Wahlrecht bis 1918: Unterschied zwischen den Versionen
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Es gab keine Privilegierten, keine Klassenunterschiede und keinen Steuerzensus. Man musste Mann sein, über 25, nicht von Armenunterstützung leben und man durfte nicht "ohne eigene Kochstelle bei anderen in Kost und Lohn stehen." Diese Ausschlusskriterien galten beispielsweise für Dienstboten, Handwerksgesellen und Arbeiter.<ref name=":1" /> | Es gab keine Privilegierten, keine Klassenunterschiede und keinen Steuerzensus. Man musste Mann sein, über 25, nicht von Armenunterstützung leben und man durfte nicht "ohne eigene Kochstelle bei anderen in Kost und Lohn stehen." Diese Ausschlusskriterien galten beispielsweise für Dienstboten, Handwerksgesellen und Arbeiter.<ref name=":1" /> | ||
Allerdings musste man oldenburgischer Staatsbürger sein. Also man musste nicht nur in Oldenburg wohnen, man musste dort eingebürgert werden. Wenn die Behörden witterten, dass es sich bei einem Antragsteller um einen Sozialdemokraten handeln könne, wurde hohe bürokratische Hürden aufgebaut. Allerlei Dokumente waren dann vorzulegen, berichtete [[Richard Wagner]] aus Bant/Oldenburg in der [[Die Neue Zeit|Neue Zeit]] [[1906]]. <blockquote>"Die Wahlkreisgeometrie funktioniert in Oldenburg fast ebenso gut, wie in Preußen das Dreiklassensystem; denn obwohl wir fast ebenso viele Stimmen aufgebracht haben als unsere Gegner, verfügen wir nur über den neunten Teil der diesen zufallenen Mandaten"<ref name=":3">Wagner, R.: ''[http://library.fes.de/cgi-bin/nzpdf.pl?dok=190506a&f=149&l=152 Die oldenburgischen Landtagswahlen]'' [Electronic ed.] In: Die neue Zeit : Wochenschrift der deutschen Sozialdemokratie. 24.1905-1906, 1. Bd.(1906), H. 5, S. 149 - 152 Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2008</ref></blockquote>Gleichzeitig hatte der Landtag spätestens mit der Reichsgründung wenig zu sagen und die Wahl war indirekt: Pro 500 Wahlberechtigte gab es einen Wahlmann. Die Wahlbeteiligung war äußert gering - [[1884]] nur 4%. Erst durch die Beteiligung der SPD an den Wahlen, stieg die Wahlbeteiligung: [[1896]] 14%, [[1905]] 39%<ref name=":1" /> | Allerdings musste man oldenburgischer Staatsbürger sein. Also man musste nicht nur in Oldenburg wohnen, man musste dort eingebürgert werden. Wenn die Behörden witterten, dass es sich bei einem Antragsteller um einen Sozialdemokraten handeln könne, wurde hohe bürokratische Hürden aufgebaut. Allerlei Dokumente waren dann vorzulegen, berichtete [[Richard Wagner]] aus Bant/Oldenburg in der [[Die Neue Zeit|Neue Zeit]] [[1906]]. Wer beispielsweise von Plön nach Eutin zog hatte damit erst einmal kein Wahlrecht mehr, bis er sich in Oldenburg einbürgern ließ. <blockquote>"Die Wahlkreisgeometrie funktioniert in Oldenburg fast ebenso gut, wie in Preußen das Dreiklassensystem; denn obwohl wir fast ebenso viele Stimmen aufgebracht haben als unsere Gegner, verfügen wir nur über den neunten Teil der diesen zufallenen Mandaten"<ref name=":3">Wagner, R.: ''[http://library.fes.de/cgi-bin/nzpdf.pl?dok=190506a&f=149&l=152 Die oldenburgischen Landtagswahlen]'' [Electronic ed.] In: Die neue Zeit : Wochenschrift der deutschen Sozialdemokratie. 24.1905-1906, 1. Bd.(1906), H. 5, S. 149 - 152 Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2008</ref></blockquote>Gleichzeitig hatte der Landtag spätestens mit der Reichsgründung wenig zu sagen und die Wahl war indirekt: Pro 500 Wahlberechtigte gab es einen Wahlmann. Die Wahlbeteiligung war äußert gering - [[1884]] nur 4%. Erst durch die Beteiligung der SPD an den Wahlen, stieg die Wahlbeteiligung: [[1896]] 14%, [[1905]] 39%<ref name=":1" /> | ||
[[1911]] wurde das Wahlrecht geändert: Die Wahlmänner wurden abgeschafft und die Kandidaten direkt gewählt. Weil die Konservativen Angst vor dem Durchmarsch der SPD hatte, bekamen Männer über 40 Jahre zwei Stimmen - in der Hoffnung, dass die konservativer wählen. Das Wahlrecht trage deswegen des "Kainszeichen reaktionärer Klassenpolitik". Die Konservativen hätten das "Doppelstimmrecht des des Schwabenalters in das Wahlgesetz eingeschmuggelt und eine Wahlkreiseinteilung durchgesetzt, die ein Hohn auf Gerechtigkeit ist."<ref>Lübecker Volksbote, ''[http://library.fes.de/luebeck/pdf/1911/1911-094.pdf Sonnabend, den 22. April 1911]'', S.3</ref> Außerdem gab es jetzt im Fürstentum Lübeck zwei Wahlkreise: Im Norden den Wahlkreis Eutin-Süsel und im Süden den Wahlkreis Ratekau-Schwartau. Die SPD lehnte die Wahlrechtsreform ab - und profitierte von ihr. Drei der vier Abgeordneten waren nun von der SPD.<ref name=":1" /> | [[1911]] wurde das Wahlrecht geändert: Die Wahlmänner wurden abgeschafft und die Kandidaten direkt gewählt. Weil die Konservativen Angst vor dem Durchmarsch der SPD hatte, bekamen Männer über 40 Jahre zwei Stimmen - in der Hoffnung, dass die konservativer wählen. Das Wahlrecht trage deswegen des "Kainszeichen reaktionärer Klassenpolitik". Die Konservativen hätten das "Doppelstimmrecht des des Schwabenalters in das Wahlgesetz eingeschmuggelt und eine Wahlkreiseinteilung durchgesetzt, die ein Hohn auf Gerechtigkeit ist."<ref>Lübecker Volksbote, ''[http://library.fes.de/luebeck/pdf/1911/1911-094.pdf Sonnabend, den 22. April 1911]'', S.3</ref> Außerdem gab es jetzt im Fürstentum Lübeck zwei Wahlkreise: Im Norden den Wahlkreis Eutin-Süsel und im Süden den Wahlkreis Ratekau-Schwartau. Die SPD lehnte die Wahlrechtsreform ab - und profitierte von ihr. Drei der vier Abgeordneten waren nun von der SPD.<ref name=":1" /> |
Version vom 18. Dezember 2021, 16:58 Uhr
Das Wahlrecht in Schleswig-Holstein zu Zeiten des Deutschen Kaiserreichs war regional je nach Ebene unterschiedlich.
Das Wahlrecht im Kaiserreich diente vor allem dem Ausschluss bestimmter Gruppen aus den öffentlichen Entscheidungen. Grundsätzlich durften nur Männer wählen. Frauen blieben bis 1918 von der Wahl ausgeschlossen. Außerdem sorgten die Regeln dafür, dass arme Menschen benachteiligt wurden. Sozialdemokratische Arbeitern machte das die politische Arbeit schwer.
Hinzu kam die gesellschaftliche Ächtung. Wirte, die ihre Gasthäuser nicht für Sozialdemokratische Versammlungen zur Verfügung stellen wollten. Polizeiliche Willkür. Wahlversammlungen wurden einfach verboten. Die gegnerischen Parteien ließen in ihren Versammlungen Sozialdemokraten nicht zu Wort kommen. Bis hin zum Verbot der Sozialdemokratischen Partei durch das Sozialistengesetz zwischen 1878 und 1890. Da konnte sich die Arbeiterbewegung nur noch im Verborgenen organisieren und traf sich in Wäldern und Mooren. Aber auch nach Ende des Sozialistengesetzes wurde es nicht besser.
Das Wahlrecht war Teil der Unterdrückung, gegen die die Arbeiterbewegung kämpfte: Für ein allgemeines, unmittelbares, freies, gleiches und geheimes Wahlrecht. Für das Frauenwahlrecht. Das brachte erst die Novemberrevolution von 1918.
Seit der Gründung des Deutsches Reichs 1871 gab es auf dem Gebiet des heutigen Schleswig-Holstein drei verschiedene Landesrechte:
- Der größte Teil war die Provinz Schleswig-Holstein, die zum Land Preußen gehört.
- Lübeck war als Freie und Hansestadt ein eigener Gliedstaat des Reichs.
- Das Fürstentum Lübeck - eine Region nördlich der Stadt Lübeck - war Teil des Großherzogtums Oldenburg.
Preußen
In der preußischen Provinz Schleswig-Holstein galten zwei verschiedene Wahlrechte: das Dreiklassenwahlrecht und die Städteordnung.
Dreiklassenwahlrecht
Das wichtigste war das berüchtigte Dreiklassenwahlrecht: Die wahlberechtigten Männer wurden in drei Klassen eingeteilt, je nachdem wie viel Steuern sie zahlen. Jede Klasse hatte dann ein Drittel der Stimmen. Die Klasse mit dem geringsten Steueraufkommen war die größte Klasse. Hier befanden sich viele Arbeiter. Ihre Stimmen hatten entsprechend weniger Einfluss auf die Wahlen als die Stimmen der reichsten Klasse.
Das Dreiklassenwahlrecht wurde bei den Wahlen
- zum preußischen Landtag,
- dem schleswig-holsteinischen Provinziallandtag und
- bei den Wahlen in den schleswig-holsteinischen Landgemeinden angewandt.
Die Wahl der Abgeordneten bei den Landtagswahlen erfolgte indirekt: die wahlberechtigten Wähler wählten Wahlmänner, diese wiederum die Abgeordneten ihres Wahlbezirkes. Die Wahl war in der dritten Klasse nicht geheim.
"Das Wahlrecht für das Abgeordnetenhaus des preußischen Landtags seit 1849 sah die allgemeine, indirekte, ungleiche und öffentliche Wahl der Abgeordneten durch die männlichen preußischen Staatsangehörigen vor, die mindestens das 24. Lebensjahr vollendet hatten, in Preußen seit mindestens 6 Monaten ihren Wohnsitz hatten, keine Armenunterstützung bezogen und ihrer bürgerlichen Ehrenrechte nicht verlustig waren (§§8-9 WahlGPA). Ab 1874 waren Wahlberechtigte im aktiven Militärdienst von der Wahl ausgeschlossen."[1]
Überhaupt waren dadurch nur rund 20 % der Bevölkerung Preußens wahlberechtigt - 80 % davon in der dritten Klasse. Frauen durften gar nicht an Wahlen teilnehmen. Zeitweise beschlossen deswegen die SPD-Parteitage Wahl-Boykotte.
1900 verpflichtete der Parteitag in Mainz die Gliederungen, sich an den Wahlen zu beteiligen. "Die Parteigenossen werden verpflichtet, in den deutschen Staaten, in denen das Dreiklassenwahlrecht besteht, sich mit eigenen Wahlmännern an den Wahlen zu beteiligen. Für die Landtagswahlen in Preußen bildet der Parteivorstand das Zentral-Wahlkomitee, " vermerkt Franz Osterroth in seiner Chronik der Sozialdemokratie.[2]
So schaffte es die SPD erst bei den letzten zwei Wahlen, 1908 und 1913, einige Mandate zu erringen. In der Landtagswahl 1908 tritt die SPD in allen Schleswig-Holsteinischen Wahlkreisen außer in Tondern an. Die Wahlmänner warben in Haustürgesprächen für sich. Da die Stimmabgabe öffentlich war, entstanden für die Wähler der SPD ziemliche Risiken. In den Urwahlen wurden in 15 der 19 Wahlkreise SPD-Wahlmänner gewählt.[3]
"Der preußische Parteitag der Sozialdemokratie im Dezember 1908 faßte den kühnen Beschluß, einen außerparlamentarischen Massenkampf gegen das verhaßte Dreiklassenwahlrecht und für das gleiche, geheime und direkte Wahlrecht aller über 20jährigen Männer und Frauen zu führen. Jedes Parteimitglied war zur Beteiligung verpflichtet."[3]
Siehe auch: Wikipedia: Dreiklassenwahlrecht
Kommunalwahlen
Auf kommunaler Ebene unterteilte das preußische Recht Dörfer, Flecken und Städte:
"Als die preußische Provinzregierung 1869 die erste einheitliche Städteverordnung für Schleswig-Holstein erließ, gab es 24 Städte und 25 Flecken. Für sie galt, angelehnt an die Rechtstradition, eine Art vereinfachtes Stadtrecht. Statt eines Bürgermeisters hatten Flecken Ortsvorsteher. Sie repräsentierten die Obrigkeit, weil es keine Magistrate gab. Die Fleckensverordneten, deren Zahl auf zwölf begrenzt war, fassten kollegial alle wichtigen Beschlüsse in Gemeindeangelegenheiten. Dazu gehörte auch der Antrag, zur Stadt erhoben zu werden. Im Zuge des allgemeinen Aufschwungs der letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts verschwanden die Flecken. Bis 1900 hatten schon 15 Flecken das Stadtrecht erlangt. Dazu gehörten Neumünster und Wandsbek (1937 zu Hamburg), die sich in dieser Zeit zu industriellen Zentren entwickelten. 1870 erhielten beide Stadtrecht, schon 1901 waren sie nach damaligem Verständnis Großstädte und wurden kreisfrei."[4]
Für Dörfer und Flecken galt ebenfalls das Dreiklassenwahlrecht. In Wandsbek beteiligten sich 1875 erstmals Sozialdemokraten an Kommunalwahlen.[3]
Zensuswahlrecht
In den Städten galt die Städteordnung von 1869, die im wesentlichen das Zensuswahlrecht aus der dänischen Zeit übernommen hatte: Jedes Jahr musste ein sechstel der Kommunalvertreter ausscheiden und es wurde nachgewählt. Wählen durften alle Männer, die einen bestimmten Mindeststeuersatz bezahlte. Diese Untergrenze variierte von Stadt zu Stadt. Auch sie schloss arme Menschen aus.[3]
In Kiel versuchten Sozialdemokraten erstmals 1877 und 1889 bei Nachwahlen ihr Glück. Ohne Erfolg. Erst 1890 gelang es den Kielern zwei Stadtverordnete durchzubringen. Das schlug solche Wellen, dass die Wahl am nächsten Tag verschoben wurde, weil angeblich die Treppe im Wahllokal morsch sei. Dadurch konnten sich die konservativen Kräfte noch einmal besser organisieren und die Wahl von Arbeitern verhindern. Schnell wurde der Mindessteuersatz von 600 auf 1200 Mark verdoppelt. 5000 Arbeiter verloren dadurch ihr Wahlrecht. Der bereits gewählte Friedrich Brodthuhn verlor sein Mandat, weil er nicht genug verdiente.[3]
Mit dieser Taktik wurde auch in anderen Städten der Wahlerfolg der Sozialdemokraten verhindert.
Großherzogtum Oldenburg
Das Wahlrecht im Fürstentum Lübeck war günstiger für die Sozialdemokratie als das preußische Dreiklassenwahlrecht in Schleswig-Holstein. So schrieben die Sozialistischen Monatshefte 1906: "Oldenburg und Coburg-Gotha bilden die einzigen Lichtpünktchen in der gähnenden politischen Finsternis Nordeutschlands"[5] und in der Neuen Zeit stand 1908, dass man "das oldenburgische Wahlrecht mit zu den besten unter den Wahlsystemen aller deutschen Bundesstaaten rechnen" könne.[6] Vier Abgeordnete gab es für das Fürstentum Lübeck.
Es gab keine Privilegierten, keine Klassenunterschiede und keinen Steuerzensus. Man musste Mann sein, über 25, nicht von Armenunterstützung leben und man durfte nicht "ohne eigene Kochstelle bei anderen in Kost und Lohn stehen." Diese Ausschlusskriterien galten beispielsweise für Dienstboten, Handwerksgesellen und Arbeiter.[6]
Allerdings musste man oldenburgischer Staatsbürger sein. Also man musste nicht nur in Oldenburg wohnen, man musste dort eingebürgert werden. Wenn die Behörden witterten, dass es sich bei einem Antragsteller um einen Sozialdemokraten handeln könne, wurde hohe bürokratische Hürden aufgebaut. Allerlei Dokumente waren dann vorzulegen, berichtete Richard Wagner aus Bant/Oldenburg in der Neue Zeit 1906. Wer beispielsweise von Plön nach Eutin zog hatte damit erst einmal kein Wahlrecht mehr, bis er sich in Oldenburg einbürgern ließ.
"Die Wahlkreisgeometrie funktioniert in Oldenburg fast ebenso gut, wie in Preußen das Dreiklassensystem; denn obwohl wir fast ebenso viele Stimmen aufgebracht haben als unsere Gegner, verfügen wir nur über den neunten Teil der diesen zufallenen Mandaten"[7]
Gleichzeitig hatte der Landtag spätestens mit der Reichsgründung wenig zu sagen und die Wahl war indirekt: Pro 500 Wahlberechtigte gab es einen Wahlmann. Die Wahlbeteiligung war äußert gering - 1884 nur 4%. Erst durch die Beteiligung der SPD an den Wahlen, stieg die Wahlbeteiligung: 1896 14%, 1905 39%[6]
1911 wurde das Wahlrecht geändert: Die Wahlmänner wurden abgeschafft und die Kandidaten direkt gewählt. Weil die Konservativen Angst vor dem Durchmarsch der SPD hatte, bekamen Männer über 40 Jahre zwei Stimmen - in der Hoffnung, dass die konservativer wählen. Das Wahlrecht trage deswegen des "Kainszeichen reaktionärer Klassenpolitik". Die Konservativen hätten das "Doppelstimmrecht des des Schwabenalters in das Wahlgesetz eingeschmuggelt und eine Wahlkreiseinteilung durchgesetzt, die ein Hohn auf Gerechtigkeit ist."[8] Außerdem gab es jetzt im Fürstentum Lübeck zwei Wahlkreise: Im Norden den Wahlkreis Eutin-Süsel und im Süden den Wahlkreis Ratekau-Schwartau. Die SPD lehnte die Wahlrechtsreform ab - und profitierte von ihr. Drei der vier Abgeordneten waren nun von der SPD.[6]
Freie und Hansestadt Lübeck
Die Lübecker Bürgerschaft bestand aus 120 Mitgliedern. Wahlrecht hatten alle deutschen Männer, die seit mindestens vier Jahren in Lübeck lebten. Es gab zwei Wahlklassen: 105 Mitglieder der Bürgerschaft werden von denjenigen Wahlberechtigten gewählt, die mehr als 2000 Mark Steuern bezahlen. Die übrigens 15 Mitglieder wurden von den Ärmeren gewählt. Auch hier die deutliche Diskriminierung der Arbeiterschaft.[9]
Die Hansestadt Lübeck als Mitglied des Deutschen Bundes, später des Norddeutschen Bundes und des deutschen Kaiserreichs kannte für ihre Bürgerschaft bis 1919 keine Legislaturperioden. Vielmehr wurde immer nur die Hälfte der Abgeordneten der Bürgerschaft des Stadtstaates bei Wahlen neu gewählt, so dass die Kontinuität der parlamentarischen Arbeit stärker gewahrt blieb, aber auch in kürzeren zeitlichen Intervallen gewählt wurde. Bei diesen Ergänzungswahlen wurden auch durch Tod oder Mandatsniederlegung frei gewordene Sitze der „anderen“ Hälfte der Bürgerschaft durch Nachwahl wieder besetzt.[9]
Deutsches Kaiserreich
Wahlberechtigt bei Reichstagswahlen waren männliche Reichsbürger ab dem 25. Lebensalter, das entsprach 1871 etwa 20 % der damaligen Bevölkerung. In den Wahlkreisen wurde nach absolutem Mehrheitswahlrecht ein Abgeordneter gewählt. Wenn kein Kandidat im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erreichte, wurde eine Stichwahl zwischen den beiden bestplatzierten Kandidaten durchgeführt.
Die Stimmzettel gab es nicht im Wahllokal. Sie mussten von den Parteien verteilt werden. Während des Sozialistengesetzes war zwar die SPD als Organisation verboten. Ihre Kandidaten konnten aber antreten. Die sozialdemokratischen Stimmzettelverteiler wurden aber immer wieder drangsaliert. "Die Polizei ging sogar dazu über, auf dem Landes sozialdemokratische Stimmzettel zu beschlagnahmen oder aus den Wohnungen herauszuholen, so daß die Leute nicht wählen konnten."[3]
Einzelnachweise
- ↑ wahlen-in-deutschland.de: Landtag von Preußen 1848-1918
- ↑ Osterroth, Franz / Schuster, Dieter: Chronik der deutschen Sozialdemokratie. Band 1: Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. (2., neu bearb. und erw. Aufl. 1975). Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001
- ↑ 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 42
- ↑ Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte: Flecken. in: Schleswig-Holstein A-Z. abgerufen 18.12.2021
- ↑ Bruhns, Julius: Wahlrechtsfragen in Süd und Nord [Electronic ed.]. In: Sozialistische Monatshefte. - 10 = 12(1906), H. 3190603, S. 198 - 208
- ↑ 6,0 6,1 6,2 6,3 Vahlenkamp, Werner: "Die sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten aus dem oldenburgischen Landesteil Lübeck", Fn. 6, in: Demokratische Geschichte, Band 6, 1991
- ↑ Wagner, R.: Die oldenburgischen Landtagswahlen [Electronic ed.] In: Die neue Zeit : Wochenschrift der deutschen Sozialdemokratie. 24.1905-1906, 1. Bd.(1906), H. 5, S. 149 - 152 Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2008
- ↑ Lübecker Volksbote, Sonnabend, den 22. April 1911, S.3
- ↑ 9,0 9,1 Lt. Wikipedia: Portal:Lübeck/Projekt Bürgerschaft 1848-1937