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Die Umweltpolitik spielte in der SPD Schleswig-Holstein früh eine große Rolle. Die schleswig-holsteinische SPD war bereits auf dem Weg zur "''Umweltpartei''", als es die GRÜNEN noch gar nicht gab.  
Die '''Umweltpolitik''' spielte in der SPD Schleswig-Holstein früh eine große Rolle. Die schleswig-holsteinische SPD war bereits auf dem Weg zur "''Umweltpartei''", als es die GRÜNEN noch gar nicht gab.  


Das wird aus den Dokumenten der 70er Jahre deutlich, in denen die Probleme dargestellt wurden, die sich aus einem Wirtschaftswachstum ohne Rücksicht auf die Natur ergeben würden. Die heftige Kritik an der [[Atomkraft|Kernenergiepolitik]] der Regierung von [[Helmut Schmidt]] ließ die Sorge um die Lebensbedingungen künftiger Generationen ebenso erkennen, wie die ersten Ansätze zur Nutzung regenerativer Energien.   
Das wird aus den Dokumenten der 70er Jahre deutlich, in denen die Probleme dargestellt wurden, die sich aus einem Wirtschaftswachstum ohne Rücksicht auf die Natur ergeben würden. Die heftige Kritik an der [[Atomkraft|Kernenergiepolitik]] der Regierung von [[Helmut Schmidt]] ließ die Sorge um die Lebensbedingungen künftiger Generationen ebenso erkennen, wie die ersten Ansätze zur Nutzung regenerativer Energien.   

Version vom 22. April 2022, 15:46 Uhr

Plakat zur Landtagswahl 1996

Die Umweltpolitik spielte in der SPD Schleswig-Holstein früh eine große Rolle. Die schleswig-holsteinische SPD war bereits auf dem Weg zur "Umweltpartei", als es die GRÜNEN noch gar nicht gab.

Das wird aus den Dokumenten der 70er Jahre deutlich, in denen die Probleme dargestellt wurden, die sich aus einem Wirtschaftswachstum ohne Rücksicht auf die Natur ergeben würden. Die heftige Kritik an der Kernenergiepolitik der Regierung von Helmut Schmidt ließ die Sorge um die Lebensbedingungen künftiger Generationen ebenso erkennen, wie die ersten Ansätze zur Nutzung regenerativer Energien.

Als die SPD 1988 Regierungsverantwortung übernahm, wurde auch in vielen anderen Bereichen der Ökologie der schleswig-holsteinische Reformstau aufgelöst, wobei der parteilose Umweltminister Berndt Heydemann eine entscheidende Rolle spielte.

„Nachhaltige“ Leitsätze 1981

Gerd Walter, Gert Roßberg (Flensburg) und Willi Geusendam (stellvertretender Landesvorsitzender aus Lübeck) schrieben im Entwurf der Leitsätze "Umdenken und Verändern", die dem Landesparteitag 1981 in Harrislee vorgelegt wurden eine frühe Philosophie der "Nachhaltigkeit" auf, bevor dieser Begriff Ende der 80er Jahre durch Gro Harlem Brundlandts UNO-Kommission in die politische Diskussion eingeführt wurde.

Hauptthese war, dass auf einem endlichen Planeten Produktion, Bevölkerung, Energie- und Rohstoffverbrauch nicht endlos wachsen könnten. Ökologische Rücksichtnahme sei künftig ein unverzichtbarer Maßstab eines neu verstandenen Fortschritts. Die natürlichen Hilfsquellen dürften nur in dem Maße eingesetzt werden, wie ihre Regeneration sichergestellt sei. Die zerstörerische Ausbeutung der Natur müsse überwunden werden.

Das Land als „Öko-Valley“

Ministerpräsident Björn Engholm

Im Landtagswahlprogramm 1987Aufbruch im Norden“ wurde „Arbeit und Umwelt“ ein zentrales Thema. Björn Engholm sprach gern davon, das Land solle ein "Öko-Valley" werden.

"In seiner Lage zwischen den Meeren an der Nahtstelle zwischen Skandinavien und Mitteleuropa, zwischen West- und Osteuropa und in seinen natürlichen Ressourcen liegen die Chancen für un­ser Land. 37 Jahre lang sind viele Mög­lichkeiten von der CDU vertan worden. Früher wurde die zentrale Lage des Landes besser genutzt, zum Beispiel von der Hanse […]"

"Wir Sozialdemokraten wollen unser Land zum modernen Zentrum im Nor­den machen. Wir wollen die Chancen für Schleswig-Holstein nutzen mit einer auf die Ökologie hin ausgerichteten Po­litik für Wirtschaft und Technik. Eine Wirtschaftspolitik, die allein auf quantitatives Wachstum zur Lösung der aktuellen Probleme setzt, muss schei­tern. Das Wirtschaftswachstum der Vergangenheit ist mit einem hohen Verbrauch von Energie und Rohstoffen sowie mit Schädigungen der Umwelt erkauft worden. Das Waldsterben und die sich häufenden Umwelt-, Abfall­ und Altlastskandale sind ein Beweis da­für, dass wir unsere Natur jahrelang überfordert haben.

In unserer Wirtschaftspolitik bauen wir weder einseitig auf die Kräfte des Mark­tes, noch glauben wir an die Allmacht des Staates. Markt oder Staat sind in einer entwickelten sozial verpflichteten Industriegesellschaft falsche Alternati­ven. Staat und Wirtschaft müssen im Spannungsfeld unterschiedlicher Inter­essen jeweils einen eigenen Beitrag lei­sten für die Zukunft eines Schleswig­-Holstein, in dem alle Menschen einen angemessenen Arbeitsplatz finden.“

Vorreiter beim Umweltschutz

Auf dem Landesparteitag 1991 legte Björn Engholm seine erste Erfolgsbilanz zur Umweltpolitik vor:

„Das umweltpolitische Erbe der CDU bestand u. a. in:

  • zersplitterten Zuständigkeiten;
  • einer kraftlosen Verwaltung von Mängeln und
  • Vollzugsdefiziten, Konzeptions- und Perspektivlosigkeit.

Wir haben umgehend ein Ministerium für Natur-, Umwelt- und Landesentwicklung eingerichtet. Sein Leistungskatalog ist umfangreich, ich nenne nur:

  • Wir können heute auf eine umfassende Neuorientierung und Neugestal­tung der Natur- und Umweltpolitik verweisen, die europaweit Anerken­nung findet.
  • Wer heute etwas über Gewässerreinhaltung oder Abfallwirtschaft erfah­ren will, kommt nach Schleswig-Holstein. Ein Riesenerfolg nach nur 3'/2 Jahren Arbeit eines neuen Ressorts!
  • Und wir haben über 12 000 ha neue Naturschutzflächen ausgewiesen oder sichergestellt - mehr als dreimal soviel wie in der letzten Legislatur­periode.
  • Auch das Inselschutzprogramm und die Verbesserung des Hallig-Konzep­tes sind wegweisend.

Diese Politik werden wir konsequent fortsetzen:

  • mit einem wegweisenden Landesnaturschutzgesetz;
  • mit dem Aufbau eines landesweiten Biotop-Verbundsystems; mit einem Bodenschutzgesetz;
  • und der konsequenten Umsetzung des Abfallwirtschaftsprogramms.

Unser Garant dafür ist einer, der sich für die Umwelt mit unendlich viel Kraft einsetzt, oft unbequem, aber immer zutiefst engagiert: Berndt Heydemann.“

Mut zu einem neuen Naturschutzgesetz

Berndt Heydemann, 2013

Mit dem Amtsantritt des parteilosen Umweltministers und Biologen Professor Berndt Heydemann 1988 war der Prozess für ein mustergültiges Landesnaturschutzgesetz in Gang gekommen. Aber die Führung der Landtagsfraktion tat sich schwer damit, weil sie Konflikte mit der Landwirtschaft und der Kommunalpolitik befürchtete. Deshalb sollte es vor der Landtagswahl 1992 zunächst bei weniger präzisen Aussagen in Form von "Eckpunkten" bleiben.

In einer dramatischen Landesvorstandssitzung in Schleswig machten sich vor allem Eckart Kuhlwein und Ulrike Mehl dafür stark, einen konkreten ausformulierten Gesetzentwurf vorzulegen. Gert Börnsen warf Eckart Kuhlwein deshalb "Altersradikalismus" vor. Nach der erfolgreichen Wahl, bei der die GRÜNEN noch einmal knapp unter fünf Prozent gehalten werden konnten, wurde auch von ihm selbst gerade die konsequente Naturschutzpolitik als wichtiger Faktor für den Wahlsieg gewertet.

Berndt Heydemann trat Ende 1993 zurück, weil er bei Heide Simonis zu wenig Unterstützung fand. Er gründete mit seinem Privatvermögen das Zukunftszentrum Mensch-Natur-Technik-Wissenschaft in Nieklitz in Mecklenburg und erhielt dafür 2005 den Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt.

Ökologische Erneuerung im Programm

Das Landtagswahlprogramm 1992 enthielt denn auch ein besonderes Kapitel „Schleswig-Holstein ökologisch erneuern“. Ökologische Erneuerung war damals der Leitbegriff für eine auch an ökologischen Maßstäben orientierte Gesamtpolitik. Das Programm enthielt für alle Bereiche der Umweltpolitik eindeutige und mutige Aussagen. Der Kernsatz: Weltweit schreite die Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen voran. Eine Umkehr sei zu einer Frage des Überlebens geworden.

Energieversorgung umbauen

Günter Jansen, 2008

Und in der Energiepolitik waren es der zuständige Sozialminister Günther Jansen und sein Staatssekretär Claus Möller, die auf der einen Seite den Atomausstieg versuchten, auf der anderen Seite die regenerativen Energien und das Energiesparen förderten. Das Wahlprogramm machte auf die Schwierigkeiten der Landespolitik aufmerksam, eine eigene restriktive Kernenergiepolitik bei gegebenen Betriebsgenehmigungen zu verfolgen. Deshalb wurde dringend ein "Kernenergieabwicklungsgesetz" auf Bundesebene gefordert.

Widerstand bei Bauern und Kammern

Willi Piecyk, 1989

Der Entwurf des neuen Landesnaturschutzgesetzes hatte selbstverständlich den Widerstand von Kammern und Landwirtschaft auf den Plan gerufen. Der Konflikt war ja auch beabsichtigt. Und der SPD-Landesvorsitzende Willi Piecyk nahm den Entwurf auf einer eigens anberaumten Pressekonferenz in Schutz:

"Die gemeinsame Kritik von Gemeindetag, Landwirtschaftskammer, IHK's, Bauernver­band, Handwerkskammern, Grundbesitzern, Landeskulturverbänden, Waldbesitzerverband und Unternehmensverbänden am Landesnatur­schutzgesetzentwurf stellt nichts anderes dar als einen Frontalangriff auf die Umweltpolitik der SPD und der Regierung Engholm. Die konzertierte Aktion der Natur­ignoranten ist eine durchsichtige Wahl­kampfhilfe für CDU und FDP. Offensichtlich gut funktionierende Seilschaften von Verbandsfunktionären betätigen sich dabei als willfährige Wahlhelfer von CDU und FDP. Wir nehmen diese Kampfansage auf.

Am 5. April geht es auch um eine umwelt­politische Grundsatzentscheidung, ob sich eine Betonkoalition von CDU und FDP mit ihrem Rollback in der Natur- und Umwelt­schutzpolitik durchsetzt oder ob eine Politik fortgesetzt werden kann, die den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen ernst nimmt.

Wer heute noch glaubt, man könne Natur ohne die Aufgabe liebgewonnener Gewohnheiten schützen und bewahren, irrt. Es gibt dafür übrigens einen unverdächtigen Zeugen, den Präsidenten des Naturschutzbundes Deutsch­land und Schattenminister von Ottfried Hennig [der CDU-Spitzenkandidat zur Landtagswahl], Klaus Dürkop. Er hat vor wenigen Tagen nach der Kritik des Wirtschaftsrates der CDU am Naturschutzgesetzentwurf wört­lich erklärt: 'Die Diskussion war zum Teil blamabel, Naturschutz muss das oberste Ziel sein. Dorthinein hat sich der Mensch zu fügen. Alles andere ist Unfug.' So berichten die Kieler Nach­richten vom 13.3.1992. Dürkop hatte recht. Leider realisiert er nicht, dass er als Alibi-Figur einer "unnatürlichen" Politik benutzt wird.

Die inhaltliche Kritik der aufgeregten Ver­bände trifft in ihren Hauptaussagen nicht: Einige der kritisierten Regelungspunkte sind keine Erfindungen von Professor Heydemann. Es stellt sich die Frage, ob der mitunterzeichnende Gemeindetag Vollzugsde­fizite auf kommunaler Ebene zu überspielen versucht. So gibt es beispielsweise erst fünfzig Landschaftspläne in ganz Schleswig-­Holstein, obwohl das Landschaftspflege­gesetz ihre Aufstellung in zahlreichen weiteren Fällen verpflichtend längst vorsieht.

Der Mensch komme nicht mehr vor: Das Gesetz will 15% Vorrangfläche für die Natur sichern. Auf den restlichen 85% behält der Mensch eindeutig Vorrang. Dieses Ziel ist bei allen, die von Umweltpolitik etwas ver­stehen, unstrittig; von Heydemann über [Klaus] Töpfer bis [Klaus] Dürkop.

Das Biotop-Verbundsystem sei nicht zu bezahlen: Heydemann kalkuliert 1,2 Milliarden DM, verteilt auf über 20 Jahre. Das ist kostengünstiger als Pacht über lange Zeit­räume und als der bisher praktizierte Reparaturbetrieb an der Natur.

15% Vorrangflächen stellten Konkurrenz zur Landwirtschaft dar: Der Aufbau des Biotop-Verbundsystems soll nach dem Prinzip der Freiwilligkeit erfolgen. Schon heute werden von der Landwirtschaft mehr Flächen angeboten als Heydemann kaufen kann."

Das schleswig-holsteinische Landesnaturschutzgesetz aus der Feder von Minister Berndt Heydemann ist viele Jahre beispielhaft für die Reform des Naturschutzes in Deutschland gewesen.

Die Partei arbeitet im Umweltbereich

In einer "Kampagne ökologische Erneuerung" wurden zwischen 1991 und 1993 fünf Ökologieforen durchgeführt, die zum Teil von 200 Teilnehmern besucht wurden. Themen: Ökologisches Bauen, Sanfter Tourismus, Abfallwirtschaft, Ökologische Landwirtschaft, Neue Energiepolitik. Außerdem drei Fachkongresse zu Landwirtschaft und Naturschutz, Arbeit und Gesundheit. Das "Umweltbüro" der SPD beteiligte sich an der Umweltmesse in Neumünster und gab einen ökologischen Reiseführer heraus.

Gründung eines Nord-Süd-Forums

Auf einer Klausurtagung des Landesvorstands wurde am 4. Juni 1993 ein Nord-Süd-Forum Schleswig-Holstein gegründet, in dem die SPD mit entwicklungspolitischen Gruppen zusammenarbeiten wollte. Im Beschluss dazu tauchte der Begriff "dauerhaft" auf, der lange Zeit von vielen Sozialdemokraten an Stelle des noch sperrigeren Begriffs "nachhaltig" benutzt wurde:

  1. Die SPD/SH richtet als regelmäßigen Arbeitskreis ab Herbst 1993 ein Nord-Süd-Forum ein. Federführung und Geschäftsführung bei Eckart Kuhlwein.
  2. Das Forum soll folgende Aufgaben haben:
    • Verbindung schleswig-holsteinischer Nord-Süd-Initiativen mit der entwicklungspolitischen Arbeit der SPD,
    • Anregung und Vernetzung von Initiativen zur lokalen/kommunalen Entwicklungszusammenarbeit,
    • Weiterarbeit an vorhandenen SPD-Konzepten für eine dauerhafte Entwicklung in der einen Welt,
    • Beiträge zur Öffentlichkeitsarbeit/Bewusstseinsbildung für eine dauerhafte Entwicklung.

Und dann kam das „umweltforum“

Kalender Eckart Kuhlwein, 1996

Mit dem Erdgipfel von Rio de Janeiro 1992 verpflichteten sich mehr als 170 Staaten dieser Welt, eigene nationale "Nachhaltigkeitsstrategien" (Agenda 21) zu entwickeln. Im Bund dauerte es immerhin acht Jahre, bis der entsprechende Diskussions- und Entscheidungsprozess in Gang gesetzt wurde. Auch in Schleswig-Holstein hatte man zunächst anderes zu tun. Zwar war die Umweltpolitik bei Berndt Heydemann (bis 1993) und auch bei seiner Nachfolgerin Edda Müller (bis 1996) in guten Händen. Aber eine fachübergreifende Strategie zu einer nachhaltigen Entwicklung wurde nicht erarbeitet. Erst das von Ulrike Mehl, Eckart Kuhlwein, Konrad Nabel und einigen anderen 1996 gegründete "umweltforum" lieferte den theoretischen Unterbau und formulierte Anforderungen an die Landespolitik.

Heide Simonis, 2007

Heide Simonis (Ministerpräsidentin seit 1993) hatte mit dem Begriff "Nachhaltigkeit" ihre Schwierigkeiten. Alle Bemühungen, das Thema zur Chefinnen-Sache zu machen, blieben an ihrem Vorurteil hängen. Erst die Koalitionsverhandlungen mit den GRÜNEN im April 2000 brachten den Durchbruch: Im Koalitionsvertrag wurde festgehalten, dass die Landesregierung eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie für Schleswig-Holstein erarbeiten würde. Der Prozess begann im Herbst 2000 ganz vielversprechend. Er ist noch nicht zum Abschluss gekommen, wurde aber auch in der Großen Koalition mit der CDU nach 2005 fortgesetzt.

Die Frage jedoch ist bis heute offen geblieben, ob und welche Folgen für die betroffenen Ressorts, auch außerhalb der eigentlichen Umweltpolitik, die Nachhaltigkeits-Appelle haben. Am stärksten hatte sich noch die Finanz- und Haushaltspolitik daran gewöhnt. Es verging kaum eine Rede von Finanzminister Claus Möller, in der nicht Sparen als "nachhaltige Finanzpolitik" zugunsten künftiger Generationen interpretiert wurde.

Ein eigenes Klimaschutzprogramm

Im Landtagswahlprogramm 1996-2000 wurde auf Vorschlag des umweltforums ein eigenes Klimaschutzprogramm für Schleswig-Holstein gefordert, in dem der Energieverbrauch vermindert, die Energie optimal genutzt und Energie ökologisch erzeugt werden sollte. Schleswig-Holstein sei als Land zwischen den Meeren vom Klimawandel besonders betroffen. Dann wurde ein ehrgeiziges Ziel formuliert: Bis 2010 sollten 20 bis 25 Prozent des Stromverbrauchs im Land durch Windenergie geliefert werden. Die Zahl sollte später bei weitem übertroffen werden. Schleswig-Holstein wurde auch durch diese Bemühungen zum Windland Nummer eins in Deutschland.

"Ökologische Modellregion"

Eckart Kuhlwein, 2013

Nachdem Heide Simonis die Landtagswahl 1996 knapp gewonnen hatte und erstmals mit den GRÜNEN eine Koalition vereinbart worden war, mahnte der Landesvorstand auf Antrag von Ulrike Mehl und Eckart Kuhlwein am 10. Februar 1997 wesentliche Positionen aus dem Wahlprogramm an:

  1. Die schleswig-holsteinische SPD hat in ihrem Regierungsprogramm zur Landtagswahl 1996 ver­sprochen, das Land zu einer "ökologischen Modellregion" zu entwickeln. Im Text des Programms heißt es wörtlich: "In der Gemeinsamkeit von Ökologie und Ökonomie liegen die Zukunftschancen unseres Landes. Wir setzen auf eine integrierte und nachhaltige Entwicklung auch für künftige Generationen. Rohstoffe und Energie müssen gespart werden. Ökologische Schäden, für die alle zu bezahlen haben, müssen vermieden werden. Diese Politik eröffnet auch der Wirtschaft neue Chancen und schafft zusätzliche Arbeitsplätze."
  2. Der Landesvorstand erwartet von der SPD-geführten Landesregierung ein zwischen den Ressorts ab­gestimmtes Konzept, wie die Entwicklung zu einer "ökologischen Modellregion" in praktische Re­formschritte umgesetzt werden soll. Über den Stand der Umsetzung ist den Gremien der Partei regelmäßig zu berichten. Dabei sind die bisherigen Initiativen der Landtagsfraktion einzubeziehen.
  3. Der Landesvorstand sieht in der mittelständischen Struktur der schleswig-holsteinischen Wirtschaft und in einem gut qualifizierten Handwerk beste Voraussetzungen für die ökologische Modernisierung des Landes. Ein von der Landesregierung in Auftrag gegebenes Gutachten über die Situation in der Umwelt-Wirtschaft in Schleswig-Holstein hat gezeigt, dass der nachsorgende Umweltschutz bereits ein bedeutender Wirtschaftsfaktur geworden ist, während der integrierte Umweltschutz in Verfahren und Produkten noch nicht ausreichend vertreten ist. Hier müssen zusätzliche Anstrengungen des Landes unternommen werden.
  4. Der Landesvorstand erwartet von der Landesregierung, die im Regierungsprogramm vorgesehenen Projekte in Angriff zu nehmen.

Das umweltforum bleibt aktiv

Zum Landesparteitag 1999 in Reinbek berichtete das „umweltforum“:

„Das 'umweltforum' der SPD Schleswig-Holstein ist im November 1996 gegründet worden. Vorsitzende ist die Bundestagsabgeordnete Ulrike Mehl, Ge­schäftsführer Eckart Kuhlwein, die Landtagsfraktion ist durch Konrad Nabel in der 'Lenkungsgruppe' vertreten.

Das umweltforum will die ökologische Kompetenz der schleswig-holsteinischen SPD fördern und weiter­entwickeln, die Landes-SPD dabei unterstützen, sich in die umweltpolitische Diskussion im Land und in der Gesamtpartei einzumischen und als 'Umwelt­anwalt' die Berücksichtigung ökologischer Fragen in allen Politikbereichen einfordern. Dazu sind sechs Ar­beitsgruppen gebildet worden, die sich mit Ökologie und Wirtschaft, mit der Lokalen Agenda 21, mit Um­weltbildung, mit Naturschutz, mit Energiepolitik und mit Abfallwirtschaft beschäftigen. Mitarbeit aus der Partei und von draußen ist ausdrücklich erwünscht.

Seit dem letzten ordentlichen Landesparteitag hat das umweltforum drei größere Veranstaltungen durchge­führt: zu Akzeptanzfragen des Naturschutzes in Groß-­Vollstedt, zu Ökologie und Tourismus in Husum und den „Ersten ökologischen Wissenschaftstag" (als Bro­schüre schriftlich dokumentiert) in Kiel. Das umweltforum hat eine Reihe von Kreisverbänden (Pinneberg, Ostholstein, Lauenburg, Stormarn, Flensburg) und Ortsvereinen bei Tagungen und Initiativen zur Loka­len Agenda 21 unterstützt. Es hat Vorarbeiten für Parteitagsanträge und die Initiative der Landtags­fraktion zur Lokalen Agenda 21 in Schleswig-Hol­stein geleistet und bei der SGK für die Umsetzung der Agenda 21 von Rio in unseren Kommunen ge­worben.

In die öffentliche Diskussion hat sich das umweltforum mit Pressekonferenzen und Stellungnahmen (auch im „Vorwärts") eingemischt, darunter eine kriti­sche 'Rendsburger Erklärung' zur Energierechts­reform der alten Bundesregierung und ein 'Memorandum' zum ökologischen Bauen im öffentlichen Bereich. Für SPD-Ortsvereine und -Fraktionen wur­de ein 'Leitfaden' zur Erarbeitung einer Lokalen Agenda 21 zur Verfügung gestellt. In den letzten Mo­naten hat sich das umweltforum an den Vorarbeiten für das Landtagswahlprogramm 2000 beteiligt.

In der Lenkungsgruppe haben bisher mitgearbeitet: Ulrike Mehl (MdB), Eckart Kuhlwein, Konrad Nabel (MdL), Jürgen Blucha, Holger Krawinkel, Hans-Jörg Lüth, Irene Schöne, Wolfgang Vogel, Marion Wecken und Arnold Wilken.“

Umweltpolitik im "Bündnis für Arbeit"

Im Namen des umweltforums beantragten Eckart Kuhlwein und Ulrike Mehl auf dem Reinbeker Parteitag 1999 ein "Bündnis für Arbeit und Umwelt" auf Bundesebene. Eine von den Gewerkschaften geplante Initiative "Arbeit und Umwelt" soll von SPD-Bundesregierung und Fraktion in Berlin aufgegriffen und durch eigene Beiträge verstärkt werden. Dazu gehörten nach Meinung des umweltforums die nächsten Stufen der ökologischen Steuerreform, der Abbau umweltschädlicher Subventionen im Energiebereich, eine verstärkte Anschubfinanzierung für die Solarenergie, aber auch die Stärkung der Produktverantwortung der Hersteller beim Kreislaufwirtschaftsgesetz und die Förderung des Naturschutzes.

Ein Diskussionspapier zur Umweltpolitik

Ebenfalls 1999 legte das umweltforum sein Diskussionspapier zum Landtagswahlprogramm 2000-2005 vor, in dem "Nachhaltigkeit und Modernisierung" im Mittelpunkt standen. In diesem Papier wurde der Begriff "Nachhaltigkeit" eingehend erläutert. Daran sollte die gesamte Politik ausgerichtet werden. Zukünftig müssten außer den Investitionen auch die langfristigen Nutzungskosten beachtet werden. Alle Politikbereiche müssten dabei einbezogen werden. Außerdem gehöre dazu eine breite Bürgerbeteiligung. Für Schleswig-Holstein wurde eine "Studie Nachhaltiges Schleswig-Holstein" angekündigt, wie sie damals für die Niederlande erarbeitet worden war. Land und Kommunen müssten Vorbildaufgaben übernehmen. In jeder Kommune sollte bis zum Jahr 2005 ein öffentliches Gebäude stehen, das nach den neueste ökologischen Erkenntnissen saniert oder neu gebaut worden sei. Die Landesregierung müsse einmal in der Wahlperiode mit einem öffentlichen Bericht über die Erfolge bei der Umsetzung des Prinzips Nachhaltigkeit Rechenschaft ablegen.

"Studie Nachhaltiges Schleswig-Holstein“

Dem umweltforum gelang es, die ökologische Grundorientierung auch im Regierungsprogramm der SPD für 2000-2005 zu verankern. Dort wird dann erstmals eine "Studie Nachhaltiges Schleswig-Holstein" angekündigt:

"Wir werden eine Studie „Nachhaltiges Schleswig-Holstein" nach dem Vorbild der Niederlande initiieren, die eine genaue Analyse der Ausgangssituation vornimmt und verschiedene Handlungsoptionen benennt. Letztere sollen später von der Politik aufgegriffen und umgesetzt werden…"

Schleswig-Holstein solle seine Politik auch in Zukunft am Prinzip der Nachhaltigkeit orientieren. In der Landesregierung solle es dazu eine "Stabsstelle" geben.

Ein "nachhaltiger" Koalitionsvertrag

In den Koalitionsverhandlungen mit den GRÜNEN wurde "auf gleicher Augenhöhe" auch die nachhaltige Entwicklung für Schleswig-Holstein vereinbart. Sogar eine landeseigene "Nachhaltigkeitsstrategie" sollte es geben. Für das umweltforum hat Ulrike Mehl das eine Woche vor der Regierungserklärung von Heide Simonis öffentlich begrüßt:

"Wir begrüßen ausdrücklich, dass der Koalitionsvertrag den gemeinsamen Willen bei­der Partner formuliert, das Prinzip einer nachhaltigen Entwicklung in allen Politikberei­chen umzusetzen und zu fördern. Nachhaltig ist eine Politik dann, wenn sie die Bedürf­nisse der heute lebenden Generationen erfüllt, ohne die Möglichkeiten künftiger Gene­rationen zu beeinträchtigen. Schleswig-Holstein wird damit zu einer Modellregion für eine zukunftsfähige Entwicklung werden.

Nachhaltigkeit ist nicht nur eine Sache der Umweltpolitik. Sie betrifft insbesondere auch die Ostseekooperation, die Landesplanung und Regionalentwicklung, die Städte- und Bauleitplanung, die Verkehrspolitik, die Agrarpolitik, die Schul- und Hochschulpolitik, die Technologiepolitik und die Wirtschaftsförderung, die Verwaltungsmodernisierung und die Tourismuspolitik.

Das muss bei der im Koalitionsvertrag angekündigten Erarbeitung einer Nachhaltig­keitsstrategie für Schleswig-Holstein berücksichtigt werden. Die Landesregierung sollte deshalb von Anfang an für eine Vernetzung der Aktivitäten der verschiedenen betroffe­nen Ressorts sorgen. Von der Sache her würde sich empfehlen, die Federführung bei der Staatskanzlei anzusiedeln. Die wichtigste Frage für die Entwicklung des Landes muss Chefinnen-Sache sein."