Kommunalwahlen 1867-1918
Die Kommunalwahlen im Deutschen Kaiserreich waren für die Sozialdemokratie eine große Herausforderung.
Wahlrecht
Das Wahlrecht in Schleswig-Holstein stellte arme Menschen, zu denen Arbeiter in der Regel gehörten, wesentlich schlechter. So schlecht, dass die Sozialdemokratie sich zunächst gar nicht an Wahlen beteiligte. Mit den Erfolgen bei den Reichstagswahlen aber stieg auch das Selbstbewusstsein.[1]
Erste Versuche
In Wandsbek beteiligten sich 1875 erstmals Sozialdemokraten an den jährlich stattfindenden Kommunalwahlen. Die Kieler SPD versuchte es 1877 und 1889, jeweils erfolglos. Erst 1890 gelang es ihr, zwei Stadtverordnete durchzubringen, Stephan Heinzel und Friedrich Brodthuhn. Das schlug solche Wellen, dass die für den nächsten Tag geplante Fortsetzung der Wahl verschoben wurde, weil angeblich die Treppe im Wahllokal morsch sei. Dadurch gewannen die konservativen Kräfte Zeit, sich noch einmal besser zu organisieren und die Wahl von Arbeitern zu verhindern. Schnell wurde das Wahlgesetz verändert. 5000 Arbeiter verloren durch die Erhöhung des Zensus ihr Wahlrecht. Der bereits gewählte Friedrich Brodthuhn verlor sein Mandat wieder, weil er jetzt nicht mehr genug verdiente.[1] Danach verweigerte die Kieler SPD die nächsten zehn Jahre ihre Teilnahme an Kommunalwahlen.
Mit dieser Taktik wurde auch in anderen Städten der Wahlerfolg der Sozialdemokraten verhindert.
Gemeinsame Strategie
Der Provinzialparteitag 1899 befasste sich mit der Kommunalpolitik und bekräftigte das Ziel, dass die SPD um Rathäuser und Gemeindevertretungen kämpfen wolle. Er beauftragte eine Kommission, einheitliche Grundsätze und Forderungen zur Kommunalpolitik zu erarbeiten. Dieses Programm beschloss der Provinzialparteitag 1901. Der Provinzialparteitag 1902 bekräftigte das Ziel noch einmal: Die SPD sollte sich in allen Orten an Kommunalwahlen beteiligen, in denen es halbwegs Chancen auf Erfolg gab.[2]
Es geht voran trotz Gegenwind
1906 war die SPD bereits in 29 Orten mit 71 Mandaten vertreten. Je mehr Erfolge die SPD bei Wahlen hatte, desto mehr wurde das Wahlrecht zu Ungunsten der Arbeiterschaft verändert. Gleichzeitig verpflichtete der Provinzialparteitag die Ortsvereine, sich grundsätzlich an Kommunalwahlen zu beteiligen.
1911 gelang es der SPD in Glückstadt erstmals, nach dem Wahlrecht in einer Landgemeinde einen Kandidaten in die Gemeindevertretung zu bringen. 1912 folgten Uetersen, Husum und Westerland. 1913 eroberten die Kieler Sozialdemokraten die Hälfte der Sitze. 1914 gab es in 89 Kommunalparlamenten sozialdemokratische Vertreter, 83 in den Städten und 232 in ländlichen Gemeinden. In den Magistrat oder den Provinziallandtag schaffte es keiner. In den 56 Städten stimmten laut Jahresbericht des Bezirksvorstands für 1913/1914 29 654 Wähler für SPD-Kandidaten und 32 800 für bürgerliche Kandidaten. Die Bürgerlichen bekamen aber 575 Sitze, die SPD nur 81.[3]
Durch den Ersten Weltkrieg und die "Burgfriedens"-Politik wurden diese Kämpfe unterbrochen. Sicher aber nicht vergessen, denn sie spielten in der Novemberrevolution eine große Rolle.
Literatur
- Imle, Fanny: Das Kommunalprogramm für Schleswig-Holstein, Lübeck und Lauenburg, In: Die neue Zeit : Wochenschrift der deutschen Sozialdemokratie. 19.1900-1901, 1. Bd.(1901), H. 16, S. 500 - 506 Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2008
- Wehr und Waffen. Grundsätze und Erläuterungen des Kommunalwahlprogramms der SPD Schleswig-Holsteins 1902
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]) Seite 45
- ↑ Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]) Seite 45f
- ↑ Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]) Seite 47