Bernhard Schwichtenberg

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Bernhard Schwichtenberg
Bernhard Schwichtenberg
Bernhard Schwichtenberg
Geboren: 5. November 1938
Gestorben: 3. Dezember 2023

Prof. Bernhard Schwichtenberg, * 5. November 1938 in Berlin; † 3. Dezember 2023 in Kiel; bildender Künstler, Hochschullehrer. Mitglied der SPD seit 1970.

Leben & Beruf

Bernhard Schwichtenberg wuchs mit einer älteren Schwester und einem jüngeren Bruder auf. Der Vater, Otto Schwichtenberg, nahm 1943 eine Stelle als Ingenieur bei der ELAC in Kiel an; dadurch entging er dem Kriegsdienst an der Front. Die Familie wohnte am Knivsberg in der Wik. "Ich hab im Grunde den Krieg im Bunker verbracht", stellte Bernhard Schwichtenberg lakonisch fest - im Knorrbunker an der Hohenrade. Nach Ende der NS-Herrschaft brachte der Vater die Familie mit im Keller zusammengebastelten Radios durch, für die die Kinder auf die Suche nach Einzelteilen gingen. Sie wurden - mit Glück - gegen Lebensmittel getauscht. "Wenn es keine Steckrüben gegeben hätte, wären wir alle verhungert!"

1946 zog die Familie nach Köln, wo der Vater wieder eine Betätigung als Ingenieur gefunden hatte und Bernhard die Volksschule besuchte. Dort förderte ein Lehrer seine künstlerische Begabung. 1956 ging es zurück nach Kiel, zur Elac. Bernhard liebte Wassersport - Rudern, Segeln, Schwimmen und nicht zuletzt Tauchen. Nach dem Abitur und Ableistung des gerade wieder eingeführten Wehrdienstes bewarb er sich bei der Muthesius Werkschule (wie sie damals noch hieß). Ihn reizte, dass sie nach dem Vorbild des Bauhauses ein Basissemester vorschaltete, in dem die Studierenden alle Bereiche durchlaufen mussten, die angeboten wurden.

1959 begann er sein Studium - noch im Gebäude der Technischen Marineschule an der Arkonastraße, von wo die Werkschule erst einige Jahre später an den Lorenzendamm umzog. Er entschied sich für den Grafikbereich, und so entwickelte sich im Wesentlichen sein weiteres Leben und seine künstlerische Karriere in Kiel. 1964 schloss er die Ausbildung ab und wurde von seinem Lehrer Prof. Hermann Bentele aufgefordert, als Meisterschüler zu bleiben, was eine große Auszeichnung bedeutete. Allerdings wollte er nicht Kunsterzieher werden, wie sein Lehrer vorschlug, und sich auch nicht auf lange Sicht an die Werkkunstschule (wie sie mittlerweile hieß) binden. Er wollte Geld verdienen![1]

Jedoch blieb er der Fachhochschule neben seiner freiberuflichen Tätigkeit als Designer und bildender Künstler durch freie Lehrtätigkeit verbunden. 1978 berief sie ihn zum Professor für Grafik- und Kommunikationsdesign. Er engagierte sich in der Hochschulpolitik, war zehn Jahre lang Dekan und Prodekan, begleitete die Hochschule in die Selbstständigkeit und bereitete auch die Erhebung zur Kunsthochschule mit vor. Kurz vorher, Ende 2003, ging er in den Ruhestand.[2]

In über 20 Vereinen und Einrichtungen setzte sich Bernhard Schwichtenberg für künstlerische und soziale Anliegen ein.[3] Zwölf Jahre lang leitete er den Landesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) Schleswig-Holstein, dessen Ehrenvorsitzender er seit 2018 war.[4] Auch den landesweiten Verein der Kunstfreunde e.V. - multiple art, zu dessen Zielen es gehörte, Kunst zu erschwinglichen Preisen anzubieten[4], begründete er mit[5] und rief 1994 die Kunstmesse Schau der 1000 Bilder ins Leben[6]. Nur wenige werden sich erinnern, dass er es war, der 1972 mit seinen Studierenden die heute fest etablierte Spiellinie zur Kieler Woche entwickelte.[6] Und er engagierte sich in seinem unmittelbaren Umfeld, etwa für Kinder im Atelier auf dem MFG-5-Gelände[7] oder als Mitglied des Friedrichsorter Kulturladens Leuchtturm[8].

Seine Kunst war immer politischen, sozialen und auch christlichen Überzeugungen verpflichtet; er war bekennender Katholik, der vehement gegen Kirchenschließungen stritt.[6] Seine berühmten Drahtobjekte thematisierten häufig soziale Missstände, die Verkaufserlöse ließ er sozialen Zwecken zufließen. Auch bei anderen Gelegenheiten betätigte er sich mit Engagement und Witz als Kunstauktionator für gute Zwecke.

Bekannt sind von ihm die akribisch gelöteten Drahtobjekte, kinetische Arbeiten, Lichtinstallationen, Materialbilder wie die aus Alltagsmaterialien gefertigten Brillen oder Objekte aus plattgefahrenen Getränkedosen, nicht zuletzt auch die farbenfrohen Ballonmützen, die er immer trug. Seine Werke wurden in mehr als 60 Einzel- und mehreren hundert Gruppenausstellungen im In- und Ausland gezeigt. In vielen Museen und Sammlungen ist er mit Arbeiten vertreten.[3] Er beteiligte sich an Wettbewerben zur Kunst im öffentlichen Raum und war dort häufig erfolgreich, etwa mit dem Lüfterbauwerk auf dem Campus der CAU.[9] Seine letzte große Ausstellung, "Bandbreite Kunst und Design", hatte er 2018 in der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek in Kiel.

In den letzten Jahren meldete er sich, bedingt durch gesundheitliche Probleme, immer weniger zu Wort. Er lebte zuletzt allein in seinem Haus am Karl-Müllenhoff-Weg in Pries, seine Frau war bereits um 2012 verstorben. Das Ehepaar hatte zwei Töchter.[10] Eine verwandtschaftliche Verbindung zur Kieler Künstlerin Tina Schwichtenberg bestand nicht.

Partei & Politik

Bernhard Schwichtenberg trat im März 1970 in die SPD ein. Mehr als 50 Jahre lang war er im SPD-Kreisverband Kiel und auch landesweit[11] aktiv, ohne - soweit ermittelt - konkrete Ämter auszuüben. Er war ein kritischer und streitbarer Genosse, dabei aber konstruktiv und zielgerichtet, und brachte sich immer wieder vor allem in den kulturpolitischen Diskurs in der Stadt und im Lande ein. Seine Meinungen trug er pointiert, aber mit ausgleichendem Humor vor.

Ob er sich als dem Arbeitskreis SPD und Kirchen/Religionsgemeinschaften zugehörig verstand, ist nicht bekannt; immerhin setzte er sich mit Genossen wie Claus Möller und Rolf Fischer nachdrücklich für die Aufnahme eines Gottesbezugs in die Präambel der Landesverfassung ein. Auch beteiligte er sich an Veranstaltungen des Arbeitskreises, etwa an der Podiumsdiskussion Glaube! Macht! Staat! Über religiöse Werte in Kommune und Gesellschaft, zu dem dieser gemeinsam mit dem Kreisverband Kiel am 14. März 2007 einlud. Er teilte das Podium mit drei Theologen.[12]

Im Vorfeld der schleswig-holsteinischen Politikwende durch die Landtagswahlen 1987 und 1988 gestaltete er maßgeblich die Wahlkampagne für Björn Engholm, nahm auch selbst aktiv am Wahlkampf teil. Er sah dies als Neuauflage der Wählerinitiative Nord, an der er sich auch schon beteiligt hatte. Eine Gruppe von acht Leuten bot in allen größeren Städten Schleswig-Holsteins Veranstaltungen zu politischer Kultur und Demokratie an; finanziert wurde dies, indem die Gruppe in ganz Deutschland Kunstwerke sammelte und zugunsten der Wählerinitiative versteigerte. Über diese Veranstaltungen lernte er Günter Grass kennen, auch viele andere Menschen, und es entwickelten sich Freundschaften etwa zu Walter Jens und Ralph Giordano.[13]

1989 und 2004 nominierte ihn seine Partei als Mitglied der Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten.

Ehrungen

Im Juni 2012[3] verlieh ihm die Landeshauptstadt Kiel ihren Kulturpreis für "herausragende kulturschöpferische und kulturfördernde Leistungen".[14]

2014 verlieh ihm der Landesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) Schleswig-Holstein seinen Landesschaukunstpreis[4], 2018 ernannte er ihn zu seinem Ehrenvorsitzenden.

Er war auch Ehrenvorsitzender des Vereins der Kunstfreunde e.V. - multiple art.[5]

Stimmen

Im Nachruf der Kieler SPD hieß es:

"Seine Stimme und seine Persönlichkeit werden uns fehlen, aber wir werden sie nicht vergessen. Sein Humor, seine Menschlichkeit und sein Bestreben, die Kunst als ein Grundbedürfnis in das menschliche Leben zu integrieren, bleiben uns Vorbild."[15]

Oberbürgermeister Ulf Kämpfer würdigte ihn als prägende Figur des Kieler Kulturlebens über Jahrzehnte hinweg.[6]

Die Muthesius Kunsthochschule schrieb zu seinem Tod:

"Die wechselhafte Geschichte der heutigen Muthesius Kunsthochschule hat Bernhard Schwichtenberg wie kaum ein anderer begleitet und gestaltet: [...] Mit Bernhard Schwichtenberg verliert die Muthesius Kunsthochschule einen ihrer prägenden Professoren. Einen Hochschullehrer, der jahrzehntelang zu 100 Prozent von morgens bis abends für seine Studierenden da war. Einen engagierten und entgegenkommenden Gestalter im Studiengang Kommunikationsdesign. Einen aktiven Sammler und Bewahrer alter Geschichte und Geschichten. Einen uneitlen Initiator, der nicht nur in die Kieler Kunstszene und die Politik hineinwirkte, sondern seine Fühler weit auszustrecken pflegte."[2]

Videos

Lass mal schnacken (2015)

Links

Einzelnachweise

  1. Die vorstehenden Absätze nach Lass mal schnacken! Folge 36, abgerufen 20.1.2024
  2. 2,0 2,1 Muthesius Kunsthochschule: Muthesius Kunsthochschule trauert um Bernhard Schwichtenberg, Homepage, 5.12.2023
  3. 3,0 3,1 3,2 Landeshauptstadt Kiel: Kulturpreis 2012 - Festivaldirektorin & Bildender Künstler Jolanta Sutowicz & Prof. Bernhard Schwichtenberg, Homepage, abgerufen 19.1.2024
  4. 4,0 4,1 4,2 Trauer um unseren Ehrenvorsitzenden Prof. Bernhard Schwichtenberg, Homepage, 18.12.2023
  5. 5,0 5,1 Traueranzeige des Vereins, Kieler Nachrichten, 9.12.2023
  6. 6,0 6,1 6,2 6,3 Bockemühl, Konrad: Der Kunst-Botschafter, Kieler Nachrichten, 6.12.2023
  7. Traueranzeige B. Tiedemann, Kieler Nachrichten, 9.12.2023
  8. Traueranzeige Kulturladen Leuchtturm, Kieler Nachrichten, 9.12.2023
  9. Bernhard Schwichtenberg auf kunst@sh, abgerufen 21.1.2024
  10. Traueranzeige der Familie, Kieler Nachrichten, 9.12.2023
  11. Traueranzeige des SPD-Landesverbandes, Kieler Nachrichten, 9.12.2023
  12. Einladung, undatiert, in den Akten des Kreisverbandes, Arbeitskreise ab 2006
  13. Lass mal schnacken! Folge 36, abgerufen 20.1.2024
  14. Traueranzeige der Landeshauptstadt Kiel, Kieler Nachrichten, 9.12.2023
  15. SPD Kiel trauert um Bernhard Schwichtenberg (1938-2023), Homepage, 7.12.2023