Willi Piecyk: Heide Simonis - eine von uns. Danke Heide!
Heide Simonis - eine von uns. Danke Heide!
Rede von Willi Piecyk auf dem Ordentlichen Landesparteitag am 23. April 2005 in Kiel.
Liebe Heide,
ob es nun gefällt oder nicht, eine Abschiedsrede nach dem Motto "Das war's und Tschüss" will ich hier nicht halten. Die Begründung ist ganz einfach. Du warst immer eine von uns. Du bist eine von uns. Und du bleibst eine von uns.
Wenn Du in diesen Tagen aus Deinen politischen Ämtern ausscheidest – zum unappetitlichen Hintergrund sag ich noch was – wenn Du also ausscheidest, darfst Du – und dürfen wir eines nicht vergessen: Unsere Partei wollte Dich als Spitzenkandidatin, als Ministerpräsidentin, nicht mit einer einzigen Enthaltung – wir wollten Dich mit 100%. Und der Wahlkampf war 100%. Von Dir und der Partei.
Natürlich war er personalisiert, was denn sonst. So ein Wahlkampf wie den zurückliegenden macht eine linke, dickschädelige und freie Partei nicht mit einer, die sie vielleicht respektiert und achtet, das macht sie nur mit einer, die sie richtig in ihr Herz geschlossen hat.
Ganz nebenbei: Ist Euch aufgefallen, dass die Menschen Politiker in Gesprächen in der Regel beim Nachnamen nennen? Schröder, Kohl, usw. Bei Heide sagen wir Heide, und es passt.
Und dann müssen wir über den 17. März reden. Da hat man – eine oder einer von 35 – Dich tief verletzt. Das war ein mieser, hinterhältiger Angriff auf die Integrität, auf die Würde Deiner Person und ein herber Schlag für die gesamte Sozialdemokratie Schleswig-Holsteins. Ich weiß nicht, wer das war, und Spekulationen helfen nicht weiter. Ich weiß nur – so wie ich Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein gelernt habe: offenes Visier, kritische Positionen vertreten, jemandem offen und ehrlich sagen können "morgen wähle ich Dich nicht" – sozialdemokratisch war dieses miese, feige Verhalten nicht. Der Vorgang ist in der Nachkriegsgeschichte einmalig. Vergleiche, z.B. mit dem SPD-Kandidaten Kasimir 1976 in Niedersachsen, stimmen nicht, weil der Wechsel in der laufenden Legislaturperiode erfolgen sollte.
Hier gab es eine Landtagswahl und danach das Suchen und Finden von politischen Mehrheiten.
Jede und jeder hatte die Möglichkeit, sich in diesem politischem Prozess zu äußern und zu sagen: diese Mehrheit, diese Koalition, diese Ministerpräsidentin will ich nicht. Das ist nicht passiert.
Deshalb liegen die Kommentatoren falsch, die plötzlich die Freiheit des Mandats entdecken. Spätestens beim vierten Wahlgang endet die Freiheit des Mandats und beginnt politischer Schweinkram der schmutzigsten Art.
Heide, Du bist eine von uns - und das schon lange. Deinen politischen Lebenslauf kann jeder im Internet nachlesen. Ich will an ein paar Momente oder Stationen erinnern, die mir wichtig scheinen. Eine von uns – und gleichzeitig immer was Besonderes.
- Ratsherrin in Kiel – Ratsfrau wolltest Du nicht sein.
- Bundestagsabgeordnete – und sehr bald haushaltspolitische Sprecherin. In dieser Zeit bekam der Kühle, Kalte aus dem Norden – Stoltenberg – "Steinhardt" contra von einer aus Schleswig-Holstein. "Steinhardt" deshalb, weil Heide eine geborene "Steinhardt" ist.
- Dann Finanzministerin und schließlich in der Folge von Björn Engholm Ministerpräsidentin.
Auch das wollen wir nicht vergessen: Damals hast Du uns richtig aus der Tinte geholt. Mit Dir konnten wir uns wieder auf unsere Aufgaben als sozialdemokratische Partei konzentrieren: Dafür zu arbeiten, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Viele Deiner Positionen sind mit Dir als Frau zum ersten Mal ausgeübt worden: haushaltspolitische Sprecherin, SPD-Finanzministerin, und wir, die SPD Schleswig-Holstein, stellten mit Dir die erste und einzige Ministerpräsidentin dieser Republik.
Natürlich sind wir darauf stolz.
Und ich bin überzeugt, dass Du mit Deiner Politik auch vielen Frauen Mut gemacht hast, sich politisch zu engagieren, und gleichzeitig viele Frauen motiviert hast, sich beruflich auch in früheren Männerdomänen zu behaupten.
Heide, mit Deinem Namen bleibt die Modernisierung Schleswig-Holsteins unter sozialdemokratischen Vorzeichen verbunden:
- Soziale Gerechtigkeit nicht als Worthülse: Vom Ausbildungspakt bis zur Erbschaftssteuer.
- Unser Kampf gegen Atomkraftwerke hat sich gelohnt: Schleswig-Hostein steht für Windenergie.
- Die Küstenlage nicht auf Werften und Häfen zu beschränken, sondern Aufbruch zur Meerestechnik und maritimer Verbundwirtschaft.
- Ostseekooperation: schon vor dem 1. Mai 2004 hatte Schleswig-Holstein in der Ostseeregion eine guten Namen.
- Schleswig-Holstein ist ein starkes Stück Norden in Europa – und nicht zuletzt Dank Heide.
In wichtigen, klugen Strategiepapieren der Linken hieß es früher: In der Politik müssen Inhalt und Form zusammenpassen. Heide, Du hast beides immer gut hinbekommen. In Deiner Art und Weise, Politik zu machen, hast Du bewiesen, dass Politik keine abgehobene, bürgerferne Veranstaltung sein muss, sondern Du hast Dich als Person auf die Menschen eingelassen.
- Bei Dir war die Staatskanzlei kein Hochsicherheitstrakt, sondern ein Ort der Begegnung für viele.
- Du konntest mittags noch einen wichtigen Staatsgast empfangen – und zwei Stunden später beim Grillfest der Kreis-SPD die Sorgen der Kassierer über mangelnde Beitragsehrlichkeit anhören.
- Du hast in X Veranstaltungen mit dem roten Sofa bei der Basis, den Mitgliedern unserer Partei gezeigt, Du kannst nicht nur reden, sondern auch zuhören.
- Und ich weiß ja, dass Du mit dem Begriff "Landesmutter" lange Schwierigkeiten hattest… aber eigentlich hast Du Dich schon viel früher als Landesmutter geoutet: Bei der Eröffnung der Kieler Woche mahntest Du die 10.000 Menschen zum Schluss Deiner Ansprache: "Macht keinen Scheiß!" Mehr "Landesmutter" geht nicht.
Mit den Namen der beiden ersten gewählten Ministerpräsidenten, der Sozialdemokraten Hermann Lüdemann und Bruno Diekmann, verbindet die Geschichte unseres Landes den Wiederaufbau und die Neuorganisation nach der durch die Nazis verursachten totalen Zerstörung. Lüdemann, und nach ihm Diekmann, gestalteten mit Weitsicht und Verantwortung das neue, das demokratische Schleswig-Holstein.
Es vergingen 40 Jahre, bis wieder ein Sozialdemokrat Ministerpräsident des Landes wurde. Björn Engholm schaffte mit seiner Regierung Aufbruchstimmung, und Schleswig-Holstein wurde aus dem Dornröschenschlaf erweckt.
Heide hat daran angeknüpft. Heide steht für das moderne Schleswig-Holstein. Auf diese Traditionen unserer Ministerpräsidenten können wir mit Fug und Recht stolz sein. Heide, Du bist eine politische Kämpferin mit Herz. Du warst nie abgehoben und hast immer Klartext geredet. Du bist Dir immer treu geblieben. Du bist keinem Streit aus dem Weg gegangen, und wenn es aus Deiner Sicht sein musste, hast Du ihn selbst entfacht. Manchmal bis an die Grenze zur Rauferei.
Mit Deiner Art hast Du überzeugt und die Herzen und Köpfe der Menschen gewonnen. Du gehörst zu denen, die sich nicht austauschen oder verbiegen lassen. Bei Dir steht nicht nur SPD drauf, bei Dir ist auch SPD drin. Durch und durch. Mensch Heide, wir haben so viel miteinander erlebt, ich selbst, die Partei mit Dir – Heide, das war eine verdammt gute Zeit.
Danke Heide!