Ortsverein Rendsburg

Aus SPD Geschichtswerkstatt

Der Ortsverein Rendsburg ist eine Gliederung im Kreisverband Rendsburg-Eckernförde. Seine Geschichte begann mit der Gründung eines Zweigvereins des ADAV um die Jahreswende 1869/1870.[1]

Vorsitz

Siehe auch Vorstände

Kommunalpolitik

In der Kommunalwahl 2023 errang die SPD bei 18,0 % der Stimmen 8 von 47 Sitzen der Stadtvertretung, die offenbar durch Überhangmandate erheblich angewachsen ist. Die Wahlbeteiligung lag bei 35 %. Gewählt wurden Matthias Bruhn (Fraktionsvorsitz), Mario Meß und Maik Grill (Stellvertreter) sowie Marc-Olaf Begemann, Saskia Bruhn, Daniel Hundt, Rebecca Schoemer und Ralf Tams.[2] Die Fraktion selbst gibt 9 Sitze an, wie auch Wikipedia; Kai Kirchner rückte aber offenbar erst am 1. Juli 2023 nach[3] für wen oder aus welchem Grund, ist nicht erkennbar.

In der Kommunalwahl 2018 errang die SPD bei 28,2 % der Stimmen 9 von 31 Sitzen der Stadtvertretung. Die Wahlbeteiligung lag bei 32,4 %.[4]

Ende Januar 2016 traten die amtierende Stadtpräsidentin Karin Wiemer-Hinz und der Fraktionsvorsitzende Helge Hinz aus der SPD aus. Als Ursache gab die SPD "unterschiedliche Auffassungen über die Fraktionsarbeit" an und dankte den beiden für ihre in den vergangenen Jahren geleistete Arbeit. Zum Nachfolger in der Fraktion wurde René Sartorius gewählt.[5]

Ein bedeutendes Mitglied war der am 24. Dezember 2015[6] mit 80 Jahren verstorbene Lehrer Klaus-Dieter Henkel, langjähriger Fraktionsvorsitzender (1975-1998) und mehrfach OV-Vorsitzender. In der Traueranzeige des Ortsvereins heißt es:

"Er prägte in dieser Zeit mit seinem außergewöhnlichen Wissen, Engagement und politischen Gespür die Rendsburger Kommunalpolitik."[7]

1913/14 zogen die ersten beiden Sozialdemokraten in die Stadtverordnetenversammlung ein.[8]

Stadtpräsident*in

Bürgermeister*in

Geschichte

Ein älterer Arbeiterverein, der Rendsburger Arbeiter-Verein von 1848, war keine im Wesentlichen sozialdemokratische Vereinigung, sondern nur in seiner Anfangsphase etwa bis 1851 als Arbeiterbildungsverein einzuordnen, danach als eine zunehmend unpolitische Vereinigung bürgerlicher Handwerker, die sich gewerblicher Bildung, der Ausrichtung von Festlichkeiten und sozialer Wohltätigkeit verschrieben hatte.[12] Er nahm auf das Umland Einfluss und hatte Arbeiter der Carlshütte als Mitglieder. 1853 wurde sein Vereinslokal polizeilich durchsucht. Man fand in der Bibliothek allerdings unter den 171 Büchern nur wenige politische und die waren eher bürgerlich-radikal. Wenn es sozialistische Literatur dort gegeben hatte, dann war sie vorher zur Seite geschafft worden. Dem Verein war eine Sparkasse, eine Krankenkasse, eine Gesangs- und eine Sonntagsschule mit Unterricht im technischen Zeichnen angeschlossen.[13] 1885 nahm er in seine Statuten auf: "Religion und politische Angelegenheiten sind ausgeschlossen" und verweigerte "bekannten agitatorischen Socialdemokraten" die Aufnahme.[14]

Die Polizei verzeichnete 1869 44 organisierte Arbeiter in Rendsburg - aber wohl nicht im Arbeiterverein, der sich "immer anständig und ordentlich betragen" habe.[15] 1869/1870 gründete sich in Rendsburg ein Zweigverein des ADAV.

1872 wurde in Rendsburg ein Arbeiterfest der Sozialdemokraten verboten.

"Der Hauptredner kam von außerhalb, und die Behörden fürchteten, er habe Frauen und Kinder in seine Agitation mit einbeziehen wollen, einen Personenkreis, für den politische Veranstaltungen nicht zugelassen waren. Auf dieses Verbot gibt es weder im Rendsburger Wochenblatt noch im Rendsburger Stadtarchiv bzw. im Schleswig-Holsteinischen Landesarchiv einen Hinweis."[16]

1875 war die Zahl der "Organisierten" nach Kenntnis der Behörden auf 270 gestiegen.[17] Eine offizielle Meldung über den sozialdemokratischen Verein findet sich jedoch erst im Rendsburger Wochenblatt vom 23. Januar 1891: Am Vortage habe eine öffentliche Arbeiterversammlung mit mehr als 50 Personen stattgefunden, die der Vorbereitung zum Provinzialparteitag in Neumünster gedient habe. "Die Delegierten nahmen zwei Anträge mit."[18]

1898 hatte der Verein 75 Mitglieder.[19]

Weimarer Republik und NS-Herrschaft

1929 wurde in Rendsburg in Direktwahl ein neuer Bürgermeister gewählt. Heinrich Jacobs unterlag gegen einen Kandidaten aus der Deutsch-Nationalen Volkspartei, der nach der Machtübernahme durch die Nazis im April 1933 zur NSDAP wechselte.[20]

Auch in Rendsburg bestand eine Ortsgruppe des Reichsbanners. Sie und die KPD lieferten sich gegen Ende der Weimarer Republik Straßenkämpfe mit den Nazis. Bei einer von der SA provozierten Auseinandersetzung kam am 10. Januar 1932 ein junger SA-Mann ums Leben. Er wurde künftig als "Märtyrer" verklärt und mit einem Denkmal des Rendsburger Bildhauers Heinrich Jepsen bedacht; auch wurde die Baronstraße nach ihm umbenannt.[21] Nach Ende der NS-Herrschaft wurden beide Maßnahmen rückgängig gemacht.

Rendsburg und die HIAG

Zunächst rief es auch bei der örtlichen SPD keinen öffentlichen Widerspruch hervor, dass der 1953 gegründete Landesverband der "Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS", kurz HIAG, ab 1954 seine Jahrestreffen (zunächst "Landessuchtagung", später "Nordmarktreffen") im Rendsburger Lokal Schützenhof abhielt (heute ein Pflegeheim, aber schon seit ihrer Gründung bis zum Ende der NS-Herrschaft Treffpunkt der Rendsburger NSDAP), ab 1965 in der städtischen Nordmarkhalle.[22] Erst 1958 beschäftigte sich die SPD-Führung in Bonn mit den Treffen, vermutlich auf Initiative von Max Kukil, der sich als ehemaliger KZ-Häftling dagegen aussprach und den Zusammenschluss als "ein Sammelbecken der Unbelehrbaren" einstufte. Er konnte sich jedoch nicht durchsetzen, da sich führende Kollegen "um ein entspanntes Verhältnis zur HIAG bemühten".[23]

Stärker wurde der Widerstand erst durch die Frankfurter Auschwitz-Prozesse, die 1963 begannen und das Thema wieder verstärkt in die öffentliche Diskussion brachten. Immerhin war noch am 25. Oktober 1964 der Kieler SPD-Landtagsabgeordnete und ehemalige Luftwaffenoberst der Wehrmacht Walter Stams einer der Gastredner beim 10. Nordmarktreffen.[24] Der Antrag der HIAG auf Nutzung der Nordmarkhalle wurde 1965 vom Rendsburger Senat zunächst mit Stimmengleichheit abgelehnt, zwei Wochen später nach "geharnischten Eingaben" an die Stadt mit 5:4 Stimmen genehmigt.[25] Wie sich die Stimmen politisch verteilten, ist bisher nicht ermittelt; dass die HIAG die Verweigerung der Halle als "politisch motivierte 'erneute Kollektivverurteilung'"[26] bezeichnete, zeigt aber, mit welchem Selbstbewusstsein ehemalige Nazis noch (oder schon wieder!) zu dieser Zeit agierten.

Die Rendsburger Kehrtwende rief jedoch weithin Empörung hervor; mehr als 80 internationale NS-Opferverbände protestierten ebenso wie der DGB, die VVN und andere. Senator Günter Lange beantragte am 11. Oktober 1965 im Senat für die SPD-Fraktion zumindest "die Untersagung des Schweigemarsches und der Beflaggung"[27], konnte sich auch damit jedoch nicht durchsetzen. Dagegen bekundete der "engere Landesvorstand" der SPD

"'volles Verständnis, wenn sich die Angehörigen der Waffen-SS dagegen wehren, dass alle Unmenschlichkeiten unserer jüngsten Vergangenheit auf die SS abgewälzt' werden. Er habe auch 'volles Verständnis, dass die SS-Angehörigen den gleichen Umfang an Verständnis erwarten wie alle Amnestierten und Verurteilten'. Es fehle aber auch an Verständnis dafür, dass 'die Sprecher des Verbandes davor zurückscheuen, klar und deutlich von Deutschen begangene Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verurteilen'."[28]

- eine aus heutiger Sicht nicht mehr nachvollziehbare Stellungnahme, zumal in der HIAG nicht die Geläuterten tonangebend waren und in diesem Jahr ein ehemaliger SS-General und verurteilter Mörder und Kriegsverbrecher teilnahm.[29] Helmut Schmidt, zu dieser Zeit im Parteivorstand, hatte ein Telegramm geschickt, ein Umstand, der zunächst in ein "Grußtelegramm" umgemünzt wurde. Nach Diskussionen in der Bundestagsfraktion sah er sich veranlasst, öffentlich klarzustellen, dass er in dem Telegramm lediglich seine Teilnahme abgelehnt habe. Gleichzeitig bezeichnete er es als Fehler, "alle 900 000 Soldaten der Waffen-SS mit einer besonderen Kollektivschuld zu belasten". Erst mit dem Traditionserlass der Bundeswehr von 1981 distanzierte er sich endgültig von der HIAG; es war zu deutlich geworden, dass Max Kukils Einschätzung wenigstens für die Funktionäre weiterhin korrekt war.[30]

Im Gefolge dieser den Ruf der Stadt schädigenden Vorgänge gelang es, das HIAG-Treffen auf das Rendsburger Messegelände südlich des Kanals zu verlegen - das zur Gemeinde Osterrönfeld gehörte. Die dortige SPD beschwerte sich:

"Der SPD-Kreisvorsitzende und Mitglied der Osterrönfelder Gemeindevertretung, Schiller, warf der Stadt Rendsburg 'unfaires Verhalten' vor. Sie werbe zwar damit, dass die NORLA in Rendsburg stattfände, obwohl 'das Messegelände auf Osterrönfelder Gemarkung' liege, bei dem HIAG-Treffen habe sie aber ausdrücklich festgestellt, dass es nicht in Rendsburg stattfände."[31]

Diese Kritik wies die Rendsburger Stadtvertretung mit den Stimmen der SPD zurück. Die Lage beruhigte sich ab 1968, weil die HIAG ihre Treffen nach Husum verlegte, wo sie offenbar nur noch wenig öffentliches Interesse erregten.[32]

Seit 2018 ist der Enkel des NS-Bürgermeisters für die CDU Stadtpräsident von Rendsburg.[4]

Literatur & Links

  • Flick, Eva Maria: Der Rendsburger Arbeiter-Verein vom Jahre 1848, in: Demokratische Geschichte Band 2 (1987)
  • Neugebauer, Günter: Die regelmäßigen Treffen der Angehörigen der Waffen-SS in Rendsburg und ihre bundesweite Wirkung. In: Gesellschaft für Rendsburger Stadt- und Kreisgeschichte e.V. (Hg.): Rendsburger Jahrbuch 2020 (Osterrönfeld 2020), ISSN 1430-3906, S. 153-178
  • Neugebauer, Günter: Rendsburgs NS-Zeit im Spiegel der Jahrbücher seit dem ersten Erscheinen 1951 bis 1975 - ein kritischer Rückblick. In: Gesellschaft für Rendsburger Stadt- und Kreisgeschichte e.V. (Hg.): Rendsburger Jahrbuch 2019 (Osterrönfeld 2019) ISSN 1430-3906, S. 203-214</ref>
  • Homepage: SPD Rendsburg

Einzelnachweise

  1. Flick, Eva Maria: Der Rendsburger Arbeiter-Verein vom Jahre 1848. In: Demokratische Geschichte 2(1987), S. 71
  2. Stadt Rendsburg: Zusammensetzung der Ratsversammlung (Stand 6.6.2023).
  3. Stadt Rendsburg: Ratsinformationssystem - Kirchner, Kai, abgerufen 17.1.2024; dort sind verschiedene Daten für den Eintritt in die Fraktion und in die RV angegeben.
  4. 4,0 4,1 Wikipedia: Rendsburg, abgerufen 17.1.2024
  5. SPD Rendsburg: Gemeinsame Presseerklärung der SPD-Fraktion und des SPD-Ortsvereinsvorstandes, 2.2.2016, abgerufen 20.3.2021
  6. Traueranzeige der Stadt Rendsburg, Schleswig-Holsteinische Landeszeitung, 30.12.2015
  7. SPD Rendsburg: Trauer um einen großen Sozialdemokraten, 2.1.2016, abgerufen 20.3.2021
  8. Bericht von der Wahlkreisvereinsversammlung im Hamburger Echo 17.6.1914
  9. Stadt Rendsburg: Amt des Stadtpräsidenten, abgerufen 17.1.2024
  10. SPD Rendsburg: Wer ist wer bei der SPD Rendsburg, 2.11.2013, abgerufen 20.3.2021
  11. Wikipedia: Liste von Persönlichkeiten der Stadt Rendsburg#Liste der Bürgermeister der Stadt Rendsburg, abgerufen 17.1.2024
  12. Flick, Eva Maria: Der Rendsburger Arbeiter-Verein vom Jahre 1848. In: Demokratische Geschichte 2(1987), S. 55, 62
  13. Regling, Heinz Volkmar: Die Anfänge des Sozialismus in Schleswig-Holstein, Wachholz Verlag (Neumünster 1965), Seite 93
  14. Flick, Eva Maria: Der Rendsburger Arbeiter-Verein vom Jahre 1848. In: Demokratische Geschichte 2(1987), S. 69
  15. Flick, Eva Maria: Der Rendsburger Arbeiter-Verein vom Jahre 1848. In: Demokratische Geschichte 2(1987), S. 70
  16. Flick, Eva Maria: Der Rendsburger Arbeiter-Verein vom Jahre 1848. In: Demokratische Geschichte 2(1987), S. 71
  17. Flick, Eva Maria: Der Rendsburger Arbeiter-Verein vom Jahre 1848. In: Demokratische Geschichte 2(1987), S. 70
  18. Flick, Eva Maria: Der Rendsburger Arbeiter-Verein vom Jahre 1848. In: Demokratische Geschichte 2(1987), S. 70 f.
  19. Wahlkreiskonferenz für den 7. Schleswig-Holsteinischen Wahlkreis in Neumünster, Hamburger Echo, 30.8.1898, Seite 3
  20. Neugebauer, Günter: Rendsburgs NS-Zeit im Spiegel der Jahrbücher seit dem ersten Erscheinen 1951 bis 1975 - ein kritischer Rückblick. In: Rendsburger Jahrbuch 2019, S. 211
  21. Neugebauer, Günter: Rendsburgs NS-Zeit im Spiegel der Jahrbücher seit dem ersten Erscheinen 1951 bis 1975 - ein kritischer Rückblick. In: Rendsburger Jahrbuch 2019, S. 210
  22. Neugebauer, Günter: Die regelmäßigen Treffen der Angehörigen der Waffen-SS in Rendsburg und ihre bundesweite Wirkung. In: Rendsburger Jahrbuch 2020, S. 162
  23. Beide Zitate bei Neugebauer, Günter: Die regelmäßigen Treffen der Angehörigen der Waffen-SS in Rendsburg und ihre bundesweite Wirkung. In: Rendsburger Jahrbuch 2020, S. 162
  24. Neugebauer, Günter: Die regelmäßigen Treffen der Angehörigen der Waffen-SS in Rendsburg und ihre bundesweite Wirkung. In: Rendsburger Jahrbuch 2020, S. 165. Neugebauer schreibt "Stahms".
  25. Neugebauer, Günter: Die regelmäßigen Treffen der Angehörigen der Waffen-SS in Rendsburg und ihre bundesweite Wirkung. In: Rendsburger Jahrbuch 2020, S. 166
  26. Neugebauer, Günter: Die regelmäßigen Treffen der Angehörigen der Waffen-SS in Rendsburg und ihre bundesweite Wirkung. In: Rendsburger Jahrbuch 2020, S. 167
  27. Antrag im Senat, zit. bei Neugebauer, Günter: Die regelmäßigen Treffen der Angehörigen der Waffen-SS in Rendsburg und ihre bundesweite Wirkung. In: Rendsburger Jahrbuch 2020, S. 168
  28. Neugebauer, Günter: Die regelmäßigen Treffen der Angehörigen der Waffen-SS in Rendsburg und ihre bundesweite Wirkung. In: Rendsburger Jahrbuch 2020, S. 169 f.
  29. Neugebauer, Günter: Die regelmäßigen Treffen der Angehörigen der Waffen-SS in Rendsburg und ihre bundesweite Wirkung. In: Rendsburger Jahrbuch 2020, S. 171.
  30. Neugebauer, Günter: Die regelmäßigen Treffen der Angehörigen der Waffen-SS in Rendsburg und ihre bundesweite Wirkung. In: Rendsburger Jahrbuch 2020, S. 173 f.
  31. Neugebauer, Günter: Die regelmäßigen Treffen der Angehörigen der Waffen-SS in Rendsburg und ihre bundesweite Wirkung. In: Rendsburger Jahrbuch 2020, S. 177
  32. Neugebauer, Günter: Die regelmäßigen Treffen der Angehörigen der Waffen-SS in Rendsburg und ihre bundesweite Wirkung. In: Rendsburger Jahrbuch 2020, S. 177