Einheitspartei mit den Kommunisten?: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-19204-3150, Otto Grotewohl.jpg|thumb|right|220px|Otto Grotewohl. Er setzte sich in Berlin für eine Einheitspartei ein]]
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Soll man eine '''Einheitspartei mit den Kommunisten''' gründen? Diese Frage stellten sich die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten [[1945]] nach dem Ende der Nazi-Diktatur. Sie wuchs sich auf nationaler Ebene zu einem Machtkampf zwischen der SPD von [[Otto Grotewohl]] in Berlin und [[Kurt Schumacher]] in Hannover aus.
Soll man eine '''Einheitspartei mit den Kommunisten''' gründen? Diese Frage stellten sich die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten [[1945]] nach dem Ende der Nazi-Diktatur. Sie führte zu einer internen Spaltung der SPD zwischen Befürwortern, angeführt von [[Otto Grotewohl]] in Berlin, und Gegnern, angeführt von [[Kurt Schumacher]] in Hannover.<ref>Sonne, Werner: ''[https://www.vorwaerts.de/artikel/kurt-schumacher-widersetzte-stalins-agenten Kurt Schumacher widersetzte sich Stalins Agenten]'', 11.2.2013</ref>


Die Spaltung der Arbeiterbewegung in KPD und SPD in der Weimarer Republik empfanden die Genossen als schädlich. So kam schnell nach Ende des Krieges die Idee auf, eine gemeinsame Einheitsfront zu bilden oder sogar - wie in der sowjetischen Zone geplant - eine Einheitspartei zu gründen. Der [[Zentralausschuss der SPD]] in Berlin forderte dazu auf. In Schleswig-Holstein gab es Befürworter dieser Idee. So schrieb der [[Ortsverein Elmshorn|Elmshorner]] [[Erich Arp]]:
Die Spaltung der Arbeiterbewegung in KPD und SPD während der Weimarer Republik hatten viele Genossen als schädlich empfunden. So kam [[1945]] schnell die Idee auf, die damals nicht verwirklichte Einheitsfront jetzt zu bilden oder sogar - wie in der sowjetischen Zone geplant - eine Einheitspartei zu gründen. Diese Position vertrat der [[Zentralausschuss der SPD]] in Berlin. Auch in Schleswig-Holstein gab es Befürworter.  


: "Ziel ist, daß die SP[Sozialdemokratische Partei] und die KP[Kommunistische Partei] zur ideologischen, organisatorischen und Aktionseinheit gelangen, die zur sozialistischen Einheitspartei hinführt. Beginn mit getrenntem Organisationsaufbau und gleichzeitiger kartellmäßiger Bildung von gemeinsamen paritätischen Arbeitsausschüssen der SP und KP für alle Organisationsstufen, von [[Ortsverein|Ortsvereinen]] bis zum [[Bezirk]]sverband, siehe Erklärung des [[Zentralausschuss der SPD|Zentralauschusses der SPD Berlin]] vom [[14. Juli|14.7.]][[1945]]. Bildung von Anti-Nazi-Kommitees - Einheitsblock für demokratische Erneuerung mit allen geeigneten demokratischen Antifaschisten - christlich-demokratischen Parteien auf breiter Grundlage."<ref>zitiert nach: Martens, Holger: ''SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959'' (Malente 1998), Bd. 1, S. 53</ref>
<blockquote>"Nie mehr sollte der "Bruderkampf" der Arbeiterparteien einer demokratischen, einer sozialistischen Zukunft im Wege stehen. [...] In [[Ortsverein Elmshorn|Elmshorn]] konzipiert der spätere Landesminister [[Erich Arp]] eine 'Volksfront unter sozialdemokratischer Führung', in [[Ortsverein Eckernförde|Eckernförde]] einigen sich SPD und KPD auf die Wahl eines kommunistischen Bürgermeisters, in [[Ortsverein Meldorf|Meldorf]] vereinbaren Vertreter beider Parteien, nicht mehr zwei getrennte, sondern eine Einheitspartei aufzubauen, in [[Ortsverein Bordesholm|Bordesholm]] regelt ein [[Antifaschistischer Ausschuss|antifaschistischer Ausschuß]] aus beiden Parteien die Wiederherstellung von Recht und Ordnung, in [[Kreisverband Neumünster|Neumünster]] wird eine vereinte 'Arbeiterpartei' gegründet, in [[Kreisverband Lübeck|Lübeck]] eine 'Volksfront' aufgebaut. In [[Kreisverband Kiel|Kiel]], in [[Kreisverband Flensburg|Flensburg]], in [[Ortsverein Husum|Husum]], fast überall wird [[1945]] bis zum Frühjahr [[1946]] über Zusammenarbeit und Vereinigung nachgedacht. Aber nur wenige Monate später ist der 'Bruderkampf' wieder voll entfacht. Alte Konflikte brechen auf, die Vorgänge in der [Sowjetischen Besatzungszone] schüren die Zweifel bei den Sozialdemokraten, [[Kurt Schumacher]]s Wort von den Kommunisten als 'rotlackierten Nazis' tut ein übriges."<ref>''Zwischen Einheitspartei und 'Bruderkampf''', ''Wir in Schleswig-Holstein'' in ''Vorwärts'' Nr. 11, November 1992</ref></blockquote>


[[Datei:Kurt Schumacher.jpg|thumb|left|180px|Kurt Schumacher. Er setzte sich von Hannover aus für eine eigenständige SPD ein]]
[[Erich Arp]] schrieb über seine Ideen:
Die Kieler hatten Gespräche mit kommunistischen Funktionären geführt, einige davon ehemalige Sozialdemokraten. [[Karl Ratz]], Mitbegründer und Vorsitzender des [[Kreisverband Kiel|Kreisvereins Kiel]] schrieb am [[26. August]] [[1945]] an [[Kurt Schumacher]]:
<blockquote>"Ziel ist, daß die SP[Sozialdemokratische Partei] und die KP[Kommunistische Partei] zur ideologischen, organisatorischen und Aktionseinheit gelangen, die zur sozialistischen Einheitspartei hinführt. Beginn mit getrenntem Organisationsaufbau und gleichzeitiger kartellmäßiger Bildung von gemeinsamen paritätischen Arbeitsausschüssen der SP und KP für alle Organisationsstufen, von [[Ortsverein|Ortsvereinen]] bis zum [[Bezirk]]sverband, siehe Erklärung des [[Zentralausschuss der SPD|Zentralauschusses der SPD Berlin]] vom [[14. Juli|14.7.]][[1945]]<ref>Zentralausschusses der SPD: ''[http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/sub_document.cfm?document_id=3013&language=german Aufruf zum Neuaufbau der Organisation]'', 15.6.1945</ref>. Bildung von Anti-Nazi-Kommitees - Einheitsblock für demokratische Erneuerung mit allen geeigneten demokratischen Antifaschisten - christlich-demokratischen Parteien auf breiter Grundlage."<ref>Zitiert nach: Martens, Holger: ''SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959'' (Malente 1998), Bd. 1, S. 53</ref></blockquote>


: "Nun hat sich bei uns in Kiel eine Einheitsbewegung aufgemacht, an der sich Freunde der KPD und auch von uns beteiligen. Es wird uns aber wohl doch noch gelingen, unseren Stamm bei uns zu halten. Wir dürfen aber nicht vergessen, daß die Sehnsucht und das Verlangen der Arbeiterschaft nach einer Einheitsbewegung geht und wenn geschickte Leute sich an die Spitze stellen, wohl eine Gefahr bedeutet."<ref>Schilf, Ulrich / Schulte, Rolf / Weber, Jürgen / Wilke, Uta: ''[http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_03/Demokratische_Geschichte_Band_03_Essay42.pdf Der Wiederaufbau der SPD nach dem Krieg]'', in: ''Demokratische Geschichte'' 3(1988), S. 537-558</ref>
Auch in Kiel führten Anfang August Sozialdemokraten und Kommunisten - einige davon ehemalige Sozialdemokraten - entsprechende Gespräche. Während die Sozialdemokraten von der Neugründung als Einheitspartei ausgingen, stellten sich die Kommunisten beim Treffen am [[5. August]] überraschend als Funktionäre der wiedergegründeten KPD vor.<ref>Vgl. [[Erklärung von Sozialdemokraten und Kommunisten Kiels vom 1. Sept. 1945#Vorgeschichte|eine Aufzeichnung über den Verlauf der Gespräche vom 11.8.1945]]</ref> Trotzdem wurden die Gespräche mit dem Fernziel eines Zusammengehens nach Wiedergründung beider Parteien fortgeführt.
[[Datei:Kurt Schumacher.jpg|thumb|left|180px|Kurt Schumacher]]Am [[12. August]] fuhren [[Theodor Werner]] und [[Bruno Diekmann]] nach Hamburg, um [[Kurt Schumacher]] zu treffen. Dieser riet vehement davon ab, mit den Kommunisten zusammenzuarbeiten.<ref>Martens, Holger: ''SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959'' (Malente 1998), Bd. 1, S. 55</ref> Zurück in Kiel führten sie die Verhandlungen zunächst trotzdem weiter - wohl auch, weil die eigenen Leute dies verlangten. Aber nicht alle Genossen waren von diesen Bestrebungen begeistert. Immerhin hatte die KPD ab [[1928]] die SPD als "sozialfaschistisch" diffamiert und zum Hauptfeind erklärt, was eine gemeinsame Abwehr des Nationalsozialismus verhindert hatte. [[Andreas Gayk]] gehörte zu den Gegnern der Einheitsfront, wie offenbar auch [[Karl Ratz]], Mitbegründer und Vorsitzender des [[Kreisverband Kiel|Kreisvereins Kiel]], der am [[26. August]] [[1945]] an [[Kurt Schumacher]] schrieb:


Letztlich setzten [[Kurt Schumacher]] und [[Andreas Gayk]] den Bestrebungen ein Ende. Am [[12. August]] fuhren [[Theodor Werner]] und [[Bruno Diekmann]] nach Hamburg, wo sie [[Kurt Schumacher]] trafen. Dieser riet vehement davon ab, mit den Kommunisten zusammenzuarbeiten. Zurück in Kiel, führten sie die Verhandlungen mit den Kommunisten weiter - wohl zum Schein, um die eigenen Leute bei der Stange zu halten.
<blockquote>"Nun hat sich bei uns in Kiel eine Einheitsbewegung aufgemacht, an der sich Freunde der KPD und auch von uns beteiligen. Es wird uns aber wohl doch noch gelingen, unseren Stamm bei uns zu halten. Wir dürfen aber nicht vergessen, daß die Sehnsucht und das Verlangen der Arbeiterschaft nach einer Einheitsbewegung geht und wenn geschickte Leute sich an die Spitze stellen, wohl eine Gefahr bedeutet."<ref>Schilf, Ulrich / Schulte, Rolf / Weber, Jürgen / Wilke, Uta: ''[http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_03/Demokratische_Geschichte_Band_03_Essay42.pdf Der Wiederaufbau der SPD nach dem Krieg]'', in: ''Demokratische Geschichte'' 3(1988), S. 537-558</ref></blockquote>


In den ersten "Mitteilungen über Organisationsfragen" vom [[27. August]] [[1945]] erklärt der provisorische [[Bezirk|Bezirksvorstand]] "Die von vielen Arbeitern gewünschte Einheitspartei ist vorläufig daran gescheitert, daß die KPD bereits gegründet wurde."<ref>zitiert nach: Martens, Holger: ''SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959'' (Malente 1998), Bd. 1, S. 59</ref>  
Im Laufe des August veröffentlichte [[Kurt Schumacher]] seine ''Politischen Richtlinien''<ref>Schumacher, Kurt: ''[http://library.fes.de/pdf-files/netzquelle/c97-03244.pdf Politische Richtlinien für die SPD in ihrem Verhältnis zu den anderen politischen Faktoren : diese Richtlinien sind im August 1945 ergangen und aus jener Zeit zu werten.]'' - Karlsruhe, [ca. 1946]. - 13 Bl. = 1 MB, PDF-File. - Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2005</ref>, die sicher auch bei den Kielern zum Umdenken beitrugen.
 
In den ersten "Mitteilungen über Organisationsfragen" vom [[27. August]] [[1945]] erklärt der provisorische [[Bezirk|Bezirksvorstand Schleswig-Holstein]]:
<blockquote>"Die von vielen Arbeitern gewünschte Einheitspartei ist vorläufig daran gescheitert, daß die KPD bereits gegründet wurde. Die KPD beansprucht für sich eine zeitlich noch nicht genau begrenzte Frist, um ihre Mitglieder ideologisch umzuschulen. Sie hält auch das zeitweilige getrennte marschieren für taktisch richtiger. [..] Für uns ist also die Bahn frei: Aufbau starker sozialdemokratischer Organisationen und wirkungsvolles Arbeiten in alle Richtungen [..] Bevor die Einheitspartei Wirklichkeit wird, sind unsere Kräfte für unsere Partei und ihre Arbeit einzusetzen. Für Überorganisationen und politische Sondervereinigungen ist vorerst kein Raum. An kleinen Aktionsauschüssen (mit KPD und genehmigten anderen Parteien) beteiligen wir uns unter beschränkter Aufgabenstellung, wie z.B. Zusammensetzung provisorischer Gemeindevertretungen."<ref>Zitiert nach: Martens, Holger: ''SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959'' (Malente 1998), Bd. 1, S. 59</ref></blockquote>
 
Das war keine endgültige Absage an die Idee der Einheitspartei. Sie rückte aber in weite Ferne.


Am [[28. August]] [[1945]] stellt der provisorische [[Bezirk|Bezirksvorstand]] der SPD einen Antrag auf Zulassung der Partei beim Bezirks-Gouverneur der Britischen Militärregierung.<ref>AdsD/S-H 1: Brief von Ratz an Schumacher v. 26.8.1945 zitiert nach: Schilf, Ulrich / Schulte, Rolf / Weber, Jürgen / Wilke, Uta: ''[http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_03/Demokratische_Geschichte_Band_03_Essay42.pdf Der Wiederaufbau der SPD nach dem Krieg]'', in: ''Demokratische Geschichte'' 3(1988), S. 537-558</ref>
Am [[28. August]] [[1945]] stellt der provisorische [[Bezirk|Bezirksvorstand]] der SPD einen Antrag auf Zulassung der Partei beim Bezirks-Gouverneur der Britischen Militärregierung.<ref>AdsD/S-H 1: Brief von Ratz an Schumacher v. 26.8.1945 zitiert nach: Schilf, Ulrich / Schulte, Rolf / Weber, Jürgen / Wilke, Uta: ''[http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_03/Demokratische_Geschichte_Band_03_Essay42.pdf Der Wiederaufbau der SPD nach dem Krieg]'', in: ''Demokratische Geschichte'' 3(1988), S. 537-558</ref>


Sozialdemokraten und Kommunisten in Kiel gaben sogar noch am [[1. September]] eine [[Erklärung von Sozialdemokraten und Kommunisten Kiels vom 1. Sept. 1945|gemeinsame Erklärung]] ab. Aus den [[Erklärung von Sozialdemokraten und Kommunisten Kiels vom 1. Sept. 1945#Vorgeschichte|Aufzeichnungen über den Verlauf der Gespräche]] allerdings wird auch das gegenseitige Misstrauen deutlich.
Trotzdem gaben noch am [[1. September]] Sozialdemokraten und Kommunisten in Kiel eine - auch von [[Karl Ratz]] unterzeichnete - [[Erklärung von Sozialdemokraten und Kommunisten Kiels vom 1. Sept. 1945|gemeinsame Erklärung]] ab. Aus den [[Erklärung von Sozialdemokraten und Kommunisten Kiels vom 1. Sept. 1945#Vorgeschichte|Aufzeichnungen über den Verlauf der Gespräche]] allerdings wird auch das gegenseitige Misstrauen deutlich.  
 
Auch die in [[Kreisverband Lübeck|Lübeck]] Anfang September gegründete "Arbeiterpartei Lübeck" blieb infolge der Umstände kurzlebig.
 
Im Dezember [[1945]] zogen die Kommunisten ihr Bereitschaft zu einer Einheitsfront zurück. Die Sozialdemokraten warfen ihnen vor, auf "Befehl von oben" (d.h. der Sowjetunion) zu handeln. Ab [[1946]] wurde die Lage für die Sozialdemokratie in der sowjetisch besetzten Zone immer schwieriger. Die dortige Militärregierung drängte auf die Einheitspartei, die schließlich auch mit Zustimmung [[Otto Grotewohl]]s geschaffen wurde: Die SPD ging in der Sozialistischen Einheits-Partei Deutschlands (SED) auf. Damit starb die Idee der Einheit für die Sozialdemokraten nicht nur in Schleswig-Holstein.<ref>Schilf, Ulrich / Schulte, Rolf / Weber, Jürgen / Wilke, Uta: ''[http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_03/Demokratische_Geschichte_Band_03_Essay42.pdf Der Wiederaufbau der SPD nach dem Krieg]'', in: ''Demokratische Geschichte'' 3(1988), S. 537-558</ref>


Ab Dezember [[1945]] zogen die Kommunisten ihr Bereitschaft für eine Einheitsfront zurück. Die Sozialdemokraten warfen ihnen vor, dies auf "Befehl von oben" getan zu haben. Ab Beginn des Jahres [[1946]] wurde die Lage für die Sozialdemokratie in der sowjetisch besetzten Zone immer schwieriger. Die dortige Militärregierung drängte auf die Vereinigung zur Einheitspartei. Damit starb die Idee der Einheit für die Sozialdemokraten nicht nur in Schleswig-Holstein.<ref>Schilf, Ulrich / Schulte, Rolf / Weber, Jürgen / Wilke, Uta: ''[http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_03/Demokratische_Geschichte_Band_03_Essay42.pdf Der Wiederaufbau der SPD nach dem Krieg]'', in: ''Demokratische Geschichte'' 3(1988), S. 537-558</ref>
== Siehe auch ==
* [[Wiedergründung der SPD Schleswig-Holstein]]


== Quellen ==
== Literatur ==
* Schumacher, Kurt: ''[http://library.fes.de/pdf-files/netzquelle/c97-03244.pdf Politische Richtlinien für die SPD in ihrem Verhältnis zu den anderen politischen Faktoren] diese Richtlinien sind im August 1945 ergangen und aus jener Zeit zu werten.'' - Karlsruhe, [ca. 1946]. - 13 Bl. = 1 MB, PDF-File. - Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2005
* Siegfried, Detlef: ''Zwischen Einheitspartei und "Bruderkampf". SPD und KPD in Schleswig-Holstein 1945/46'' (Kiel 1992) ISBN 3890299253
* Zentralausschusses der SPD: ''[http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/sub_document.cfm?document_id=3013&language=german Aufruf zum Neuaufbau der Organisation]'', 15. Juni 1945
* Zentralkomitee der KPD: ''[http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/sub_document.cfm?document_id=2992&language=german Aufruf des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Deutschlands]'', 11. Juni 1945
 
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />
[[Kategorie:Thema]]

Aktuelle Version vom 6. Februar 2024, 00:23 Uhr

Otto Grotewohl

Soll man eine Einheitspartei mit den Kommunisten gründen? Diese Frage stellten sich die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten 1945 nach dem Ende der Nazi-Diktatur. Sie führte zu einer internen Spaltung der SPD zwischen Befürwortern, angeführt von Otto Grotewohl in Berlin, und Gegnern, angeführt von Kurt Schumacher in Hannover.[1]

Die Spaltung der Arbeiterbewegung in KPD und SPD während der Weimarer Republik hatten viele Genossen als schädlich empfunden. So kam 1945 schnell die Idee auf, die damals nicht verwirklichte Einheitsfront jetzt zu bilden oder sogar - wie in der sowjetischen Zone geplant - eine Einheitspartei zu gründen. Diese Position vertrat der Zentralausschuss der SPD in Berlin. Auch in Schleswig-Holstein gab es Befürworter.

"Nie mehr sollte der "Bruderkampf" der Arbeiterparteien einer demokratischen, einer sozialistischen Zukunft im Wege stehen. [...] In Elmshorn konzipiert der spätere Landesminister Erich Arp eine 'Volksfront unter sozialdemokratischer Führung', in Eckernförde einigen sich SPD und KPD auf die Wahl eines kommunistischen Bürgermeisters, in Meldorf vereinbaren Vertreter beider Parteien, nicht mehr zwei getrennte, sondern eine Einheitspartei aufzubauen, in Bordesholm regelt ein antifaschistischer Ausschuß aus beiden Parteien die Wiederherstellung von Recht und Ordnung, in Neumünster wird eine vereinte 'Arbeiterpartei' gegründet, in Lübeck eine 'Volksfront' aufgebaut. In Kiel, in Flensburg, in Husum, fast überall wird 1945 bis zum Frühjahr 1946 über Zusammenarbeit und Vereinigung nachgedacht. Aber nur wenige Monate später ist der 'Bruderkampf' wieder voll entfacht. Alte Konflikte brechen auf, die Vorgänge in der [Sowjetischen Besatzungszone] schüren die Zweifel bei den Sozialdemokraten, Kurt Schumachers Wort von den Kommunisten als 'rotlackierten Nazis' tut ein übriges."[2]

Erich Arp schrieb über seine Ideen:

"Ziel ist, daß die SP[Sozialdemokratische Partei] und die KP[Kommunistische Partei] zur ideologischen, organisatorischen und Aktionseinheit gelangen, die zur sozialistischen Einheitspartei hinführt. Beginn mit getrenntem Organisationsaufbau und gleichzeitiger kartellmäßiger Bildung von gemeinsamen paritätischen Arbeitsausschüssen der SP und KP für alle Organisationsstufen, von Ortsvereinen bis zum Bezirksverband, siehe Erklärung des Zentralauschusses der SPD Berlin vom 14.7.1945[3]. Bildung von Anti-Nazi-Kommitees - Einheitsblock für demokratische Erneuerung mit allen geeigneten demokratischen Antifaschisten - christlich-demokratischen Parteien auf breiter Grundlage."[4]

Auch in Kiel führten Anfang August Sozialdemokraten und Kommunisten - einige davon ehemalige Sozialdemokraten - entsprechende Gespräche. Während die Sozialdemokraten von der Neugründung als Einheitspartei ausgingen, stellten sich die Kommunisten beim Treffen am 5. August überraschend als Funktionäre der wiedergegründeten KPD vor.[5] Trotzdem wurden die Gespräche mit dem Fernziel eines Zusammengehens nach Wiedergründung beider Parteien fortgeführt.

Kurt Schumacher

Am 12. August fuhren Theodor Werner und Bruno Diekmann nach Hamburg, um Kurt Schumacher zu treffen. Dieser riet vehement davon ab, mit den Kommunisten zusammenzuarbeiten.[6] Zurück in Kiel führten sie die Verhandlungen zunächst trotzdem weiter - wohl auch, weil die eigenen Leute dies verlangten. Aber nicht alle Genossen waren von diesen Bestrebungen begeistert. Immerhin hatte die KPD ab 1928 die SPD als "sozialfaschistisch" diffamiert und zum Hauptfeind erklärt, was eine gemeinsame Abwehr des Nationalsozialismus verhindert hatte. Andreas Gayk gehörte zu den Gegnern der Einheitsfront, wie offenbar auch Karl Ratz, Mitbegründer und Vorsitzender des Kreisvereins Kiel, der am 26. August 1945 an Kurt Schumacher schrieb:

"Nun hat sich bei uns in Kiel eine Einheitsbewegung aufgemacht, an der sich Freunde der KPD und auch von uns beteiligen. Es wird uns aber wohl doch noch gelingen, unseren Stamm bei uns zu halten. Wir dürfen aber nicht vergessen, daß die Sehnsucht und das Verlangen der Arbeiterschaft nach einer Einheitsbewegung geht und wenn geschickte Leute sich an die Spitze stellen, wohl eine Gefahr bedeutet."[7]

Im Laufe des August veröffentlichte Kurt Schumacher seine Politischen Richtlinien[8], die sicher auch bei den Kielern zum Umdenken beitrugen.

In den ersten "Mitteilungen über Organisationsfragen" vom 27. August 1945 erklärt der provisorische Bezirksvorstand Schleswig-Holstein:

"Die von vielen Arbeitern gewünschte Einheitspartei ist vorläufig daran gescheitert, daß die KPD bereits gegründet wurde. Die KPD beansprucht für sich eine zeitlich noch nicht genau begrenzte Frist, um ihre Mitglieder ideologisch umzuschulen. Sie hält auch das zeitweilige getrennte marschieren für taktisch richtiger. [..] Für uns ist also die Bahn frei: Aufbau starker sozialdemokratischer Organisationen und wirkungsvolles Arbeiten in alle Richtungen [..] Bevor die Einheitspartei Wirklichkeit wird, sind unsere Kräfte für unsere Partei und ihre Arbeit einzusetzen. Für Überorganisationen und politische Sondervereinigungen ist vorerst kein Raum. An kleinen Aktionsauschüssen (mit KPD und genehmigten anderen Parteien) beteiligen wir uns unter beschränkter Aufgabenstellung, wie z.B. Zusammensetzung provisorischer Gemeindevertretungen."[9]

Das war keine endgültige Absage an die Idee der Einheitspartei. Sie rückte aber in weite Ferne.

Am 28. August 1945 stellt der provisorische Bezirksvorstand der SPD einen Antrag auf Zulassung der Partei beim Bezirks-Gouverneur der Britischen Militärregierung.[10]

Trotzdem gaben noch am 1. September Sozialdemokraten und Kommunisten in Kiel eine - auch von Karl Ratz unterzeichnete - gemeinsame Erklärung ab. Aus den Aufzeichnungen über den Verlauf der Gespräche allerdings wird auch das gegenseitige Misstrauen deutlich.

Auch die in Lübeck Anfang September gegründete "Arbeiterpartei Lübeck" blieb infolge der Umstände kurzlebig.

Im Dezember 1945 zogen die Kommunisten ihr Bereitschaft zu einer Einheitsfront zurück. Die Sozialdemokraten warfen ihnen vor, auf "Befehl von oben" (d.h. der Sowjetunion) zu handeln. Ab 1946 wurde die Lage für die Sozialdemokratie in der sowjetisch besetzten Zone immer schwieriger. Die dortige Militärregierung drängte auf die Einheitspartei, die schließlich auch mit Zustimmung Otto Grotewohls geschaffen wurde: Die SPD ging in der Sozialistischen Einheits-Partei Deutschlands (SED) auf. Damit starb die Idee der Einheit für die Sozialdemokraten nicht nur in Schleswig-Holstein.[11]

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. Sonne, Werner: Kurt Schumacher widersetzte sich Stalins Agenten, 11.2.2013
  2. Zwischen Einheitspartei und 'Bruderkampf', Wir in Schleswig-Holstein in Vorwärts Nr. 11, November 1992
  3. Zentralausschusses der SPD: Aufruf zum Neuaufbau der Organisation, 15.6.1945
  4. Zitiert nach: Martens, Holger: SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959 (Malente 1998), Bd. 1, S. 53
  5. Vgl. eine Aufzeichnung über den Verlauf der Gespräche vom 11.8.1945
  6. Martens, Holger: SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959 (Malente 1998), Bd. 1, S. 55
  7. Schilf, Ulrich / Schulte, Rolf / Weber, Jürgen / Wilke, Uta: Der Wiederaufbau der SPD nach dem Krieg, in: Demokratische Geschichte 3(1988), S. 537-558
  8. Schumacher, Kurt: Politische Richtlinien für die SPD in ihrem Verhältnis zu den anderen politischen Faktoren : diese Richtlinien sind im August 1945 ergangen und aus jener Zeit zu werten. - Karlsruhe, [ca. 1946]. - 13 Bl. = 1 MB, PDF-File. - Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2005
  9. Zitiert nach: Martens, Holger: SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959 (Malente 1998), Bd. 1, S. 59
  10. AdsD/S-H 1: Brief von Ratz an Schumacher v. 26.8.1945 zitiert nach: Schilf, Ulrich / Schulte, Rolf / Weber, Jürgen / Wilke, Uta: Der Wiederaufbau der SPD nach dem Krieg, in: Demokratische Geschichte 3(1988), S. 537-558
  11. Schilf, Ulrich / Schulte, Rolf / Weber, Jürgen / Wilke, Uta: Der Wiederaufbau der SPD nach dem Krieg, in: Demokratische Geschichte 3(1988), S. 537-558