Paul Lohmann

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Paul Lohmann
Paul Lohmann
Paul Lohmann
Geboren: 20. Oktober 1902
Gestorben: 27. Oktober 1953

Paul Lohmann, * 20. Oktober 1902 in Minden/Westfalen; † 27. Oktober 1953 in Neumünster; Erzieher. Mitglied der SPD ab den 1920er Jahren, dann wieder ab 1946.

Leben & Beruf

Nach dem Besuch der Heimvolkshochschule Tinz/Thür. arbeitete Paul Lohmann zunächst als Hilfsarbeiter. Von 1926 bis 1928 machte er am Sozialpolitischen Seminar der Deutschen Hochschule für Politik in Berlin eine staatliche Ausbildung zum Erzieher. Von 1928 bis 1933 war er als Erzieher und Wohlfahrtsangestellter bei der Stadt Neumünster tätig.

Er war verheiratet mit Marie Lohmann, die beiden hatten ein Kind. Er gehörte keiner Konfession an.

NS-Diktatur

1933 wurde Paul Lohmann auf Grund eines NS-Gesetzes wegen "Vorbereitung zum Hochverrat und Verbrechen gegen das Parteiverbotgesetz" zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach der Entlassung 1936 fand er Arbeit im Dachdeckergewerbe, machte eine Lehre und die Gesellenprüfung. Beim Beginn des 2. Weltkrieges wurde er erneut verhaftet und 18 Monate im KZ Sachsenhausen festgehalten. Im Februar 1943 wurde er direkt aus dem KZ zur Wehrmacht eingezogen, vermutlich in das berüchtigte "Bewährungsbataillon 999".

Die Studie von Danker/Lehmann-Himmel ordnet ihn unter den fünf möglichen Kategorien als "oppositionell / gemeinschaftsfremd"[1] und darin als "Widerstandleistender" ein.[2]

Neubeginn

Am 30. Juni 1944 geriet er in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Im Lager in Massachusetts war er von Februar bis September 1945 verantwortlicher Redakteur der antifaschistischen Kriegsgefangenenzeitung PW. Im Januar 1946 wurde er nach Deutschland entlassen. Er kehrte zu seiner Familie nach Neumünster zurück und wurde wieder politisch aktiv.

Am 27. Oktober 1953 nahm sich Paul Lohmann mit 51 Jahren das Leben. Danker/Lehmann-Himmel ordnen dies als "Spätfolgen seiner Haft" ein.[3]

Partei & Politik

Während seiner Tätigkeit in Neumünster wechselte Paul Lohmann etwa 1931 oder 1932[4] politisch zur Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP), später zur KPD.[5]

Nach seiner Rückkehr nach Neumünster trat er erneut in die SPD ein und engagierte sich sofort wieder in der Kommunal- und Landespolitik. Unter anderem gehörte er dem 1945 dem ersten, provisorischen Bezirksvorstand und dem 1947 gewählten Bezirksvorstand an.

Vom 12. Mai 1950 bis zum 11. Juli 1952 amtierte er als Stadtpräsident. Es wird gesagt, seine Zeit in der Ratsversammlung von Neumünster sei "von persönlichen und politischen Turbulenzen überschattet" gewesen; es werden auch - ohne weitere Information - "die Umstände seines Rücktritts als Stadtpräsident 1952" angesprochen.[6] Näheres dazu ist bisher nicht ermittelt.

Landtag

In der ersten Landtagswahl 1947 wurde Paul Lohmann direkt für den Wahlkreis 25 (später 26, Neumünster) in den Landtag gewählt, ebenso in der zweiten 1950. Er war stellvertretender Schriftführer und gehörte den Ausschüssen für Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen, dem Ausschuss für die Wahl der ehrenamtlichen Verwaltungsrichter sowie vom 12. Dezember 1949 bis zum 24. April 1950 dem Untersuchungsausschuss Kieler Nachrichten an.

In die Debatte um die Beendigung der Entnazifizierung soll er mit dem Zwischenruf eingegriffen haben "Wer ist dieser Hund?", gerichtet an einen Abgeordneten der Regierungskoalition mit bekannter nationalsozialistischer Vergangenheit. Er selbst bestand darauf, er habe das Wort "Mann", nicht das Wort "Hund" verwendet.[7]

"Der Tonfall der Debatte änderte sich erst, als der Abgeordnete Lohmann das Wort zu einem persönlichen Redebeitrag ergriff. [...] Er erläuterte seinen emotionalen Einwurf gegen Dennhardt, indem er Rekurs nahm auf die eigene Biografie: Er erwähnte, dass er wegen seines Einsatzes gegen das Regime mit 'Zuchthaus und Kz' bestraft worden sei, sich gleichwohl unmittelbar nach Kriegsende für eine Aussöhnung mit dem ehemaligen politischen Gegner eingesetzt habe. Er sei bereit, so führte er aus, 'mit einem früheren überzeugten Nationalsozialisten heute durch dick und dünn zu gehen, wenn er sich zum Begriff der Demokratie und zu den Mitteln bekennt, die wir als menschlich bezeichnen'. Dann kam er auf den eigentlichen Punkt zu sprechen: 'Aber was uns oft kränkt und persönlich anstößt, Herr Dennhardt, das ist der Ton, der Ton und nicht das Ziel'. Und für die Empfindungen der Gruppe der Verfolgten sprechend beschrieb Lohmann seinen Eindruck, 'daß vielleicht einige Ihrer Redner zu sehr mit einer bestimmten Empfindung sympathisierten und vielleicht weniger die Empfindungen derjenigen verständen, die damals die Konsequenzen getragen haben und oftmals einen Weg gingen, der nicht schön war'. Bei aller Offenheit, seine eigene Biografie miteinzubeziehen, zeigen die verklausulierten Formulierungen, wie schwer es ehemals Verfolgten fiel, nicht nur nazistisch-restaurative Tendenzen beim Namen zu nennen, sondern auch das eigene Leiden mehr als nur anzudeuten. Trotzdem wirkte Lohmanns Beitrag zumindest mit Hinblick auf den Ton mäßigend [...]."[8]

Ehrungen

Im Rathaus von Neumünster hängt ein Porträt von Paul Lohmann in der Galerie der Stadtpräsident*innen.

Nach seiner Frau Marie Lohmann ist im Stadtteil Faldera der "Marie-Lohmann-Weg" benannt[9], nicht weit von der letzten gemeinsamen Adresse Am Brunnenkamp 2.

Literatur & Links

  • Winkler, Heide: Paul Lohmann, in: SPD-Kreisverband Neumünster: 150 Jahre SPD in Neumünster (Neumünster 2017)
  • Danker, Uwe / Lehmann-Himmel, Sebastian: Geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung der personellen und strukturellen Kontinuität nach 1945 in der schleswig-holsteinischen Legislative und Exekutive (Schleswig-Holsteinischer Landtag 2016) (Drucksache 18/4464)
  • Landtagsinformationssystem: Paul Lohmann
  • Wikipedia: Paul Lohmann

Einzelnachweise

  1. Vgl. Danker/Lehmann-Himmel, S. 173. Die fünf Kategorien lauten "exponiert nationalsozialistisch", "systemtragend karrieristisch", "ns-sozialisiert", "angepasst ambivalent" und "oppositionell 'gemeinschaftsfremd'".
  2. Danker/Lehmann-Himmel, S. 279. Grundlage ihrer Einordnung sind Akten im Landesarchiv (LASH Abt. 460.21, Nr. 85, und Abt. 761, Nr. 19346 und Nr. 22415).
  3. Danker, Uwe / Lehmann-Himmel, Sebastian: Geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung der personellen und strukturellen Kontinuität nach 1945 in der schleswig-holsteinischen Legislative und Exekutive (Schleswig-Holsteinischer Landtag 2016) (Drucksache 18/4464), S. 344
  4. Winkler: Paul Lohmann, S. 10
  5. Martens, Holger: Die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Schleswig-Holstein 1945 - 1959 (Malente 1998), ISBN 3-933862-24-8, S. 228
  6. Winkler: Paul Lohmann, S. 10
  7. Danker, Uwe / Lehmann-Himmel, Sebastian: Geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung der personellen und strukturellen Kontinuität nach 1945 in der schleswig-holsteinischen Legislative und Exekutive (Schleswig-Holsteinischer Landtag 2016) (Drucksache 18/4464), S. 343
  8. Danker, Uwe / Lehmann-Himmel, Sebastian: Geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung der personellen und strukturellen Kontinuität nach 1945 in der schleswig-holsteinischen Legislative und Exekutive (Schleswig-Holsteinischer Landtag 2016) (Drucksache 18/4464), S. 344 f.
  9. Winkler: Paul Lohmann, S. 10