Wahlrecht bis 1918
Das Wahlrecht in Schleswig-Holstein zu Zeiten des Deutschen Kaiserreichs war regional je nach Ebene unterschiedlich.
Das Wahlrecht im Kaiserreich diente vor allem dem Ausschluss bestimmter Gruppen aus den öffentlichen Entscheidungen. Grundsätzlich durften nur Männer wählen. Frauen blieben bis 1918 von der Wahl ausgeschlossen. Außerdem sorgten die Regeln dafür, dass arme Menschen benachteiligt wurden. Sozialdemokratische Arbeitern machte das die politische Arbeit schwer. Das Wahlrecht war Teil der Unterdrückung, gegen die die Arbeiterbewegung kämpfte: Für ein allgemeines, unmittelbares, freies, gleiches und geheimes Wahlrecht. Für das Frauenwahlrecht.
Seit der Gründung des Deutsches Reichs 1871 gab es auf dem Gebiet des heutigen Schleswig-Holstein drei verschiedene Landesrechte:
- Der größte Teil war die Provinz Schleswig-Holstein, die zum Land Preußen gehört.
- Lübeck war als Freie und Hansestadt ein eigener Gliedstaat des Reichs.
- Das Fürstentum Lübeck - eine Region nördlich der Stadt Lübeck - war Teil des Großherzogtums Oldenburg.
Preußen
Das Land Preußen galten zwei verschiedene Wahlrechte.
Dreiklassenwahlrecht
Das wichtigste war das berüchtigte Dreiklassenwahlrecht: Die wahlberechtigten Männer wurden in drei Klassen eingeteilt, je nachdem wie viel Steuern sie zahlen. Jede Klasse hatte dann ein Drittel der Stimmen. Die Klasse mit dem geringsten Steueraufkommen war die größte Klasse. Hier befanden sich viele Arbeiter. Ihre Stimmen hatten entsprechend weniger Einfluss auf die Wahlen als die Stimmen der reichsten Klasse.
Das Dreiklassenwahlrecht wurde bei den Wahlen
- zum preußischen Landtag,
- dem schleswig-holsteinischen Provinziallandtag und
- bei den Wahlen in den schleswig-holsteinischen Landgemeinden angewandt.
Die Wahl der Abgeordneten bei den Landtagswahlen erfolgte indirekt: die wahlberechtigten Wähler wählten Wahlmänner, diese wiederum die Abgeordneten ihres Wahlbezirkes. Die Wahl war in der dritten Klasse nicht geheim.
"Das Wahlrecht für das Abgeordnetenhaus des preußischen Landtags seit 1849 sah die allgemeine, indirekte, ungleiche und öffentliche Wahl der Abgeordneten durch die männlichen preußischen Staatsangehörigen vor, die mindestens das 24. Lebensjahr vollendet hatten, in Preußen seit mindestens 6 Monaten ihren Wohnsitz hatten, keine Armenunterstützung bezogen und ihrer bürgerlichen Ehrenrechte nicht verlustig waren (§§8-9 WahlGPA). Ab 1874 waren Wahlberechtigte im aktiven Militärdienst von der Wahl ausgeschlossen."[1]
Überhaupt waren dadurch nur rund 20 % der Bevölkerung Preußens wahlberechtigt - 80 % davon in der dritten Klasse. Frauen durften gar nicht an Wahlen teilnehmen. Zeitweise beschlossen deswegen die SPD-Parteitage Wahl-Boykotte.
1900 verpflichtete der Parteitag in Mainz die Gliederungen, sich an den Wahlen zu beteiligen. "Die Parteigenossen werden verpflichtet, in den deutschen Staaten, in denen das Dreiklassenwahlrecht besteht, sich mit eigenen Wahlmännern an den Wahlen zu beteiligen. Für die Landtagswahlen in Preußen bildet der Parteivorstand das Zentral-Wahlkomitee, " vermerkt Franz Osterroth in seiner Chronik der Sozialdemokratie.[2]
So schaffte es die SPD erst bei den letzten zwei Wahlen, 1908 und 1913, einige Mandate zu erringen. In der Landtagswahl 1908 tritt die SPD in allen Schleswig-Holsteinischen Wahlkreisen außer in Tondern an. Die Wahlmänner warben in Haustürgesprächen für sich. Da die Stimmabgabe öffentlich war, entstanden für die Wähler der SPD ziemliche Risiken. In den Urwahlen wurden in 15 der 19 Wahlkreise SPD-Wahlmänner gewählt.[3]
"Der preußische Parteitag der Sozialdemokratie im Dezember 1908 faßte den kühnen Beschluß, einen außerparlamentarischen Massenkampf gegen das verhaßte Dreiklassenwahlrecht und für das gleiche, geheime und direkte Wahlrecht aller über 20jährigen Männer und Frauen zu führen. Jedes Parteimitglied war zur Beteiligung verpflichtet."[3]
Städteordnung
In den Städten galt weiterhin die Städteordnung von 1869, die im wesentlichen das Wahlrecht aus der dänischen Zeit übernommen hatte: Jedes Jahr musste ein sechstel der Kommunalvertreter ausscheiden und es wurde nachgewählt. Wählen durften alle Männer, die einen bestimmten Mindeststeuersatz bezahlte. Diese Untergrenze variierte von Stadt zu Stadt. Auch sie schloss arme Menschen aus.[3]
Einzelnachweise
- ↑ wahlen-in-deutschland.de: Landtag von Preußen 1848-1918
- ↑ Osterroth, Franz / Schuster, Dieter: Chronik der deutschen Sozialdemokratie. Band 1: Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. (2., neu bearb. und erw. Aufl. 1975). Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001
- ↑ 3,0 3,1 3,2 nach: Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 42