Hans-Werner Tovar

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Hans-Werner Tovar
Hans-Werner Tovar
Hans-Werner Tovar
Geboren: 29. Juli 1948

Hans-Werner Tovar, * 29. Juli 1948 in Köln; Jurist. Mitglied der SPD seit 1973.

Werdegang

Hans-Werner Tovar studierte in Köln und Kiel Jura. Er ist verheiratet mit Ingeborg Tovar, das Ehepaar hat drei Kinder.

Seit 1980 betreiben sie in Kiel eine gemeinsame Kanzlei, zeitweise zusammen mit Gernot Starke, heute mit dem Sohn Stefan Tovar. 1988 erfolgte Hans-Werner Tovars Ernennung zum Notar. Zudem qualifizierte er sich zum Familien- und Wirtschaftsmediator.

In seiner Freizeit tritt er mit der Theatergruppe der Brillianten Dilettanten der Paul-Gerhardt-Gemeinde in Dietrichsdorf auf und ist Ehrenmitglied im Verein Theatermuseum Kiel e.V.[1]

Er ist Reserveoffizier. Sein letzter Dienstgrad: Oberstleutnant.

Partei & Politik

Am 14. Februar 1973 trat Hans-Werner Tovar in die SPD ein. Von 1983 bis 1996 war er Schriftführer, 1991/92 und von 2001 bis 2007 Vorsitzender des Ortsvereins Neumühlen-Dietrichsdorf.

2009 bewarb er sich um die Landtagskandidatur im Wahlkreis Kiel-Ost. Nach dem zweiten Platz im ersten Wahlgang vor Gesa Langfeldt und Serpil Midyatli verlor er die Stichwahl gegen Bernd Heinemann.

Kommunalpolitik

Seit der Kommunalwahl 1986 gehört er der Kieler Ratsversammlung an. In seinem Wahlkreis in Neumühlen-Dietrichsdorf, in dem er auch wohnt, wurde er immer direkt gewählt. Zur Kommunalwahl 2023 tritt er nicht wieder an.

Viele Jahre war er stellvertretender Vorsitzender und von 1994 bis 1996 Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion und in dieser Funktion ehrenamtlicher Stadtrat ohne Sachgebiet und 2. Allgemeiner Stellvertreter des Oberbürgermeisters. Seit 2013 ist er Stadtpräsident.

Von 1990 bis 1994 war er ehrenamtlicher Stadtrat für Wohnungsbau und Wohnungswesen.

In seinem Kandidatenbrief zur Kommunalwahl 1986 formulierte er: "Dem Wohle der ganzen Stadt verpflichtet, werde ich mein besonderes Augenmerk unserem Stadtteil widmen, damit bald keiner mehr sagen kann: Kiel hört an der Schwentine auf". In seiner langen kommunalpolitischen Karriere mit Höhen und Tiefen hat er dieses besondere Augenmerk - ausgedehnt auf das gesamte Ostufer der Stadt - zeitweise bis an die Schmerzgrenze der Kieler SPD ausgereizt.

Das Kieler Ostufer erlebte in den 1980er und 1990er Jahren einen tiefgreifenden Strukturwandel, der bis heute nicht abgeschlossen ist. 1983 wurde der Werftbetrieb der damaligen Howaldtswerke Deutsche Werft AG (HDW) in Dietrichdorf eingestellt. Andere Unternehmen, wie Linotype-Hell, verlagerten ihren Firmensitz auf das Westufer. Die Arbeitslosigkeit nahm zu, die sozialen Probleme wurden größer.

Der Kandidatenbrief von Hans-Werner Tovar zur Kommunalwahl 2018

Angeführt von Hans-Werner Tovar beklagten mehrere Ostufer-Ratsmitglieder, dass das Ostufer gegenüber dem Westufer auch durch Entscheidungen der SPD-Fraktion permanent benachteiligt werde. Ausgelöst durch eine Entscheidung der Fraktion zur ärztlichen Notfallversorgung auf dem Ostufer eskalierte 1988 der Konflikt. Es kursierte der Entwurf eines Schreibens an den Landesvorstand, in dem die Einrichtung eines neuen Kreisverbandes Kiel-Ost beantragt wurde. Viele Ostufer-Funktionäre in Rat, Ortsvereinen und Ortsbeiräten protestierten mit diesem Schreiben gegen ihre Rolle in der Ratsfraktion, wo sie sich seit Jahren lediglich als Mehrheitsbeschaffer betrachtet, in ihren politischen Forderungen aber nicht ernst genommen sahen- so zumindest ihre Empfindung. Der Kieler SPD drohte die Spaltung. Die Erwägung, einen neuen Kreisverband Ost zu gründen, "ist ein Akt der Notwehr, aber nicht ohne Reiz", kommentierte Hans-Werner Tovar.[2]

Nach vielen Gesprächen und einer offenen Diskussion im Kreisausschuss erklärten Hans-Werner Tovar und Jürgen Silz, einer seiner Mitstreiter in der SPD-Ratsfraktion, dass sie eine Verselbständigung der SPD-Mitglieder des Kieler Ostufers nicht anstrebten.[3] Der Konflikt war damit vorerst eingedämmt.

Vorstand der SPD-Ratsfraktion, v.l. Stadtpräsidentin Silke Reyer, Eckehard Raupach, Hans-Werner Tovar, Fraktionsvorsitzende Waltraut Siebke, Holger Ipsen, Bernd Löwner, Uschi Schuckenböhmer, Ewald Breitkopf, Rolf Johanning

Zum Ende der Wahlperiode meldete Hans-Werner Tovar 1989 gegenüber dem Fraktionsvorstand seine Forderungen für die kommende Ratsperiode an:

  • Stellvertretender Fraktionsvorsitz und ehrenamtliches Magistratsmitglied.
  • Sollte das Ostufer bei den Haushaltsberatungen für das Wahljahr 1990 nicht entsprechend berücksichtigt werden, müssten daraus Konsequenzen für den Wahlkampf gezogen werden.[4]

Die Kommunalwahl 1990 gewann die SPD mit der absoluten Mehrheit der abgegebenen Stimmen und der Mandate.

Hans-Werner Tovar wurde stellvertretender Fraktionsvorsitzender und ehrenamtlicher Stadtrat für Wohnungsbau und Wohnungswesen. Dieses Amt nahm er mit großem Engagement wahr. Vom Land forderte er die Förderung von 2000 Sozialwohnungen bis zum Jahre 2000. Die festgefahrenen Verhandlungen über einen Mietspiegel schob er erfolgreich wieder an.[5] Aber die Arbeit als Wohnungdezernent verlief nicht ohne Konflikte. Er übte öffentlich Kritik an den Plänen des Baudezernats zum Straßenausbau am Joachimsplatz und dem damit verbundenen Abriss der sog. Konsumhäuser mit 37 Wohneinheiten, denen die SPD-Fraktion mehrheitlich zugestimmt hatte.[6] An anderer Stelle geriet er in Konflikt mit Kleingärtnern um Flächen für den Wohnungsbau. In der Summe führte das 1991 zu einem von Ewald Breitkopf eingebrachten Abwahlantrag gegen Hans-Werner Tovar als stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden. Die Abwahl wurde nur knapp mit einer Stimme Mehrheit abgelehnt.[7]

Ein bis in die jüngste Vergangenheit dauerndes Streitthema der Ratsfraktion und der Kreispartei mit Hans-Werner Tovar und anderen Ostufer-Ratsmitgliedern war und ist die Verkehrspolitik. Stichworte dazu sind die Anbindung des Ostuferhafens an das überregionale Straßennetz, die B503, der stark belastete Ostring, eine mögliche Ostuferentlastungsstraße und die Südspange Gaarden. In seinem letzten Interview als Stadtpräsident bezeichnete er den Bau der vierspurigen Bundesstraße 502 in die Probstei als seine größte fachliche Niederlage in der Kommunalpolitik. [8][9]


Bei der Kommunalwahl 1994 verlor die SPD ihre absolute Mehrheit in der Ratsversammlung, blieb aber stärkste Partei in Kiel.

Die Fraktionsvorsitzende Waltraut Siebke verzichtete auf eine erneute Kandidatur. Sie begründete diese Entscheidung nicht nur mit dem schlechten Wahlergebnis, sondern auch damit, dass es in den letzten Monaten in der Ratsfraktion im Umgang miteinander an Solidarität gefehlt habe.[10] Zum neuen Vorsitzenden wählte die Fraktion Hans-Werner Tovar.[11]Bereits zwei Jahre später verlor er dieses Amt wieder. Grund war ein Beratervertrag zwischen den städtischen Hafen- und Verkehrsbetrieben (HVB) und der Anwaltskanzlei Tovar und

Kranzniederlegung auf dem Eichhoffriedhof am 22.06.2021 durch Hans-Werner Tovar mit Vertretern des russischen Generalkonsulats Hamburg anlässlich der 80-jährigen Wiederkehr des Überfalls Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion

Partner, in der auch der stellvertretende SPD-Kreisvorsitzende Gernot Starke und das SPD-Kreisvorstandsmitglied Ingeborg Tovar Partner waren.[12] Diese rechtlich nicht zu beanstandende Beratertätigkeit war politisch nicht zu vermitteln. Der Kreisparteitag vom 13. Januar 1996 forderte Hans-Werner Tovar zum Rücktritt auf. Der Kreisvorsitzende Rolf Fischer begründete dies:

"Es geht nicht um juristische Fragen, es geht hier um Vertrauen, um Vertrauen, das die Partei ihren Mandatsträgern entgegenbringt, und das Vertrauen in diese Partei. Ihr wisst alle, dass wir in Kiel Probleme haben, Vertrauen zurückzugewinnen." Er zitierte aus den Verhaltensregeln der Bundespartei: "Wir müssen bereit sein, für uns strenge Maßstäbe walten zu lassen, wenn es um das Verhältnis von politischer Verantwortung und geschäftlichen Interessen geht."[13]

Kranzniederlegung auf dem alten Urnenfriedhof am 12.03.2023 durch Hans-Werner Tovar anlässlich des 90-igsten Todestages von Wilhelm Spiegel

Hans-Werner Tovar kam der Aufforderung zum Rücktritt nicht nach, wurde daher in der nächsten Fraktionssitzung abgewählt.[14] Sein Nachfolger wurde Eckehard Raupach. [15]Die HVB beendete das Vertragsverhältnis mit der Kanzlei Tovar und Partner.[16]

Hans-Werner Tovar behielt sein Ratsmandat. Bereits wenige Monate später, im April 1996, wurde er wirtschaftspolitischer Sprecher der Ratsfraktion. Die Presse titelte: Ein Mann will (wieder) nach oben.[17] Das erreichte er auch:

Seit 2013 ist Hans-Werner Tovar Stadtpräsident. Nach der Kommunalwahl 2018 wurde er für eine zweite Amtszeit gewählt. Friedrich Traulsen hatte sich fraktionsintern ebenfalls um das Amt bemüht, verlor jedoch. Hans-Werner Tovar kündigte an, dass dies seine letzte Wahlperiode sei. Seine wichtigste Aufgabe beschrieb er so:

"Ich bin dafür zuständig, die demokratischen Rechte der Fraktionen zu sichern, und ich werde das auch tun."[18]

Darüber hinaus sind für ihn die internationalen Beziehungen der Stadt zu ihren Partnerstädten, die Pflege von Kontakten zu den Religionsgemeinschaften und zur Bevölkerung von großer Bedeutung,[19] ebenso die Friedens- und Abrüstungspolitik. So trat er am 22. Januar 2022 auf einer Veranstaltung vor dem Kieler Rathaus auf, mit der das einjährige Bestehen des Atomwaffenverbotsvertrages gefeiert wurde, den er als "wichtigen Schritt in eine atomwaffenfreie Welt" betrachtet.[20] Nach dem verheerenden Erdbeben in Syrien und der Türkei am 6. Februar 2023 mit zehntausenden Toten, von dem auch Kiels Partnerregion Hatay betroffen ist, erinnerte Hans-Werner Tovar an die vielen engen freundschaftlichen Verbindungen zwischen Kiel und Hatay und versprach den Freunden und Freundinnen in der Türkei und der türkischen Gemeinde die ganze Unterstützung und Solidarität der Stadt.[21]

Zum Ende seiner Amtszeit setzte er sich für eine offizielle Partnerschaft zwischen Qingdao in der Volksrepublik China und Kiel ein, ungeachtet der Kritik sog. Sicherheitsexperten.[22]

Nach der für die SPD verlorenen Kommunalwahl am 14. Mai 2023 wählte er noch einmal die Rolle des Einzelgängers, der alles besser weiß: Er forderte in der Presse die Rücktritte der Landesvorsitzenden Serpil Midyatli und Kreisvorsitzenden Gesine Stück, hielt es aber zuvor nicht für nötig, sich an der Wahlanalyse in der Fraktionssitzung und im Kreisausschuss zu beteiligen.[23]

Ehrungen

Im Jahre 2000 wurde ihm die Freiherr-Vom-Stein-Medaille verliehen.[24]

Links

Einzelnachweise

  1. Theatermuseum Kiel e.V.: Impressum, Memento abgerufen am 14. März 2023
  2. Kieler Nachrichten vom 02.01.1988
  3. SPD Kiel: Pressemitteilung vom 4.11.1988
  4. SPD-Ratsfraktion: Protokoll der Sitzung vom 7.11.1989
  5. Kieler Nachrichten vom 13.06.1990
  6. Kieler Nachrichten vom 31.8.1990
  7. Kieler Nachrichten vom 31.11.1991
  8. Kieler Nachrichten vom 20.01.2022
  9. Kieler Nachrichten vom 06.06.2023 S. 26
  10. Kieler Nachrichten vom 22.03.1994
  11. Kieler Nachrichten vom 22.03.1994
  12. Kieler Nachrichten vom 13.1.1996
  13. Kieler Nachrichten vom 15.01.1996
  14. Kieler Nachrichten vom 16.1.1996
  15. Kieler Nachrichten vom 23.1.1996
  16. Kieler Nachrichten vom 17.1.1996
  17. Kieler Nachrichten vom 17.4.1996
  18. Kieler Nachrichten vom 11.5.2018
  19. Kieler Nachrichten vom 11.05.2018
  20. Kieler Nachrichten vom 24.1.2022
  21. Landeshauptstadt Kiel: Kiel gedenkt der Erdbebenopfer - Spendenaktion für Partnerregion Hatay, Presseinformation, 7.2.2023
  22. Kieler Nachrichten vom 21.4.2023
  23. Kieler Nachrichten: https://www.kn-online.de/lokales/kiel/stadtpraesident-tovar-fordert-ruecktritt-von-serpil-midyatli-und-gesine-stueck-K2CKCEF3ARGWJMBEY2Z3JZPBME.html
  24. Kieler Nachrichten vom 14.10.2000