Karl Jahr: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Karl Gustav Emil Jahr''', * [[6. November]] [[1899]] in Hamburg, † [[30. Oktober]] [[1974]] in Hamburg; Werkmeister, Genossenschaftler, Widerstandskämpfer. Mitglied der [[USPD]] nach dem Ersten Weltkrieg, ab [[1921]] Übertritt zur SPD.<ref>Recherche [[Holger Martens]]</ref>  
'''Karl Gustav Emil Jahr''', * [[6. November]] [[1899]] in Hamburg, † [[30. Oktober]] [[1974]] in Hamburg; Kaufmann, Werkmeister. Mitglied der SPD ab [[1921]].<ref>Dieser Eintrag stützt sich im Wesentlichen auf eine Recherche von [[Holger Martens]].</ref>  
 
==Leben & Beruf==
==Leben & Beruf==
Karl Jahr wurde [[1899]] als Sohn des Schneidermeisters Otto Jahr und dessen Frau Frieda Ferdinande Marie, geborene Schütze, in Hamburg geboren. Er hatte sechs Geschwister.
Karl Jahr kam [[1899]] als Sohn des Schneidermeisters Otto Jahr und dessen Frau Frieda Ferdinande Marie, geborene Schütze, in Hamburg zur Welt. Er hatte sechs Geschwister.


Nach der Volksschule machte Karl Jahr eine kaufmännische Ausbildung.  
Nach der Volksschule machte Karl Jahr eine kaufmännische Ausbildung. Er wurde auch Gewerkschaftsmitglied - in welcher und wann, ist nicht ermittelt.


[[1917]] wurde er in den [[Ersten Weltkrieg]] eingezogen. Bei einem Gasangriff wurde er verletzt und er musste sich davon bis 1919 erholen. Dann schloss er sich dem rechten, nationalistischen ''Freikorps Roßbach''<ref>Siehe Wikipedia: [https://de.wikipedia.org/wiki/Sturmabteilung_Ro%C3%9Fbach Sturmabteilung Roßbach]</ref> an, kämpfte mit ihm in Oberschlesien und wurde dafür ausgezeichnet.  
[[1917]] wurde er eingezogen und kämpfte im [[Ersten Weltkrieg]]. Bei einem Gasangriff wurde er verletzt und musste sich davon bis [[1919]] erholen. Dann schloss er sich dem rechten, nationalistischen ''Freikorps Roßbach''<ref>Wikipedia: [https://de.wikipedia.org/wiki/Sturmabteilung_Ro%C3%9Fbach Sturmabteilung Roßbach], abgerufen 27.11.2022</ref> an, kämpfte mit ihm in Oberschlesien und wurde dafür ausgezeichnet.  


[[1921]] kehrte Karl Jahr zurück nach Hamburg. Er arbeitete in verschiedenen Schokoladen-Fabriken - ab [[1926]] bei der [[Konsumverein|GEG]].
[[1921]] kehrte Karl Jahr zurück nach Hamburg und wandte sich offenbar von nationalistischen Kreisen wieder ab. Er arbeitete in verschiedenen Schokoladen-Fabriken - ab [[1926]] bei der [[Konsumverein|GEG]]. Um [[1934]] heirateten Karl Jahr und [[Johanna Cohen]]; [[1942]] wurde ihre Tochter Marlies geboren. Seine weitere berufliche Tätigkeit während der NS-Herrschaft wurde von seinen Widerstandsaktivitäten bestimmt, ab [[1941]] dann von dem Bestreben, der Aufmerksamkeit der Nazis zu entgehen. Die Familie zog nach [[Ortsverein Nortorf|Nortorf]], er allein [[1943]] nach Löbau (Westpreußen), von wo er vor Kriegsende nach Schleswig-Holstein zurückkehrte.  


Um [[1934]] heiratet Karl Jahr [[Johanna Cohen]], mit der er [[1942]] die Tochter Marlies bekam.
Im September [[1945]] nahm er eine Stellung als Werkmeister in der Gemüse- und Obstkonservenfabrik der [[Konsumverein|GEG]] in [[Ortsverein Meldorf|Meldorf]] an, wo er bis zur Rente [[1964]] tätig war. Seine Frau bliebt zunächst in [[Ortsverein Nortorf|Nortorf]], zog dann [[1950]] zurück nach Hamburg. Als Karl Jahr [[1974]] schwer krank wurde, folgte er ihr. In Hamburg starb er am [[30. Oktober]] im Pflege- und Versorgungsheim Farmsen im Alter von 74 Jahren.
 
Im September [[1945]] nahm er eine Stellung als Werkmeister in der Gemüse- und Obstkonservenfabrik der [[Konsumverein|GEG]] in [[Ortsverein Meldorf|Meldorf]] an, wo er arbeitete, bis er mit 65 Jahren in Rente ging. Seine Frau bliebt zunächst in [[Ortsverein Nortorf|Nortorf]]. [[1950]] zog sie wieder nach Hamburg. Als Karl Jahr [[1974]] schwer krank wurde, zog er wieder zu ihr nach Hamburg. Dort starb er bald im Pflege- und Versorgungsheim Farmsen im Alter von 74 Jahren.


==Partei & Politik==
==Partei & Politik==
Bereits in seiner Jugend wurde Karl Jahr [[1913]] Mitglied der [[Sozialistische Arbeiterjugend]].  
Bereits in seiner Jugend wurde Karl Jahr [[1913]] Mitglied der [[Sozialistische Arbeiterjugend|SAJ]], entschied sich nach dem Ersten Weltkrieg aber für die [[USPD]]. Nach deren Spaltung gehörte er zu denen, die [[1921]] zur SPD zurückkehrten. Er trat auch dem [[Reichsbanner]] bei. Bei einer Auseinandersetzung schlugen ihm SA-Leute 24 Zähne aus.


Nach dem Ersten Weltkrieg trat er in die [[USPD]] ein. Zur Vereinigung mit der SPD tritt er mit über. Er ist Mitglied der Gewerkschaft und des [[Reichsbanner|Reichsbanners]]. Bei einer Auseinandersetzung schlagen ihm SA-Leuten 24 Zähne ausgeschlagen.
=== Widerstand in der NS-Diktatur ===
Nach der Machtübernahme [[1933]] beteiligte sich Karl Jahr am Widerstand. Er reiste ins Ausland, u.a. zu [[Richard Hansen]] nach Dänemark und [[Erich Ollenhauer]] in die Tschechoslowakei, schmuggelte gemeinsam mit seiner Frau illegale Schriften und sammelte Geld für Häftlinge und deren Familien.  


=== Widerstand in der NS-Zeit ===
[[1936]] wurde mit [[Wilhelm Häußler]] ein zentraler Aktivist des sozialdemokratischen Widerstands verhaftet. Karl Jahr musste befürchten, dass die Gestapo auch auf ihn kommen würde. Seine Frau und er tauchten deswegen eine Weile unter.  
Nach der Machtübernahme [[1933]] beteiligt sich Karl Jahr am Widerstand. Er reist ins Ausland u.a. zu [[Richard Hansen]] nach Dänemark und [[Erich Ollenhauer]] in Tschechien, schmuggelt gemeinsam mit seiner Frau illegale Schriften, sammelt Geld für Häftlinge und deren Familien.  


[[1936]] wird mit [[Wilhelm Häußler]] ein zentraler Aktivist des sozialdemokratischen Widerstands verhaftet. Karl Jahr muss deswegen befürchten, dass ihm die Gestapo auf die Schliche kommt. Seine Frau und er tauchen eine zeit lang unter.  
[[1937]] geriet Karl Jahr erneut ins Fadenkreuz der Gestapo. Sie verhaftete ihn bei der Arbeit und folterte ihn. Auch seine Frau wurde mehrere Monate lang im KZ Fuhlsbüttel festgehalten. [[1939]] wurde er zu drei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt, die er offenbar nicht vollständig verbüßen musste. Aber bis [[1941]] saß er deswegen im KZ Esterwegen in Haft.  


[[1937]] gerät Karl Jahr erneut ins Fadenkreuz der Gestapo. Sie verhaftet ihn bei der Arbeit und foltert ihn. Dabei gerät auch seine Frau in die Fänge der Gestapo, die sie mehrere Monate im KZ Fuhlsbüttel festhält.  
Um dem Druck durch die Gestapo zu entkommen, zog die Familie nach seiner Entlassung nach [[Ortsverein Nortorf|Nortorf]]. Auch hier fühlten sie sich jedoch überwacht - [[1943]] nahm Karl Jahr deswegen eine Arbeit in Löbau in Westpreußen an.  


[[1939]] wurde Karl Jahr zu drei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Bis [[1941]] verbrachte er deswegen im KZ Esterwege.
Nach dem Attentat auf Hitler am [[20. Juli]] [[1944]] wurde er gewarnt, dass [[Aktion Gewitter|ehemalige politische Häftlinge verhaftet]] werden sollten. Er flüchtete kurzzeitig nach Bergisch-Gladbach. Nach Löbau zurückgekehrt, wurde er zum Volkssturm eingezogen, desertierte jedoch umgehend und versteckte sich bei Bekannten in Danzig. Über Lübeck und Hamburg kehrte er in den letzten Kriegsmonaten nach [[Ortsverein Nortorf|Nortorf]] zurück und versteckte sich dort bis zum Kriegsende.
 
Um dem Druck durch die Gestapo zu entkommen, zog er zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter Marlies nach [[Ortsverein Nortorf|Nortorf]]. Auch hier fühlte sich die Familie überwacht - [[1943]] nahm er deswegen eine Arbeit in Löbau in Westpreußen an.
 
Nach dem Attentat auf Hitler am [[20. Juli]] [[1944]] wurde er gewarnt, dass [[Aktion Gewitter|ehemalige politische Häftlinge verhaftet]] werden sollten. Er flüchtet kurzzeitig nach Bergisch-Gladbach. Als er nach Löbau zurückkehrt, wird er in den Volkssturm eingezogen und desertiert direkt. Er versteckt sich bei Bekannten in Danzig. Über Lübeck und Hamburg kehrte Karl Jahr in den letzten Kriegsmonaten wieder zurück nach [[Ortsverein Nortorf|Nortorf]] und versteckte sich dort bis zum Kriegsende.


=== Wiederaufbau ===
=== Wiederaufbau ===
Karl Jahr beteiligte sich an der Wiedergründung der SPD in [[Ortsverein Nortorf|Nortorf]].
Karl Jahr beteiligte sich an der Wiedergründung der SPD in [[Ortsverein Nortorf|Nortorf]].


Auch in [[Ortsverein Meldorf|Meldorf]] engagierte er sich Jahr politisch. So war er dort [[1949]] Ortsvereinsvorsitzender, ein Amt, das er viele Jahre ausübte. 19 Jahre lang war Karl Jahr in [[Ortsverein Meldorf|Meldorf]] Mitglied der Stadtvertretung.
Auch in [[Ortsverein Meldorf|Meldorf]] engagierte er sich kommunalpolitisch. Er übernahm [[1949]] den Ortsvereinsvorsitz, ein Amt, das er viele Jahre lang ausübte. 19 Jahre lang war er außerdem Mitglied der Meldorfer Stadtvertretung.


==Einzelnachweise==
==Einzelnachweise==
<references />
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[[Kategorie:Widerstand]]
[[Kategorie:Widerstand]]
[[Kategorie:Ortsverein Meldorf]]
[[Kategorie:Ortsverein Meldorf]]

Version vom 9. März 2024, 22:25 Uhr

Karl Jahr
Karl Jahr
Karl Jahr
Geboren: 6. November 1899
Gestorben: 30. Oktober 1974

Karl Gustav Emil Jahr, * 6. November 1899 in Hamburg, † 30. Oktober 1974 in Hamburg; Kaufmann, Werkmeister. Mitglied der SPD ab 1921.[1]

Leben & Beruf

Karl Jahr kam 1899 als Sohn des Schneidermeisters Otto Jahr und dessen Frau Frieda Ferdinande Marie, geborene Schütze, in Hamburg zur Welt. Er hatte sechs Geschwister.

Nach der Volksschule machte Karl Jahr eine kaufmännische Ausbildung. Er wurde auch Gewerkschaftsmitglied - in welcher und wann, ist nicht ermittelt.

1917 wurde er eingezogen und kämpfte im Ersten Weltkrieg. Bei einem Gasangriff wurde er verletzt und musste sich davon bis 1919 erholen. Dann schloss er sich dem rechten, nationalistischen Freikorps Roßbach[2] an, kämpfte mit ihm in Oberschlesien und wurde dafür ausgezeichnet.

1921 kehrte Karl Jahr zurück nach Hamburg und wandte sich offenbar von nationalistischen Kreisen wieder ab. Er arbeitete in verschiedenen Schokoladen-Fabriken - ab 1926 bei der GEG. Um 1934 heirateten Karl Jahr und Johanna Cohen; 1942 wurde ihre Tochter Marlies geboren. Seine weitere berufliche Tätigkeit während der NS-Herrschaft wurde von seinen Widerstandsaktivitäten bestimmt, ab 1941 dann von dem Bestreben, der Aufmerksamkeit der Nazis zu entgehen. Die Familie zog nach Nortorf, er allein 1943 nach Löbau (Westpreußen), von wo er vor Kriegsende nach Schleswig-Holstein zurückkehrte.

Im September 1945 nahm er eine Stellung als Werkmeister in der Gemüse- und Obstkonservenfabrik der GEG in Meldorf an, wo er bis zur Rente 1964 tätig war. Seine Frau bliebt zunächst in Nortorf, zog dann 1950 zurück nach Hamburg. Als Karl Jahr 1974 schwer krank wurde, folgte er ihr. In Hamburg starb er am 30. Oktober im Pflege- und Versorgungsheim Farmsen im Alter von 74 Jahren.

Partei & Politik

Bereits in seiner Jugend wurde Karl Jahr 1913 Mitglied der SAJ, entschied sich nach dem Ersten Weltkrieg aber für die USPD. Nach deren Spaltung gehörte er zu denen, die 1921 zur SPD zurückkehrten. Er trat auch dem Reichsbanner bei. Bei einer Auseinandersetzung schlugen ihm SA-Leute 24 Zähne aus.

Widerstand in der NS-Diktatur

Nach der Machtübernahme 1933 beteiligte sich Karl Jahr am Widerstand. Er reiste ins Ausland, u.a. zu Richard Hansen nach Dänemark und Erich Ollenhauer in die Tschechoslowakei, schmuggelte gemeinsam mit seiner Frau illegale Schriften und sammelte Geld für Häftlinge und deren Familien.

1936 wurde mit Wilhelm Häußler ein zentraler Aktivist des sozialdemokratischen Widerstands verhaftet. Karl Jahr musste befürchten, dass die Gestapo auch auf ihn kommen würde. Seine Frau und er tauchten deswegen eine Weile unter.

1937 geriet Karl Jahr erneut ins Fadenkreuz der Gestapo. Sie verhaftete ihn bei der Arbeit und folterte ihn. Auch seine Frau wurde mehrere Monate lang im KZ Fuhlsbüttel festgehalten. 1939 wurde er zu drei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt, die er offenbar nicht vollständig verbüßen musste. Aber bis 1941 saß er deswegen im KZ Esterwegen in Haft.

Um dem Druck durch die Gestapo zu entkommen, zog die Familie nach seiner Entlassung nach Nortorf. Auch hier fühlten sie sich jedoch überwacht - 1943 nahm Karl Jahr deswegen eine Arbeit in Löbau in Westpreußen an.

Nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 wurde er gewarnt, dass ehemalige politische Häftlinge verhaftet werden sollten. Er flüchtete kurzzeitig nach Bergisch-Gladbach. Nach Löbau zurückgekehrt, wurde er zum Volkssturm eingezogen, desertierte jedoch umgehend und versteckte sich bei Bekannten in Danzig. Über Lübeck und Hamburg kehrte er in den letzten Kriegsmonaten nach Nortorf zurück und versteckte sich dort bis zum Kriegsende.

Wiederaufbau

Karl Jahr beteiligte sich an der Wiedergründung der SPD in Nortorf.

Auch in Meldorf engagierte er sich kommunalpolitisch. Er übernahm 1949 den Ortsvereinsvorsitz, ein Amt, das er viele Jahre lang ausübte. 19 Jahre lang war er außerdem Mitglied der Meldorfer Stadtvertretung.

Einzelnachweise

  1. Dieser Eintrag stützt sich im Wesentlichen auf eine Recherche von Holger Martens.
  2. Wikipedia: Sturmabteilung Roßbach, abgerufen 27.11.2022