Claus Möller: Dankesrede für Heide Simonis

Aus SPD Geschichtswerkstatt

Die Dankesrede für Heide Simonis hielt Landesvorsitzender Claus Möller auf dem SPD-Landesparteitag am 23. April 2005 in Kiel

Liebe Heide,

wir beide haben gemeinsam viel durchgemacht, manche Höhen und Tiefen erlebt. Wir kennen uns seit über 30 Jahren, unsere politischen Wege haben sich oft gekreuzt und verliefen zeitweilig parallel. Dass ich eines Tages diese Rede halten würde, hätte ich nicht gedacht und ich muss zugeben: es fällt mir nicht leicht.

Heide, Du hast unbestritten Deinen festen Platz in der Geschichte Schleswig-Holsteins und der Bundesrepublik. Viele Prominente und weniger Prominente haben sich in den vergangenen Wochen so geäußert; und dies parteiübergreifend, egal ob Freund oder Feind. Die vielen herzlichen Briefe von Bürgerinnen und Bürgern aus der ganzen Republik, die uns und Dich erreicht haben, unterstreichen die Anerkennung und die Sympathie, die Du überall genießt.

Wir alle wissen, woran das liegt; ich möchte es dennoch aussprechen: Deine Direktheit und Deinen Mut hast Du in der Politik nie verloren. Du hast Klartext geredet, wenn’s sein musste und hast oft auf Deine Intuition gehört. Du bist mit den Entscheidungen der Partei durch dick und dünn gegangen oder bist hart geblieben, wenn Du mal nicht der Meinung der Partei warst. Getreu Deinem Motto „Jetzt erst recht! Das wollen wir doch mal sehen.“ bist Du gut durch manche Auseinandersetzung gekommen.

Kurzum: Du bist einfach so geblieben, wie Du eben nun mal bist.

In unserer Mediendemokratie, in der die Inhalts- und Konturlosigkeit als Vorteil propagiert wird, ist Authentizität ein immer selteneres hohes Gut, welches Du mit viel Herz und Verstand verteidigt hast. Nicht immer zu Deinem Vorteil, wie ich meine, aber auch das hast Du in Kauf genommen.

Seit Deinem Eintritt in die SPD 1969 hast Du in allen Abschnitten Deines politischen Wirkens viel geleistet und Zeichen gesetzt. Dein Name ist in vielschichtiger Weise unverwechselbar mit der Politik in diesem Land in den vergangen 30 Jahren verbunden: 1971-1976, fünf Jahre in der Kieler Ratsversammlung, dann die 12 Jahre im Bundestag, als Mitglied des Parteivorstandes, seit 1992 im Landtag, als Finanzministerin im Kabinett Engholm und natürlich ab 1993 als Ministerpräsidentin.

Ein Bauer formulierte damals bei Deinem Amtsantritt als Ministerpräsidentin: „Eene eenzige Frau regeert dat wunnerschöne Land ganz alleen. Oh ne, dat dörf doch nicht sin.“

Doch: Es wurde wahr - und es hat diesem Land so gut getan! Als Dir Ute als Landtagspräsidentin am 19. Mai 1993 den Amtseid abnahm, war dies für die Republik der Beginn einer neuen Zeitrechnung. Du wurdest erste und einzige Ministerpräsidentin bundesweit und bist es bis heute! Deine politische Lebensleistung „allein unter Männern“ ist seitdem Vorbild und Maßstab für viele Frauen in unserer Partei und weit darüber hinaus.

Mit Deinem Namen verbindet sich auch der Mut, offen über notwendige und auch unpopuläre Veränderungen zu sprechen. Von den ersten Reformüberlegungen im öffentlichen Dienst, für die Du bereits 1993 einen Bambi erhalten hast, bis hin zur aktuellen Debatte über eine Reform für ein einfaches und gerechtes Steuersystem. Mit Dir als Ministerpräsidentin ist es uns Sozialdemokraten gelungen, Schleswig-Holstein zu dem zu machen, was es heute ist:

  • Ein weltoffenes, seinen Nachbarn verbundenes Land, das seine Lage zwischen den Meeren wirtschaftlich und kulturell zu nutzen weiß.
  • Ein Land, das in rund 17 Jahren den Wandel zu einem wirtschaftlich und gesellschaftlich modernen Land geschafft hat.
  • Ein Land, in dem der Schutz und die nachhaltige Sicherung unserer natürlichen Lebensgrundlagen groß geschrieben werden.
  • ƒ Ein Land, in dem Mehrheit und Minderheit vorbildlich zusammenleben.
  • ƒ Ein Land, in dem die Menschen füreinander da sind und in dem sie gerne Leben.
  • ƒ Und: Schleswig-Holstein ist ein Land, dessen Bürgerinnen und Bürger heute zu Recht mit Stolz auf ihre Ministerpräsidentin blicken können, denn sie hat in rund 12 Jahre viel für unser Land erreicht.

Heide,

allen ist klar, dass die Niederlegung aller politischen Ämter und Mandate durch Dich Lücken hinterlässt. Deine besondere Stellung in unserer Partei muss man – vor allem nach unserem einzigartigen Landtagswahlkampf – niemandem erklären. Du hast eben an unseren tollen Wahlkampf erinnert. Ich greife diesen roten Faden der Erinnerung gerne kurz auf:

Angefangen hat alles mit den roten Salons, in denen Du mit den Genossinnen und Genossen in allen Teilen des Landes über den Wahlkampf und über Dich als unsere Spitzenkandidatin geklönt hast.

Die Helgolandfahrt mit dem Team den 400er, die daraufhin wahrlich sturmerprobt waren. Dann kam der Lübecker Parteitag: ein Erlebnis für jeden der dabei war. 100% für Dich, 100% für unser Programm „Stark im Norden!“. Was für ein schlagkräftiges Doppelpack!

Die Veranstaltungsreihe „Heide direkt“ hat Politik und Menschliches einmalig verbunden. Die rote Werbelinie mit den von Dir so sehr geliebten HE!DE-Säulen im ganzen Land. HE!DE – geschrieben mit dem Ausrufezeichen in der Mitte – das war unsere starke Marke im Wahlkampf. Und Du ganz klar - das Herz unserer Partei. Was dann am 17. März geschehen ist, hat uns allen das Herz gebrochen [oder: war für uns alle ein Stich mitten ins Herz]. Ich bleibe dabei: was geschehen ist, war ein schlimmer Verrat.

Es war hinterhältig, gewissenlos und schäbig. Du fühlst Dich zu Recht von hinten erdolcht, denn genau dies ist geschehen.

Ich fordere den- oder diejenige, die sich am 17. März gegen Heide und uns alle gestellt hat, nochmals auf, sich zu erkennen zu geben, sein Mandat niederzulegen und die Partei zu verlassen. Gewissen, Anstand und Ehre wären hier Motivation genug. Ich glaube nicht - trotz der Fassungslosigkeit, Traurigkeit und Wut, die uns alle erfasst hat - dass irgend jemand nachvollziehen kann, wie es Dir, liebe Heide, ergangen ist und noch ergeht.

Doch: Du hast uns mit Deiner kämpferischen Rede gerade gezeigt, dass wir uns trotz des Verrats durch diese eine Person nicht den Stolz dieser Partei und jedes einzelnen Mitglieds nehmen lassen. Diese starke und kämpferische Heide Simonis ist es, die wir schätzen und lieben. Und ich füge hinzu: Es ist die Heide Simonis, die wir auch zukünftig nicht missen wollen!

Liebe Heide,

Mit Deiner Rede hast Du einigen Genossinnen und Genossen zumindest eine Entscheidung des heutigen Parteitages leichter gemacht. Du kannst Dir sicher sein: Wir richten den Blick nach vorn, denn wir sehen uns in der Verantwortung gegenüber unseren Wählerinnen und Wählern und wollen ein Maximum unseres Programms für soziale Gerechtigkeit umsetzen. Der Abschlusssatz Deiner Rede lässt mich hoffen, dass Du uns auch in Zukunft mit dem einen oder anderen guten Rat zur Seite stehen wirst. Ich denke, wir können ihn hin und wieder gebrauchen, denn eines ist sicher: Einfacher wird’s in den nächsten fünf Jahren bestimmt nicht!

Ich möchte Dir abschließend unseren großen Dank aussprechen für das, was Du für dieses Land und unsere Partei geleistet hast. Neben Blumen, Applaus und einer Menge Tränenflüssigkeit haben wir noch ein weiteres Geschenk für Dich und sagen einfach: Danke HE!DE!