler Gründung (21. Dezember 1890) gründete, also wahrscheinlich Anfang 1891, als Verein für volkstümliche Wahlen in Gaarden.[9]

Am 10. Oktober 1891 jedenfalls lud er zu einer öffentlichen Volksversammlung in Gaarden ein, die Stephan Heinzel zum Delegierten des 7. und 9. Wahlkreises für den Erfurter Parteitag wählte.[10]

Der Verein muss eine hohe Organisationskraft gehabt haben, denn im Dezember 1891 betrieb er Agitation in Raisdorf.[11]

Auf dem Provinzialparteitag in Kiel von 1892 wurde er von Carl Ribbe[12] vertreten.[13]

Mitte der 1890er Jahre gelang es den Genossen trotz des undemokratischen Wahlrechts, vier Sitze im Gemeinderat zu erringen.[14]

1895 hatte der Ortsverein 150 Mitglieder[15]. Im April 1898 waren es nur 120, im August schon wieder 160.[16] Im August 1909 war die Mitgliederzahl auf 1363 angewachsen.[17]

Zum Landbezirk des Ortsvereins gehörte auch die Siedlung Sophienhöhe, unmittelbar hinter der Gaardener Grenze Richtung Elmschenhagen gelegen, in der es 1897 17 Abonnenten der Volkszeitung gab.[18]

In Gaarden gab es eine starke Frauenbewegung. Luise Andratschke stellte ihre Situation im September 1911 in der Gleichheit vor angesichts der bevorstehenden Fusion mit Kiel.[19]

1911-1933: Distrikt Ost

1901 wurde Gaarden-Ost (auch „Klösterlich Gaarden“ genannt) aus dem Kreis Plön nach Kiel eingemeindet. Dennoch war Gaarden weiterhin als selbstständiger Verein Mitglied im Sozialdemokratischen Zentralverein für den 7. Schleswig-Holsteinischen Reichstagswahlkreis. Erst 1911, nachdem auch Gaarden-Süd (auch „Fürstlich Gaarden“ genannt) aus dem Kreis Bordesholm nach Kiel umgemeindet worden war, schloss er sich mit den Vereinen Kiel und Umgegend, Winterbek-Hassee und Ellerbek/Wellingdorf zum Sozialdemokratischen Verein Groß-Kiel zusammen. Seine Bezeichnung wurde den anderen angepasst und lautete Distrikt Kiel-Ost. Die Traditionsfahne aus dieser Zeit wird bis heute im Ortsverein aufbewahrt.

Der Beschluss des Bezirksparteitags 1904, "dass in jedem Ort nur ein Parteiverein bestehen darf, hatte Gaarden zunächst nicht beachtet". Die Genossen hielten "das Bestehen eines besonderen Vereins im Interesse der Agitation für erforderlich". Sie (genannt ist Genosse Hörsing, möglicherweise der Vorsitzende) rechtfertigten sich auf dem Parteitag 1905:

"Die örtlichen Verhältnisse sowie die Verkehrsverhältnisse machen es unmöglich, dass die Genossen von Gaarden mit Kiel einen Verein bilden."[20]

Im Jahr nach der Eingemeindung hatte der Verein 150 Mitglieder, im Jahr der Verschmelzung mit Kiel waren es beeindruckende 2325.[21]

1913 stellte der Distrikt den Antrag zum reichsweiten SPD-Parteitag, dass die Parteitagsdelegierten künftig zeitgleich in Urwahlen bestimmt werden sollten.[22]

Distriktvorsitzender war mindestens 1914-1916 Rudolf Bull[23], der in der Brommystraße wohnte. Möglicherweise gehörte auch Richard Vietz dem Vorstand an.[24]

Ein bekanntes Mitglied des Distrikts war Nanny Kurfürst. Sie ist auf dem Foto von 1927 sitzend als 3. v.r. zu sehen.

1945-1980er: Ortsvereine Gaarden-Ost und Gaarden-Süd

In der Wiederaufbauphase nach dem Ende der NS-Diktatur bildeten sich auf Gaardener Gebiet zwei Ortsvereine, Gaarden-Ost und Gaarden-Süd, die sich Anfang der 1980er Jahre wieder zum Ortsverein Gaarden zusammenschlossen.

Ein Mitglied, das - soweit bekannt - nie eine Funktion übernahm, sich aber immer beteiligte, war Willi Bormann.

Von 1988 bis ca. 2005 gab der Ortsverein die Stadtteilzeitung Gaardener Ansichten heraus.

Fotos

Ortsbeirat

Vorsitz:

Als Zeichen gegen Menschen- und Ausländerhass wurde am 23. November 1999 auf Initiative des Ortsbeirats Gaarden ein Platz im Stadtteil nach Bahide Arslan benannt, einer der beiden türkischen Frauen, die 1992 in Mölln einem ausländerfeindlichen Brandanschlag zum Opfer fielen.

Literatur

Links

Einzelnachweise

  1. Sektion Gaarden, Neuer Social-Demokrat, 4.3.1874
  2. Neuer Social-Demokrat, 26.4.1874, S. 3
  3. Vgl. Wikipedia: ADAV#Die Zeit bis zur Vereinigung von ADAV und SDAP, abgerufen 25.2.2024
  4. Vorwärts, 9.9.1877, S. 4
  5. Der Volksstaat, 7.7.1875, S. 3
  6. Berliner Volksblatt, 15.7.1888, S. 5
  7. Offenbar kommen Brüder oder Vater und Sohn in Frage: Adressbuch 1884, S. 325: Paasch, Joch. u. Chr., Tischler, Wellseer Str. 24
  8. Klatt, Inge: Sozialdemokratie und Obrigkeit, S. 105
  9. Brecour, Wilhelm: Die sozialdemokratische Partei in Kiel. Ihre geschichtliche Entwicklung (Kiel o. J. [1932]) (Neudruck in Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung, Kiel 1983), S. I-56
  10. Vorwärts, 13.10.1891
  11. Vorwärts, 9.12.1891, S. 3
  12. Adressbuch 1893: Ribbe, Carl W. R., Schneider, Augustenstr. 11
  13. Hamburger Echo, 14.12.1892, S. 7
  14. Bericht über die Wahlkreiskonferenz Hamburger Echo 17.08.1897, S. 3
  15. Eine öffentliche Konferenz des 7. Wahlkreises, Hamburger Echo, 22.8.1895, S. 3
  16. Wahlkreiskonferenz für den 7. Schleswig-Holsteinischen Wahlkreis in Neumünster, Hamburger Echo, 30.8.1898, S. 3
  17. Generalversammlung des sozialdemokratischen Zentralvereins für den 7. schleswig-holsteinischen Reichstagswahlkreis, Hamburger Echo, 27.8.1909, S. 6
  18. Hamburger Echo 17.08.1897
  19. Die Gleichheit 11.08.1911
  20. Lübecker Volksbote, 18.10.1905
  21. Paetau, Rainer: Konfrontation oder Kooperation, S. 501, Tab. 6
  22. Vorwärts 216/30, 22.8.1913
  23. Fischer, "Mit uns die neue Zeit!", S. 99
  24. Adressbuch 1914: Vietz Rich., Genossensch.-Sekr., Sörensenstr. 13