Helmut Schmidt: Unterschied zwischen den Versionen
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'''Helmut Heinrich Waldemar Schmidt''' | '''Helmut''' Heinrich Waldemar '''Schmidt''', * [[23. Dezember|23. Dezember]] [[1918|1918]] in Hamburg, † [[10. November|10. November]] [[2015|2015]] in Hamburg; Diplom-Volkswirt, von [[1974|1974]] bis [[1982|1982]] der fünfte Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Mitglied der SPD seit März [[1946|1946]]. | ||
== | == Beziehung zu Schleswig-Holstein == | ||
Obwohl keine Schleswig-Holsteiner, pflegten Helmut Schmidt und seine Frau [[Loki Schmidt|Hannelore, genannt Loki, Schmidt]] zeit ihres Lebens vielfältige Beziehungen zum nördlichen Nachbarland ihrer Heimatstadt Hamburg. Sie besaßen seit [[1958|1958]] einen Zweitwohnsitz in Langwedel am holsteinischen Brahmsee, wo sich beide ihren Hobbys widmen konnten, er dem Segeln, sie der Botanik.<ref>[https://de.wikipedia.org/Langwedel_%28Holstein%29#Lokis_Biotop Langwedel - Lokis Biotop]</ref> Gleich nebenan, auf der anderen Hälfte des gemeinsam erworbenen und "brüderlich geteilten" Grundstücks, hatte lange Zeit ihr Hamburger Freund [[Willi Berkhan|Willi Berkhan]] sein Feriendomizil.<ref>Paulat, Julia: ''Schmidts Ferienhäuschen ist verkauft'', ''Kieler Nachrichten'', 10.10.2017</ref> | |||
Die Schmidts wurden von den Langwedelern als Nachbarn, nicht als Fremde empfunden; sie schotteten sich nicht ab, kauften im Ort ein und gingen in der Region ohne großen Aufwand essen.<ref>So der Bürgermeister von Langwedel im ''Schleswig-Holstein-Magazin'' des NDR vom 10.11.2015.</ref> Gern besuchten sie die Produktionsstätte der Kellinghusener Fayencen, wo sie nicht nur großzügig einkauften; mindestens einmal setzte sich Helmut Schmidt auch, durch die traditionelle Lederschürze geschützt, an die Töpferscheibe "und organisierte gleich den ganzen Betrieb um", wie ein Augenzeuge noch nach Jahrzehnten zu berichten wusste.<ref>Information des Genossen [[Michael Legband|Michael Legband]], der an diesem Tag durch Zufall ebenfalls im Betrieb anwesend war, vom 31.5.2022.</ref> | |||
Langwedels Politiker machten auch kein Geheimnis daraus, dass das Ferienhaus - zunächst eher eine 30-qm-Gartenlaube - auf dem für gut 1 DM pro Quadratmeter erworbenen Grundstück ohne Baugenehmigung erbaut worden war. "Immer, wenn Helmut Schmidt beruflich aufstieg, wurde etwas dazugebaut", verriet der CDU-Bürgermeister der Presse<ref>Paulat, Julia: ''Schmidts Ferienhäuschen ist verkauft'', ''Kieler Nachrichten'', 10.10.2017</ref> - und auch, die Schmidts könnten auch [[1976|1976]] jederzeit anbauen.<ref>Burchardt, Rainer: ''[http://www.zeit.de/1976/39/weil-der-kraemer-versackte Neuwahlen am Brahmsee. Weil der Krämer "versackte"]'', DIE ZEIT, 17.9.1976</ref> | |||
Erst [[1986|1986]] kam "Lokis Biotop" dazu, ein "sechseinhalb Hektar großes Areal, das die Schmidts [...] bewusst sich selbst überließen. Die Fläche ist vor einem Jahr an die Loki-Schmidt-Stiftung übergegangen, darf aber von Besuchern betreten werden".<ref>Paulat, Julia: ''Schmidts Ferienhäuschen ist verkauft'', ''Kieler Nachrichten'', 10.10.2017</ref> | |||
== | In das Wochenendhaus lud der Bundeskanzler viele Gäste aus internationaler Politik und Wirtschaft ein<ref>''[http://www.shz.de/schleswig-holstein/panorama/ich-warte-auf-dich-loki-helmut-und-das-haus-am-brahmsee-id2587956.html "Ich warte auf Dich" – Loki, Helmut und das Haus am Brahmsee]'', ''shz.de'', 22.10.2010</ref>, etwa [[Olof Palme|Olof Palme]] oder [[Siegfried Lenz|Siegfried Lenz]], Persönlichkeiten aus der schleswig-holsteinischen Politik wie [[Jochen Steffen|Jochen Steffen]], [[Klaus Matthiesen|Klaus Matthiesen]], [[Björn Engholm|Björn Engholm]] oder den Ministerpräsidenten Gerhard Stoltenberg, ebenso wie Menschen aus dem Ort. Noch in der Zeit vor seinem Tod habe sich Helmut Schmidt gelegentlich an den Brahmsee fahren lassen.<ref>Paulat, Julia: ''Schmidts Ferienhäuschen ist verkauft'', ''Kieler Nachrichten'', 10.10.2017</ref> | ||
[[2017|2017]] verkaufte seine in England lebende Tochter das "Ferienhäuschen". Sie räumte ein, dieser Schritt sei ihr schwergefallen, sei aber letztlich vernünftig. Die Käufer, eine Familie mit Kindern, hätten zugesichert, das Haus zu erhalten und zu sanieren.<ref>Paulat, Julia: ''Schmidts Ferienhäuschen ist verkauft'', ''Kieler Nachrichten'', 10.10.2017</ref> | |||
=== Innensenator === | |||
Am [[29. August|29. August]] [[1964|1964]] sprach Helmut Schmidt in Flensburg auf einer Kundgebung mit Sozialdemokraten aus Norwegen und Dänemark zum Gedenken der Toten der beiden Weltkriege und zur Mahnung an alle zum [[Friedenspolitik|Frieden]] und zur politischen Vereinigung Europas. Außer ihm sprachen der dänische Folketingabgeordnete [[Peter Gorrsen|Peter Gorrsen]] und der Generalsekretär der norwegischen Arbeiterpartei [[Haakon Lie|Haakon Lie]].<ref>SPD Schleswig-Holstein: ''Rechenschaftsbericht 1963-1965''</ref> | |||
Am [[Landesparteitag 1965, Travemünde|Landesparteitag 1965]] nahm Helmut Schmidt als Mitglied des SPD-Parteivorstandes teil. Er hielt eine Rede zur [[Bundestagswahl 1965|Bundestagswahl]]: "1965 zu einem Jahr der Entscheidung machen!" Zu dieser Zeit war er Innensenator von Hamburg; überregionale Bekanntheit hatte er durch seine Rolle während der Flutkatastrophe an der deutschen Nordseeküste am [[16. Februar|16.]] und [[17. Februar|17. Februar]] [[1962|1962]] gewonnen. Auch wenn sie sich vorrangig auf Hamburg bezog, profitierte ebenso das schwer betroffene Schleswig-Holstein von seinem entschiedenen, unkonventionellen, mehr an Notwendigkeiten als an Vorschriften orientierten Vorgehen, nicht zuletzt von seiner in der Verfassung nicht vorgesehenen Aktivierung der Bundeswehr als Fluthelfer. | |||
Im Oktober [[1965|1965]] wurde er mit einer Tagung des [[1953|1953]] gegründeten Landesverbandes der "Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS", kurz HIAG, in [[Ortsverein Rendsburg|Rendsburg]] in Zusammenhang gebracht. Er hatte ein Telegramm geschickt, ein Umstand, der zunächst in ein "Grußtelegramm" umgemünzt wurde. Nach Diskussionen in der Bundestagsfraktion sah er sich veranlasst, öffentlich klarzustellen, dass er in dem Telegramm lediglich seine Teilnahme abgelehnt habe. Gleichzeitig bezeichnete er es als Fehler, "alle 900 000 Soldaten der Waffen-SS mit einer besonderen Kollektivschuld zu belasten".<ref>Neugebauer, Günter: ''Die regelmäßigen Treffen der Angehörigen der Waffen-SS in Rendsburg und ihre bundesweite Wirkung''. In: ''Rendsburger Jahrbuch 2020'', S. 173 f.</ref> Diese milde Bewertung deckte sich mit der des [[Landesvorstand|Landesvorstand]]es zu dieser Zeit.<ref>Neugebauer, Günter: ''Die regelmäßigen Treffen der Angehörigen der Waffen-SS in Rendsburg und ihre bundesweite Wirkung''. In: ''Rendsburger Jahrbuch 2020'', S. 169 f.</ref> Erst mit dem Traditionserlass der Bundeswehr von [[1981|1981]] distanzierte er sich endgültig von der HIAG. | |||
=== Bundeskanzler === | |||
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Helmut Schmidt gehörte von [[1953|1953]] bis [[1987|1987]] (mit einer Unterbrechung von [[1962|1962]] bis [[1965|1965]]) dem Bundestag an. Von [[1969|1969]] an war er in verschiedenen Ressorts Bundesminister, auch mit Kabinettskollegen aus Schleswig-Holstein, namentlich [[Karl Schiller|Karl Schiller]], [[Lauritz Lauritzen|Lauritz Lauritzen]] und [[Egon Bahr|Egon Bahr]]. | |||
[[1974|1974]] wurde er als Nachfolger von [[Willy Brandt|Willy Brandt]] Bundeskanzler. Dem Kabinett Schmidt gehörten mehrere Politiker aus Schleswig-Holstein an: [[Björn Engholm|Björn Engholm]], zunächst als Staatssekretär, dann als Minister für Bildung und Wissenschaft mit dem Staatssekretär [[Eckart Kuhlwein|Eckart Kuhlwein]], und weiterhin [[Egon Bahr|Egon Bahr]], der einen schleswig-holsteinischen Wahlkreis im Bundestag vertrat. Bei Besuchen in Schleswig-Holstein bewies Helmut Schmidt, dass er es nicht verlernt hatte, mit "normalen" Menschen zu reden.<ref>Burchardt, Rainer: ''[http://www.zeit.de/1975/15/das-ist-nicht-unser-bier/komplettansicht "Das ist nicht unser Bier". Bundeskanzler Helmut Schmidt sprach mit Husumer Krabbenfischern]'', DIE ZEIT, 4.4.1975</ref> | |||
In der Auseinandersetzung um die [[Atomkraft|Atomkraft]] stand Bundeskanzler Schmidt auf der Seite der Atom-Befürworter, während die [[Landesverband|schleswig-holsteinische SPD]] seit Mitte der 1970er den Ausstieg forderte. Auch bei anderen Themen waren sich die traditionell linken Schleswig-Holsteiner und der pragmatische Bundeskanzler nicht einig, etwa in der [[Friedenspolitik|Friedenspolitik]]. Der NATO-Doppelbeschluss, der teilweise auf eine Idee von Helmut Schmidt zurückging, erfuhr im Norden weitgehende Ablehnung. | |||
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Dessenungeachtet war der Bundeskanzler häufiger Gast auf der [[Kiel|Kieler Woche]] und lud gern zu politischen Gesprächen dorthin ein.<ref>''Schleswig-Holstein-Magazin'', NDR, 10.11.2015</ref> | |||
[[1979|1979]] besuchte Helmut Schmidt als erster deutscher Regierungschef die Nordfriesen und gab damit eher zufällig einen Impuls für die [[Minderheitenpolitik|Minderheitenpolitik]]. | |||
=== Nach der Politik === | |||
[[Datei:Helmut-Schmidt1.png|200px|thumb|left|Helmut Schmidt empfiehlt Susanne Gaschke als Oberbürgermeisterin für Kiel|verweis=Datei:Helmut-Schmidt1.png]]Das "Schleswig-Holstein-Festival" verdankt seine Entstehung ganz wesentlich Helmut Schmidt.<ref>''[http://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/L/landLeute/menschen/Ehrenbuerger.html Schleswig-Holstein - Ehrenbürger]'', abgerufen 11.11.2015</ref> Seine Liebe zur Musik und zum Land, aber auch länderübergreifende Überlegungen zur Belebung der norddeutschen Bundesländer führten zur Entwicklung der Festivalidee, an der sein Freund, der Pianist Justus Frantz, und Dr. Dr. Uwe Barschel als Regierungschef beteiligt waren. Das Festival findet seit Juli [[1986|1986]] jeden Sommer statt und zieht Menschen von überallher nach Schleswig-Holstein.<ref>Burkhardt, Werner/Kolster, Beatrice u.a.: ''Sinfonien in Herrenhäusern und Scheunen. Das Schleswig-Holstein Musik Festival'' (Hamburg 1988), S. 129</ref> | |||
[[2012|2012]] unterstützte Helmut Schmidt als Mitherausgeber der ZEIT durch ein Schreiben die ehemalige ZEIT-Journalistin [[Susanne Gaschke|Susanne Gaschke]] in ihrem Wahlkampf um das Amt der [[OberbürgermeisterIn Kiel|Oberbürgermeisterin]] von [[Kreisverband Kiel|Kiel]]. | |||
== Ehrungen == | |||
Am [[20. Dezember|20. Dezember]] [[1998|1998]] wurde Helmut Schmidt von Ministerpräsidentin [[Heide Simonis|Heide Simonis]] zum Ehrenbürger Schleswig-Holsteins ernannt. Er war der erste, der diese neu geschaffene Ehrung erhielt.<ref>''Schleswig-Holstein-Magazin'' des NDR, 10.11.2015</ref> "In ihrer Laudatio für den Altbundeskanzler, streitbaren Demokraten und pragmatischen Denker hob [...] Heide Simonis die Verbundenheit Helmut Schmidts zu Schleswig-Holstein hervor. Sie bezeichnete ihn als 'Freund Schleswig-Holsteins' und erwähnte die vielen positiven Impulse, die er für das Land gegeben habe."<ref>''[http://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/L/landLeute/menschen/Ehrenbuerger.html Schleswig-Holstein - Ehrenbürger]'', abgerufen 11.11.2015</ref> | |||
Am [[17. Juni|17. Juni]] [[2007|2007]] zeichnete das [[Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW)|Institut für Weltwirtschaft]] in Kiel ihn als einen von drei Preisträgern mit dem Weltwirtschaftlichen Preis aus.<ref>[https://web.archive.org/web/20080223112105/http://www.uni-kiel.de/IfW/prizes/wwp/wwp.htm Weltwirtschaftlicher Preis 2007]</ref> | |||
== Links == | |||
*{{Wikipedia}} | |||
*Paulat, Julia: ''Schmidts Ferienhäuschen ist verkauft'', ''Kieler Nachrichten'', 10.10.2017. ([http://www.kn-online.de/Nachrichten/Schleswig-Holstein/Ex-Kanzler-Schmidts-Ferienhaeuschen-ist-verkauft Kurzversion auf KN-online]) | |||
== Einzelnachweise == | |||
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Aktuelle Version vom 29. Juli 2023, 13:29 Uhr
Helmut Schmidt |
Helmut Heinrich Waldemar Schmidt, * 23. Dezember 1918 in Hamburg, † 10. November 2015 in Hamburg; Diplom-Volkswirt, von 1974 bis 1982 der fünfte Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Mitglied der SPD seit März 1946.
Beziehung zu Schleswig-Holstein
Obwohl keine Schleswig-Holsteiner, pflegten Helmut Schmidt und seine Frau Hannelore, genannt Loki, Schmidt zeit ihres Lebens vielfältige Beziehungen zum nördlichen Nachbarland ihrer Heimatstadt Hamburg. Sie besaßen seit 1958 einen Zweitwohnsitz in Langwedel am holsteinischen Brahmsee, wo sich beide ihren Hobbys widmen konnten, er dem Segeln, sie der Botanik.[1] Gleich nebenan, auf der anderen Hälfte des gemeinsam erworbenen und "brüderlich geteilten" Grundstücks, hatte lange Zeit ihr Hamburger Freund Willi Berkhan sein Feriendomizil.[2]
Die Schmidts wurden von den Langwedelern als Nachbarn, nicht als Fremde empfunden; sie schotteten sich nicht ab, kauften im Ort ein und gingen in der Region ohne großen Aufwand essen.[3] Gern besuchten sie die Produktionsstätte der Kellinghusener Fayencen, wo sie nicht nur großzügig einkauften; mindestens einmal setzte sich Helmut Schmidt auch, durch die traditionelle Lederschürze geschützt, an die Töpferscheibe "und organisierte gleich den ganzen Betrieb um", wie ein Augenzeuge noch nach Jahrzehnten zu berichten wusste.[4]
Langwedels Politiker machten auch kein Geheimnis daraus, dass das Ferienhaus - zunächst eher eine 30-qm-Gartenlaube - auf dem für gut 1 DM pro Quadratmeter erworbenen Grundstück ohne Baugenehmigung erbaut worden war. "Immer, wenn Helmut Schmidt beruflich aufstieg, wurde etwas dazugebaut", verriet der CDU-Bürgermeister der Presse[5] - und auch, die Schmidts könnten auch 1976 jederzeit anbauen.[6]
Erst 1986 kam "Lokis Biotop" dazu, ein "sechseinhalb Hektar großes Areal, das die Schmidts [...] bewusst sich selbst überließen. Die Fläche ist vor einem Jahr an die Loki-Schmidt-Stiftung übergegangen, darf aber von Besuchern betreten werden".[7]
In das Wochenendhaus lud der Bundeskanzler viele Gäste aus internationaler Politik und Wirtschaft ein[8], etwa Olof Palme oder Siegfried Lenz, Persönlichkeiten aus der schleswig-holsteinischen Politik wie Jochen Steffen, Klaus Matthiesen, Björn Engholm oder den Ministerpräsidenten Gerhard Stoltenberg, ebenso wie Menschen aus dem Ort. Noch in der Zeit vor seinem Tod habe sich Helmut Schmidt gelegentlich an den Brahmsee fahren lassen.[9]
2017 verkaufte seine in England lebende Tochter das "Ferienhäuschen". Sie räumte ein, dieser Schritt sei ihr schwergefallen, sei aber letztlich vernünftig. Die Käufer, eine Familie mit Kindern, hätten zugesichert, das Haus zu erhalten und zu sanieren.[10]
Innensenator
Am 29. August 1964 sprach Helmut Schmidt in Flensburg auf einer Kundgebung mit Sozialdemokraten aus Norwegen und Dänemark zum Gedenken der Toten der beiden Weltkriege und zur Mahnung an alle zum Frieden und zur politischen Vereinigung Europas. Außer ihm sprachen der dänische Folketingabgeordnete Peter Gorrsen und der Generalsekretär der norwegischen Arbeiterpartei Haakon Lie.[11]
Am Landesparteitag 1965 nahm Helmut Schmidt als Mitglied des SPD-Parteivorstandes teil. Er hielt eine Rede zur Bundestagswahl: "1965 zu einem Jahr der Entscheidung machen!" Zu dieser Zeit war er Innensenator von Hamburg; überregionale Bekanntheit hatte er durch seine Rolle während der Flutkatastrophe an der deutschen Nordseeküste am 16. und 17. Februar 1962 gewonnen. Auch wenn sie sich vorrangig auf Hamburg bezog, profitierte ebenso das schwer betroffene Schleswig-Holstein von seinem entschiedenen, unkonventionellen, mehr an Notwendigkeiten als an Vorschriften orientierten Vorgehen, nicht zuletzt von seiner in der Verfassung nicht vorgesehenen Aktivierung der Bundeswehr als Fluthelfer.
Im Oktober 1965 wurde er mit einer Tagung des 1953 gegründeten Landesverbandes der "Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS", kurz HIAG, in Rendsburg in Zusammenhang gebracht. Er hatte ein Telegramm geschickt, ein Umstand, der zunächst in ein "Grußtelegramm" umgemünzt wurde. Nach Diskussionen in der Bundestagsfraktion sah er sich veranlasst, öffentlich klarzustellen, dass er in dem Telegramm lediglich seine Teilnahme abgelehnt habe. Gleichzeitig bezeichnete er es als Fehler, "alle 900 000 Soldaten der Waffen-SS mit einer besonderen Kollektivschuld zu belasten".[12] Diese milde Bewertung deckte sich mit der des Landesvorstandes zu dieser Zeit.[13] Erst mit dem Traditionserlass der Bundeswehr von 1981 distanzierte er sich endgültig von der HIAG.
Bundeskanzler
Helmut Schmidt gehörte von 1953 bis 1987 (mit einer Unterbrechung von 1962 bis 1965) dem Bundestag an. Von 1969 an war er in verschiedenen Ressorts Bundesminister, auch mit Kabinettskollegen aus Schleswig-Holstein, namentlich Karl Schiller, Lauritz Lauritzen und Egon Bahr.
1974 wurde er als Nachfolger von Willy Brandt Bundeskanzler. Dem Kabinett Schmidt gehörten mehrere Politiker aus Schleswig-Holstein an: Björn Engholm, zunächst als Staatssekretär, dann als Minister für Bildung und Wissenschaft mit dem Staatssekretär Eckart Kuhlwein, und weiterhin Egon Bahr, der einen schleswig-holsteinischen Wahlkreis im Bundestag vertrat. Bei Besuchen in Schleswig-Holstein bewies Helmut Schmidt, dass er es nicht verlernt hatte, mit "normalen" Menschen zu reden.[14]
In der Auseinandersetzung um die Atomkraft stand Bundeskanzler Schmidt auf der Seite der Atom-Befürworter, während die schleswig-holsteinische SPD seit Mitte der 1970er den Ausstieg forderte. Auch bei anderen Themen waren sich die traditionell linken Schleswig-Holsteiner und der pragmatische Bundeskanzler nicht einig, etwa in der Friedenspolitik. Der NATO-Doppelbeschluss, der teilweise auf eine Idee von Helmut Schmidt zurückging, erfuhr im Norden weitgehende Ablehnung.
Dessenungeachtet war der Bundeskanzler häufiger Gast auf der Kieler Woche und lud gern zu politischen Gesprächen dorthin ein.[15]
1979 besuchte Helmut Schmidt als erster deutscher Regierungschef die Nordfriesen und gab damit eher zufällig einen Impuls für die Minderheitenpolitik.
Nach der Politik
Das "Schleswig-Holstein-Festival" verdankt seine Entstehung ganz wesentlich Helmut Schmidt.[16] Seine Liebe zur Musik und zum Land, aber auch länderübergreifende Überlegungen zur Belebung der norddeutschen Bundesländer führten zur Entwicklung der Festivalidee, an der sein Freund, der Pianist Justus Frantz, und Dr. Dr. Uwe Barschel als Regierungschef beteiligt waren. Das Festival findet seit Juli 1986 jeden Sommer statt und zieht Menschen von überallher nach Schleswig-Holstein.[17]
2012 unterstützte Helmut Schmidt als Mitherausgeber der ZEIT durch ein Schreiben die ehemalige ZEIT-Journalistin Susanne Gaschke in ihrem Wahlkampf um das Amt der Oberbürgermeisterin von Kiel.
Ehrungen
Am 20. Dezember 1998 wurde Helmut Schmidt von Ministerpräsidentin Heide Simonis zum Ehrenbürger Schleswig-Holsteins ernannt. Er war der erste, der diese neu geschaffene Ehrung erhielt.[18] "In ihrer Laudatio für den Altbundeskanzler, streitbaren Demokraten und pragmatischen Denker hob [...] Heide Simonis die Verbundenheit Helmut Schmidts zu Schleswig-Holstein hervor. Sie bezeichnete ihn als 'Freund Schleswig-Holsteins' und erwähnte die vielen positiven Impulse, die er für das Land gegeben habe."[19]
Am 17. Juni 2007 zeichnete das Institut für Weltwirtschaft in Kiel ihn als einen von drei Preisträgern mit dem Weltwirtschaftlichen Preis aus.[20]
Links
- Wikipedia: Helmut Schmidt
- Paulat, Julia: Schmidts Ferienhäuschen ist verkauft, Kieler Nachrichten, 10.10.2017. (Kurzversion auf KN-online)
Einzelnachweise
- ↑ Langwedel - Lokis Biotop
- ↑ Paulat, Julia: Schmidts Ferienhäuschen ist verkauft, Kieler Nachrichten, 10.10.2017
- ↑ So der Bürgermeister von Langwedel im Schleswig-Holstein-Magazin des NDR vom 10.11.2015.
- ↑ Information des Genossen Michael Legband, der an diesem Tag durch Zufall ebenfalls im Betrieb anwesend war, vom 31.5.2022.
- ↑ Paulat, Julia: Schmidts Ferienhäuschen ist verkauft, Kieler Nachrichten, 10.10.2017
- ↑ Burchardt, Rainer: Neuwahlen am Brahmsee. Weil der Krämer "versackte", DIE ZEIT, 17.9.1976
- ↑ Paulat, Julia: Schmidts Ferienhäuschen ist verkauft, Kieler Nachrichten, 10.10.2017
- ↑ "Ich warte auf Dich" – Loki, Helmut und das Haus am Brahmsee, shz.de, 22.10.2010
- ↑ Paulat, Julia: Schmidts Ferienhäuschen ist verkauft, Kieler Nachrichten, 10.10.2017
- ↑ Paulat, Julia: Schmidts Ferienhäuschen ist verkauft, Kieler Nachrichten, 10.10.2017
- ↑ SPD Schleswig-Holstein: Rechenschaftsbericht 1963-1965
- ↑ Neugebauer, Günter: Die regelmäßigen Treffen der Angehörigen der Waffen-SS in Rendsburg und ihre bundesweite Wirkung. In: Rendsburger Jahrbuch 2020, S. 173 f.
- ↑ Neugebauer, Günter: Die regelmäßigen Treffen der Angehörigen der Waffen-SS in Rendsburg und ihre bundesweite Wirkung. In: Rendsburger Jahrbuch 2020, S. 169 f.
- ↑ Burchardt, Rainer: "Das ist nicht unser Bier". Bundeskanzler Helmut Schmidt sprach mit Husumer Krabbenfischern, DIE ZEIT, 4.4.1975
- ↑ Schleswig-Holstein-Magazin, NDR, 10.11.2015
- ↑ Schleswig-Holstein - Ehrenbürger, abgerufen 11.11.2015
- ↑ Burkhardt, Werner/Kolster, Beatrice u.a.: Sinfonien in Herrenhäusern und Scheunen. Das Schleswig-Holstein Musik Festival (Hamburg 1988), S. 129
- ↑ Schleswig-Holstein-Magazin des NDR, 10.11.2015
- ↑ Schleswig-Holstein - Ehrenbürger, abgerufen 11.11.2015
- ↑ Weltwirtschaftlicher Preis 2007