Bruno Diekmann
Bruno Diekmann |
Bruno Diekmann, * 19. April 1897 in Kiel-Dietrichsdorf[1]; † 11. Januar 1982 in Kiel; Ingenieur, Ministerpräsident. 1919 Eintritt in die SPD.
Werdegang
Nach dem Besuch der Volksschule und einer Privatschule[2] machte Bruno Diekmann eine Lehre als Elektriker. 1916 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen und nahm bis November 1918 am 1. Weltkrieg teil. In der Folgezeit bildete er sich durch Selbststudium in den Bereichen Volkswirtschaft, Naturwissenschaften, Mathematik und Technik weiter.[3] Nach einem Abschluss als Telefonbau-Ingenieur arbeitete er als Angestellter bei der Maschinenbaufirma Deutsche Werke AG in Kiel und war dort auch im Betriebsrat[4], bis er zu Beginn der NS-Herrschaft 1933 entlassen wurde.[5] Seit 1918 engagierte er sich gewerkschaftlich im Kieler Metallarbeiter-Verband.[6]
Die Nazis nahmen ihn bis 1939 zweimal in "Schutzhaft". Ansonsten arbeitete er als Fernmeldetechniker; ab 1939, als verstärkt Männer zum Krieg eingezogen wurden, übertrug man ihm die Leitung der Fernsprechzentrale der Marinestation Ost in Kiel. 1944 wurde er im Rahmen der Aktion Gewitter wie viele andere verhaftet und ins KZ Neuengamme gebracht.[7]
Nach der NS-Herrschaft widmete er sich dem Wiederaufbau der Gewerkschaftsbewegung in Kiel und wurde zunächst hauptamtlicher Geschäftsführer, dann bis 1948 DGB-Vorsitzender. Ab 1946 gehörte er auch dem Zonenvorstand der Gewerkschaften an. Er lebte in der Saarbrückenstraße 39.[8] Seinen Beruf gab er für den Landtag mit "Geschäftsführer" an, seine Religionszugehörigkeit mit "konfessionslos". Über seinen Familienstand liegen bisher keine Informationen vor.
Er starb 1982 in Kiel. Seine letzte Ruhestätte fand er im Grab Nr. A 047 auf dem Kieler Südfriedhof; es ist noch vorhanden, der Stein steht jedoch seit 2007 nicht mehr aufrecht.[9]
Partei & Politik
Der SPD schloss sich Bruno Diekmann 1919 an.[10] 1933 wurde er in den Vorstand der Kieler SPD gewählt, nachdem er 1929 schon Stadtverordneter geworden war.
Von 1948 bis 1965 war er Mitglied im Bezirks- bzw. Landesvorstand.
Ab 1948 gehörte er dem wirtschaftspolitischen Ausschuss der Gesamtpartei an.[11]
Er nahm als Delegierter am außerordentlichen Parteitag der SPD vom 13. - 15. November 1959 in Bad Godesberg teil, auf dem das Godesberger Programm beschlossen wurde.[12]
Landtag und Bundestag
Nach der NS-Herrschaft gehörte er den beiden ernannten Landtagen von Schleswig-Holstein an, ebenso dem ersten und zweiten gewählten Landtag, jeweils über die Liste. Er übernahm zunächst den Vorsitz im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr und gehörte auch dem Katastrophenabwehrausschuss an. Im 2. ernannten Landtag war er Mitglied in den Ausschüssen für die Wahrung der Rechte der Volksvertretung, für Wirtschaft, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, im Eingabenausschuss und im Ältestenrat.
Die Studie von Danker/Lehmann-Himmel zur NS-Belastung des Landtages ordnet ihn unter den fünf möglichen Kategorien als "oppositionell 'gemeinschaftsfremd'"[13] und darin als "Protagonist der Arbeiterbewegung" ein[14].
Nach der Niederlage in der Landtagswahl 1950 wählte ihn die Fraktion zu ihrem Vorsitzenden. Am 2. Oktober 1953 legte er sein Landtagsmandat nieder, weil er ebenfalls über die Liste in den Bundestag gewählt worden war, dem er bis 1969 angehörte. Als MdB nahm er an vier Bundesversammlungen teil.
Landesregierung
Schon 1946 wurde er im Kabinett von Theodor Steltzer Wirtschaftsminister. 1947 kam das Ressort im Kabinett Lüdemann Verkehr hinzu. Gleichzeitig wurde er stellvertretender Ministerpräsident. 1948 übernahm er zusätzlich kommissarisch das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Am 29. August 1949 folgte er Hermann Lüdemann als Ministerpräsident. In dieser Funktion rief er offenbar für die Landtagswahl 1950 zu einem "Burgfrieden" auf, der einen fairen Wahlkampf gewährleisten sollte.[15]
Ab 1951 gehörte er vermutlich in seiner Landtagsfunktion dem Vorstand der Deutsche Werke AG in Kiel an.[16]
Ehrungen
Am 11. November 1963 wurde Bruno Diekmann das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland durch den Ministerpräsidenten Helmut Lemke überreicht.[17] Die Verleihung datierte vermutlich vom 18. Oktober des Jahres; am selben Tag wurde Wilhelm Käber ebenso geehrt.
Stimmen
- "Der Landesvorsitzende der schleswig-holsteinischen SPD, Günther Jansen, und der Oppositionsführer im SchleswigHolsteinischen Landtag, Klaus Matthiesen, erklärten, Bruno Diekmann habe sich in den schweren und bitteren Nachkriegsjahren als Minister, Ministerpräsident und Parlamentarier um die geistige und politische Verankerung der Demokratie und besonders um den Wiederaufbau Schleswig-Holsteins verdient gemacht. Mit Bruno Diekmann verliere die schleswig-holsteinische SPD einen Mann, der nichts davon hielt, in Geschichtsbüchern verewigt zu werden, der aber in sie hineingehöre, weil er schleswig-holsteinische Geschichte geprägt und gestaltet habe. Bruno Diekmann war ein Mann mit unbestechlichem moralischen Engagement und mit politischer Standhaftigkeit. Wer wie er von den Nationalsozialisten ins Konzentrationslager geschickt wurde, konnte gegenüber den Siegermächten in seinem Kampf gegen die Demontage der Industriebetriebe nach 1945 glaubhaft die Interessen seiner Landsleute vertreten. Wer wie er 1933 Arbeit und Einkommen wegen seiner politischen Überzeugung verlor und trotzdem ihr treu blieb, konnte auf deutscher Seite als glaubhafter Anwalt für die dänische Minderheit zur Sicherung ihrer freien Entfaltung im politischen und kulturellen Leben wirken. Bruno Diekmanns Ableben rufe allen Schleswig-Holsteinern dessen geschichtliche Leistung für unser Land ins Bewußtsein."
Archive
- Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA): Pressemappe Bruno Diekmann
Literatur & Links
- Danker, Uwe / Lehmann-Himmel, Sebastian: Geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung der personellen und strukturellen Kontinuität nach 1945 in der schleswig-holsteinischen Legislative und Exekutive (Schleswig-Holsteinischer Landtag 2016) (Drucksache 18/4464)
- Fischer, Rolf: Hermann Lüdemann und die deutsche Demokratie (Neumünster 2006)
- Martens, Holger: Die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Schleswig-Holstein 1945 1959 (2 Bde., Malente 1998)
- Landtagsinformationssystem: Bruno Diekmann
- Wikipedia: Bruno Diekmann
- Datenbank Gewerkschafter in Lagern des Archivs der sozialen Demokratie Bruno Diekmann
Einzelnachweise
- ↑ Schleswig-Holsteinische Volkszeitun v. 19.04.1962
- ↑ Lt. Handbuch des Deutschen Bundestages der 5. Wahlperiode, angeführt im Landtagsinformationssystem
- ↑ Bruno Diekmann, in: Internationales Biographisches Archiv 34/1954 vom 16. August 1954, im Munzinger-Archiv
- ↑ Bruno Diekmann, in: Internationales Biographisches Archiv 34/1954 vom 16. August 1954, im Munzinger-Archiv
- ↑ Lt. Wer ist wer? (17. Ausg. 1971/73), angeführt im Landtagsinformationssystem
- ↑ Bruno Diekmann, in: Internationales Biographisches Archiv 34/1954 vom 16. August 1954, im Munzinger-Archiv
- ↑ Lt. Wer ist wer? (17. Ausg. 1971/73), angeführt im Landtagsinformationssystem
- ↑ Amtsblatt für Schleswig Holstein (Jahrgang 1950), S. ?; das Landtagsinformationssystem gibt Hausnr. 30 an, die nicht existiert.
- ↑ Lt. Mail der Friedhofsverwaltung vom 10.10.2016
- ↑ Im Handbuch des Deutschen Bundestages der 5. Wahlperiode, angeführt im Landtagsinformationssystem, ist das Jahr 1918 angegeben
- ↑ Wikipedia: Bruno Diekmann, abgerufen 21.8.2021
- ↑ Protokoll des außerordentlichen Parteitags der SPD vom 13.-15. November 1959 in Bad Godesberg, herausgegeben vom Vorstand der SPD Deutschlands, S. 619
- ↑ Vgl. Danker, Uwe / Lehmann-Himmel, Sebastian: Geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung der personellen und strukturellen Kontinuität nach 1945 in der schleswig-holsteinischen Legislative und Exekutive (Schleswig-Holsteinischer Landtag 2016) (Drucksache 18/4464), S. 173. Die fünf Kategorien lauten "exponiert nationalsozialistisch", "systemtragend karrieristisch", "ns-sozialisiert", "angepasst ambivalent" und "oppositionell 'gemeinschaftsfremd'".
- ↑ Danker, Uwe / Lehmann-Himmel, Sebastian: Geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung der personellen und strukturellen Kontinuität nach 1945 in der schleswig-holsteinischen Legislative und Exekutive (Schleswig-Holsteinischer Landtag 2016) (Drucksache 18/4464), S. 279. Grundlage ihrer Einordnung sind Akten im Landesarchiv (LASH Abt. 460.19, Nr. 855 und Abt. 605, Nr. 1992, Fasz. 3).
- ↑ Danker, Uwe / Lehmann-Himmel, Sebastian: Geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung der personellen und strukturellen Kontinuität nach 1945 in der schleswig-holsteinischen Legislative und Exekutive (Schleswig-Holsteinischer Landtag 2016) (Drucksache 18/4464), S. 340
- ↑ Lt. Wer ist wer? (17. Ausg. 1971/73), angeführt im Landtagsinformationssystem
- ↑ Plenarprotokoll vom 16. Dezember 1963, Seite 660
Fraktionsvorsitzende: Wilhelm Kuklinski (1946 - 1946) | Andreas Gayk (1946 - 1950) | Bruno Diekmann (1950 - 1953) | Wilhelm Käber (1953 - 1966) | Jochen Steffen (1966 - 1973) | Klaus Matthiesen (1973 - 1983) | Björn Engholm (1983 - 1988) | Gert Börnsen (1988 - 1996) | Ute Erdsiek-Rave (1996 - 1998) | Lothar Hay (1998 - 2008) | Ralf Stegner (2008-2021) | Serpil Midyatli (2021-2022) | Thomas Losse-Müller (2022-2023);| Serpil Midyatli (2023-heute)
MinisterpräsidentIn: Hermann Lüdemann (1947 - 1948) | Bruno Diekmann (1949 - 1950) | Björn Engholm (1988 - 1993) | Heide Simonis (1993 - 2005) | Torsten Albig (2012 - 2017)