Juso 22

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Juso-22-Treffen im Oktober 1995, v.l. Thea Wind, Rolf Fischer (Gast), Siegfried Berger, Liesel Hofer.

Juso 22 nannte sich eine informelle Gruppe, den Arbeitskreisen vergleichbar, innerhalb der Kieler SPD. Sie traf sich ab 1972 zu monatlichen Gesprächen, oft mit führenden LandespolitikerInnen, sowie zu jährlichen Tagungen um Himmelfahrt in der Gustav-Heinemann-Bildungsstätte in Malente. Etwa 2005 löste sich die Gruppe aus Altersgründen auf.

Mitglieder

Juso 22 bestand aus SPD-Mitgliedern, die alle bereits vor 1933 in der Kieler Arbeiterjugend bzw. bei den Falken aktiv gewesen waren. Am ersten Treffen in Malente nahmen 59 von ihnen teil. 1975 umfasste die Mitgliederliste ca. 150 Namen. Zu den Gründungsmitgliedern der Juso 22 zählten u.a. Albert Witte, der bis zu seinem Tod mit 98 Jahren Vorsitzender war, Hans und Else Adam, Emil Bandholz, Julius Bredenbeck, Dolly Franke, Bernhard Jansen, August Rathmann, Karl Rickers, Martha Riedl, Rosa Wallbaum, Hans und Thea Wind. Mit Frieda Bendfeldt, Otto Engel, Kurt Engert, Ida Hinz, Alfred und Magda Jung, Luise Puls, Kurt Salau, Gustav Schatz, Walter Schütze, Bruno Vanini, Siegfried Wurbs - um nur einige zu nennen - gehörten viele namhafte Mitglieder der Kieler SPD der Gruppe an.

Waren es ursprünglich vor allem Mitglieder, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts geboren wurden, nahm man im Laufe der Jahre auch Seniorinnen und Senioren auf, die aus Altersgründen erst nach 1945 politisch aktiv geworden waren. Bis in die 90er Jahre trafen sich die Juso 22, deren Zahl altersbedingt immer kleiner wurde, regelmäßig zu Diskussions- und Vortragsnachmittagen - meist im Sportheim der FT Adler.[1]

Diese Treffen wie auch die Himmelfahrtstagungen in Malente organisierte bis in ihr hohes Alter Rosa Wallbaum, die auch nach Albert Wittes Tod 2000 noch für die letzten Jahre den Vorsitz übernahm.

Ziele

Die Juso 22 knüpften an die Ausrichtung der Kieler Jusos vor 1933 an, die sich dadurch ausgezeichnet hatten, dass sie sehr viel stärker die politische Bildung in den Mittelpunkt stellten, als das gemeinhin in der Arbeiterjugend der Fall war.[2] Als ein Faktor dafür wird zum einen das ehrenamtliche Engagement fähiger Lehrer genannt, insbesondere von Wilhelm Kuklinski, dem späteren schleswig-holsteinischen Kultusminister, August Rathmann und anderen. Dazu kamen die Bildungsabende und Vorträge fortschrittlicher Kieler Wissenschaftler wie Gustav Radbruch, Hermann Heller, Adolf Löwe, Alfred Meusel, Paul Hermberg, Gerhard Colm u.a., die diese Jusos stark geprägt hatten. Karl Rickers schreibt dazu:

"Wahrscheinlich entwickelte sich gerade diese Verbindung einer Intelligenzschicht jugendlicher Arbeiter mit Wissenschaftlern zu einem politischen Element von geistiger Tragkraft. So empfinden wir es heute [ca. 1985] noch, wir alt gewordenen Jungsozialisten der zwanziger Jahre, von denen sich in Kiel immer noch an die fünfzig mehrmals im Jahr im Eduard-Adler-Heim treffen. Diese Zusammenkünfte sind keine Erinnerungstreffen und weitab von einer Stammtischmentalität. Wenn sich hier etwas von damals bis heute fortsetzt, dann ist es das unveränderte Interesse an gesellschaftspolitischen Fragen."[3]

Schon in den 50er Jahren hatte Albert Witte Versuche unternommen, ehemalige Jusos wieder zusammenzubringen. 1952 organisierte er ein Treffen zum 50. Jahrestag des "Jahrgangs um 1902". Damals waren auch Andreas Gayk, Otto Engel, Otto Voss und andere beteiligt.

Offenbar fanden auch danach weitere Treffen statt. So berichtet die Presse nach der verlorenen Landtagswahl 1971:

"Mehr als 60 ehemalige Mitglieder der Sozialistischen Arbeiterjugend- und Arbeitersport-Organisationen der zwanziger Jahre, darunter 14 amtierende und ehemalige Ratsherren [und Ratsherrinnen] und Stadträte trafen sich [...], um über die Situation der SPD nach den Landtagswahlen zu diskutieren." Es sprachen unter anderen Karl Rickers und Oberbürgermeister Günther Bantzer. Man kam überein, "die Aktivität der älteren Parteimitglieder zu verstärken" sowie "den Parteidelegierten zu empfehlen, den Oberbürgermeister der Stadt Kiel, Günther Bantzer, in den Vorstand des Landesverbandes zu wählen."[4]

Einzelnachweise

  1. Unterlagen im Privatarchiv Jürgen Weber
  2. Kalweit, Susanne (Hrsg.): Ich hab' mich niemals arm gefühlt. Die Kielerin Rosa Wallbaum berichtet aus ihrem Leben (Berlin/Hamburg 2010), S. 165
  3. Rickers, Karl: Erlebte Weimarer Republik. Erinnerungen eines Kielers aus den Jahren zwischen 1918 und 1933. In: Paetau, Rainer/Rüdel, Holger (Hrsg.): Arbeiter und Arbeiterbewegung in Schleswig-Holstein im 19. und 20. Jahrhundert (Neumünster 1987) ISBN 3-529-02913-2, S. 347-364, hier: S. 350 f.
  4. Alle Zitate Kieler Nachrichten, 12.6.1971