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Version vom 16. Dezember 2014, 17:48 Uhr
Björn Engholm |
Björn Engholm, * 9. November 1939 in Lübeck-Moisling, war Landtags- und Bundestagsabgeordneter, Parteivorsitzender, und wurde 1988, nach 38 Jahren CDU-Regierung, zum Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein gewählt.
Leben und Beruf
Nach der Mittleren Reife lernte er Schriftsetzer, erlangte auf dem 2. Bildungsweg die Hochschulreife und schloss den Besuch der Akademie für Wirtschaft und Politik in Hamburg als graduierter Sozialwirt ab. Sein Studium von Politik, Volkswirtschaft und Soziologie an der Universität Hamburg beendete er als als Diplom-Politologe.
Politischer Werdegang
Schon seit 1958 Mitglied der Industriegewerkschaft Druck und Papier, trat Engholm 1962 in die SPD ein und war 1965-1968 Vorsitzender der Lübecker Jungsozialisten.
Am 29. Mai 1991 wählte ihn die SPD als Nachfolger von Hans-Jochen Vogel zum Vorsitzenden der Gesamtpartei. Damit war er gleichzeitig als Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl 1994 gesetzt.
Bundestag/Bundesregierung
Am 2. Dezember 1968 meldeten die Kieler Nachrichten:
- "SPD: Student kandidiert - Auf ihrem außerordentlichen Kreisparteitag nominierte am Sonntag die Lübecker SPD als Bundestagskandidaten für den Wahlkreis 11 (Lübeck) bei den Bundestagswahlen 1969" den 29jährigen Studenten Björn Engholm. Engholm erhielt 108 von 160 Stimmen, der bisherige Bundestagsabgeordnete Karl Regling nur 49 Stimmen. [...]"[1]
Von 1969 bis zu seinem Wechsel in den Schleswig-Holsteinischen Landtag 1983 blieb Björn Engholm Bundestagsabgeordneter - stets direkt gewählt im Wahlkreis Lübeck.
1977 wurde er zum Parlamentarischen Staatssekretär im Bildungsministerium berufen, vom 28. Januar 1981 bis 1. Oktober 1982 war er Bundesminister für Bildung und Wissenschaft. Seine Nachfolge als Parlamentarischer Staatssekretär übernahm Eckart Kuhlwein.
17. September 1982 - 1. Oktober 1982 Nach dem Rücktritt der liberalen Minister und Parlamentarischen Staatssekretäre übernahm Björn Engholm in der sozialdemokratischen Minderheitsregierung zusätzlich das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Landtag
1983 holte Björn Engholm als Spitzenkandidat bei den schleswig-holsteinischen Landtagswahlen mit der SPD ihr bis dahin bestes Ergebnis und wurde Oppositionsführer im Landtag.
Ministerpräsident
1987 erreichte die Landes-SPD unter Björn Engholm trotz der später aufgedeckten Machenschaften des CDU-Ministerpräsidenten Barschel[2] ein noch besseres Ergebnis, konnte allerdings nicht die parlamentarische Mehrheit erreichen. Nach der Neuwahl des Landtags auf Grund von Barschels Rücktritt wurde Engholm am 8. Mai 1988 Ministerpräsident von Schleswig-Holstein.
Am 3. Mai 1993 trat er wegen Erschütterung seiner Glaubwürdigkeit in der "Barschel-Pfeiffer/Schubladen-Affäre" von seinen Ämtern als Ministerpräsident Schleswig-Holsteins und SPD-Bundesvorsitzender zurück und blieb bis 7. November 1994 einfacher Landtagsabgeordneter. Seit Auslaufen seiner politischen Ämter ist er als freier Publizist tätig, insbesondere im Bereich der Kunst, und nimmt Ehrenämter vor allem im Kulturbereich wahr.
Politik
Nach der Wahl Engholms zum Ministerpräsidenten wurde im Landtag im Juni 1988 eine Enquete-Kommission und danach einen Sonderausschuss ins Leben gerufen. Durch deren Ergebnisse wurde eine substantielle Parlaments- und Verfassungsreform eingeleitet. Die Ergebnisse:
- Das Parlament verfügt über weitreichende Initiativ-, Kontroll-, Frage- und Auskunftsrechte.
- Die Ausschüsse verfügen über ein Selbstbefassungsrecht und tagen öffentlich.
- Untersuchungsausschüsse und der Eingabenausschuss erhalten starke neue Rechte.
- Die Unabhängigkeit der Justiz ist durch ein transparentes Richterwahlverfahren gesichert.
- Elemente direkter Demokratie eröffnen dem Volk neue Einflussmöglichkeiten.
- Neue Staatszielbestimmungen (natürliche Lebensgrundlagen, Gleichstellung, Minderheiten) werden aufgenommen.
In dieser Zeit wurde auch eine Landesverfassung erarbeitet, die die alte - provisorische - Landessatzung ablöste.
Weitere Initiativen:
- Frischer Wind in der Verwaltung[3]
- Öffnung der Hochschulen für Menschen ohne Abitur[4]
- Gleichberechtigung von Männern und Frauen - Schleswig-Holstein war das erste Bundesland, das ein eigenes Ministerium für Frauenpolitik und für die praktische Umsetzung von Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes[5] schuf. Erste Frauenministerin in der Bundesrepublik Deutschland wurde Gisela Böhrk.
Videos
NDR Talk Show (1992)
Literatur
- Alfred J. Gertler: Björn Engholm im Gespräch. Perspektiven sozialdemokratischer Politik (Bonn 1991) ISBN 3-416-02352-8
- Ludger Fertmann: Björn Engholm. Ein Portrait (München 1991) ISBN 3-453-05206-4
- Rainer Burchardt/Werner Knobbe: Björn Engholm, die Geschichte einer gescheiterten Hoffnung (Stuttgart 1993) ISBN 3-421-06643-4
Links
- Landtagsinformationssystem
- Literatur von und über Björn Engholm im Archiv der Friedrich-Ebert-Stiftung
Quellen
- ↑ Kieler Nachrichten SPD: Student kandidiert, 2. Dezember 1968
- ↑ Der Spiegel, 16.11.1987: Waterkantgate: Kieler Klempnerkammer Link; Der Spiegel, 7.6.1993: Björn und die Detektive. Der Sozialdemokrat Engholm im Visier der Geheimdienste Link
- ↑ DER SPIEGEL 22/1989 Die Erben des Dr. Barschel Link
- ↑ DIE ZEIT, 20.3.1992 Nr. 13 Nach vier Jahren: Was hat sich in Schleswig-Holstein geändert? Die Millimeter nach dem Erdrutsch Link
- ↑ "Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."
MinisterpräsidentIn: Hermann Lüdemann (1947 - 1948) | Bruno Diekmann (1949 - 1950) | Björn Engholm (1988 - 1993) | Heide Simonis (1993 - 2005) | Torsten Albig (2012 - 2017)
Fraktionsvorsitzende: Wilhelm Kuklinski (1946 - 1946) | Andreas Gayk (1946 - 1950) | Bruno Diekmann (1950 - 1953) | Wilhelm Käber (1953 - 1966) | Jochen Steffen (1966 - 1973) | Klaus Matthiesen (1973 - 1983) | Björn Engholm (1983 - 1988) | Gert Börnsen (1988 - 1996) | Ute Erdsiek-Rave (1996 - 1998) | Lothar Hay (1998 - 2008) | Ralf Stegner (2008-2021) | Serpil Midyatli (2021-2022) | Thomas Losse-Müller (2022-2023);| Serpil Midyatli (2023-heute)