Gertrud Völcker: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 8. November 2022, 00:54 Uhr
Gertrud Völcker |
Gertrud Völcker (geb. Dürbrook), * 27. Oktober 1896 in Hamburg; † 16. April 1979 in Kiel; Familienfürsorgerin. Mitglied der SPD seit 1918.
Werdegang
Gertrud Dürbrook kam als Tochter eines Hamburger Kunstschlossers und seiner Frau zur Welt; sie hatte vier Geschwister. Später wurde der Vater Lokführer, 1909 zog die Familie nach Kiel. Mit einer für ein Mädchen dieser Zeit und dieser Klasse ungewöhnlich guten Schulbildung begann Gertrud Dürbrook eine Lehre als Kontoristin. 1915 schloss sie sich der Sozialistischen Arbeiterjugend an und begann ihre Beratungstätigkeit im Arbeitersekretariat der Kieler Gewerkschaften. Durch sie erfuhr sie nicht nur viel über die wachsende wirtschaftliche Not der Kieler Arbeiterfamilien - nicht zuletzt der Frauen - im 1. Weltkrieg, sondern nahm im November 1918 auch mittelbar am Kieler Arbeiter- und Matrosenaufstand teil, der sich schnell zur Novemberrevolution ausweitete. Sie und ihre Kollegin Else Riechers unterstützten den Kieler Arbeiter- und Soldatenrat durch Schreib- und Organisationsarbeit.[1]
1920 ließ sie sich zur Sozialfürsorgerin ausbilden und fand eine Anstellung bei der Stadt Kiel. 1923 heirateten sie und Hans Völcker, den sie in der Arbeiterjugend kennengelernt hatte; die beiden hatten einen Sohn. Sie leiteten bis 1933 ehrenamtlich das städtische Jugendheim im Werftpark, Gertrud Völcker engagierte sich außerdem als eine der ersten weiblichen Stadtverordneten in Kiel. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde sie mehrfach wegen Widerstandsarbeit verhaftet, zuletzt im Rahmen der Aktion Gewitter, als sie einige Zeit im KZ am Russee (von den Nazis als "Arbeitserziehungslager Nordmark" bezeichnet) verbringen musste.
Arbeiterwohlfahrt
Schon 1920 gehörte Gertrud Völcker zu den Gründerinnen des Kieler Ortsausschusses der AW.
Nach 1945 verweigerte die britische Militärregierung sozialen Organisationen, die enge Bindung an eine Partei hatten, die Anerkennung; deswegen wurde die AWO als eigenständige Wohlfahrtsorganisation wiedergegründet. Daran war Gertrud Völcker in vorderster Linie beteiligt. In den Sozialistischen Mitteilungen[2] vom Juli 1946 wird eine Frau Voelker, Kiel, Bergstr. 11, als Ansprechpartnerin der wiedergegründeten AWO auf Landesebene genannt. Dabei dürfte es sich um Gertrud Völcker handeln. Von 1945 bis 1957 war sie Bezirksvorsitzende[3] der AWO Schleswig-Holstein. Nach 1951 konzentrierte sie sich voll auf diese soziale Arbeit.
Partei & Politik
Sie war Stadtverordnete von 1928 bis 1933. Ab 1945 war sie wieder aktiv im Kreisverband Kiel, leitete die Frauengruppe und gehörte der Kieler Ratsversammlung bis 1946 und wieder von 1950 bis 1951 an.
Auf Landesebene gehörte sie dem ersten, 1945 gewählten Bezirksvorstand an.
Veröffentlichungen
In den 1970er Jahren schrieb Gertrud Völcker nicht nur in drei Bänden eigene Erinnerungen auf (50 Jahre Öffentlichkeitsarbeit, unveröff. Typoskript, Kiel 1974), sondern unter dem Titel Frauen als Mitkämpfer für eine bessere Welt auch kurze Lebenserinnerungen von fünf ihr nahe stehenden Genossinnen: Emma Drewanz, Helene Grünig, Sophie Lützen, Emma Puls und Emma Sorgenfrei (Unveröff. Typoskript, o.O. o.J. [Kiel 1978]). Beide Werke liegen maschinenschriftlich im Stadtarchiv Kiel vor und können dort eingesehen werden. Aus beiden wird darüber hinaus in verschiedenen Werken zur Stadtgeschichte zitiert.
Zu ihrem 125. Geburtstag 2021 legte die AWO Schleswig-Holstein Gertrud Völckers Erinnerungen in Buchform vor. Jürgen Weber und Rolf Fischer edierten die drei Teile, ordneten sie historisch und biografisch ein und ergänzten sie durch ein Personenverzeichnis und eine Würdigung der Autorin. Das Buch trägt den selbsterklärenden Titel Unermüdlich helfen. Es wurde Ende Oktober des Jahres der Öffentlichkeit vorgestellt.
Ehrungen
- 1971 wurde Gertrud Völcker mit der Marie-Juchacz-Plakette der Arbeiterwohlfahrt (AWO) ausgezeichnet.[4]
- Nach ihr ist in der Pickertstr. 36 in Kiel-Gaarden ein Alten- und Pflegeheim und in Kellenhusen/Ostsee ein Mutter-Kind-Heim benannt.
- Seit 2018 verleiht die AWO Schleswig-Holstein die "Gertrud-Völcker-Medaille" für "herausragende ehrenamtliche Arbeit".[5]
Literatur & Links
- AWO-Landesverband Schleswig-Holstein (Hrsg.): 100 Jahre Arbeiterwohlfahrt, Veranstaltungen im Jubiläumsjahr in Schleswig-Holstein und Einblicke in die 100-jährige Geschichte (Kiel 2019)
- Schultheiß, Nicole: Geht nicht gibt's nicht - 24 Portraits herausragender Frauen aus der Kieler Stadtgeschichte (Kiel 2007)
- Schultheiß, Nicole: Gertrud Völcker (ergänzte Version)
- Weber, Jürgen/Fischer, Rolf: Unermüdlich helfen. Die Erinnerungen der Gertrud Völcker (Kiel/Hamburg 2021), ISBN 978-3-529-05064-0
Einzelnachweise
- ↑ Weber, Jürgen/Fischer, Rolf: Unermüdlich helfen. Die Erinnerungen der Gertrud Völcker (Kiel/Hamburg 2021), S. 23
- ↑ Sozialistische Mitteilungen
- ↑ Erst 1961 wurde der Bezirk in Landesverband umbenannt. Vgl. AWO-Landesverband Schleswig-Holstein (Hrsg.): 100 Jahre Arbeiterwohlfahrt, Veranstaltungen im Jubiläumsjahr in Schleswig-Holstein und Einblicke in die 100-jährige Geschichte (Kiel 2019), S. 9 f.
- ↑ Wikipedia, abgerufen 18.11.2015
- ↑ Weber, Jürgen/Fischer, Rolf: Unermüdlich helfen. Die Erinnerungen der Gertrud Völcker (Kiel/Hamburg 2021), S. 7