Kommunalwahlen 1867-1918: Unterschied zwischen den Versionen

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==Wahlrecht==
==Wahlrecht==
Das [[Wahlrecht bis 1918|Wahlrecht in Schleswig-Holstein]] stellte arme Menschen, zu denen Arbeitern in der Regel gehörten, wesentlich schlechter. So schlecht, dass die Sozialdemokratie sich zunächst gar nicht an ihnen beteiligt. Mit den Erfolgen bei den [[Reichstagswahlen 1871-1918|Reichstagswahlen]] aber steigt auch das Selbstbewusstsein.<ref name=":0">{{Osterroth-100-Jahre}} Seite 45</ref>  
Das [[Wahlrecht bis 1918|Wahlrecht in Schleswig-Holstein]] stellte arme Menschen, zu denen Arbeiter in der Regel gehörten, wesentlich schlechter. So schlecht, dass die Sozialdemokratie sich zunächst gar nicht an Wahlen beteiligte. Mit den Erfolgen bei den [[Reichstagswahlen 1871-1918|Reichstagswahlen]] aber stieg auch das Selbstbewusstsein.<ref name=":0">{{Osterroth-100-Jahre}} Seite 45</ref>  


==Erste Versuche==
==Erste Versuche==
In [[Ortsverein Wandsbek|Wandsbek]] beteiligen sich [[1875]] erstmals Sozialdemokraten an den jährlich stattfindenden Kommunalwahlen. In Kiel probieren sie es [[1877]] und [[1889]]. Jeweils erfolglos.  
In [[Ortsverein Wandsbek|Wandsbek]] beteiligten sich [[1875]] erstmals Sozialdemokraten an den jährlich stattfindenden Kommunalwahlen. Die [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Kieler SPD]] versuchte es [[1877]] und [[1889]], jeweils erfolglos. Erst [[1890]] gelang es ihr, zwei Stadtverordnete durchzubringen, [[Stephan Heinzel]] und [[Friedrich Brodthuhn]]. Das schlug solche Wellen, dass die für den nächsten Tag geplante Fortsetzung der Wahl verschoben wurde, weil angeblich die Treppe im Wahllokal morsch sei. Dadurch gewannen die konservativen Kräfte Zeit, sich noch einmal besser zu organisieren und die Wahl von Arbeitern zu verhindern. Schnell wurde das [[Wahlrecht bis 1918|Wahlgesetz]] verändert. 5000 Arbeiter verloren durch die Erhöhung des Zensus ihr Wahlrecht. Der bereits gewählte [[Friedrich Brodthuhn]] verlor sein Mandat wieder, weil er jetzt nicht mehr genug verdiente.<ref name=":0" /> Danach verweigerte die Kieler SPD die nächsten zehn Jahre ihre Teilnahme an Kommunalwahlen.
 
Erst [[1890]] gelang es den [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Kielern]] zwei Stadtverordnete durchzubringen. Das schlug solche Wellen, dass die Wahl am nächsten Tag verschoben wurde, weil angeblich die Treppe im Wahllokal morsch sei. Dadurch konnten sich die konservativen Kräfte noch einmal besser organisieren und die Wahl von Arbeitern verhindern. Schnell wurde das [[Wahlrecht bis 1918|Wahlrecht]] verändert. 5000 Arbeiter verloren dadurch ihr Wahlrecht. Der bereits gewählte [[Friedrich Brodthuhn]] verlor sein Mandat, weil er nicht genug verdiente.<ref name=":0" />


Mit dieser Taktik wurde auch in anderen Städten der Wahlerfolg der Sozialdemokraten verhindert.
Mit dieser Taktik wurde auch in anderen Städten der Wahlerfolg der Sozialdemokraten verhindert.


==Gemeinsame Strategie==
==Gemeinsame Strategie==
Der Provinzialparteitag [[1899]] befasste sich mit der Kommunalpolitik, und bekräftigte das Ziel, dass die SPD um Rathäuser und Gemeindevertretungen kämpfen wolle. Er beauftragte eine Kommission, einheitliche Grundsätze und Forderungen zur Kommunalpolitik zu erarbeiten. Dieses [[Wahlprogramm Kommunalwahl 1901|Programm]] beschloss der [[Provinzialparteitag 1901, Altona|Provinzialparteitag 1901]]. Der Provinzialparteitag [[1902]] bekräftigte das Ziel noch einmal: Die SPD sollte sich in allen Orten an Kommunalwahlen beteiligen in denen es halbwegs Chancen auf Gewinne gab.<ref>{{Osterroth-100-Jahre}} Seite 45f</ref>  
Der Provinzialparteitag [[1899]] befasste sich mit der Kommunalpolitik und bekräftigte das Ziel, dass die SPD um Rathäuser und Gemeindevertretungen kämpfen wolle. Er beauftragte eine Kommission, einheitliche Grundsätze und Forderungen zur Kommunalpolitik zu erarbeiten. Dieses [[Wahlprogramm Kommunalwahl 1901|Programm]] beschloss der [[Provinzialparteitag 1901, Altona|Provinzialparteitag 1901]]. Der Provinzialparteitag [[1902]] bekräftigte das Ziel noch einmal: Die SPD sollte sich in allen Orten an Kommunalwahlen beteiligen, in denen es halbwegs Chancen auf Erfolg gab.<ref>{{Osterroth-100-Jahre}} Seite 45f</ref>  


==Es geht voran trotz Gegenwind==
==Es geht voran trotz Gegenwind==
[[1906]] war die SPD bereits in 29 Orten mit 71 Mandaten vertreten. Je mehr Erfolge die SPD bei Wahlen hatte, desto mehr wurde das [[Wahlrecht bis 1918|Wahlrecht]] zu Ungunsten der Arbeiterschaft verändert. Gleichzeitig verpflichtete der Provinzialparteitag die Ortsvereine, dass sie sich grundsätzlich an Kommunalwahlen beteiligen mussten.  
[[1906]] war die SPD bereits in 29 Orten mit 71 Mandaten vertreten. Je mehr Erfolge die SPD bei Wahlen hatte, desto mehr wurde das [[Wahlrecht bis 1918|Wahlrecht]] zu Ungunsten der Arbeiterschaft verändert. Gleichzeitig verpflichtete der Provinzialparteitag die Ortsvereine, sich grundsätzlich an Kommunalwahlen zu beteiligen.  


[[1911]] gelang es der SPD in [[Ortsverein Glückstadt|Glückstadt]] erstmals nach dem [[Wahlrecht bis 1918|Wahlrecht]] in Landgemeinden einen Kandidaten in die Gemeindevertretung zu bringen. [[1912]] gelang das auch in [[Ortsverein Uetersen|Uetersen]], [[Ortsverein Husum|Husum]] und [[Ortsverein Westerland|Westerland]]. [[1913]] eroberten die Kieler Sozialdemokraten die Hälfte der Sitze. [[1914]] gab es in 89 Kommunen sozialdemokratische Vertreter in den Kommunalparlamenten. 83 in den Städten und 232 in ländlichen Gemeinden. In den Magistrat oder den [[Provinziallandtag 1868-1918|Provinziallandtag]] schaffte es keiner. In den 56 Städten stimmten laut "Jahresbericht des Bezirksvorstands" für [[1913]]/[[1914]] 29654 Wähler für SPD-Kandidaten und 32800 für bürgerliche Kandidaten. Die Bürgerlichen bekamen aber 575 Sitze und die SPD 81.<ref>{{Osterroth-100-Jahre}} Seite 47</ref>
[[1911]] gelang es der SPD in [[Ortsverein Glückstadt|Glückstadt]] erstmals, nach dem [[Wahlrecht bis 1918|Wahlrecht]] in einer Landgemeinde einen Kandidaten in die Gemeindevertretung zu bringen. [[1912]] folgten [[Ortsverein Uetersen|Uetersen]], [[Ortsverein Husum|Husum]] und [[Ortsverein Westerland|Westerland]]. [[1913]] eroberten die Kieler Sozialdemokraten die Hälfte der Sitze. [[1914]] gab es in 89 Kommunalparlamenten sozialdemokratische Vertreter, 83 in den Städten und 232 in ländlichen Gemeinden. In den Magistrat oder den [[Provinziallandtag 1868-1918|Provinziallandtag]] schaffte es keiner. In den 56 Städten stimmten laut ''Jahresbericht des Bezirksvorstands'' für [[1913]]/[[1914]] 29&nbsp;654 Wähler für SPD-Kandidaten und 32&nbsp;800 für bürgerliche Kandidaten. Die Bürgerlichen bekamen aber 575 Sitze, die SPD nur 81.<ref>{{Osterroth-100-Jahre}} Seite 47</ref>


Dann beginnt der Erste Weltkrieg und angesichts der "Burgfrieden"-Politik werden diese Kämpfe unterbrochen. Sicher aber nicht vergessen und sie haben dann in der [[Novemberrevolution]] eine große Rolle gespielt.
Durch den Ersten Weltkrieg und die "Burgfriedens"-Politik wurden diese Kämpfe unterbrochen. Sicher aber nicht vergessen, denn sie spielten in der [[Novemberrevolution]] eine große Rolle.


== Literatur ==
== Literatur ==
* ''Wehr und Waffen. Grundsätze und Erläuterungen des Kommunalwahlprogramms der SPD Schleswig-Holsteins 1902''
* ''Wehr und Waffen. Grundsätze und Erläuterungen des Kommunalwahlprogramms der SPD Schleswig-Holsteins 1902''


==Einzelnachweise==
==Einzelnachweise==
<references />
<references />
[[Kategorie:Wahlen]]
[[Kategorie:Wahlen]]

Version vom 19. Oktober 2023, 01:58 Uhr

Die Kommunalwahlen im Deutschen Kaiserreich waren für die Sozialdemokratie eine große Herausforderung.

Wahlrecht

Das Wahlrecht in Schleswig-Holstein stellte arme Menschen, zu denen Arbeiter in der Regel gehörten, wesentlich schlechter. So schlecht, dass die Sozialdemokratie sich zunächst gar nicht an Wahlen beteiligte. Mit den Erfolgen bei den Reichstagswahlen aber stieg auch das Selbstbewusstsein.[1]

Erste Versuche

In Wandsbek beteiligten sich 1875 erstmals Sozialdemokraten an den jährlich stattfindenden Kommunalwahlen. Die Kieler SPD versuchte es 1877 und 1889, jeweils erfolglos. Erst 1890 gelang es ihr, zwei Stadtverordnete durchzubringen, Stephan Heinzel und Friedrich Brodthuhn. Das schlug solche Wellen, dass die für den nächsten Tag geplante Fortsetzung der Wahl verschoben wurde, weil angeblich die Treppe im Wahllokal morsch sei. Dadurch gewannen die konservativen Kräfte Zeit, sich noch einmal besser zu organisieren und die Wahl von Arbeitern zu verhindern. Schnell wurde das Wahlgesetz verändert. 5000 Arbeiter verloren durch die Erhöhung des Zensus ihr Wahlrecht. Der bereits gewählte Friedrich Brodthuhn verlor sein Mandat wieder, weil er jetzt nicht mehr genug verdiente.[1] Danach verweigerte die Kieler SPD die nächsten zehn Jahre ihre Teilnahme an Kommunalwahlen.

Mit dieser Taktik wurde auch in anderen Städten der Wahlerfolg der Sozialdemokraten verhindert.

Gemeinsame Strategie

Der Provinzialparteitag 1899 befasste sich mit der Kommunalpolitik und bekräftigte das Ziel, dass die SPD um Rathäuser und Gemeindevertretungen kämpfen wolle. Er beauftragte eine Kommission, einheitliche Grundsätze und Forderungen zur Kommunalpolitik zu erarbeiten. Dieses Programm beschloss der Provinzialparteitag 1901. Der Provinzialparteitag 1902 bekräftigte das Ziel noch einmal: Die SPD sollte sich in allen Orten an Kommunalwahlen beteiligen, in denen es halbwegs Chancen auf Erfolg gab.[2]

Es geht voran trotz Gegenwind

1906 war die SPD bereits in 29 Orten mit 71 Mandaten vertreten. Je mehr Erfolge die SPD bei Wahlen hatte, desto mehr wurde das Wahlrecht zu Ungunsten der Arbeiterschaft verändert. Gleichzeitig verpflichtete der Provinzialparteitag die Ortsvereine, sich grundsätzlich an Kommunalwahlen zu beteiligen.

1911 gelang es der SPD in Glückstadt erstmals, nach dem Wahlrecht in einer Landgemeinde einen Kandidaten in die Gemeindevertretung zu bringen. 1912 folgten Uetersen, Husum und Westerland. 1913 eroberten die Kieler Sozialdemokraten die Hälfte der Sitze. 1914 gab es in 89 Kommunalparlamenten sozialdemokratische Vertreter, 83 in den Städten und 232 in ländlichen Gemeinden. In den Magistrat oder den Provinziallandtag schaffte es keiner. In den 56 Städten stimmten laut Jahresbericht des Bezirksvorstands für 1913/1914 29 654 Wähler für SPD-Kandidaten und 32 800 für bürgerliche Kandidaten. Die Bürgerlichen bekamen aber 575 Sitze, die SPD nur 81.[3]

Durch den Ersten Weltkrieg und die "Burgfriedens"-Politik wurden diese Kämpfe unterbrochen. Sicher aber nicht vergessen, denn sie spielten in der Novemberrevolution eine große Rolle.

Literatur

  • Wehr und Waffen. Grundsätze und Erläuterungen des Kommunalwahlprogramms der SPD Schleswig-Holsteins 1902

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]) Seite 45
  2. Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]) Seite 45f
  3. Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]) Seite 47