Arbeiterverein
Arbeitervereine sind demokratische Vereine gewesen, in denen sich Arbeiter sich politisch und allgemein fortbildeten oder die als Hilfskassen dienten, um einander in Notfällen zu unterstützen. Sie wurde in etwa seit der Schleswig-Holsteinischen Erhebung in Schleswig-Holstein gegründet. Aus ihnen entwickelte sich die Arbeiterbewegung, die dann mit dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV) den Vorgänger der SPD gründeten.
In Altona gab es 1848 schon zwei Vereine: Den Feierabendverein mit 100 Mitgliedern und den Vaterländischen Verein mit 400 Mitgliedern. 1850 hat der Vaterlandsverein in Neumünster bereits 500 Mitglieder; die Arbeitervereine in Wik aber beispielsweise auch schon 60 und in Bredstedt ca. 50 Mitglieder.[1] Die Bildung dieser Vereine zeigt auch, dass sich Arbeiterschaft und bürgerlichen Gesellschaft zunehmend von einander trennten. Gleichzeitig standen sie nach dem Ende der Erhebung unter polizeilichem Druck. Der politische Anspruch rückte auch deswegen in den Hintergrund.[2]
Anfang 1850 - noch während der Schleswig-Holsteinischen Erhebung wurde mit dem Schleswig-Holsteinischen Arbeitergesamtverein in Kiel ein Zentralkomitee der schleswig-holsteinischen Arbeitervereine gegründet, dem ausschließlich prominente Demokraten wie Theodor Olshausen, die Kieler Rechtsanwälte Fritz Hedde und Hans-Reimer Claussen oder der Gutsbesitzer Richard von Neergaard angehörten.[3]
Sofort schlossen sich die Arbeitervereine in Bredstedt, Dänischenhagen, Döhnsdorf, Fehmarn, Glückstadt, Neumünster, Rendsburg, Schönkirchen, Wattenbek und Wik an. Der Gesamtverein gab eine Zeitung heraus mit dem Titel "Zeitung für Arbeiter und für Arbeiterfreunde mit besonderer Berücksichtigung des Gewerbewesens" - an ihr arbeitete u.a. Claus Riepen als Vorsitzender des größten Arbeitervereins in Neumünster mit.[4]
Vor allem der Tischlergeselle G.A. Hirschhoff warb für den Verein und so veranstaltete das Komitee am 4. Mai 1850 eine erste Generalversammlung in Neumünster. 35 Demokraten- und Arbeitervereine entsandten dorthin Vertreter - mit dabei u.a. der Tischler Johann Heinrich Gümpel und der Agitator Karl von Bruhn aus Altona. Auf der Tagung wurde das "Gesetz des schleswig-holsteinischen Arbeiter-Gesamt-Vereins"[5] beraten und diskutiert, dass man sich dem Leipziger Zentralkomitee der Arbeiterverbrüderung anschließen solle.[3]
Claus Riepen gelang es, in seinem Verein Arbeiterschaft und Bürgertum zusammenzuhalten, indem er gemeinsame gesellschaftliche Probleme praktisch löste. Der Vaterlandsverein bot eine Kranken- und Hilfskasse und wurde 1861 zu einem Konsumverein.
Auch die anderen Arbeitervereine waren im Wesentlichen keine politischen Vereine, auch wenn dort Kommunisten aktiv gewesen sind. Die Vereine begannen sich zunehmend als "sozialistisch" zu bezeichnen - allerdings eher aus der damals noch unklaren Abgrenzung zwischen "sozial" und "sozialistisch" heraus. Immerhin galt vielerlei gesellschaftlicher Veränderungswille als kommunistisch.[6]
Auch nach dem Ende der Schleswig-Holsteinischen Erhebung und der Auflösung der überregionalen Arbeitervereinigungen, blieben die Arbeiter in ihren örtlichen demokratischen Vereinen aktiv. Sie gaben ihnen praktische Hilfe und eine Gemeinschaft. Die Werke von Karl Marx spielten erst einmal keine Rolle.
Die Obrigkeit ging in Schleswig-Holstein vor allem gegen die Köpfe der Arbeiterbewegung vorzugehen, namentlich G.A. Hirschhoff, Johann Heinrich Gümpel und Karl von Bruhn.[7] Johann Heinrich Gümpel setzte sich nach England ab.[8] Theodor Olshausen und Fritz Hedde emigrierten in die USA.[9] Karl von Bruhn wurde auf Grund seiner Tätigkeit festgenommen, sechs Wochen in Haft gehalten und 1851 freigesprochen.[10] Er blieb in Schleswig-Holstein und wurde ab 1863 treibende Kraft bei der Ausbreitung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins - er gründete erste Ortsvereine in der Umgebung von Altona, die nach ihm "Bruhnsche Gemeinden" genannt wurden.
1853 versuchte sich die Obrigkeit, einen Überblick über die sozialistischen oder kommunistischen Vereine zu verschaffen und stuften folgende Vereine entsprechend ein, um sie fortan über überwachen. Vollständig und aktuell scheint diese Liste aber nicht gewesen zu sein:[11]
- Neuer Bürgerverein Wandsbek
- Arbeiterverein Neustadt
- Arbeiterverein Rendsburg
- Bürgerkrankenverein Neumünster
- Vaterlandsverein Neumünster
- Gewerbeverein Heide
- Unterstützungsverein Bramstedt
- Democratischer Verein Meldorf
- Krankenverein Süderau
- Neuer Bürgerverein Altona
- Gewerbeverein Altona
- Arbeiterverein Voorde-Rothenhahn
- Unterstützungsverein Lammershagen-Rixdorf-Schönweide
- Volksbelehrungsverein Döhnsdorf
- Arbeiterverein Schierensee
- Arbeiterverein Achterwehr
- Arbeiterverein Bovenau
- Arbeiterverein Rabensdamm
Diese Arbeitervereine waren zwar Keimzellen einer sich entwickelnden Arbeiterbewegung - hier lernten sie den demokratischen Umgang miteinander, praktizierten Solidarität miteinander, bildeten sich und feierten. Ihr Potenzial wurde aber von der Obrigkeit stark überschätzt; die sozialistischen Tendenzen waren oft untergeschoben. So fand eine Durchsuchung der Arbeiterbibliothek des Rendsburger Arbeitervereins unter 171 Büchern kaum politische und dann eher bürgerlich-radikale Schriften - obwohl sozialistischen Werke natürlich auch besser versteckt gewesen sein könnten.[12]
Literatur
- Flick, Eva Maria: Der Rendsburger Arbeiter-Verein vom Jahre 1848, in: Demokratische Geschichte Band 2 (1987)
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Regling, Heinz Volkmar: Die Anfänge des Sozialismus in Schleswig-Holstein (Wachholtz Verlag, Neumünster 1965), Seite 84
- ↑ Regling, Heinz Volkmar: Die Anfänge des Sozialismus in Schleswig-Holstein (Wachholtz Verlag, Neumünster 1965), Seite 88
- ↑ 3,0 3,1 Pelger, Hans: Zur demokratischen und sozialen Bewegung in Norddeutschland im Anschluß an die Revolution von 1848, in: Archiv für Sozialgeschichte, Band 8 (1968), Seite 170
- ↑ Regling, Heinz Volkmar: Die Anfänge des Sozialismus in Schleswig-Holstein (Wachholtz Verlag, Neumünster 1965), Seite 85ff
- ↑ Siehe: Pelger, Hans: Zur demokratischen und sozialen Bewegung in Norddeutschland im Anschluß an die Revolution von 1848, in: Archiv für Sozialgeschichte, Band 8 (1968), Seite 208 - 211
- ↑ Regling, Heinz Volkmar: Die Anfänge des Sozialismus in Schleswig-Holstein (Wachholtz Verlag, Neumünster 1965), Seite 91
- ↑ Pelger, Hans: Zur demokratischen und sozialen Bewegung in Norddeutschland im Anschluß an die Revolution von 1848, in: Archiv für Sozialgeschichte, Band 8 (1968), Seite 204
- ↑ Pelger, Hans: Zur demokratischen und sozialen Bewegung in Norddeutschland im Anschluß an die Revolution von 1848, in: Archiv für Sozialgeschichte, Band 8 (1968), Seite 206
- ↑ Pelger, Hans: Zur demokratischen und sozialen Bewegung in Norddeutschland im Anschluß an die Revolution von 1848, in: Archiv für Sozialgeschichte, Band 8 (1968), Seite 207
- ↑ Karl Marx / Friedrich Engels: Briefwechsel, Januar 1849 bis Dezember 1850 Berlin, 1981 S. 1371
- ↑ Regling, Heinz Volkmar: Die Anfänge des Sozialismus in Schleswig-Holstein (Wachholtz Verlag, Neumünster 1965), Seite 92
- ↑ Regling, Heinz Volkmar: Die Anfänge des Sozialismus in Schleswig-Holstein (Wachholtz Verlag, Neumünster 1965), Seite 93