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: Wer Günther Bantzer näher kennenlernt, entdeckt in ihm den Vertreter einer Pioniergeneration unserer Tage, jener Menschen, die bis ins Detail um die Merkmale unserer vielzitierten "offenen Gesellschaft" wissen und damit um die Interdependenz vieler scheinbar unzusammenhängender Dinge. | : Wer Günther Bantzer näher kennenlernt, entdeckt in ihm den Vertreter einer Pioniergeneration unserer Tage, jener Menschen, die bis ins Detail um die Merkmale unserer vielzitierten "offenen Gesellschaft" wissen und damit um die Interdependenz vieler scheinbar unzusammenhängender Dinge. |
Version vom 31. Oktober 2015, 12:48 Uhr
Günther Bantzer |
Günther Bantzer, * 1. September 1921 in Dresden. Verwaltungsjurist, Oberbürgermeister. Zwei Ehen, drei Kinder. Evangelisch. Mitglied der SPD seit ?.
Werdegang
Günther Bantzer wuchs in einem christlich orientierten Elternhaus auf[1], besuchte in Spremberg/Niederlausitz das Realgymnasium und machte 1940 das Abitur. Gleich danach kam er zur Wehrmacht, wurde verwundet und ausgezeichnet und 1945 im Rang eines Oberleutnants der Reserve entlassen. Seine Erfahrungen in den "tausend Jahren" überzeugten ihn von der Demokratie und vor allem vom demokratischen Sozialismus.[2] Er ging nach Berlin, wo seine Eltern mittlerweile lebten, machte ein Jahr als kaufmännischer Hochschulpraktikant[3] und zog anschließend zum Studium der Rechts- und Staatswissenschaften nach Marburg,[4] wo er Studienkollege des etwas jüngeren Hans-Jochen Vogel war.
Revolutionär sei er nur in seiner Jugend gewesen, sagt Günther Bantzer. Schon in den frühen 1950er Jahren, als er als Student Bundessekretär des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) war, hätten ihn die Freunde immer als "den Preußen" charakterisiert.[5] In seiner SDS-Funktion lernte er anlässlich eines Gesprächs mit dem Kieler SDS Jochen Steffen kennen, der ihm als der "ruhende Pol" der Gruppe erschien.[6]
1950 legte er die erste, 1954 die zweite juristische Staatsprüfung ab und wurde Assessor im niedersächsischen Kultusministerium. Zu seinen Aufgaben dort gehörten Bundesjugendplan und Jugendhilfswerk; später wurde er auch Pressereferent. Von Hannover ging er zur Stadtverwaltung Goslar. 1956 wurde er persönlicher Referent des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen. Am 1. November 1958 verließ er Düsseldorf im Range eines Oberregierungsrates, um Oberkreisdirektor des Landkreises Herford/Ostwestfalen zu werden.[7]
In dieser Zeit war er ehrenamtlich als Landesleiter und im Bundesausschuss des Männerwerks der Evangelischen Kirche aktiv und gehörte der Landessynode von Westfalen an.[8]
1965 wurde Günther Bantzer Kiels Oberbürgermeister. 1980 stellte er sich aus persönlichen Gründen nicht erneut zur Wahl. Am 1. November 1980 übernahm er die alleinige Geschäftsführung einer Frankfurter Grundstücks- und Vermögensverwaltungsgesellschaft, einer Tochter der Stiftung Hilfswerk Berlin.[9]
Im Dezember 1990 zog er - obwohl weiterhin für die Stiftung Hilfswerk Berlin in Frankfurt tätig - mit seiner zweiten Ehefrau Ursula wieder in den Norden, nach Tüttendorf. Bald meldete er sich wieder in Kieler Angelegenheiten zu Wort.[10]
Auch in hohem Alter nimmt der etwa 2009 nach Kiel zurückgekehrte Ex-Oberbürgermeister regen Anteil an der Politik und sagt seine Meinung. Unter anderem trat er im OB-Wahlkampf für Susanne Gaschke (2012) und deren Nachfolger Ulf Kämpfer (2014) in Erscheinung und stellte sich 2015 als einer der "Olympia-Botschafter" zur Verfügung für Kiels Bewerbung, an der Seite von Hamburg die Olympischen Segelwettbewerbe von 2024 auszurichten.
Oberbürgermeister
Am 19. August 1965 wählte die Kieler Ratsversammlung Günther Bantzer mit 34 von 44 Stimmen zum Nachfolger von Hans Müthling. Er hatte sich gegen ca. 30 Mitbewerber durchgesetzt. Es hieß, "Bantzer habe bei seiner Vorstellung in den Parteigremien einen außerordentlich guten Eindruck hinterlassen. Neben seinen fachlichen Qualitäten habe Bantzers menschliche, mit Humor gewürzte Art überzeugt".[11] Da der SPD-Fraktion das Vorschlagsrecht zustand und die Opposition gemäß den Gepflogenheiten keinen Gegenkandidaten aufstellte, erhielt Bantzer auch Stimmen der Opposition.[12]
Am 1. November 1965 trat er sein Amt an. Seine Amtszeit umfasste eine neue Stufe des Auf- und Ausbaues in Kiel nach dem Wiederaufbau der 1950er Jahre. Dazu gehörte z. B. die Erweiterung der Universität durch zahlreiche zentrale Bauten wie das Jura-, später Verwaltungshochhaus, das Audimax und die Universitätskirche.
Die Olypmischen Spiele 1972
In seine Amtszeit fiel auch die Ausrichtung der olympischen Segelwettbewerbe während der Olypmischen Spiele 1972 in München, die er mit Unterstützung der Stadtverwaltung mit großem Einsatz nach Kiel holte. Mit Selbstironie, aber nicht ohne Stolz erzählt er, wenn man ihn fragt, den Spruch seines Kollegen Hans-Jochen Vogel: Die Balken im Münchner Rathaus seien erst so krumm, seit Bantzer aus Kiel dort die Zahlen für die Olympiabewerbung vorgetragen habe. Er besteht darauf, dass Kiel die Olypmischen Spiele tatsächlich nicht mehr als die angekündigten 4 Mio. DM gekostet habe. Als Mitglied im Organisationskomitee der Regatten beteiligte er sich unmittelbar an der Organisation.
Die Olypmischen Spiele gab Kiel einen großen Schub für Stadtentwicklung und Anbindung an das überregionale Verkehrsnetz, denn sie löste eine rege Bautätigkeit aus. Unter anderem wurden das Olympiazentrum in Schilksee, die Kiellinie und der ZOB gegenüber vom Hauptbahnhof gebaut, im Kieler Opernhaus die letzten kriegsbedingten Einschränkungen beseitigt und der Alte Markt an der Nikolaikirche zur Fußgängerzone umgestaltet. Außerdem erhielt Kiel endlich eine Autobahnanbindung.
So schätzt Günther Bantzer diese Entwicklung ein:
- "Die ganzen Investitionen mit Hilfen von Bund und Land haben Kiel auf einen Schlag um Jahrzehnte vorangebracht. Aus der Provinzstadt wurde plötzlich so etwas ähnliches wie eine Metropole."[13]
Die Ausrichtung der Wettbewerbe begründete Kiels internationalen Ruf als führende Segelstadt. Auch darüber hinaus setzte sich Günther Bantzer intensiv für eine Stärkung der Kieler Woche ein, etwa durch die Schaffung der Spiellinie und durch internationale Kongresse, sowie für die Vertiefung von Kiels Beziehungen zu anderen Ostseestädten. In seiner Amtszeit wurden die Grundlagen für die später geschlossenen Städtepartnerschaften mit Tallinn (Estland) und Gdynia (Polen) gelegt.[14]
Ende der Amtszeit
Günther Bantzers Entscheidung, aus "rein privaten und persönlichen Gründen" nach 15 Jahren nicht mehr für eine weitere Amtszeit zu kandidieren, löste in Kiel Betroffenheit aus. Im Vorjahr war es noch gelungen, ihn umzustimmen mit der Zusicherung, den "auch in der eigenen Partei nicht immer bequemen OB" wiederzuwählen. "Diese 'Abdankung' Günther Bantzers ist ein Paukenschlag. [...] Auch die Kieler Bevölkerung dürfte - quer durch politische Bekenntnisse - sich darin einig sein, daß im Herbst nächsten Jahres ein guter Oberbürgermeister die Fördestadt verläßt", schrieben die beileibe nicht SPD-nahen 'Kieler Nachrichten.[15]
Weitere Ämter
Von 1968 bis 1980 war er Mitglied im Präsidium des Deutschen Städtetages und ab Juni 1979 als Nachfolger des Stuttgarter Oberbürgermeisters Manfred Rommel dessen Präsident.[16]
Außerdem war er von 1969 bis 1980 Präsident des Deutschen Bibliotheksverbandes, ab 1969 ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender des Deutschen Hilfswerks und von 1970 bis 1995 Präsident der Stiftung Hilfswerk Berlin.[17]
Als langjähriger Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Fernsehlotterie GmbH "Ein Platz an der Sonne" erreichte er, dass Kiel 1979/80 zur Partnerstadt der Lotterie wurde.
Viele Jahre amtierte er als stellvertretender Vorsitzender der Kieler Bürgerstiftung.[18]
Landespolitik
Nach der verlorenen Landtagswahl 1971 kandidierte Günther Bantzer auf dem Landesparteitag in Husum erfolglos gegen den amtierenden Landesvorsitzenden Jochen Steffen.[19] Er kommentierte später, dabei sei er "auf die Nase gefallen".[20]
Ehrungen
Kurz vor Ablauf seiner Amtszeit wurde Günther Bantzer 1980 das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.
Besonders erfreute ihn das Erinnerungsgeschenk einer Gruppe türkischer Mitbürgerinnen, die ihm ein selbstgesticktes Wandbild mit dem Spruch "Frieden im Land - Frieden in der Welt" überreichte.[21]
1981 ernannte ihn die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel zu ihrem Ehrenbürger.[22]
Am 21. Mai 1987 verlieh ihm die Stadt die Andreas-Gayk-Medaille "für seine Verdienste als Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Kiel in den Jahren 1965 bis 1980 auf politischem Gebiet. Er hat damit gleichzeitig die Nachkriegsgeschichte der Landeshauptstadt entscheidend mitgeprägt."[23]
Seit 1991 ist er Träger der Ernst-Reuter-Plakette der Stadt Berlin. Sie wird im Namen von Ernst Reuter an Persönlichkeiten verliehen, "die sich um Berlin besondere Verdienste erworben haben" durch "hervorragende Leistungen auf politischem, wirtschaftlichem und geistig-kulturellem Gebiet".[24]
Mit der Verleihung des Kieler Prunksiegels 2008 würdigte die Landeshauptstadt sein langjähriges Engagement als stellvertretender Vorsitzender der Kieler Bürgerstiftung.
Am 25. Januar 2013 wurde Günther Bantzer vom Kreisverband Kiel für 65 Jahre Mitgliedschaft in der SPD geehrt.
Stimmen
Ein Herforder Weggefährte schrieb 1965 über den neuen Oberbürgermeister in der Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung:
- "Scharfes Profil, klarer Blick und Gardemaß täuschen nicht: Günther Bantzer (43) [...] ist eine dynamische Persönlichkeit. Seinem Schwung vermag sich kaum jemand zu entziehen. Man darf ihn getrost den Motor seines Landkreises nennen [...].
- Wer Günther Bantzer näher kennenlernt, entdeckt in ihm den Vertreter einer Pioniergeneration unserer Tage, jener Menschen, die bis ins Detail um die Merkmale unserer vielzitierten "offenen Gesellschaft" wissen und damit um die Interdependenz vieler scheinbar unzusammenhängender Dinge.
- Aus dieser Erkenntnis heraus hat [er sich] den neuen Erkenntnissen kommunaler Verwaltung uneingeschränkt gestellt, im Stil eines klugen Pragmatikers, der aber nie verkannte, daß Nützlichkeit und sichtbarer Erfolg nicht das letzte Maß der Dinge sind, daß Sachverstand mit tieferem Engagement Hand in Hand gehen muß. [...]
- Strukturen zu erforschen, jahrelang hingenommene Gegebenheiten näher zu analysieren und auf Grund des Erkannten zu planen und Prognosen zu wagen, das wurde unter Günther Bantzer zu einem herausragenden Bestandteil des Verwaltens. Wobei er nicht selten gegen Zweifler, Skeptiker und Kleingläubige entschieden Front beziehen mußte. [...]
- Als Freund der Künste ließ er auch die Kultur nicht zu kurz kommen, führte jährliche Ausstellungen ortsansässiger und ortsnaher Künstler ein. - Wer näher mit Bantzer in Berührung kommt, wird in ihm den überzeugten evangelischen Christen wahrnehmen. Schließlich huldigt er aktiv der Leichtathletik.
- Es ist fast zwangsläufig, daß ein solcher Mann in eine Fülle von Ausschüssen und anderen Gremien rückte, daß auch Fachausschüsse der kommunalen Spitzenverbände gern [seine] Dienste in Anspruch nehmen. Solchermaßen interessiert und begabt, fiel es Günther Bantzer am Ende nicht schwer, "Regierung" und Opposition im Herforder Kreistag [zu einen]."[25]
Links
Quellen
- ↑ Gottfried H. Philipp: Freude in der Arbeit für Kiels Bürger, Kieler Nachrichten, ??.10.1980
- ↑ Gottfried H. Philipp: Freude in der Arbeit für Kiels Bürger, Kieler Nachrichten, ??.10.1980
- ↑ ck: Oberbürgermeister Müthling tritt am 1. November zurück, Kieler Nachrichten, 9.8.1965
- ↑ OB-Wahl im August, VZ, 7.8.1965
- ↑ Gottfried H. Philipp: Freude in der Arbeit für Kiels Bürger, Kieler Nachrichten, ??.10.1980
- ↑ Vgl. Günther Bantzer: Ich war Bundessekretär des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes, CAU 350+ Zeichen', abgerufen 11.10.2015
- ↑ OB-Wahl im August, VZ, 7.8.1965
- ↑ Bantzer: Frisch und dynamisch, VZ, 9.8.1965
- ↑ Bantzer geht nach Frankfurt, VZ, 27.8.1980
- ↑ Matthias Lorenzen: Was macht eigentlich Günther Bantzer?, Kieler Nachrichten, 5.9.1991
- ↑ Bantzer: Frisch und dynamisch, VZ, 9.8.1965
- ↑ hpj(Hans-Peter Jochimsen): Kiel hat neuen OB!, VZ, 20.8.1965
- ↑ Olympischer Schluck aus der Pulle, Kieler Nachrichten, 2.9.2012
- ↑ Trägerinnen und Träger der Andreas-Gayk-Medaille, abgerufen am 11.10.2015
- ↑ Alle Zitate aus: Gottfried H. Philipp: Günther Bantzer wird nicht wieder als Oberbürgermeister kandidieren, Kieler Nachrichten, ??.7.1979
- ↑ Gottfried H. Philipp: Günther Bantzer wird nicht wieder als Oberbürgermeister kandidieren, Kieler Nachrichten, ??.7.1979
- ↑ Bantzer geht nach Frankfurt, VZ, 27.8.1980
- ↑ Text zum Porträt Günther Bantzer, abgerufen 28.10.2015
- ↑ Flaute in der Fronde: Anti-Steffen-Gruppe der SPD in Schleswig-Holstein ist zersplittert, DIE ZEIT, 21.5.1971
- ↑ Gottfried H. Philipp: Freude in der Arbeit für Kiels Bürger, Kieler Nachrichten, ??.10.1980
- ↑ Gottfried H. Philipp: Freude in der Arbeit für Kiels Bürger, Kieler Nachrichten, ??.10.1980
- ↑ Vgl. Günther Bantzer: Ich war Bundessekretär des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes, CAU 350+ Zeichen', abgerufen 11.10.2015
- ↑ Trägerinnen und Träger der Andreas-Gayk-Medaille, abgerufen am 11.10.2015
- ↑ Vgl. Wikipedia: Ernst-Reuter-Plakette, abgerufen 28.10.2015
- ↑ Hans-Joachim Feldmann: Der Motor seines Kreises, VZ, 20.8.1965