Provinzialparteitag 1902, Flensburg
Provinzialparteitag Flensburg 1902 |
31. August - 2. September 1902 |
Mühlenpavillon |
Waitzstr. 4 |
Flensburg |
Siehe auch: Beschlussdatenbank |
Der Bezirksparteitag 1902 bzw. Provinzialparteitag 1902 fand in Flensburg vom 31. August bis 2. September1902 statt. Ein zentrales Thema bildete die Situation im Landesteil Schleswig.
Frage der dänischen Minderheit
Seit dem Deutsch-Dänischen Krieg 1864 gehörte Schleswig zu Preußen. So war eine dänische Minderheit entstanden, die nördlich von Flensburg jedoch die Mehrheit der Bevölkerung bildete. Die Haltung der SPD in Bezug auf sie war widersprüchlich. Laut Friedensvertrag sollte es eine Volksabstimmung über die Zugehörigkeit des Landesteils zu Deutschland oder Dänemark geben. Diese Klausel ("Artikel V") wurde 1879 von den beiden Vertragsparteien einvernehmlich annulliert. Der SPD-Bezirksparteitag bezeichnete die Klausel als "widerrechtlich beseitigt" und erklärte, dass es bei Wahlen in Nordschleswig nicht um die Nationalität des Kandidaten gehe. In der Praxis wurden diese Wahlen jedoch immer primär nach der Nationalität des Kandidaten entschieden. Die SPD konnte dort nie gute Wahlergebnisse erringen und keine Kandidaten durchsetzen.
Der Parteitag beschloss eine Resolution:
Resolution
Der Parteitag der schleswig-holsteinischen Sozialdemokratie hält es, weil Schleswig zum Teil von Angehörigen eines nicht deutschen Volkes bewohnt ist, für richtig, für seine Stellung diesen gegenüber folgendes festzulegen:
1. Grundsätzlich wird anerkannt:
a) daß die dänische Bevölkerung in Nordschleswig sowohl nach dem widerrechtlich beseitigten Artikel V des Prager Friedens als nach dem Recht aller Völker auf Selbstbestimmung allein zu entscheiden hat, ob und wie weit sie zu Preußen oder Dänemark gehören will,
b) daß alle Bewohner Nordschleswigs, die dänischen Stammes sind, solange sie gezwungen oder freiwillig zum Deutschen Reiche gehören, ein Recht auf Schutz ihrer nationalen Eigenart, ihres Volkstums, ihrer Muttersprache und volle politische Gleichberechtigung haben,
c) daß es Pflicht der Sozialdemokratie ist, jede diese Rechte verletzende Politik einer Partei, eines Staates oder eines Reiches rückhaltlos zu bekämpfen,
d) daß es Aufgabe der Sozialdemokratie ist, die Proletarier des dänischen Volkes unter voller Anerkennung ihrer nationalen Rechte über den Sozialismus aufzuklären und für den Klassenkampf zur Eroberung der politischen Macht zu gewinnen.
2. Ausgehend von vorstehenden Grundsätzen beschließt der Parteitag:
a) eine wesentliche Aufgabe der Genossen, ohne Unterschied der Abstammung, ist in Schrift und Rede die Aufklärung der dänischen Proletarier über den Sozialismus und ihren Anschluß an die Sozialdemokratie zu betreiben, und zwar, soweit es nötig und möglich ist, unter Gebrauch der dänischen Sprache,
b) eine weitere Aufgabe der Genossen und der sozialdemokratischen Presse Schleswig-Holsteins liegt in der rückhaltlosen Bekämpfung der Zwangspolitik in jeder ihrer Erscheinungsformen,
c) bei Stichwahlen zum Reichstage und den Landtagswahlen, wo die Entscheidung zwischen einem dänischen und einem anderen bürgerlichen Kandidaten steht, darf die national-oppositionelle Stellung der Dänen nicht maßgebend für die Stellungnahme unserer Genossen sein. Sie haben für einen dänischen Kandidaten nur dann einzutreten, wenn dieser die dringende Erklärung abgibt, jeder Mehrbelastung der Bevölkerung mit Zöllen und indirekten Steuern und jeder Erhöhung der Militär- und Marinelasten entschieden entgegenzutreten und tatkräftig für den demokratischen Ausbau des Wahlrechts sowohl zum Reichstage als vor allem zum preußischen Landtage wirken zu wollen.[1]
Kommunalpolitik
In der Vergangenheit waren die Sozialdemokraten zurückhaltend gewesen, wenn es um die Beteiligung an Kommunalwahlen ging. Das Wahlrecht war ein Mittel der Unterdrückung der Arbeiterbewegung und armer Menschen allgemein. Immer wieder boykottierten die Sozialdemokraten die Wahlen. 1899 jedoch beschloss der Provinzialparteitag, dass man sich in Zukunft stärker in den Wahlen engagieren wolle. Der Provinzialparteitag 1901 verabschiedete ein Kommunalwahlprogramm. Der Provinzialparteitag in Flensburg bekräftigte noch einmal das Ziel, an mehr Wahlen teilzunehmen und um Mandate zu kämpfen, selbst wenn es das Wahlrecht immer schwerer machte.[2]
Einzelnachweise
- ↑ Zitiert nach: Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 39 f.
- ↑ Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]) Seite 45f