Johannes Stelling

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Johannes Stelling
Johannes Stelling
Johannes Stelling
Geboren: 12. Mai 1877
Gestorben: 22. Juni 1933

Johannes Stelling, * 12. Mai 1877 in Hamburg, † 22. Juni 1933 in Berlin; Handlungsgehilfe, Redakteur. Verheiratet. Mitglied der SPD seit 1895.

Leben & Beruf

Johannes Stelling wurde unehelich geboren als Sohn von Auguste Christiane Dorothea Koch. Sie heiratete am 24. Februar 1881 in Hamburg den Schneider Carl Hinrich Stelling, der ihren Sohn dann adoptierte[1]. Die Volksschule beendete er mit der Selekta, der zusätzlichen Klasse für begabte Kinder. 1892 begann er eine kaufmännische Lehre mit dem Abschluss als Handlungsgehilfe, war in diesem Beruf jedoch nur wenige Jahre tätig. In dieser Zeit trat er in die Gewerkschaft ein.

1901 zog er nach Lübeck, das damals noch nicht zu Schleswig-Holstein gehörte. Am 27. Dezember 1902 heiratete er in Hamburg Frida Handrine Amalie Schilling aus Lüneburg.[2]

Er war bis 1919 Redakteur des Lübecker Volksboten und Gründungsvorsitzender des Lübecker Handels- und Transportarbeitervereins (bis 1912). Außerdem heiratete er offenbar im Dezember 1901.[3]

Als Redakteur einer sozialdemokratischen Zeitung im Kaiserreich musste er mehrfach mit Verhaftungen leben.

Partei & Politik

Nach seinem Eintritt in die SPD 1895 war Johannes Stelling bald als Redner auf Partei- und Gewerkschaftsversammlungen in den Bezirken Wasserkante und Mecklenburg bekannt.

Ab 1920 war er ehrenamtliches Mitglied des Parteivorstandes in Berlin[4]; 1924 wurde er dessen hauptamtlicher Sekretär. Im selben Jahr übernahm er den Gauvorsitz des neu gegründeten Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold für Berlin-Brandenburg.

Der Parteitag im Mai 1928 in Magdeburg wählte ihn ein weiteres Mal in den Parteivorstand.[5] Ebenfalls seit 1928 vertrat er die SPD in der Exekutive der Sozialistischen Arbeiter-Internationale. Er verteidigte die im selben Jahr geschlossene Große Koalition der SPD mit bürgerlichen Parteien und ihre anschließende Tolerierung der Regierung Brüning mit ihrer Notverordnungspolitik.

Landespolitik in Lübeck und Mecklenburg

Von 1905 bis 1919 gehörte Johannes Stelling der Lübecker Bürgerschaft an. Bei der Reichstagswahl 1907 trat er darüber hinaus für den Wahlkreis im Fürstentum Lübeck an. Gewählt wurde er nicht.

Als beim Ausbruch des 1. Weltkrieges 1914 die SPD auf ihre Burgfriedenspolitik umschwenkte, unterstützte Johannes Stelling diese Linie. Seit 1916 gehörte er der Kriegshilfe und dem Landesversorgungsamt Lübeck an.[6] In der Novemberrevolution von 1918, die als Kieler Arbeiter- und Matrosenaufstand begonnen und zuerst auf Lübeck übergegriffen hatte, war er Mitglied des Arbeiterrates.[7]

Im Januar 1919 wurde er für den Wahlkreis Mecklenburg-Schwerin in die Weimarer Nationalversammlung gewählt. Am 16. August des Jahres berief man ihn zum Innenminister des nach der Beseitigung der Monarchie neu geschaffenen Freistaates Mecklenburg-Schwerin. Kurz darauf fand der Kapp-Putsch gegen die Reichsregierung statt. Johannes Stelling sorgte nach dessen Niederschlagung für konkrete Hilfe an die Opfer und forderte eine Amnestie für verhaftete und verurteilte Verteidiger der Republik.[8] Von 1921 bis 1924 gehörte er dem Landtag von Mecklenburg-Schwerin an und wurde am 19. Januar 1921 zum Ministerpräsidenten des Freistaates gewählt. In diesem Amt, das er bis zum 18. März 1924 innehatte, setzte er unter anderem das Verbot reaktionärer Verbände wie des "Stahlhelms" durch.[9]

In der Reichstagswahl 1924 wurde er für den Wahlkreis Oppeln in den Reichstag gewählt.

"Seine politischen Schwerpunkte waren die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Arbeiter, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die Gleichbehandlung von Frauen und Verbesserung der Lebensbedingungen insbesondere für Kinder und Jugendliche sowie die Bekämpfung des Nationalsozialismus."[10]

Ermordung

Besonders gefährdete führende Köpfe des Parteivorstandes emigrierten nach der Besetzung der Gewerkschaftshäuser im Mai 1933 in die Tschechoslowakei. Johannes Stelling schloss sich ihnen nicht an, sondern blieb mit Paul Löbe und anderen in Berlin und bildete die Kontaktstelle zwischen den in Deutschland verbliebenen Mitgliedern der nunmehr von den Nazis für illegal erklärten SPD-Inlandsleitung und dem Exilvorstand in Prag. Am 19. Juni 1933 wurde er noch kurz vor dem endgültigen Verbot der SPD wieder in den Parteivorstand gewählt.

Zwei Tage später, am 21. Juni, verschleppten SA-Leute Johannes Stelling während der "Köpenicker Blutwoche" aus seiner Wohnung in der Dahlwitzer Straße 36 zunächst in ein SA-Sturmlokal[11], wo nach Augenzeugenberichten eine sich abwechselnde Gruppe von über 150 SA-Männern ihn und andere Verschleppte erniedrigte, misshandelte und bestialisch folterte.[12] Nach dem Weitertransport in das ehemalige Amtsgerichtsgefängnis Köpenick wurde er in den Morgenstunden endgültig ermordet.

"Stelling wurde so grausam gefoltert, dass die SA-Männer ihn bereits für tot hielten und in einen Leinensack einschnürten. Als sie bemerkten, dass er noch lebte, erschossen sie Stelling und warfen ihn in die Dahme."[13]

Der Hauptgrund für seine Ermordung war wohl, dass Johannes Stelling an den Exilvorstand die Information weitergab, SA-Leute hätten den Reichstagsbrand im Februar 1933 mit gelegt, also schon früh versuchte, der Außenwelt den kriminellen Charakter des Regimes deutlich zu machen.[14][15]

Die eingenähte, bis zur Unkenntlichkeit entstellte Leiche wurde am 1. Juli aus der Dahme geborgen.[16] Sie konnte nur anhand des Trauringes und eines Monogramms identifiziert werden.[17] Am 24. August wurde seine Asche auf dem Zentralfriedhof Berlin-Friedrichsfelde beigesetzt. Am 12. Februar 1934 schlug die Zentralstaatsanwaltschaft das "Verfahren in der Todesermittlungssache Stelling [und andere]" nieder.[18]

Ehrungen

  • Am 31. Juli 1947 wurde die Dahlwitzer Straße in Berlin-Köpenick, in der Johannes Stelling gewohnt hatte, in Stellingdamm umbenannt.[19]
  • Am 4. Dezember 1950 gliederten die Behörden der DDR seine Grabstätte in die "Gedenkstätte der Sozialisten" auf dem Zentralfriedhof Berlin-Friedrichsfelde ein.
  • In Berlin-Adlershorst erinnert die Stelling-Janitzky-Brücke (1860) über den Teltowkanal mit einer Gedenktafel an ihn.[20]
  • In Lübeck wie auch in Schwerin und Greifswald gibt es nach ihm benannte Straßen.
  • Im Lübecker Rathaus nennt ihn die Gedenktafel für die Bürgerschaftsmitglieder, die Opfer des Nationalsozialismus wurden.
  • Am Stellingdamm 36 sind eine Gedenktafel und seit 2. Dezember 2013 ein Stolperstein für ihn gesetzt.
  • Eine der 1992 errichteten 96 Gedenktafeln für ermordete Reichstagsabgeordnete vor dem Reichstag ist ihm gewidmet.
  • Seit 2006 verleiht die SPD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern jährlich den Johannes-Stelling-Preis. Mit ihm werden "Bürgerinnen und Bürger, aber auch Institutionen des Landes für ihr couragiertes Eintreten gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt"[21] geehrt.

Literatur & Links

Einzelnachweise

  1. Geburtsurkunde Standesamt Hamburg 02 Nr. 2528/1877 (kostenpflichtig)
  2. Heiratsurkunde Standesamt Hamburg 23 Nr. 640/1902 (kostenpflichtig)
  3. Bund der Antifaschisten Köpenick: Verfolgte und Widerstandskämpfer, abgerufen 6.8.2017
  4. Geschichte der SPD Berlin: Johannes Stelling, abgerufen 6.8.2017
  5. Osterroth, Franz / Schuster, Dieter: Chronik der deutschen Sozialdemokratie. Band 1: Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1975. Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001
  6. Lt. Wikipedia, abgerufen 6.8.2017
  7. Die Heimkehr des Regiments Lübeck, in: Vaterstädtische Blätter, Jg. 1918/19, Nr. 5, 8.12.1918, S. 17–19
  8. Bund der Antifaschisten Köpenick: Verfolgte und Widerstandskämpfer, abgerufen 6.8.2017
  9. Geschichte der SPD Berlin: Johannes Stelling, abgerufen 6.8.2017
  10. Geschichte der SPD Berlin: Johannes Stelling, abgerufen 6.8.2017
  11. Geschichte der SPD Berlin: Johannes Stelling, abgerufen 6.8.2017
  12. Lt. Wikipedia, abgerufen 6.8.2017
  13. Gedenkstätte Köpenicker Blutwoche, abgerufen 6.8.2017
  14. Geschichte der SPD Berlin: Johannes Stelling, abgerufen 6.8.2017
  15. Bund der Antifaschisten Köpenick: Verfolgte und Widerstandskämpfer, abgerufen 6.8.2017
  16. Geschichte der SPD Berlin: Johannes Stelling, abgerufen 6.8.2017
  17. Lt. Wikipedia, abgerufen 6.8.2017
  18. Hördler, Stefan (Hrsg.): SA-Terror als Herrschaftssicherung: "Köpenicker Blutwoche" und öffentliche Gewalt im Nationalsozialismus (Berlin 2013) ISBN 978-3863311339, S. 73
  19. Straßenverzeichnis Berlin, abgerufen 6.8.2017
  20. Gedenktafeln in Berlin. Leider ist dort nicht vermerkt, wann die Benennung erfolgte, vermutlich aber schon zu Zeiten der DDR.
  21. SPD-Fraktion Mecklenburg-Vorpommern: Nominierungen für den Johannes-Stelling-Preis stehen fest, Presseinformation, 15.6.2017