Reichstagswahl 1930
Die Reichstagswahl 1930 fand am 14. September 1930 statt. Sie war die Wahl zum 5. Deutschen Reichstag der Weimarer Republik. Die SPD blieb stärkste Kraft, allerdings wurde die NSDAP zum ersten Mal zweitstärkste Kraft.
Kurt Pohle zog für den Wahlkreis Breslau in den Reichstag ein, Fritz Baade für Magdeburg.
Vorgeschichte
Seit 1928 regierte die SPD unter Reichskanzler Hermann Müller zusammen mit Zentrum und Linksliberalen. Die Weltwirtschaftskrise sorgte bereits 1929 für zunehmende Uneinigkeit in der Regierung. Zu den internen Auseinandersetzungen kam der zersetzende Einfluss von außen. Reichswehrgeneral Kurt von Schleicher und andere Vertreter der alten Eliten wollten die SPD loswerden.
"Der passende Zeitpunkt dafür schien gekommen, nachdem Mitte März 1930 der Young-Plan, der die Reparationszahlungen neu regelte, endgültig vom Reichstag beschlossen wurde, auch mit den dafür notwendigen Stimmen der SPD. Als wenig später angesichts der sich verschärfenden Wirtschaftskrise die Finanzgrundlage der Arbeitslosenversicherung verändert werden musste, kam es zum Bruch der Koalition. Nach schwierigen Verhandlungen verweigerte sich die SPD-Fraktion als einzige einem Kompromiss zur umstrittenen Frage der Beitragserhöhung, gegen den ausdrücklichen Rat ihres Reichskanzlers Müller und Reichsinnenministers Severing. Diese Entscheidung bedeute, 'aus Furcht vor dem Tode Selbstmord zu verüben', wie der Parteiintellektuelle und vormalige Finanzminister Rudolf Hilferding kritisierte. Zwar hätte sich der Koalitionsbruch letztlich kaum verhindern lassen, aber so begab sich die Partei in eine taktisch ungünstige Position."[1]
Reichspräsident Paul von Hindenburg ernannte den Zentrumspolitiker Heinrich Brüning zum Kanzler. Der setzte nun sein Haushaltsprogramm von Ausgabenkürzungen und Abgabenerhöhungen mit Hilfe der präsidialen Vollmachten in Kraft. Als er dafür im Reichstag keine Mehrheit organisieren konnte, löste er diesen auf und setzte Neuwahlen an, obwohl ein Erfolg der NSDAP zu erwarten war. Diese hatte viel Zulauf und konnte ihr Ergebnis in der letzten Landtagswahl in Sachsen verdreifachen.[1]
Ergebnis
Stimmanteil | Veränderung zu 1928 | Mandate | |
---|---|---|---|
SPD | 24,5 % | -5,3 % | 143 |
NSDAP | 18,3 % | +15,7 % | 107 |
KPD | 13,1 % | +2,5 % | 77 |
Zentrum | 11,8 % | −0,3 % | 68 |
DNVP | 7,0 % | −7,3 % | 41 |
Bei der Reichstagswahl 1928 hatte die NSDAP nur 31784 Stimmen in Schleswig-Holstein erhalten. Jetzt waren es 240288 Stimmen. Die SPD verlor hier nur 13000 Stimmen, denn die Wählerinnen und Wähler vor allem der bürgerlichen Parteien wanderten direkt in den Rechtsradikalismus.[2]
Wieder ernannte der Reichspräsident Heinrich Brüning zum Kanzler, obwohl seine Regierung aus verschiedenen bürgerlichen Parteien keine Mehrheit im Reichstag hatte.
"Wie sollte sich die SPD nach dem Wahlergebnis nun konkret verhalten? Der preußische Ministerpräsident Otto Braun erwartete eine 'Große Koalition aller Vernünftigen' und damit eine förmliche Regierungsbeteiligung seiner Partei. Doch sie stieß auf Ablehnung vor allem bei Reichspräsident Hindenburg, aber auch bei den bürgerlichen Parteien und in der SPD selbst, wo der Eintritt in ein Kabinett Brüning als kompromittierend gegenüber der eigenen Wähler*innenschaft erschien. Ein dezidierter Oppositionskurs gegenüber Brüning kam jedoch gleichfalls nicht in Frage. Er hätte die aus SPD, Zentrum und Linksliberalen bestehende Regierungskoalition in Preußen in Frage gestellt und damit die Kontrolle über die Polizei im weitaus größten deutschen Einzelstaat. Genau sie war jedoch unabdingbar, wenn man dem weiteren Aufstieg der NSDAP und der von ihr ausgeübten Gewalt entgegenwirken wollte. An der Tolerierung der Präsidialregierung Brüning führte deshalb, so sehr sie die SPD belastete, kein Weg vorbei. Wie wir heute wissen, blieb ihr der Erfolg am Ende allerdings versagt."[1]
Die Deutsche Volkspartei (DVP) war in der Regierung nicht mehr vertreten. Sie sprach der Regierung das Misstrauen aus und wandte sich nach rechts, ohne sich jedoch an der Harzburger Front zu beteiligen. Deren Gründung führte dazu, dass die SPD das neue Kabinett als kleineres Übel stützte. Unter anderem mit Hilfe der Sozialdemokraten überstand die Regierung am 16. Oktober verschiedene Misstrauensanträge. Am selben Tag vertagte sich der Reichstag bis Februar 1932.[3] Diese Unterstützung wiederum führte dazu, dass sich von der SPD die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP) abspaltete.
Wie realistisch etwa der Hamburger Landesvorsitzende Karl Meitmann die Nazis schon 1930 einschätzte, macht eine Rede deutlich, die er am 25. September 1930 vor Hamburger Funktionären im Rahmen der Analyse des Wahlergebnisses hielt. Er wandte sich gegen eine Tolerierung der Regierung Brüning und nahm
"auch zur Frage einer eventuellen Regierungsbeteiligung der Nationalsozialisten Stellung. Mit entschiedenen Worten lehnte er die hinter solchen Plänen stehende 'Taktik des Anschauungsunterrichts' ab. Es sei ein grundlegender Irrtum zu glauben, daß Hitler etwa den Weg gehen werde, den die Deutschnationalen 1924 gegangen seien. Gehe er ihn doch, dann werde er es nur tun, 'wenn er vorher alle Sicherung geschaffen (habe), daß keine Wahl ihn wieder korrigieren (könne)'. Hitler wolle mehr als Finanz- und Agrarpolitik, ihm gehe es um die Macht, die 'ganze Macht'. Wörtlich fuhr Meitmann fort: 'Die Nazis sind eine reale Wirklichkeit, die wir nicht übersehen dürfen. Sie wollen nicht abwirtschaften, sie wollen eine Exekutive sein, die, wenn es sein muß, durch Ströme von Blut ihre Macht aufrichtet und erhält ... Die Nationalsozialisten werden nicht nach Berlin marschieren, sie werden Stück für Stück den Boden ebnen, um die Herrschaft zu erringen'. Deshalb, so folgerte Meitmann, müsse eindringlich vor dem Gedanken gewarnt werden, 'wir wollen abwarten, was da kommt', man solle sich immer das Beispiel Italiens vor Augen halten, wo nicht zuletzt durch das Versagen der Arbeiterklasse der Faschismus zur Macht gekommen sei."[4]
Aufgrund dieser Einschätzung setzte sich Karl Meitmann dafür ein, "daß die Sozialdemokratie jetzt mit aller Macht den Wiedereintritt in die Regierung anstreben solle".[5]
Links
- Wikipedia: Reichstagswahl 1930
- Schumann, Dirk: Reichstagswahl 1930 - Mit einer Präsidialregierung gegen die Nazis, vorwaerts.de, 14.9.2020
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Schumann, Dirk: Reichstagswahl 1930 - Mit einer Präsidialregierung gegen die Nazis, vorwaerts.de, 14.9.2020
- ↑ Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 97
- ↑ Winkler, Heinrich August: Weimar 1918–1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie (Beck, München 1993), S. 431 f.
- ↑ Witt, Friedrich-Wilhelm: Die Hamburger Sozialdemokratie in der Weimarer Republik unter besonderer Berücksichtigung der Jahre 1929/30-1933 (Diss., Verlag für Literatur und Zeitgeschehen, Hannover 1971), S. 88; wörtliche Zitate ebd. nach dem Versammlungsbericht, Hamburger Echo, 26.9.1930
- ↑ Witt, Friedrich-Wilhelm: Die Hamburger Sozialdemokratie in der Weimarer Republik unter besonderer Berücksichtigung der Jahre 1929/30-1933 (Diss., Verlag für Literatur und Zeitgeschehen, Hannover 1971), S. 89
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