Arbeiter- und Soldatenrat

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Ein Arbeiter- und Soldatenrat war 1918/19 ein Organ der Selbstverwaltung in den Städten. Sie wurden im Zuge der Novemberrevolution, die das Kaiserreich zum Fall brachte, nach dem Vorbild der Sowjets der Russischen Revolution gebildet.

Von Kiel aus breiteten sie sich mit der Revolution über Schleswig-Holstein und ganz Deutschland aus.

Formen

Soldatenräte

Aufruf des Kieler Arbeiter- und Soldatenrates an die Schleswig-Holsteinische Bevölkerung

"Wie muss man sich die 'Räte' in Deutschland 1918/19 vorstellen? Ohne damit zunächst eine längerfristige politische Perspektive zu verbinden, schufen die aufständischen Massen seit Anfang November nach russischem Vorbild und in Erinnerung an die großen Januarstreiks des Jahres Vertretungsorgane. Die Soldaten wählten - entsprechend den vorgegebenen militärischen Einheiten - 'Soldatenräte'. Die Soldatenräte traten nicht an die Stelle, sondern neben die alte militärische Struktur. Die jeweiligen militärischen Führungsinstanzen erkannten sie durchweg an und sagten Zusammenarbeit zu. In den Soldatenräten waren vielfach auch Offiziere vertreten, vor allem aber mittlere Ränge. Von der sozialen Zusammensetzung her war das kleinbürgerliche Element mindestens so stark vertreten wie das proletarische. Es kann daher nicht verwundern, dass die Soldatenräte innerhalb der revolutionären Bewegung eher auf dem rechten Flügel standen."[1]

Arbeiterräte

"Die 'Arbeiterräte', deren Bildung im Allgemeinen von einem Generalstreik begleitet war, wurde teilweise, wie in einer Reihe großer Städte, in den Betrieben gewählt, häufiger aber gingen sie aus einer Absprache der örtlichen Parteiführungen von SPD und USPD hervor, teils unter Einschluss von Freien Gewerkschaften, manchmal auch nichtsozialistischer Arbeitnehmer-Organisationen. Verschiedentlich wurden Arbeiterräte auch auf 'Volksversammlungen' gebildet bzw. bestätigt. Normalerweise schlossen sich Soldatenrat und Arbeiterrat am jeweiligen Ort zum 'Arbeiter- und Soldatenrat' zusammen, der als oberste Machtinstanz fungierte. Faktisch hatte er vor allem die Polizeigewalt inne. Die alte Verwaltung wurde in der Regel mit der Weiterarbeit beauftragt; der Arbeiter- und Soldatenrat beschränkte sich meist auf die (in ihrem Ausmaß allerdings sehr unterschiedliche) Kontrolle ihrer Tätigkeit. Das gilt cum grano salis selbst für die wenigen von der radikalen Linken dominierten Räte."[2]

Weitere Räte

"Es sollte nicht unerwähnt bleiben, daß sich auch die nichtproletarischen - bürgerlichen, kleinbürgerlichen und bäuerlichen - Bevölkerungsgruppen der Räteform bedienten, um sich gegenüber der jetzt vorherrschenden Arbeiterbewegung zu artikulieren und zu behaupten. Ende des Jahres 1918 gab es immerhin rund 300 sog. 'Bürgerräte', die nicht offen gegenrevolutionär, aber doch deutlich revolutionsbremsend auftraten."[3]

Neben Bürgerräten bildeten sich Beamten- oder Bauernräte mit ähnlicher Zielrichtung. Ein Beispiel aus dem Kreis Segeberg zeigt, wie das vor sich ging. Die Chronik der Gemeinde Schmalensee vermerkt unter dem 22. November 1918:

"Aufgrund der politischen Lage und der Aktivitäten der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerräte (sic!) in der Provinz bildet sich auch in Schmalensee ein Bauernrat: Weite Teile der Dorfbevölkerung versammeln sich und wählen in gleicher und geheimer Wahl den vierköpfigen Bauernrat. Dieser besteht aus dem bisherigen Amtsvorsteher Heinrich Christian Saggau, dem Landmann W. Harder, dem Kaufmann P. Landschoof und dem Arbeiter J. Hansen. Die Aufgaben werden wie folgt definiert: Unterstützung der Ortsbehörden in allen wirtschaftlichen Maßnahmen der Übergangszeit, Zurückführung der heimkehrenden Krieger in gesicherte Erwerbsverhältnisse, Versorgung der städtischen Bevölkerung mit Lebensmitteln und Schutz der Bewohner gegen willkürliche Übergriffe. Der Schmalenseer Bauernrat beabsichtigt, mit den Arbeiter- und Soldatenräten (der Städte) zusammen zu arbeiten."[4]

Die ersten drei Namen gehörten zu Familien, die im Ort zum Teil über Generationen zur Führungsriege gehörten - bis in die heutige Zeit. Über den Arbeiter ist nichts ermittelt. Sein Name fällt in der Chronik nicht wieder; ob er einer Organisation angehörte und welcher - SPD?, USPD? - wird nicht erwähnt.

Konferenzen

Die Arbeiter- und Soldatenräte aus Schleswig-Holstein, Hamburg und Lübeck - mit Vertretern weiterer Räte - kamen mehrfach zu Konferenzen zusammen, um das gemeinsame Vorgehen abzustimmen und Beschlüsse zu fassen.

Die erste Konferenz fand am 2. Dezember im Bahnhofshotel in Neumünster statt.[5] Sie stellte sich voll hinter die Regierung der Volksbeauftragten und forderte die baldige Einberufung der Nationalversammlung als Grundlage für eine Volksregierung auf breitester demokratischer Basis. Zudem beschloss sie nach dem Vorschlag von Eduard Adler die Schaffung einer Dachorganisation für die A+S-Räte. [6] Bisher hatte sich der Arbeiterrat Kiel als provisorische Regierung der Provinz Schleswig-Holstein erklärt. Dies akzeptierte auch der amtierende Oberpräsident von Moltke, ohne damit eine formale Anerkennung zu verbinden:

"Auf die mir heute vorgetragenen Beschlüsse des Arbeiterrates Kiel – der sich als provisorische Regierung der Provinz Schleswig-Holstein erklärt hat – über die Durchführung der innerhalb der Provinz geplanten Maßnahmen, habe ich mich unter Rechtsverwahrung bereit erklärt, auf dem Boden der Staats- und Reichsgesetzgebung, solange meine Pflicht und mein Gewissen mir solches gestatten, unter Zuziehung des mir benannten Beigeordneten Kürbis einstweilen weiterzuarbeiten, soweit es sich um die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung, die möglichst ungestörte Fortführung der Volksernährung und um die Wohlfahrt der Bevölkerung dienenden Aufgaben handelt. Ich richte an die mir unterstellten Behörden das Ersuchen, sich nach den gleichen Richtlinien auch innerhalb ihres Geschäftsbereiches zu verhalten."[7]

Am 12. Dezember wurde erneut in Neumünster getagt. Die Konferenz beschloss, künftig Arbeiter- und Soldatenräte in ganz Schleswig-Holstein nach dem Prinzip der Verhältniswahl zu wählen. Die USPD protestierte, weil sie dies als Benachteiligung ansah, war aber stark in der Minderheit. Auch die gewählten 12 Delegierten (6 Soldatenräte, 6 Arbeiterräte) zum Reichsrätekongress in Berlin gehörten sämtlich der MSPD an.[8] Die Schaffung der Dachorganisation, die Volksrat heißen sollte, wurde endgültig beschlossen.[9]

Volksrat

Der Volksrat war als schleswig-holsteinische Dachorganisation der Arbeiter-und-Soldaten-Räte geplant, die im Laufe der Novemberrevolution 1918 entstanden waren.[10]

Er sollte, wie am 12. Dezember 1918 auf der zweiten Rätekonferenz beschlossen, als kollegiale Behörde fungieren und die Beigeordneten in verschiedenen Ämtern bevollmächtigen und kontrollieren. Sieben Mitglieder waren vorgesehen und wurden wohl auch gewählt, drei von der Kieler SPD, dazu Max Richter aus Neumünster, Rosengarten aus Itzehoe, Schlüter aus Flensburg und Krüger aus Eckernförde.[11]

Obwohl die Bestätigung durch Friedrich Ebert, den Leiter des Rates der Volksbeauftragten, am 4. Februar 1919 vorlag, erlangte der Volksrat in der Provinz keinerlei Bedeutung mehr, da die Verwaltungsinstanzen nach den Revolutionstagen ihre Tätigkeit einfach wie gewohnt fortsetzten.[9]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Brandt, S. 22
  2. Brandt, S. 22 f.
  3. Brandt, S. 23
  4. Gemeinde Schmalensee: Jahreschronik 1918, 22.11.
  5. Rätekonferenz in Neumünster, Hamburger Echo, 4.12.1918, Seite 3
  6. Die Rätekonferenz in Neumünster, Hamburger Echo, 5.12.1918, Seite 5
  7. Bohn / Danker, S. 104
  8. Neumünster. Konferenz der Arbeiter- und Soldatenräte, Hamburger Echo, 14.12.1918, Seite 3
  9. 9,0 9,1 Bohn / Danker, S. 105
  10. Meitmann, Karl: Der Kapp-Putsch in Schleswig. In: Grenzfriedenshefte (Husum 1963), S. 153-166
  11. Die Rätekonferenz in Neumünster, Hamburger Echo, 5.12.1918, Seite 5